Montag, 31. Oktober 2011

Lastenausgleich für Staatsfinanzen?

Von Stefan Sasse

In der Zeit schlägt Harald Spehl vor, die Staatsverschuldung durch einen neuen Lastenausgleich abzubauen. Die Idee ist von geradezu simpler Eleganz und könnte potenziell geeignet sein, das Problem tatsächlich nachhaltig zu lösen. Zur Erinnerung: der historische Lastenausgleich war das Mittel der BRD, die materiellen Folgen des Zweiten Weltkriegs möglichst gerecht unter der Bevölkerung zu verteilen und auf diese Weise Ausgebombte und Ostflüchtlinge gleichermaßen in die Gesellschaft zu integrieren. Heute ist er fast vergessen, aber er stellte eine Mammutleistung der Umverteilung dar. Zeitgenossen bezweifelten vielfach seine Wirksamkeit und Erfolgschancen, aber im Großen und Ganzen war der Erfolg geradezu gigantisch. Innerhalb kaum einer Generation gelang es, Millionen von Habenichtsen zu integrieren, indem alle diejenigen, die über Vermögen verfügten einen moderaten Satz über mehrere Jahrzehnte (bis in die 1970er Jahre hinein) in einen Fonds einzahlten, aus dem wiederum die Auszahlungsberechtigten alimentiert wurden. Ernsthaften Widerstand seitens der Betroffenen gab es kaum, denn die Zahlungen waren moderat und ließen sich quasi aus den Gewinnen der Verfügungsmasse bestreiten, und die objektive Notwendigkeit war ebenso gegeben. 

Sonntag, 30. Oktober 2011

Merkel lässt Mindestlohn prüfen

Von Stefan Sasse

Ich hatte 2010 prophezeit, dass Schwarz-Gelb innerhalb ihrer Legislaturperiode mit dem Abzug aus Afghanistan und der Einführung des Mindestlohns zwei genuin linke Themen umsetzen würden, einerseits aus einer "Nixon goes to China"-Logik heraus, andererseits auch um dem Gegner das Wahlkampfthema zu nehmen und die Umsetzung zu eigenen Konditionen durchzuführen. Zwar ist Guttenberg mittlerweile weg, aber er war trotzdem derjenige der einen Abzugstermin in die Debatte einführte (auch wenn das mittlerweile wieder untergegangen ist). Und nun kündigt Merkel an, die Einführung des Mindestlohns prüfen zu lassen. Sie geht dabei wie üblich ziemlich clever vor. Zum Einen hat sie Vertreter beider Parteiflügel beauftragt, jeweils ein Konzept zu entwickeln, und zum anderen will sie keinen "politischen" Mindestlohn, sondern eine Festsetzung durch ein "Komittee von Tarifpartnern", was auch immer das heißen soll. Da der Koalitionsvertrag die Einführung von Mindestlöhnen ausschließt, ist dieser Schritt vermutlich der cleverste. 

Freitag, 28. Oktober 2011

Falsches Schachbrett?

Von Stefan Sasse

Derzeit gibt es im Netz viel Hähme über das Titelbild von "Zug um Zug", auf dem Steinbrück und Schmidt auf einem falsch aufgestellten Schachbrett spielen. Höhö, falsch inszeniert. Wahnsinn. Als ob es bei dem Komplex nicht wichtigere Dinge gäbe. Glaubt etwa jemand ernsthaft, das wäre ein Schnappschuss? Klar ist das inszeniert.

