Von Stefan Sasse
Um Wulff ist eine neue Mini-Debatte entbrannt: soll er seinen Ehrensold - also die rund 200.000 Euro im Jahr bis zu seinem Lebensende - bekommen oder nicht? An vorderster Front in der "Dagegen"-Position findet sich, sehr vorhersehbar, Hans-Herbert von Arnim, dessen Lebensinhalt es bereits seit Jahrzehnten ist, die Parteien schlecht und korrupt zu finden und der für die Einführung eines Mehrheitswahlrechts à la USA oder Großbritannien eintritt. Seine Argumentation ist dabei ziemlich simpel: Wulff sei aus persönlichen Gründen zurückgetreten, daher stehe ihm der Ehrensold im Gegensatz zu einem Rückzug aus politischen Gründen nicht zu. Das Bundeskabinett, dem wohl die Entscheidung über diese Frage zusteht, hat sich natürlich bereits hinter Wulff gestellt und erklärt, dass ihm der Ehrensold zustehe. Nach Lage der Dinge ist Wulff also aus dem Schneider, vorausgesetzt dass nicht ein gerichtliches Ergebnis der Ermittlungen und des anschließenden Prozesses dafür sorgt, dass er ihm aus rechtlichen Gründen aberkannt werden muss. Die Forderung Arnims und anderer, Wulff den Ehrensold nicht zuzusprechen, ist aber auch aus anderen Gründen Kokolores.
Zuerst einmal: ich verstehe, dass viele Leute das Bundespräsidentenamt nicht mögen. Es schrammt stets an der Grenze zur Bedeutungslosigkeit vorbei und kostet vergleichsweise viel Geld - obwohl man den Posten dafür im Bundeshaushalt vermutlich mit der Lupe suchen müsste. Würde man das Gehalt des Bundespräsidenten einsparen und auf die etwa 40 Millionen Steuerzahler verteilen, erhielte jeder einen halben Cent. Pro Jahr. Aber man muss es von einer anderen Seite her sehen. Dass der Bundespräsident nicht viel zu tun hat, ist ein gutes Zeichen. Seine Hauptfunktion ist ein Schutzmechanismus. Er muss Gesetze daraufhin überprüfen, ob sie verfassungsgerecht sind, ehe er sie unterzeichnet. Sollten im Parlament irgendwelche extremistischen Parteien an die Macht kommen oder das Bundesverfassungsgericht ausgeschaltet werden oder was auch immer - dann kann der Bundespräsident durch Verweigerung seiner Unterschrift den ganzen faulen legislativen Prozess zum Halten bringen. Er kann außerdem das Parlament auflösen, wenngleich unter strikten Bedingungen. Wir brauchen diese Funktionen nicht, und das ist ein gutes Zeichen. Aber das Vorhandensein eines Schutzmechanismus, der auch noch halbwegs dekorativ rote Teppiche abläuft und Außenminister und Kanzler so Zeit für Wichtigeres gibt, kann uns glaube ich den halben Cent im Jahr wert sein.
Dazu kommt der völlige Unfug von Arnims Hauptargument: der Rücktritt soll persönlich, nicht politisch gewesen sein. Wo bitte ist denn da der Unterschied? Der Mann ist das Amt, das Amt ist der Mann. Ansonsten machten alle vorherigen Beschwerden, dass Wulff ach so mittelmäßig sei und das Amt dadurch Schaden nehme überhaupt keinen Sinn. Wenn das Amt als solches bereits beschädigt wird, dass der Inhaber irgendwelche Flugtickets annimmt, dann ist das selbstverständlich politisch. Alles private, was der Bundespräsident tut, ist politisch, zwangsläufig. Die Trennung, an der sich Arnim hier versucht, ist vollkommen artifiziell und kann nicht aufrecht erhalten werden. Arnim sollte bei Gelegenheit seine Parteienverachtung beiseite lassen und vor seinen Tiraden etwas mehr nachdenken. Aber dann würde ihn der Spiegel vermutlich nicht mehr zitieren. Nicht gerade besser ist übrigens auch die Einmischung von Alt-Bundespräsident Walter Scheel, der "hofft", dass Wulff "klug genug ist", auf den Ehrensold zu verzichten. Was für eine Heuchelei. Wulff würde finanziellen Selbstmord begehen, wenn er auf den Sold verzichtete, und es gibt ernsthaft keinen Grund. Wenn er schon von der versammelten Öffentlichen Meinung als Sündenbock stellvertretend für alle anderen an den Pranger gestellt wird, dann kann man ihm wenigstens den Sold lassen. Dieses Nachtreten auf einen, der eh am Boden liegt, ist einfach nur ekelhaft.
