Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
ZEIT: "Vögeln, feuern, fördern" stand da – mit diesen Worten soll ein Springer-Mitarbeiter Ihren Umgang mit Kolleginnen beschrieben haben.
Reichelt: Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Kollege das gesagt haben soll, weil es vollkommener Unsinn ist, wissen wir alle, dass ein anonymes Zitat nie in die Überschrift gehört. Es verstößt gegen alle journalistischen Standards. Dieser Artikel über mich ist ja dann auch gerichtlich verboten worden. Von der ersten Zeile, sprich der Überschrift, bis zur allerletzten. Ich habe den Eindruck, es ging gar nicht wirklich um mich als Mensch, sondern um die Vernichtung und Auslöschung politischer Gegner. Daran waren sehr viele Medien beteiligt. Die Tagesthemen haben sich für meinen öffentlich-rechtlich-kritischen Kurs gerächt und einen Aufmacher und auch noch einen Kommentar gefüllt mit Vorwürfen gegen mich, die so diffus erhoben wurden, dass man nicht mal genau erfuhr, was mir eigentlich vorgeworfen wird. Die Tagesthemen, die nur sehr ungern mit islamistischen Terroristen in Deutschland aufmachen, machen auf einmal mit mir auf, ohne überhaupt konkrete Vorwürfe zu nennen. Da wird ein neues Gesellschaftsbild mit erschaffen, das einer politischen Agenda dient. [...]
ZEIT: Man kann als Journalist durchaus auch die Existenz Israels anerkennen, ohne sich dazu vertraglich verpflichtet zu haben. Diese Klausel gibt es bei keiner anderen deutschen Zeitung.
Reichelt: Die Personalabteilung von Springer warb für "Respekt" und "Diversity" mit Plakaten, auf denen Menschen mit eindeutig islamistischer Kleidung und Gesinnung abgebildet sind. Das ist alles einem schrecklichen Zeitgeist geschuldet, der leider auch bei Springer Einzug gehalten hat. Da gab es auch intern Menschen, die mich weghaben wollten, weil sie harten Boulevard nicht mögen, sondern eine Gesellschaft der totalen Achtsamkeit wollen. [...]
ZEIT: Es hieß immer, Mathias Döpfner und Sie würden sich nahestehen – auch politisch.
Reichelt: Mathias hat ja oft öffentlich gesagt, dass er Bild als Bollwerk gegen manchen Zeitgeist empfindet. Und das stimmt. Deshalb empfinde ich es fast als tragisch, wie sich das nun dreht, weil ich ihn als großen freiheitlichen Geist kennengelernt und sogar verehrt habe. Und weil ich das Gefühl habe, dass ein solcher freiheitlicher Geist in unserer Gesellschaft derzeit massiv zurückgedrängt wird. [...]
ZEIT: Der Springer-Verlag gehört nun zum großen Teil Amerikanern. Bei Chefs mit Affären im Unternehmen kennen sie keine Gnade. Wenn sich nun die Unternehmenskultur ändert, muss dann auch Bild sich ändern?
Reichelt: Das wäre Irrsinn. Und deswegen halte ich es für eine Fehlentscheidung, mich abzuschießen. Das war Appeasement gegenüber Gruppen, die seit Jahren ganz intensiv meinen Kopf wollten. Das wird jetzt aber nicht aufhören. Die Angriffe gegen Bild, Springer und Mathias werden sich noch verschärfen. Es ist jetzt Blut im Wasser. [...]
ZEIT: Würden Sie eine zweite Agentur wie Storymachine gründen, nach dem Vorbild Ihres ebenfalls geschassten Bild-Vorgängers Kai Diekmann?