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Der Gedanke der Frauenemanzipation in der Geschichte

Von Stefan Sasse

Suffragettenmarsch in New York, 1912
Die Gleichberechtigung der Frau ist ein Thema, das heute wie sonst nur das fließende Wasser und die Elektrizität dazu dient, die Moderne von der Zeit davor zu trennen. Im populären Narrativ waren die Frauen jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende durch den Mann unterdrückt und errangen ihren Platz in der Welt erst im späten 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Die Sichtweise der heutigen Zeit als einer erleuchteten und der Vergangenheit als einer düsteren, zurückgebliebenen aber ist anachronistisch und wenig aussagekräftig. Tatsächlich ist die Gleichberechtigung der Frau ein modernes Thema, aber vor allem deshalb, weil sie erst seit kurzer Zeit überhaupt eine Rolle spielt. Ich will im Folgenden versuchen, diesen Gedanken etwas näher auszuführen. Es soll keineswegs versucht werden, Erfolge oder Zielsetzungen der Feminismus-Bewegung zu relativieren (meine zeitgenössischen Gedanken dazu finden sich hier), sondern einen Erklärungsversuch für einige Paradoxien des bestehenden, oben skizzierten Narrativs zu finden und die Emanzipationsbewegung in einen allgemeineren historischen Kontext zu rücken. 

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Dienstag, 25. Oktober 2011

Vom Nutzen der okkupierten occupy-Bewegung

Von Stefan Sasse

Viele Redakteure und Blogger stellen derzeit fest, dass die occupy-Bewegung in Deutschland eigentlich nur Freunde und keine Gegner hat. Von Angela Merkel bis Sahra Wagenknecht erklären sich alle Politiker solidarisch, die meisten Zeitungen berichten wohlwollend und praktisch niemand stimmt Joachim Gauck in dessen unsäglich alberner Einschätzung zu. Bei vielen Beobachtern breitet sich Unbehagen darüber aus, dass etwa Merkel im Brustton der Überzeugung erklärt, die Ziele der Bewegung zu teilen und ihnen gleichsam zuzuarbeiten. Stellvertretend für diese Sicht könnte ein Zeit-Artikel stehen, der dieses Paradox noch einmal zusammenfasst. Selbst die NPD hat an ihre Mitglieder mittlerweile die Losung ausgegeben, occupy "zu okkupieren" - ein wahrlich tiefsinniges Wortspiel, zumindest für die NPD. Ist das aber tatsächlich ein solches Problem, wie viele behaupten?

Freitag, 21. Oktober 2011

Verselbstständigte Debatte

Von Stefan Sasse

Im Rahmen des Programms zum nachhaltigen Wirtschaften und dem Absenken der Staatsschulden hat sich die bürgerlich-solide Koalition jetzt darauf geeinigt, um die sechs Milliarden zum Abmildern der Kalten Progression nutzen und 1,2 Milliarden zum Aufbau des so genannten "Betreuungsgeldes" ausgeben zu wollen. Diese staatlichen Ausgabenprogramme werden dann, gleichsam dem Formelbuch eines finanzpolitischen Zauberlehrlings entnommen, ihren Teil dazu leisten einen selbsttragenden Aufschwung zu entwickeln. Oder so ähnlich. Der Vorteil an der Absurdität dieser Programme, über die Schwarz-Gelb gerade debattiert ist, dass die Regierung selbst sich keinerlei Illusionen hingibt. Wirtschaftsminister Rösler weißt den Gedanken, der große Wurf der FDP-Steuersenkungen liege endlich vor weit von sich und spricht lediglich vom Einstieg in den Ausstieg aus der Kalten Progression. Und noch bevor Sigmar Gabriel ein Mikrofon finden konnte um zu verkünden, dass die SPD das Ganze selbstverständlich im Bundesrat stoppen werde, hat ihm Horst Seehofer den Job bereits abgenommen, nicht ohne noch einmal auf das Betreuungsgeld als Ausgleich für das Elterngeld zu pochen - eine Posse sondersgleichen. Beides ist klarer Ausdruck der Verselbstständigung politischer Debatten, die - walle, walle, manche Strecke - ihren Zauberlehrlingen längst entlaufen sind. 

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Quotenfrau?