Sie scheinen nicht von Armut gebeutelt zu sein...
AntwortenLöschenEs geht hier erstens um 400000-500000€ im Jahr und zweitens - viel wichtiger - political correctness. Wenn jeder Politiker sich bereichern darf, wie er will, und dann auch noch dafür belohnt wird - dann gute Nacht Deutschland.
Der Ehrensold an sich ist völlig korrekt (egal ob die Bezeichnung passend ist oder nicht), die Höhe vielleicht etwas strittig. Aber er sollte schon nur an den ausgezahlt werden, der eine dem Amt angemessene Vorbildfunktion gelebt hat. Wenn ich Geld hätte, würde ich darauf wetten, dass Herr Wulff uns in nicht allzu ferner Zukunft als Lobbyist anlächelt....
Ehre wem Ehre gebührt .
AntwortenLöschenGanz ehrlich...wer entscheidet so was? Das Tribunal der Öffentlichen Meinung? Springer? Ein Ex-Bundespräsident? Ich will nicht, dass Politiker ihre Handlungen daraufhin ausrichten müssen, ob später ihre Rente sicher ist. Das kann niemand ernsthaft wollen.
AntwortenLöschenIch finde diese ganze Debatte auch reichlich kleinkariert. Diesen Unterschied zwischen politisch und persönlich hat ja anscheinend ein dubioses Gutachten ergeben. Ich halte das auch für völlig realitätsfern, wie will man das denn zweifelsfrei feststellen? Auch Köhlers Rücktritt war ja so gesehen politisch. Solange der Präsident nicht klipp und klar sagt, dass er keine Lust mehr hat und lieber Urlaub hat, wäre alles politisch.
AntwortenLöschenUnd (auch @anonym) es darf meiner Meinung nach keine Rolle spielen, ob es eine gute oder schlechte Amtszeit war oder ob der Präsi nun ein ordentliches Vorbild war oder nicht. Bitte einmal die Geschichte der Bundespräsidenten nachlesen, die eine Hälfte war in Nazisachen verstrickt, die andere hatte auch irgendwelche Afärren wie Rau mit seinen Flügen. Da dürfte ja gar keiner mehr den Ehrensold bekommen.
Meinetwegen kann man gerne überlegen, ob es soviel mit Wagen und Sekretärin sein müsste, ich bin aber dafür, dass jeder ausnahmslos diesen Ehrensold bekommt.
Erinnere ich mich richtig, und Wulff trat just in dem Moment zurück, als die Staatsanwaltschaft seine Immunität aufheben wollte?
AntwortenLöschenWulff ist zurückgetreten um seine Haut zu retten. Sicherlich wird er aber vorher geprüft haben, ob er den 'Ehrensold' abgreifen kann.
Das unrühmliche Ende einer unrühmlichen Geschichte.
Dass diese Allimentierung (und deren Höhe) in diesem Zusammenhang bei Menschen, die trotz Vollzeitjob kaum über die Runden kommen, als ungerecht empfunden wird, ist was ganz anderes als Eintreten auf einem zu Boden Liegenden. Dieser Vergleich ist über die Maßen unsachlich...
War nix Stefan. Die Wut ist berechtigt.
Dem Schmarotzertum der politischen Kaste müssen wir (als Souverän) endlich mal entgegentreten.
Ich vernachlässige sicher nicht die Alltagsprobleme von Leuten, die trotz Vollzeitjob nur schwer über die Runden kommen, aber wir reden hier vom Präsidenten unseres Landes.
AntwortenLöschen"aber wir reden hier vom Präsidenten unseres Landes"
AntwortenLöschenOb Wulff das auch klar war ?
@Stefan: Ja, nichts anderes tun wir - wir reden über den Präsidenten. Und man kann ja auch die Meinung vertreten, dass Herr Wulff den 'Ehrensold' nicht verdient hat - oder ist das Majestätsbeleidigung.