Reichelt: Nein, ich möchte keine PR machen, sondern Journalismus für die Massen. Ich liebe es, Millionen Menschen eine starke Stimme zu geben. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Woke-Wahnsinnigen, die wir gerade erleben, läuft ziemlich genau entlang der infamen Frage: War Winston Churchill ein Held oder ein Verbrecher? Für mich ist die Antwort klar: Held. Und in diesem Geiste sage ich: Never surrender! (Cathrin Gilbert, ZEIT)
Das ganze Interview mit Reichelt ist sehr lang und ausführlich und beschäftigt sich auch noch mit seiner Kündigung und der sexuellen Belästigung seiner Untergebenen sowie der Unternehmenskultur bei Springer. Die Highlights: Er hat nichts falsch gemacht, Frauen finden ihn einfach natürlich attraktiv, er ist das Opfer einer Schmierkampagne der diesen Mainstreampresse, die Unternehmenskultur bei Springer hat er "demokratisiert", die BILD würde niemals die Privatsphäre von anderen Leuten verletzen, niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten. The usual.
Die Zitate, die ich hier rausgesucht habe, möchte ich vor allem deswegen hervorheben, weil sie eine unglaublich gefährliche Radikalisierung aufzeigen, die weit über die Person Julian Reichelt hinausgeht. Der Mann spricht die Sprache eines Bürgerkriegs. Er teilt die Welt in Freund und Feind: hier diejenigen, die loyal zu ihm und seinen Ansichten stehen, und dort die anderen, der "woke Mob" und diejenigen, die zu feige sind, sich ihm entgegenzustellen. Es ist die Sprache von jemand, der den demokratischen Diskurs bereits verlassen hat, auch wenn er sich in genau dessen Erscheinungsbild zu gewanden versucht. Man täte gut daran, das zu sehen und Reichelt nicht für einen Exponenten der "bürgerlichen Mitte" zu halten. Das ist weder bürgerlich noch Mitte. Das ist Rand.
2) Angela Merkel’s most important legacy: her civility
Merkel bequeaths Germany a complex legacy – she was a capable crisis manager but a poor strategist, a canny tactician but also a source of complacency and stasis. That is all up for debate by commentators and historians over the coming years. Yet what seems certain is that she has left the way in which most of her country’s politics is conducted in a state that some other parts of the democratic world, including the UK and US, have reason to envy; a state that it is to be hoped her successors can preserve. Civility does not impede effectiveness, and arguably can improve it. Nor is it a superfluous nicety. Quite the contrary: it is in many ways the very foundation of a successful democracy, where rival perspectives and visions can stake their claim to power, and those who wield it can do so with legitimacy and maturity. Civility should not be taken for granted. To remain polite, civil and decent, as Merkel did over 16 years as the leader of one of the world’s biggest economies in the heat of successive crises, is more than a footnote. It is something fundamental: a laudable commitment to the ethos that sustains democracy and with it free and prosperous societies. (Jeremy Cliffe, The New Statesman)
Wir werden an Merkel-Nachrufen und Merkel-Analysen sicher in der nächsten Zeit noch mehr sehen, aber ich glaube, eine Sache die völlig unbestritten stehen kann, unabhängig davon wie man politisch zu ihr steht, ist die Anerkennung, dass sie die wohl charakterlich integerste Kanzlerin war (an der Stelle gibt es leider keine Option, das vernünftig zu gendern; Männer sind natürlich mitgemeint). Ich stehe einem Willy Brandt politisch wesentlich näher als Merkel, aber sein Verhalten gegenüber seiner Familie, seine permanente Fremdgeherei - so was macht eine Merkel nicht. Von ihr wäre auch keine cholerische Herabkanzelei und ständige Herabsetzung der Untergebenen wie von einem mir ebenfalls näherstehenden Helmut Schmidt bekannt, von den Bestechungsskandalen eines Kohl einmal abgesehen.