Von Stefan Sasse

In der CSU ärgern sich einige Leute. Eine Quereinsteigerin, die zuvor in der Partei völlig unbekannt war - Manuela Kiechle - wurde in den Parteivorstand gewählt. Verloren hat eine andere Kandidatin, die die Ochsentour hinter sich hatte. Die SZ mutmaßt in ihrem Artikel, dass zwei Gründe ausschlaggebend sein könnten: einerseits hat Kiechle einen prominenten Vater, Ignaz Kiechle. Der war Landwirtschaftsminister unter Kohl. Und außerdem muss die CSU die Frauenquote erfüllen. Und damit tritt auch schon ein, was ich immer sage: ob Frau Kiechle nun kompetent ist oder nicht spielt überhaupt keine Rolle. Sie hat sofort den Ruch als Quotenfrau weg. Der prominente Papa hilft auch nicht, klar. Aber schon allein dass die Quote sofort angeführt wird zeigt, welch negativen Auswirkungen sie auf Erfolge von Frauen haben kann. Ach ja, die CSU begründet die Wahl mit der großartigen Wirtschaftskompetenz, die Kiechle habe. "Wirtschaftskompetenz" heißt natürlich nicht, dass sie irgendwie wirtschaftspolitisch qualifiziert und profiliert wäre. Es heißt, dass sie in der Privatwirtschaft unterwegs war, ohne bankrott zu gehen. Hatte man das nicht von Guttenberg auch behauptet? Aber solche Fragen treten vor Herkunft und Geschlecht bereits völlig in den Hintergrund.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Ein Problem von Liquid Democracy

Von Stefan Sasse

In der Telepolis argumentiert Jörg Friedrich für die Einführung von Liquid Democracy auf Bundesebene. Der Charme der Idee sei hierbei, dass nicht einmal das Grundgesetz geändert werden müsste - man würde nur die Gewaltenteilung ernster nehmen und die Regierung quasi auf eine ausführende Funktion von vom Parlament beschlossenen Gesetzen machen. Im Parlament selbst würden die Abgeordneten "fließende" Mehrheiten bilden und sich entweder selbst zu einem Thema fortbilden oder ihre Stimme einem vertrauenswürdigen Mitabgeordneten, der sich auskennt, überlassen. Dadurch würde, so Friedrich, wesentlich mehr Bürgernähe entstehen und es könnte eine größere Vielfalt an Parteien einziehen (vorausgesetzt man kippte die 5%-Hürde). Die Idee hat tatsächlich großen Charme, könnten Abgeordnete doch tatsächlich wesentlich freier entscheiden und würde das Parlament wieder mehr zu einem Ort der politischen Debattenkultur, wo um Lösungen gerungen und Prozess wie Ergebnis dem Wähler zu einer transparenten Prüfung vorgelegt werden. Allein, das Ganze hat auch Nachteile, die bei Friedrich nicht vorkommen. 

Dienstag, 18. Oktober 2011

Lob an Schröder

Von Stefan Sasse

Kristina Schröder (Foto von Laurence Chaperon, CC-BY-SA 3.0)
Dass das schwarz-gelbe Kabinett nicht gerade unter die größten politischen Gruppierungen aller Zeiten fallen wird ist wahrhaftig Konsens. Die Riege der Minister ist voll von Fehlbesetzungen und Inkompetenz. Man ärgert sich so oft darüber, dass man vergisst, dass es auch positive Beispiele gibt. Ich gestehe: ich bin Schröder-Fan. Die Familienministerin macht ihren Job meines Erachtens nach im Großen und Ganzen sehr gut. Damit gerechnet hätte ich nicht, als sie nach der Ämterrochade mit Jung und von der Leyen unverhofft als hessisches Quotenhäschen einrückte. Ihre Doktorarbeit zeigte das Bild einer Privilegierten, und ihre bisherigen politischen Erfahrungen waren innenpolitischer Natur, als "Extremismusexpertin", wo sie hauptsächlich durch haltlose Gleichsetzungen von rechts- und linksextremistischen Umtrieben aufgefallen war. Nachdem von der Leyen mit ihrem Kinderporno-Thema und der Stoppschild-Debatte bereits das Familienministerium als innenpolitischen Profilierungshebel missbraucht hatte, schien damals mit Schröder der nächste Schritt des konservativen Rollbacks anzustehen. Ich habe mich geirrt und ihr Unrecht getan. 