AntwortenLöschenAuf keinem Fall ist das Nachtreten auf einem zu Boden liegenden, sondern höchstens auf einen mit jährlich 200.00€-Gebetteten.
DASS er darniederliegt, hat mit seinen persönlichen Verfehlungen (und den Umgang mit ihnen) zu tun, und ist nicht die Schuld derer, die sie offengelegt haben.
Mitleid ist im Falle Wulff fehl am Platz! Und Großzügigkeit auch.
So hört sich dass an, wenn ich über den Präsidenten des Landes rede. Wenn dort nicht viel Respekt vor dem Amt einhergeht, so ist auch dass Wolff anzulasten, der das Amt nachhaltig beschädigt hat.
Klar hat Wulff Mist gebaut. Aber die Kritik steht in keinem Verhältnis zu a) seinen Verfehlungen und b) denen anderer, die völlig problemlos davongekommen sind.
AntwortenLöschen@Stefan:
AntwortenLöschenWo und wann genau wurde denn aus welchen Gründen die "Verhältnismäßigkeit" der Kritik überschritten?
Ernstgemeinte Frage...
Wulff hat lauter Sachen angenommen, aber er hat sich nicht direkt bestechen lassen wie das bei Clement und Schröder der Fall war, beispielsweise. Warum interessiert Wulffs Bobbycar, aber nicht Schröders Gazprom?
AntwortenLöschenNa ja, das Bobbycar hat jetzt sooo hohe Wellen auch nicht geschlagen. Bis zu einem gewissen Maß hätten die Bürger ihm auch verziehen, wenn nicht diese unsägliche und unwürdige Salamitaktik, sein Bekenntnis zur Aufklärung bei gleichzeitiger Vertuschung und Anwälten als "Pressesprecher".
AntwortenLöschenMit Schröder gebe ich Dir selbstverständlich Recht. Auch das gehört verfolgt. Wie vieles andere mehr. Irgendwo muss man ja mal anfangen...
Ja, aber realistisch ist nur wenig anderes möglich. Letztlich ist es reine Willkür, was davon überhaupt als problematisch angesehen wird. Vom Upgrade der Fluglinie bis zum Urlaub in der Villa vom Kumpel - ich meine mal ernsthaft, genausogut hätte es niemand interessieren können. Dass es rauskam war eine willkürliche Entscheidung von Meinungsmachern, genauso wie das an-die-große-Glocke-hängen, und Wulff konnte das kaum vorhersehen. Das macht es nicht besser, aber wir sollten einfach aufhören, unrealistische Erwartungen zu haben.
AntwortenLöschenEine unrealistische Erwartung ist es zum Beispiel in meinen Augen zu Verlangen einen ehrlichen Politiker zu finden.
AntwortenLöschenBestenfalls findet man sojemandem noch in der Lokalpolitik.
Ab Landes- und erst recht ab Bundesebene spielt man das trügerische Spiel der Alteingesessenen mit, oder man liegt draussen. Politik besteht Heute daraus, andere Politiker auf dem Scheiterhaufen zu bringen um von den eigenen miesen Geschäften oder von der eigenen Unfähigkeit abzulenken.
Was der Wulff gemacht hat ist sicher nicht i.O. und ich denke auch dass er den Ehrensold nicht verdient.
Genauso müssten aber alle anderen Politiker im Bundestag langsam Ihre Schuld an die Bevölkerung begleichen.
Ich glaube ein Problem an der Causa ist auch, dass irgendwie alles durcheinander gewürfelt ist. Plötzlich steht eine alberne Bobbycar-Sache neben weitaus gravierenderen Dingen wie dem Kredit und den Urlauben. Glaub du hast das neulich auch mal geschrieben, ich wäre auch dafür, dass man so "Kleinigkeiten" wie Flüge und Bobbycars legalisiert und dafür nicht die dicken Fische nebenan laufen lässt.
AntwortenLöschenNebenbei gesagt ist Wulff aber auch selbst schuld, weil er sich strunzdämlich benommen hat. Mit einer weinerlichen Rede von seiner Scheidung und den darauffolgenden Problemen wäre es vllt schon erledigt gewesen. Wäre jedenfalls klüger gewesen, als mal eben bei Diekmann durchzuklingeln.
