Montag, 3. Januar 2011

Das Wahrnehmungs-Paradoxon der Wirtschaft


Seit Jahr und Tag beklagen sowohl Wirtschaftsverbände als auch namhafte Vertreter der vornehmlich konservativen und liberalen Parteien die mangelnde Flexibilität des Kündigungsschutzes in Deutschland. Dies gefährde in hohem Maße die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Zu einem aktuellen Fall jedoch gab es von diesen Seiten noch keinerlei diesbezügliche Stellungnahme zu vermelden. Dabei ist er besonders gravierend.

Hier handelt es sich aber nicht um zu unflexible arbeitsrechtliche Regelungen für Friseusen oder Krankenschwestern, bei Mitarbeitern von Autoherstellern, Sanitärfirmen oder Call-Centern. Deren Kündigungsfristen liegen, gerade in Zeiten zunehmend temporärer Arbeitsverhältnisse, häufig nur bei 4 Wochen. Zudem erfüllen diese Mitarbeiter meist auch noch nach erfolgter Kündigung ihre Aufgaben, sodass auch während dieses Zeitraums dem jeweiligen Unternehmen durch sie Gewinne erwirtschaftet werden. Ein Schaden entsteht den Unternehmen nicht. Auch belaufen sich deren Löhne nicht selten auf ein paar Hundert bis zu wenigen Tausend Euro, welche gerade für Großunternehmen mit Millionen- bis Milliardengewinnenkeine keinen ernstzunehmenden Posten darstellen.

Wenn nun jedoch der Vorstandschef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, seine Kündigung erhält, geht es nicht um Kündigungsfristen von 4 Wochen. Seit mehr als einem Jahr wird geprüft, welche der vielfältigen Vorwürfe in Richtung Nonnenmacher nicht nur der Wahrheit entsprechen, sondern wie diese auch gerichtlich beweisbar sind. Die Palette der Vorwürfe reicht vom überhohten Gehalt einer gerade durch staatliche Gelder geretteten Bank (Videobeitrag „Panorama“ ARD), Verstrickungen in die umstrittenen „Omega-Geschäfte“, umfangreichen Bespitzelungen gegenüber Mitarbeitern durch eine extern verpflichtete Sicherheitsfirma bishin zu offenbar fingierten Kinderporno-Vorwürfen gegenüber einem HSH-Manager in New York. Gleichzeitig agierte Nonnenmacher, ganz im Gegensatz zu seinen von ihm selbst geäußerten Grundsätzen, alles andere als transparent. Konkrete Nachfragen von Journalisten blieben in der Regel unbeantwortet (Videobeitrag „ZAPP“ NDR). Stattdessen versteckte sich Nonnenmacher zumeist hinter einem überlegenen Lächeln, ohne dabei auf gestellte Fragen einzugehen.

Endgültig pikant werden die Umstände um Nonnenmachers Kündigung, wenn man erfährt, dass eine rechtzeitige Kündigung aufgrund der vermuteten Umstände möglich gewesen war, so dass daraufhin keine Abfindung zu zahlen gewesen wäre, dies jedoch vom Aufsichtsrat unter dem Ex-Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper verschleppt wurde. Ist es an sich schon fragwürdig, dass die sonst immer die vermeintlich zu langen Kündigungsfristen beklagende Wirtschaft ausgerechnet das Management ihrer Unternehmen, zusätzlich zu den extrem hohen Gehältern, mit solchen langfristig datierten Verträgen ausstattet, so wird es völlig unglaubwürdig, wenn mutwillige Verzögerungen zur Beendigung der Tätigkeit zu einer Zahlungsverpflichtung durch dieses Unternehmen führen. Dass die Aufsichtsräte der Unternehmen ausnahmslos mit Managern anderer Unternehmen sowie führenden Politikern besetzt sind, beweist die vielfältigen Verquickungen und gegenseitigen Bevorteilungen. So existiert ein in sich geschlossenes System, welches sich selbst wechselseitig protegiert.