Montag, 17. Oktober 2011

Die Politik und die Banken

Von Stefan Sasse

Die fortschreitende "occupy"-Bewegung zwingt die Politik derzeit dazu, Farbe zu bekennen. Anti-Banken Rhetorik ist entsprechend gerade wieder hoch im Kurs, wie bereits 2008/09. Die Vermutung, dass sie ähnlich folgenlos bleiben wird wie damals liegt nicht fern. Die Muster, in denen die Kommunikation gerade abläuft, sind sattsam bekannt. Die Protestbewegung habe keine Ziele, heißt es beispielsweise mantraartig. Warum sich diese abwegige Behauptung so hartnäckig hält ist nicht schwer zu verstehen: sie verschafft ein leicht erzähltes Narrativ. Wird diese Prämisse akzeptiert, ist es leicht, die Protestbewegung als Symptom eines Missstands zu sehen und sich nicht näher mit ihr zu beschäftigen. Es spart Zeit, und in vielen Fällen läuft es den Intentionen derjenigen, die das Narrativ nutzen, auch entgegen. Dazu kommt ein tiefes Misstrauen gegen Bewegungen, die "das System" angreifen. Dieser Angriff freilich ist derzeit mehr eingebildet als real vorhanden, richtet sich der Protest doch hauptsächlich gegen die Missstände des Finanzsektors und weniger bis gar nicht gegen "den Kapitalismus" oder "die Banken". 

Samstag, 15. Oktober 2011

Fundstück

Von Stefan Sasse

Inzwischen erkennen auch erste CDU-Abgeordnete die Zeichen der Zeit. Sehr interessant!

Freitag, 14. Oktober 2011

The West Wing: Liberaler Porno

Von Stefan Sasse

Von 1999 bis 2006 lief in sieben Staffeln die Serie "The West Wing" auf dem amerikanischen Sender NBC. Die Serie bildet, leicht dramatisiert, den Alltag von "senior staff" im Westflügel des Weißen Hauses nach. Darunter fallen der Chief of Staff, sein Stellvertreter, der Director of Communications und sein Stellvertreter sowie einige untergeordnete Rollen. Sie dienen im Weißen Haus des fiktiven Präsidenten Josiah Bartlet, eines liberalen Demokraten. Markenzeichen der Serie sind vor allem die schnellen, pointierten, intelligenten und witzigen Dialoge sowie das Befassen mit politischen Problemen, die an der Realität angelehnt sind. Wer "The West Wing" gesehen hat besitzt einen sehr guten Einblick darin, wie das US-Politiksystem funktioniert, besonders, wie es hinter den Kulissen funktioniert. Da die Charaktere allesamt Liberale aus Überzeugung sind, in einer Reinheit wie man sie in der Realität wohl nur selten findet, haben manche Kritiker die Serie als "liberalen Porno" bezeichnet, da sie eine idealtypische demokratische Präsidentschaft darstellt. Zu einem gewissen Teil trifft dieser Vorwurf zwar zu; er konstituiert allerdings eher eine Stärke der Serie als eine Schwäche.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Grenzen verwischen

Von Stefan Sasse

Mit 15 wäre ich begeistert gewesen. Heute...not so much. Irgendwie erfasst mich eine tiefe Unruhe, wenn ich den Trailer sehe. Vielleicht ist der fertige Film besser, aber irgendwie bezweifle ich es. Die Loslösung irgendwelcher gesellschaftlichen Werte zugunsten eines rigiden Ehren- und Moralkomplexes der militärischen Parallelwelt ist etwas, das man bekämpfen und nicht feiern sollte.