Was man sich damit kaufen kann, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Merkel hat viel für die Gesundheit des demokratischen Diskurses getan, indem sie die "civility" hochgehalten hat; ihr Politikstil hat auf der anderen Seite auch viel Schaden am demokratischen Diskurs angerichtet, weil die asymmetrische Demobilisierung und ihr "alternativlos" nicht eben dazu angetan waren, fruchtbare Debatten zu befördern. Ich denke aber, es ist absolut fair eines stehen zu lassen: sie war kein schlechter Mensch.
3) "Die Mittelschicht braucht Dienstboten" (Interview mit Oliver Nachtwey)
ZEIT ONLINE: An wen denken Sie, wenn Sie von Dienstboten sprechen?
Nachtwey: Die Mittelklasse kann ihr Mittelklassedasein in der Form nur praktizieren, weil sie von einer Reihe von Dienstboten abgesichert wird: Man hat eine Nanny, eine Zugehfrau, Hemden und Hosen gibt man zum Bügeln ab, das Essen wird bis an die Haustür geliefert.
ZEIT ONLINE: Sollte die Mittelklasse ein schlechtes Gewissen haben, weil sie andere ausbeutet, um ihren eigenen Wohlstand zu halten?
Nachtwey: Wenn man Tariflöhne zahlt und einen fairen Umgang pflegt – nicht unbedingt. Diese Form der Mittelklassenexistenz ist auch ein Resultat der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Die Emanzipation aus der Hausfrauenehe macht es für Familien und vor allem für Frauen unmöglich, Care-Tätigkeiten und gleichzeitig Erwerbsarbeit nachzukommen. Der Druck ist jetzt schon enorm. Wenn die Mittelklasse aufhören würde, Tätigkeiten zu delegieren, wäre sie nicht mehr konkurrenzfähig. Man kann sich aber fragen: Will ich so leben? Oder noch besser: Sollten wir alle so leben? Individuelle Auswege sind kaum möglich, nur kollektiv würde das gehen. Etwa durch eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit – dann bräuchte es auch diese Form der Arbeitsteilung nicht mehr.
ZEIT ONLINE: In Ihrem Buch wird sehr deutlich, dass es hierzulande eine Klassengesellschaft gibt – nur redet niemand darüber. Warum nicht?
Nachtwey: In Deutschland leugnen viele Menschen die Existenz einer Klassengesellschaft, gerade in der Mittelklasse. Einfach aus dem Grund, weil man sich gerne von den damit verbundenen Schuldgefühlen oder der Selbstkritik fernhalten möchte. Deshalb versuchen die Leute, legitime Gründe für ihren Wohlstand zu finden oder man schweigt einfach darüber. Wir schweigen ja über unser Einkommen. Das führt dazu, dass Politiker, die Privatjets haben und immer wieder CDU-Vorsitzender werden möchten, sich als Teil der Mittelklasse bezeichnen, obwohl sie zur Oberklasse gehören. Es ist keine Gesellschaftsleugnung, sondern eine Klassengesellschaftsleugnung, die da stattfindet. (Jana Gioia Burmann, ZEIT)
Insgesamt ist das ein sehr spannendes Interview, das zur Gänze empfohlen sei. Ich habe an dieser Stelle einige Anmerkungen.
Nachtwey spricht davon, dass in Deutschland die Klassenfrage generell völlig verleugnet wird, im Gegensatz zu anderen Ländern. Der Mythos der "nivellierten Mittelschichtsgesellschaft" hält sich, obgleich mannigfaltig widerlegt, hartnäckig in Deutschland, gehört geradezu in den größeren Komplex der Gründungsmythen rund ums Wirtschaftswunder. Aber das zu leugnen heißt nicht, dass es das nicht gäbe. Und dass in Deutschland die soziale Mobilität katastrophal niedrig ist, wissen wir seit mittlerweile zwei Jahrzehnten, ohne dass viel dagegen getan würde.
