Mittwoch, 2. März 2011

Schwarz-gelber Schwanengesang


Karl-Theodor zu Guttenberg hat endlich die Konsequenzen gezogen und ist nach einem unwürdigen Rückzugsgefecht, wie auch hier gefordert, zurückgetreten. Der “Lügenbaron” hat zuletzt wohl eingesehen, daß angesichts einer zunehmend erdrückenden Beweislast in der Plagiatsaffäre seine Stellung nicht mehr haltbar war. Zu viele Stellen, an denen er offenkundig plagiiert hat, tauchten auf, in der Union begann sein Rückhalt zu erodieren und schließlich wandte sich sogar sein Doktorvater von ihm ab. Time to say guttbye!

Zwar ist der Minister nicht etwa über Kundus oder die Gorch-Fock-Affäre gestolpert, sondern über eine “Schummelei”, wie es selbst Teile der Presse beschönigend nannten, aber dies ist einerlei – der “Shooting Star” der deutschen Politlandschaft, die “Lichtgestalt”, wird jetzt für eine Weile zur Zwischenlagerung ins Abklingbecken nach Bayern müssen. Eine Wiederaufarbeitung scheint zwar von Teilen der Union gewünscht, aber der Fall Kasper sollte gezeigt haben, daß selbst Politiker mit Betrug nicht so einfach durchkommen. Zudem dürfte selbst dem “schwarzen Ritter” langsam aufgegangen sein, daß er da nicht einfach nur ein Kavaliersdelikt begangen hat. Die Presse ist interessanterweise geteilter Meinung – während Heribert Prantl in der SZ ein Comeback für möglich hält, sehen Fischer/Gebauer beim SpOn eher die Möglichkeit, daß sich zu Guttenberg, wie weiland Friedrich Merz, ganz aus der Politik zurückziehen könnte. Sein Abgeordnetenmandat hat er jedenfalls bereits zurückgegeben. Wie es auch kommen mag – sicher ist, daß der scheidende Verteidigungsminister, der ja zuletzt nur noch ein “Selbstverteidigungsminister” war, in dieser Legislaturperiode keine Rolle mehr in der Bundespolitik spielen wird.

Was bleibt, ist das politische Tagesgeschäft, denn wenn nun auch noch ein wenig um die Nachfolge zu Guttenbergs gerungen und gefeilscht werden dürfte, heißt es doch: “The show must go on!” Angela Merkel und ihre Regierungsriege stehen dieses Jahr vor 6 Landtagswahlen (drei davon alleine diesen Monat) und zunehmend personellen wie politischen Problemen. Wo Prantl noch eine Chance für ein Atemholen der Union sieht, zeichnet sich eher ab, daß aus “Angela, der Stoischen” bald “Angela, die Gehetzte” werden könnte. Die Zahl der Probleme ist Legion und eines davon heißt Afghanistan. Mittlerweile stehen deutsche Truppen im zehnten Jahr am Hindukusch, töten und werden getötet, und ein Ende ist nicht in Sicht. Zudem ist ihr ja soeben der zuständige Minister abhanden gekommen, dessen Abgang entgegen seiner Aussage alles andere als ein bestelltes Haus hinterläßt. Die Affären “Feldpost” und “Gorch Fock” harren weiter ihrer Klärung, die Bundeswehr bekommt  im Zuge ihrer Reform offensichtlich ein Freiwilligenproblem und ihr Umbau zu einer Interventionsarme verlangt dringend nach einer Prüfung auf Verfassungskonformität.

Außer im verteidigungspolitischen Ressort warten aber auch jede Menge andere Herausfordungen auf Schwarz-Gelb und die uckermärkische Anführerin: Zwar hat man sich, wie kaum anders zu erwarten, mit den Erfindern bei Hartz IV auf einen faulen Kompromiss geeignet, aber der grundsätzlichen Ungerechtigkeit, die von Millionen ALG-II-Empfängern auch so empfunden wird und sich in einer wachsenden Flut von Klagen manifestiert, ist damit nicht entgegnet und die nötige Diskussion über ein BGE bzw. “Bürgergeld” (Unionsmodell) steht weiter aus. Auch bei der Gesundheitsreform erwartet die Regierung kein Schaulaufen: Die Ärzte sind bereits mißgestimmt und die Patienten werden es, mit weiterer einseitiger Belastung durch Philipp Röslers Zusatzbeiträge und die angedachte Kopfpauschale, zunehmend auch werden. Letztlich dürfte noch der Unmut der Bürger, die mehrheitlich für einen Ausstieg waren und sind, über die Verlängerung der Laufzeiten für die bestehenden AKWs hinzukommen. Bereits 2010 hat sich gezeigt, daß dieses Thema auch wieder Massen auf die Straße bewegen kann und 2011 könnten es noch mehr Menschen werden, die gegen den faulen Kompromiss mit der Atomindustrie ihre Stimme erheben.

Als wäre es mit den Sachproblemen nicht genug, verzeichnet die Koalition eine zunehmend dünner werdende Personaldecke: Bei der Union wurden führende Köpfe teils schon zeitig “weggebissen” bzw.  gingen aus eigenem Entscheid (z.B. Friedrich Merz, Roland Koch) oder aber nahmen mehr oder minder gezwungen ihren Hut, wie jetzt zu Guttenberg und vor ihm Franz Josef Jung und Horst Köhler. Bei der FDP sieht es noch düsterer aus: Außer einem recht derangierten Vorsitzenden Westerwelle (Insiderspott: “Gesterwelle”), der vor der Causa Guttenberg bereits zum Rücktritt reif schien, hat sie nur einen “Selbstversorger” Dirk Niebel, einen “Wirtschafts”minister Brüderle, dem der Ruf der Trinkfreudigkeit anhaftet, und den “Jungspund” Rösler zu bieten. Damit kann sie wahrhaftig “keinen Staat machen”. Sollte Westerwelle doch noch über seine eigenen Beine stolpern, was angesichts seiner ebenso geistlosen wie abgeschmackten Worte von der “spätrömischen Dekadenz” nicht eben unwahrscheinlich scheint, hätte nicht nur die FDP ein Problem.

Es ist noch nicht einmal “Halbzeit” für diese Koalition, aber sie kommt doch schon recht zerrupft daher. Noch nie hatte eine Regierung der Nachkriegszeit einen solchen Aderlaß zu verzeichnen und sah dabei auch noch so schlecht aus. Hätte zu Guttenberg, von Merkel wohl gleichermaßen geschätzt wie gefürchtet, sich bis Herbst gehalten, hätte eine Kabinettsumbildung eine (und wohl die einzige) Möglichkeit für die Kanzlerin dargestellt, diese Koalition über die Zeit zu retten. So aber ist der Freiherr zurück in die politische Reserve getreten und ein – eventuell – folgender weiterer Ministersturz dürfte das vorzeitige Aus für die Regierung bedeuten.
“Reserve hat Ruh”, Angela Merkel nicht.

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