The 7 biggest lies about economy


Ja, ist ziemlich kurz, ziemlich pauschal, teilweise vielleicht kritikwürdig (ich meine dich, Tobias Fuentes :)), aber insgesamt trotzdem ein sehenswerter Überblick und Diskussionsanstoß. Besonders wenn man "in a nutshell" jemandem zeigen will, was die eigene Gesprächsgrundlage ist, ist das Video ganz gut geeignet. Besonders aber den Punkt mit der 70% Einkommenssteuer + höheres Wachstum mit Verweis auf die 1960er und 1970er Jahre halte ich für Unsinn.

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Geht's auch ne Nummer kleiner?

Von Stefan Sasse

Auf den NachDenkSeiten schreibt heute Hermann Zoller zur neu angelaufenen Werbekampagne Pro-S21 für die anstehende Volksabstimmung in Baden-Württemberg. Er kritisiert die Kampagne und ihre drei Plakatmotive heftig, wirft den Initiatoren vor, an "unpolitische, ja undemokratische Gefühlslagen" zu appellieren und die Menschen in einer von "Sturheit und Ignoranz" geprägten Kampagne "zu entmündigen". Warum? Weil auf den Plakaten nicht deutlich zu erkennen sei, dass sie nicht von einer neutralen Instanz, sondern von einer Interessenvereinigung verbreitet würden, weil die Zahl der 1,5 Milliarden für den Ausstieg ja gar nicht sicher sei und weil "Weiter ärgern oder fertig bauen" ein dumpfer Spruch ohne viel Inhalt sei. Man fragt sich, welche Maßstäbe Zoller hier anlegt. Handelt es sich um politische Werbung oder um eine Informationskampagne? Bei letzterem wären Zollers Einwände vielleicht ein wenig berechtigt. Da es aber um Wahlkampf geht, läuft die ganze Kritik auf hoher Drehzahl und schrill und ins Leere. Geht's vielleicht auch eine Nummer kleiner? 

Dienstag, 11. Oktober 2011

Bayrischer Rechtstaat

Von Stefan Sasse

Nachdem herausgekommen ist, dass der Staatstrojaner aus Bayern kam - kaum überraschend, war es doch das erste Bundesland, das ihn zugelassen hat - und das Innenministerium das auch bestätigen musste, ist nun die zweite Stufe des Abwehrkampfs gezündet. Nach dem Dementi ("Niemals eingesetzt") kommt nun die Relativierung ("Rechtmäßig eingesetzt"). Die dritte Stufe ("Kaum eingesetzt") wird kaum lange auf sich warten lassen. Das bayrische Innenministerium jedenfalls hat nun selbst Stellung zu der Problematik bezogen. Diese Stellungnahme "interessant" zu nennen, spottet jeder Beschreibung. 

Montag, 10. Oktober 2011

Bayrischer Innenministerium gibt Trojanereinsatz zu

Von Stefan Sasse

Der Lawblog kommentiert ausführlich, nur so viel: obwohl das bayrische Innenministerium den Staatstrojanereinsatz zugegeben hat, lügen sie gleich schon wieder. Man hat nämlich gesagt, der Trojaner sei dem zugrungeliegenden Gerichtsbeschluss verwendet worden, also legal und in Ordnung. Nur dummerweise stimmt das nicht. Der zugrundeliegende Gerichtsbeschluss verbietet genauso wie das zugrundeliegende BVerfG-Urteil das Erstellen von Screenshots; der fraglíche Trojaner hat alle 30 Sekunden einen gemacht - insgesamt 60.000 Stück! Da tun sich gerade Abgründe auf, das gibt es gar nicht.