Die Bedeutung der Gleichberechtigung, die Nachtwey hervorhebt, habe ich auch schon öfter beschrieben. Die Frauenvollzeiterwerbstätigkeit hat die deutsche Gesellschaft nachhaltig verändert, und die Konsequenzen wurden auf vielen Feldern immer noch nicht gezogen. Hier ist besonders viel Reformpotenzial von der Ampel zu erwarten, weil sowohl Grünen als auch FDP das ideologische Festhalten der CDU am klassischen Familienmodell fehlt.
Eine kritische Anmerkung: Nachtweys Beschreibung von der Abhängigkeit von Dienstboten kann ich an mir selbst und den mir bekannten Mittelschichtenfamilien nicht erkennen. Obwohl wir zu den 15-20% der obersten Einkommensgruppe zählen (auch ein trauriges Statement), haben wir weder eine Nanny, noch eine Zugehfrau (was ist das überhaupt?), noch ordern wir Essen, noch nutzen wir professionelle Reinigungsservices für unsere Wäsche. Dafür scheint man mir nochmal weiter hochrutschen zu müssen, in den sechsstelligen Gehaltsbereich, und ob man da noch guten Gewissens von "der Mittelschicht" sprechen kann, sei mal dahingestellt.
4) Inside Trump's hunt for "disloyal" Republicans
Donald Trump and his associates are systematically reshaping the Republican Party, working to install hand-picked loyalists across federal and state governments and destroy those he feels have been disloyal, sources close to the former president tell Axios. [...] Trump is tapping his national network of allies to identify Republicans who were "weak" in 2020 because they refused to go along with his efforts to overturn the election. No office has proven too small. His apparatus touches everything from unseating governors, members of Congress, state legislators and secretaries of state, to formulating policy and influencing local school boards. One common thread with many of the candidates he's backed so far: They all support his efforts to overturn Joe Biden's victory. [...] Sources who have spent time with Trump at his Florida estate Mar-a-Lago say it's impossible to carry out an extended conversation with him that isn't interrupted by his fixations on the 2020 election. [...] Trump has called for bills instituting reforms some of his advisers say would have kept him in power. Republicans in state legislatures enacted dozens of voting laws this year — many designed in direct response to Trump's post-election pressure. Trump cheered on Georgia's sweeping voting bill, saying the GOP legislators "learned from the travesty of the 2020 Presidential Election." He added, "Too bad these changes could not have been done sooner!" At least 10 bills introduced at the state level — none yet passed — would allow partisan actors to overturn election results. [...] Trump's relentless messaging has forged an alternate reality for his followers: 58% of Republicans in an Axios/Ipsos poll last month said there was enough fraud to change the outcome of the 2020 election. Now he's harnessing that energy. (Jonathan Swan/Andrew Solender, Axios)
Die amerikanische Republik steht vor dem Fall. Wie noch irgendjemand das bezweifeln kann, ist mir völlig schleierhaft. Die Republicans werden versuchen, mittels Wahlbetrugs zu gewinnen, wenn sie nicht ohnehin eine Mehrheit der Wahlleute und der Distrikte für sich gewinnen (eine Mehrheit in der Bevölkerung ist völlig illusorisch). Ob Trump antritt oder nicht ist da mittlerweile gar nicht mehr so bedeutsam, denn in der Partei gibt keine Personen mehr, die eine Aussicht auf die Nominierung oder irgendwelche Machtpositionen hätten und der Demokratie verpflichtet sind. Stattdessen haben in der Partei offene Faschisten die Macht übernommen. Natürlich wird 2024 nicht von einem Moment auf den anderen die Demokratie aufhören, aber das hat sie in Polen und Ungarn auch nicht. Es ist ein inkrementeller Prozess, aber da die Democrats unfähig sind, ihn aufzuhalten - mangels Mehrheit im Senat - gibt es auch nichts, das diesen Trend noch brechen könnte. Ich bin sehr, sehr pessimistisch.
Ein weiterer Lestipp ist Kevin Drums Versuch, das Ganze aus Sicht der Republicans zu sehen.
