Montag, 17. Januar 2011

Die SPD im Wahlkampf 1972

Von Stefan Sasse

Willy Brandt im Bundestag 1971
1969 ging die SPD aus den Bundestagswahlen nach der Großen Koalition zwar nicht als stärkste Partei hervor; sie besaß jedoch zusammen mit der FDP eine schmale Mehrheit von 12 Mandaten. Der damalige SPD-Vorsitzende Brandt entschied sich gegen das massive Eintreten Wehners und Schmidts für eine sozialliberale Koalition. Diese Koalition trat mit zwei zentralen Versprechen an: das eine Versprechen trat für eine Politik der Inneren Reformen an ("Wir wollen mehr Demokratie wagen", Brandt), das andere erklärte, die festgefahrene Politik mit dem Ostblock zu ändern ("Wandel durch Annäherung). Beide Teile des Programms stießen auf entschiedenen Widerstand der CDU/CSU, die sich nach 20 Jahren an der Macht um ihr "Geburtsrecht" betrogen fühlten und die Koalition wie "Putschisten behandelte, die unrechtmäßig an die Macht gekommen waren" (Günter Gaus). Der mit harten Bandagen geführte Kampf besonders um die Ostpolitik führte zum Seitenwechsel von mehreren SPD- und FDP-Abgeordneten auf die Bänke der Union, so dass die ohnehin knappe Mehrheit beständig zusammenschmolz. Im Frühjahr 1972 war dann ein Patt mit Stimmengleichheit erreicht, den der CDU-Vorsitzende für das erste konstruktive Misstrauensvotum der bundesrepublikanischen Geschichte nutzte. Obwohl er eine Mehrheit von einer Stimme zu haben glaubte, fehlten ihm am Ende zwei Stimmen aus dem eigenen Lager - dank SED-Bestechung, wie wir heute wissen, die Schmiergelder flogen tief in jenen Jahren. Die SPD plante daraufhin die erstmalige Auflösung des Bundestags über eine verlorene Vertrauensfrage und die Ausrufung von Neuwahlen im November 1972. 
 
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