In eigener Sache

Von Stefan Sasse

Seit vielen Jahren steht das Blog hier unter Piratenlizenz. Diese gestattet es jedermann, unter Angabe der Quelle hier befindliche Artikel, sofern sie von mir sind, überall zu kopieren, zu verbreiten und reproduzieren. Leider musste ich immer wieder feststellen, dass Artikel von mir auch ohne Quellenangabe weiterverwendet wurden. Da das Blog für mich inzwischen auch im (beruflichen) Lebensalltag wichtiger ist als es das noch 2007 war, als ich die Lizenz online gestellt habe, muss ich diese freizügige Herausgabe widerrufen. Stattdessen gilt ab sofort, dass ohne Genehmigung des Autors lediglich per Anriss auf den Ursprungsartikel aufmerksam gemacht werden darf (Beispiel). Wer den ganzen Artikel übernehmen möchte, muss Kontakt mit dem Blogebtreiber (siehe Impressum) aufnehmen und die Erlaubnis einholen. Ich antworte im Normalfall sehr schnell und mache auch nur wenige Probleme. Ich bitte allerdings um Verständnis dafür, dass ich weder die genauen Umstände, die mich zu dieser Änderung bewogen haben diskutieren will noch die Probleme, die sich mit der bisherigen Praxis ergeben haben. Eine aktualisierte Lizenzpolitik für dieses Blog findet sich an Stelle der ursprünglichen Piratenlizenz und in der Sidebar. 

Verschwörungsnachklapp zum Staatstrojaner

Von Stefan Sasse

Heute kann man bei den NachDenkSeiten verlinkt einen Foren-Beitrag bei heise.de finden, in dem die "Reaktion der Systemmedien" auf die Nachricht vom Staatstrojaner-Skandal dargestellt wird. Das Fazit: "Manipulation und Propaganda". Man kann nicht behaupten, dass SpOn und SZ sich mit Ruhm bekleckert haben. Während bei FAZ und ZEIT schon seit über 12 Stunden Artikel online standen, fanden beide andere Zeitungen es erst einmal wichtiger, am Sonntag morgen ausführlich über Vettels Formel-1-Sieg zu berichten, der sich in drei oder vier direkt untereinander angeordneten Artikeln auch noch hartnäckig auf Seite 1 hielt, als die Staatstrojaner-Meldungen bereits an vierter Stelle verschämt und notdürftig kommentiert erschienen. Es scheint, als ob die beiden eiskalt erwischt wurden und nicht in der Lage waren, schnell auf die Geschehnisse zu reagieren, geschweige denn eine irgendwie fundierte Meinung einzuholen. Was aber, um den Bogen zurückzuspannen, der Kommentator "Der Abschied" bei heise.de von sich gibt, ist einfach nur lächerlich und dient hervorragend zur Untermalung meiner Warnungen in den Debattenbeiträgen (hier und hier) mit Jens Berger.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Das Watergate der deutschen Netzpolitik

Von Stefan Sasse

Dem CCC ist gestern ein gigantischer Coup gelungen: sie veröffentlichten Teile des Quellcodes der seit ungefähr 2008 im Einsatz befindlichen Quellen-Telekommunikationsüberwachung, dem so genannten "Bundestrojaner". Was dabei herausgekommen ist hat das Zeug dazu, das Watergate der deutschen Netzpolitik zu werden. Denn was hier passiert ist, spottet jeder Beschreibung. Noch unter der Ägide von Innenminister Schäuble wurden nicht nur Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für den Einsatz des Bundestrojaners klar missachtet, sondern auch noch der Bürger bewusst belogen und ein gigantisches Sicherheitsrisiko (O-Ton CCC: "wie ein Scheunentor") geschaffen. Zur Erinnerung: der Bundestrojaner sollte ursprünglich nur die Überwachungslücke schließen, die durch das Aufkommen von Internetkommunikation, besonders etwa der Internettelefonie, entstanden war. Es wurde versprochen, dass der Einsatz stark beschränkt sein würde und dass der Bundestrojaner außerdem quasi handgemacht für jeden Einsatz angepasst werde. All das war glatt gelogen und ist ein ebenso glatter Bruch verfassungsgerichtlicher Vorgaben. 