Als Begründung für diese hohen Abfindungen werden regelmäßig die abgeschlossenen Arbeitsverträge mit den Mangern angeführt. Diese müssten auf jeden Fall eingehalten werden, um einen höheren Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Es ist schon mehr als fraglich, wenn in solchen extremen Fällen von Fehlverhalten keine Gründe für eine außerordentliche Kündigung zu finden sein sollten. Im Gegensatz dazu führe jedoch die Einlösung eines Pfandbons im Wert von 1,30 Euro, welcher zwar nicht der Einlöserin, aber auch nicht dem Unternehmen gehörte, zu einem nicht wieder herstellbaren Vertrauensverlust. Hier muss zurecht die Frage gestellt werden, aus welchem Grund überhaupt Verträge mit diesen Laufzeiten und materiellen wie auch inhaltlichen Konditionen abgeschlossen werden. Verträge, denen auch deutlichstes Fehlverhalten nichts anhaben kann. Würde die deutsche Wirtschaft wirklich aufgrund der Kündigungsfristen von 4 Wochen am Rande des Exodus stehen, so würde sie keine exorbitant hoch vergüteten Managerverträge mit Laufzeiten von zwei, drei oder noch mehr Jahren abschließen. Erst recht nicht solche, welche im Mißbrauchs- oder Misserfolgsfall, dem also nachgewiesenen Fall der Nicht-Leistungserbringung, diese hohen Zahlungen vertraglich absichern.

Unter dem Strich bleibt das Paradoxon festzuhalten, dass die Vertreter der Wirtschaft einerseits Arbeitsverträge mit ohnehin schon kurzen Kündigungsfristen und niedrigen Löhnen immer noch als Bedrohung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit darstellen, gleichzeitig jedoch Verträge mit langen Laufzeiten, bei exorbitant hohen Entlohnungen, dieselbe nicht in Frage stellten. Diese Paradoxie aufzulösen, verbleibt wohl auf ewig in der Deutungshohheit der deutschen Wirtschaftsvertreter.

(Eine kurze Zusammenfassung aller Vorgänge um die HSH Nordbank ist in diesem Beitrag von ZAPP (NDR) zu sehen.)

5 Kommentare:

  1. Das ist doch ganz einfach.

    Um Spitzenkräfte zu bekommen muss man solche Verträge eingehen, ansonsten gehen die ins Ausland. Billigkräft oder Tagelöhner gibt es dagegen wie Sand am Meer und so werden diese auch behandelt.

    Und jetzt sag nicht, dass die deutschen Manager im Ausland meisst nur ausgelacht werden..das entbehrt zwar nicht einem gewissen Wahrheitsgehalt, aber da Deutschland ja Spitze ist, müssen die Manager ja auch Spitze sein und dementsprechen entlohnt werden.

    Eigentlich ne ziemlich einfache Logik, oder? ;)

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  2. @Anonym

    So einfach ist es eben nicht und deutsche Manager werden im Ausland auch nicht ausgelacht. Die wollen dort selber gar nicht hin. Das ist der Punkt. ;)

    Gerade auf der Spitzenebene findet überhaupt keine Abwanderung oder globaler Wettbewerb statt. Es wird aber so getan, als wäre das so, um die total überzogenen Gehälter hierzulande zu rechtfertigen.

    Wo sind denn dann eigentlich die japanischen Spitzenkräfte, die in ihrem Land nur maximal das Zwanzigfache des Durchschnittsgehalts ihrer Angestellten verdienen dürfen?

    Es gilt nach wie vor der Satz, im Inland konkurrenzlos, im Ausland nicht konkurrenzfähig.

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  3. Ein schöner Text - aber er ist doch wohl ironisch gemeint, nehme ich an? ;-) Es ist doch jedem Hinterwäldler klar, dass in diesem perversen System hochrangige Manager (oder solche, die so behandelt werden) zur "Elite" gehören und daher selbstredend anders zu behandeln sind als Kurt Schmitt von nebenan. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus - es ist doch offensichtlich, dass die Günstlinge des Systems immer wieder in solche "Aufsichtsräte" (welch ein Hohn) berufen, dort fürs Nichtstun horrend bezahlt werden und im Fall der Fälle dann eben solche Entscheidungen mittragen.

    Nennen wir das Kind doch beim Namen: Normale Arbeitnehmer sind in der Wahrnehmung der selbsternannten "Elite" austauschbares Gesocks, während man seinesgleichen natürlich mit entsprechender Finanzversorgung ausstattet. Das nennt man Kapitalismus. Das ist nichts anderes als ein "modernes" Feudalsystem.