Eine Gesellschaft kann ohne Versprechen nicht funktionieren, aber deren rhetorische Statik ist zerbrechlich: Um ein Versprechen als gebrochen zu empfinden, muss man voraussetzen können, dass es gehalten werden wird, kann dies aber nie garantieren – sonst wäre das Versprechen ohnehin überflüssig. Und jetzt ist genau dies eingetreten, eine Situation, in der ein Wort nicht gehalten werden kann, weil sich die Umstände zu sehr verändert haben. Denn jedes Versprechen ist auch eine Haltung auf Grundlage eines Wissens über eine erhoffte Zukunft. [...] Gerade in der Pandemie ergibt sich bei jedem getätigten Versprechen das Problem der »Diktatur der Dringlichkeit«, wie es der Autor Gilles Finchelstein formuliert. Es wird von politischen Ansprachen eine glaubwürdige Gegenwärtigkeit eingefordert, die während einer Krisensituation schlicht nicht einlösbar ist. Das anzuerkennen und zu vermitteln, wäre die Aufgabe derjenigen gewesen, die damals verkündeten, dass es keine Impfpflicht geben werde. Lindner, Söder, Habeck hätten dies anders kommunizieren müssen. »Real talk« statt »Wenn ihr brav seid, gibt’s keine Impfpflicht«. Mit ihrer damaligen Absolutheit wollten sie das Sicherheitsempfinden in einer unsteten Lage erhöhen – womit rückblickend genau das Gegenteil bewirkt wurde und für zukünftige Aussagen nun eine große Verunsicherung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit nachvollziehbar ist. Wir haben es also tatsächlich mit einem Wortbruch zu tun. An dem die Wirklichkeit mitgehämmert hat, da die Optionen ausgehen: Entweder eine morbide Realität aus Tod und Verlust zwingt die Menschen dazu, sich impfen zu lassen – oder der Staat verpflichtet sie dazu. [...] Den eigentlichen Wortbruch sehe ich jedoch an ganz anderer Stelle: nicht alles Erdenkliche getan zu haben, um das Eintreten dieser Situation zu verhindern. Denn das Versprechen, es werde keine Impfpflicht geben, zu brechen, ergab sich ja aus der Misere, dass nicht das Erhoffte eingetreten war, auf dessen Grundlage das Versprechen in erster Linie überhaupt gegeben wurde. Also: Man versprach keine Impfpflicht, mit sicherer Hoffnung auf eine ausreichende Impfquote. Im Grunde war der Satz »Es wird keine Impfpflicht geben« eine Vertrauensgeste, weil er im Subtext sich fortsetzen lässt mit: »…weil wir keine brauchen werden, weil wir Sie alle für vernünftig genug halten«. Die Wirklichkeit hat ihren Teil der Vereinbarung nicht eingehalten – aber die Regierung hat eben auch nicht genügend dabei geholfen, das zu verhindern. Mein Vorwurf ist also nicht, dass ein Wort gebrochen wurde, sondern, dass sich nicht mehr Mühe gemacht wurde, es zu halten. (Samira El Ouassil, SpiegelOnline)
Ein hervorragender Artikel. Der Hinweis, dass Politiker*innen aufpassen müssen, was für absolute Aussagen sie machen - die so genannten "Versprechen" - ist völlig richtig. Ich bin bekanntlich kein Fan des Begriffs "Wahlversprechen", aber den braucht es dafür auch gar nicht. Stattdessen relevant ist die Frage, ob eine Absichtsbekundung absolut ist oder nicht. Denn eigentlich kann niemand ernsthaft wollen, dass einmal abgegebene Absichtsbekundungen für die Ewigkeit feststehen. Was die Politik getrieben hat, in der Corona-Krise wieder und wieder markige Dinge rauszuhauen, von denen absehbar war dass sie zumindest mit einer höheren Wahrscheinlichkeit umgeworfen werden müssen und deren Flurschäden für die politische Kommunikation klar absehbar waren - ich weiß es nicht.