Fundstücke

Von Stefan Sasse

Anlässlich des zehnjährigen Jahrestags des Beginns des Afghanistankriegs mal zwei ganz andere Meinungen: Klick und Klick.

Zeit-Interview mit Helmut Schmidt, bei dem man sich nur wünscht, der Mann wäre 30 oder 40 Jahre jünger. Und ich hätte mir nicht träumen lassen dass ich das mal sagen würde...

Die FAZ spekuliert über Koalitionsoptionen nach Berlin, der Stern ebenso.

Die FR basht die Linke und hat wohl Recht.

Samstag, 8. Oktober 2011

Eine Dekade des Schreckens

Von Frank Benedikt

Länger dauernd als der Zweite Weltkrieg oder auch der offene Krieg der Amerikaner in Vietnam, hat der Krieg der NATO in Afghanistan nun zeitlich mit der sowjetischen Besatzung 1979-89 oder der Belagerung Trojas gleichgezogen. Nachdem sich in Europa schon länger Kriegsmüdigkeit breit macht (sofern sich da je eine Mehrheit für einen Einmarsch fand), sind nun auch die US-Bürger mehrheitlich für einen schnellen Abzug.

10 Jahre Krieg, Folter und Mord, (vorsichtig) geschätzte 70.000 Tote, Abertausende Verwundete, Verstümmelte und Traumatisierte, dazu rund 400 Milliarden US-$ Kosten – war es das wert? Gab es je eine Chance für einen “Sieg der Demokratie”?

Freitag, 7. Oktober 2011

Was fehlt sind Heugabeln und Fackeln

Von Stefan Sasse

Insel bei Stendal in Sachsen-Anhalt ist ein kleines Dorf, rund 400 Seelen stark. Es ist eines dieser friedlich, verschlafenen Dörfchen irgendwo in der Pampa, in denen das Leben einen langsamen und geordneten Gang geht. Bis vor kurzem, zumindest. Seit einiger Zeit wohnen in dem Dorf zwei nach dem EGH-Urteil zur Sicherheitsverwahrung entlassene Sexualstraftäter, denen von Psychologen Unbedenklichkeit bescheinigt wurde. Ihr Plan war, in dem etwas heruntergekommenen Haus, das ihnen von einem Tierarzt vermittelt wurde, zu leben, es zu renovieren, einen Garten anzulegen und sich in das Dorf zu integrieren. Letzteres war vermutlich der Fehler, denn irgendwie gelangten die Informationen über ihre Vergangenheit vom örtlichen Jobcenter in die Klatsch-Kreise der Dorfgemeinde. Und die blies zu einer Hexenjagd, die es in sich hat und die einmal mehr in die Abgründe der Psyche einer gutbürgerlichen Masse blicken lässt, wenn sie erst einmal losgelassen wurde. 

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Zum Elend des deutschen Geschichtsfernsehens

Von Stefan Sasse

Man muss vermutlich dankbar dafür sein, dass die Welle der deutschen Fernsehfilme zu irgendwelchen zeitgeschichtlichen Themen inzwischen vorbei ist. Losgetreten wurde sie von "Der Untergang", dicht gefolgt von Filmen wie "Die Flucht", "Die Gustloff" und "Die Luftbrücke". Es gibt noch weitere Melodrame etwa über die Hamburger Flut, aber die vier erwähnten scheinen mir die aussagekräftigsten für das Problem zu sein, das hier besteht. Man muss es sagen wie es ist: die Machart der Filme ist stets professionell, spannend und mitreißend, die Botschaft dagegen ist revisionistische Kacke. Man verzeihe mir die harte Wortwahl, aber man kann es kaum netter sagen. Was hier präsentiert wird, erinnert in seiner süß-harmlosen Dramatik frappant an die Unterhaltungsbranche der Nazi-Zeit und in der politischen Botschaft an die Hochphase des Kalten Krieges in den 1950er Jahren und das stete konservative Amalgam der Relativierung des Dritten Reiches. Sehen wir uns die Filme kurz an.