Für knapp 18 Monate Amtszeit bekommt er jetzt 16.000€ pro Monat und das bis an sein Lebensende. Nicht zu vergessen seine sonstigen Ansprüche für nochmal 23.000€ Monatlich.
AntwortenLöschenDa kann man ne Menge Hartz IV für zahlen.
Schutzmechanismus? Eine Partei, die das BVG ausschalten kann und die absolute Mehrheit hat, wird sich auch vom BP nicht lange aufhalten lassen.
AntwortenLöschenAußerdem gibts keinen Grund anzunehmen, dass jeder BP immer auf der "richtigen" Seite steht- er könnte also auch für "gute" Gesetze und entgegen der Demokratie die Unterschrift verweigern.
Eine Schweinerei das diese Vollhupe auch noch Geld, Wagen etc. erhält. Wenn man freiwillig gehthat man meiner Meinung nach keinen Anspruch. Und dieser Lügenbaron schon gar nicht. In der freien Wirtschaft würde man unehrenhaft entlassen werden und sogar noch einen Prozeß an den Hals bekommen.
AntwortenLöschenStimme dem zu! Es ist eine bodenlose Frechheit, daß dieser Mensch auch noch Knete für sein Fehlverhalten kriegen soll!!! Aus politischen Gründen zurückgetreten???? Das ich nicht lache! Der ist doch nur zurückgetreten, um seinen "Ehrensold" zu retten. Gäbe es den nicht, säße Wulff noch immer auf seinem Stuhl. Der hat rein gar nichts verdient!!! Wofür auch? Dafür das er alles verschleiert hat, rumgeeiert hat und nicht sofort - so wie es sich für einen BUNDESPRÄSIDENTEN gehört, klare Auskünfte gegeben hat? Dafür das er sich Rechte rausgenommen hat, die ihm gar nicht zustehen? Dafür daß er statt 5 Jahre nur zwei Jahre "gearbeitet" hat? Dafür das er das Vertrauen des Volkes aufgrund persönlichem Fehlverhalten und nicht aus politischen Gründen verloren hat. Das soll ja wohl alles ein Witz sein!!
AntwortenLöschenWenn ein normaler Bürger sich das in seinem Job leistet, bekommt er die fristlose Kündigung und 3 Monate Sperre beim Arbeitslosengeld. Und dieser Typ soll jedes Jahr 199.000 Euro bekommen als Rente? Das ist für alle Bürger ein Schlag ins Gesicht. Wir müssen 45 Jahre schuften für ein Taschengeld und dürfen uns nichts in unserem Job erlauben, und der ist zwei Jahre im Amt, hat nichts großartiges geleistet, hat gelogen und gedroht und soll dann auch noch jährlich soviel Geld bekommen? Mit welcher Berechtigung?????? Wenn er Anstand im Leib hätte, würde er freiwillig darauf verzichten, aber nicht mal Anstand hat er. Wir müssen auch mit 1200 Euro später auskommen. Und er hätte ja noch immer seine "tollen Freunde", bei denen er ja umsonst Urlaub machen kann und die ihm teure Upgrades in Hotels bezahlen. (Ich lach mich tot)!!!! Schade, daß ich da nicht mitreden kann. Von mir würd der keinen roten Cent bekommen!!!! Und es ist eine Ungerechtigkeit, daß dabei nicht der Wille des Volkes gefragt ist, denn es ist unser Geld, was der in den Rachen geschoben bekommt. Ich habe eine Mordswut, wenn ich daran denke!!!!!!!!!!!!!!
Blödsinn. Hätte er den Sold retten wollen hätte er eben nicht zurücktreten dürfen. Nur dann wäre er ja sicher. Einfach die Amtszeit aussitzen.
AntwortenLöschenKein Blödsinn! Wenn er aus politischen oder gesundheitlichen Gründen zurücktritt, steht ihm der Ehrensold zu. Seine Gründe waren nur persönlich, aber aus jedem persönlichen Grund kann man einen politischen Grund konstruieren. Wäre er nicht zurückgetreten und man hätte ihn später seines Amtes enthoben, hätte er gar nichts gehabt. Er ist nur zurückgetreten, um dem vorzubeugen.
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