    Demnach ist das kein Paradoxon, sondern systemimmanent. Und natürlich gewollt. Sie schachern sich gegenseitig die Millionen zu - alles wie gehabt. Das ist eine verlogene, geldgierige, asoziale Bande, die sich nicht einen Deut darum schert, welche Auswirkungen ihr "eigenverantvortliches" Handeln hat. Es ist zum Speien.

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  4. Von Klaus Werner
    Eine gerechte Welt wie sie der rational denkende Mensch sich seit seinem ewigen Leben wünscht, wird es so nicht geben. Um diese sich auflösende Welt gerechter werden zu lassen, müsste wir uns in die Steinzeit zurück transportieren lassen. Hier wäre der schwache Einzelne ohne seine schützende Sippe dem grausamen Tode geweiht. Stimmt? Stimmt nicht! Denn wir befinden uns noch mitten in der Ära der primitiven Steinzeitmenschen. Der winzig kleine Unterschied ist nur, das der Mensch, der seiner wichtigsten Aufgaben nachgeht, nämlich der Nahrungssuche, ein schützendes Dach über dem Kopf bauen und darauf bedacht nicht tödlich verletzt oder zu erkranken, ansonsten kann er seine Gruppenaufgaben nicht mehr erfüllen. Auch heute stehen Millionen Menschen in Kilometerlange schlagen und warten auf gespendetes Essen. Derzeit streben wieder Hunderte von Obdachlosen, weil sie kein schützendes Dach über dem nackten Kopf haben. Und derzeit sterben immer mehr kranke und verletzte Menschen auf dieser blauen Erde, weil sie keine ärztliche Versorgung erhalten. Diese Menschen haben verlernt sich der immer währenden Gefahr gegenüber zustellen. Es sind keine flinken Säbelzahntiger oder riesige Mamut mehr denen die vor Kraft strotzenden Jäger entgegentreten, nein es ist der eigene vertraute Mensch. Die Wirtschaftsbosse und Politiker sind heute unsere Jäger. Wir sind ihre Opfer. Was also soll eine Arbeiterin oder ein Arbeiter groß verursachen, wenn nicht einmal die Gewerkschaften und andere Hilfsorganisationen in der Lage sind. Je höher die Machtposition, desto stärker kommt der Tiger zum Vorschein. Der Mensch suchte eine Leitfigur. Die Kirche erkannte diese Schwäche. Sagte dem Volk wie schwach es sei ohne die Kirche. Sie sagt ja nie, dass es ohne Gott nicht ginge. Sie sagt immer „wir die Kirche bewahren dich mit Gotteshilfe vor deinem Fegefeuer. Nun aus Kirche wurde Staat und da hat das Volk nun den Salat. Jahrhunderte für dumm gehalten. Je weniger Bildung ein Volk hat, desto mehr kann man es unterdrücken und der Firmenadel und Politik wie Kirchenadel wird seine Positionen weiter intern vererben. Macht zu Macht und Volk zu Volk (Asche zu Asche ist wie Geld zu Geld und Staub zu Staub).
    Wie man das ganze Beseitigen kann? Durch das Aktive zeigen der Masse von Zorn und Enttäuschung.
    Klaus Werner

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  5. "Seit Jahr und Tag beklagen sowohl Wirtschaftsverbände als auch namhafte Vertreter der vornehmlich konservativen und liberalen Parteien die mangelnde Flexibilität des Kündigungsschutzes in Deutschland. Dies gefährde in hohem Maße die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Zu einem aktuellen Fall jedoch gab es von diesen Seiten noch keinerlei diesbezügliche Stellungnahme zu vermelden. Dabei ist er besonders gravierend."

    Ist ja auch nur eine längst widerlegte Phrase, völlig abgekoppelt von der Sinninterpretation des zu transportierenden Inhaltes (Inhalt entspräche nicht der Verpackung. Den kann man (noch) öffentlich nicht als solchen deklarieren).

    Somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass eine solche "Phrase" nicht herangezogen wird, wenn sie sich tatsächlich mit Inhalt füllt. Denn würde man sie heranziehen, müsste man sich automatisch mit dem sonstigen Inhalt beschäftigen bzw. Vergleiche, wie im obigen Artikel dargestellt, zwangsläufig herausfordern.

    Das gilt es doch wohl unter allen Umständen zu vermeiden.

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