Weiter geht's auf dem Geschichtsblog.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Weder Bürgerkrieg noch Klassenkampf - eine Replik auf Jens Berger

Von Stefan Sasse

Wir brauchen nicht darüber zu reden, dass die Medien der Agenda-Ära eine höchst unrühmliche Rolle gespielt haben. ISNM-Beauftragte als unabhängige Experten, die Bewertung sozialstaatlicher Einschnitte einzig und allein am "Schmerz", der so erzeugt wurde - je mehr, desto besser -, völlig unkritisches Bejubeln der Reformideologie und keinerlei Hinterfragen derjenigen, die daran verdienten, haben die Reformen wohl mehr diskreditiert als Schröder es je hätte tun können. Ohne die aktive Beteiligung der Massenmedien und ihre aggressive Meinungsmache, das sei unbestritten, hätte die Reformpolitik in ihrer Form nicht stattfinden können. Allein, weiter im geistigen Schützengraben zu sitzen und den notwendigen Kampf dieser Zeit unverändert fortzuführen ist meines Erachtens nach falsch und entbehrt auch der Grundlage (das Gleiche gilt im Übrigen für die aggressive Opposition gegenüber allem, was die SPD tut). Die Massenmedien haben sich gigantische Fehlleistungen zuschulden kommen lassen, und von einer ausgewogenen Berichterstattung oder einer größeren Resistenz gegenüber Kampagnen (Stichwort Griechenland) sind sie meilenweit entfernt. Sie sind aber auch nicht mehr die Sturmgeschütze des Finanzkapitalismus; dazu ist einfach viel zu viel passiert. 

Dienstag, 4. Oktober 2011

Es gibt keinen Missbrauch der Meinungsfreiheit

Von Stefan Sasse

In der Frankfurter Rundschau schreibt Sabine Schiffer zum Thema PI und anderen Islamhasserblogs: 
Verleumdung und Volksverhetzung – die Grenze zur Strafbarkeit wird überschritten. Die rechte Blogger-Szene missbraucht die Meinungsfreiheit.
Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Die Meinungsfreiheit kann man nicht "missbrauchen". Das ist ein politischer Vorwurf, ein Kampfbegriff, der einfach Quatsch ist. Entweder ist eine Aussage strafbar - etwa weil es sich um Volksverhetzung handelt - oder sie ist es nicht. Das zu entscheiden, ist eine Frage der Gerichte. Wenn eine Aussage nicht strafbar ist, ist es auch kein "Missbrauch" der Meinungsfreiheit, sie zu äußern. Es ist, im Gegenteil, ein "Gebrauch" der Meinungsfreiheit, denn genau dazu ist sie da. Die Meinung muss uns nicht passen, und sie tut es im vorliegenden Fall sicherlich nicht, aber das ändert nichts am grundlegenden Recht der PI-Leute, sie zu äußern. 

Montag, 3. Oktober 2011

Geld drucken ist nicht inflationär

... aber Geld ausgeben kann inflationär sein.

Ein Gastbeitrag von Nicolai Hähnle

Ich rede und schreibe oft über die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die eine monetär souveräne Regierung hat, um die Lebensqualität der Bürger zu verbessern. Die meisten Menschen, egal ob on- oder offline, glauben anfangs nicht so recht, was alles möglich wäre, wenn man nur das Geldsystem richtig verstehen und nutzen würde, auch wenn gar kein free lunch versprochen wird.

Der häufigste Einwand ist, dass es inflationär wäre, die von Modern Monetary Theory aufgezeigten Möglichkeiten zu nutzen. Und ja: Es ist wichtig, ernste Diskussionen darüber zu führen, wie viel Inflation für eine gut laufende Wirtschaft notwendig ist, und wodurch Inflation ausgelöst wird und wodurch nicht.

Dies ist mein heutiger Beitrag: Hört auf damit, von "Geld drucken" zu reden, das hat in den Diskussionen über Inflation nämlich nichts zu suchen.