The assumption underlying such analyses of the 2021 contests is that most of the shift between 2020 and 2021 was due to conversion: 2020 Democratic voters moving into the GOP column in 2021. There is another possible explanation for Republican gains in 2021, however — disproportionate partisan mobilization. According to the partisan mobilization hypothesis, off-year elections often produce a shift in turnout in favor of the party that does not control the White House. While turnout drops for supporters of both parties compared to a presidential election year, out-party voters are more motivated to turn out to express their discontent with the leadership of the newly elected or reelected president. [...] The reasons for the Republican tilt of the 2021 Virginia electorate are clear in Table 1, which compares the demographic characteristics and candidate preferences of the 2020 and 2021 Virginia electorates based on exit poll data from the two elections. The data in this table show that the 2021 Virginia electorate was substantially older, Whiter, and more rural than the 2020 Virginia electorate. The most dramatic difference between the 2020 and 2021 electorates involved their age distribution. Not only were the 2021 voters considerably older, but those young voters who did turn out in 2021 were far more Republican in their preferences than the much larger group that turned out in 2020. (Alan Abramowitz, Crystal Ball)
So viel zur Theorie, die Democrats hätten mit zu viel Gerede von Critical Race Theory die Mittelschicht verloren. Es waren die Republicans, die mit strategischem Dauer-Reden über CRT ihre eigene Basis mobilisiert haben. Die Geschichte ist ziemlich unspannend, eigentlich: die eigene Partei ist nicht sonderlich motiviert, weil sie das Weiße Haus hat, der regierende Gouverneur gibt keine sonderlich glückliche Figur ab und die Opposition hat ein tolles Narrativ. Man denke mal an Roland Kochs Unterschriftenkampagne gegen Ausländer 1999, mit der er Hessen eroberte. Gleiches Prinzip.
7) "Man macht dieselben Fehler wie bei Pegida" (Interview mit Miro Dittrich)
Dittrich: Man hätte bei den ersten Demonstrationen eingreifen müssen. Aber das hat man nicht getan – weil die Leute dort angeblich so bürgerlich aufgetreten sind. Für mich ist es so frustrierend, dass sich alle Fehler wiederholen, die schon bei der Pegida-Bewegung passiert sind. Die Verantwortlichen haben argumentiert, dass sie auf die Sorgen der Bürger hören wollen – aber man hat nicht ernst genommen, was da eigentlich gefordert wurde, nämlich der Umsturz des Systems. Es hätte viel früher Strafverfolgung geben müssen, zum Beispiel, als es die ersten Mordaufrufe in Telegram-Gruppen gab. Es hat sehr lange gebraucht, bis die Sicherheitsbehörden verstanden haben, was dort passiert.
ZEIT ONLINE: Und wann war das?
Dittrich: Ein wichtiger Punkt war der Sturm auf den Reichstag. Das war eine echte Blamage für die Sicherheitsbehörden: Es gab ja eine Telegram-Gruppe namens "Sturm auf den Reichstag", in der genau angekündigt worden war, was dann passierte. Das zeigte der Polizei wieder einmal, dass das nicht nur ein paar Spinner aus dem Internet sind. Und dann gab es noch den Mord von Idar-Oberstein. Aber trotzdem hat es in Sachsen erst einen Fackelmarsch vor dem Haus einer Politikerin gebraucht, um die Demos vor Ort zu stoppen. So ganz ist das Problem noch immer nicht angekommen.
ZEIT ONLINE: Befürchten Sie, dass es weitere Gewalttaten aus der Gruppierung geben könnte?
Dittrich: Es gibt sehr viel Druck in der Szene – und eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es zu Gewalt kommt. Was sollen die Leute auch anderes machen? Sie haben demonstriert, sie haben das Internet vollgeschrieben, aber der gefühlte Untergang steht immer noch bevor. Viele Gruppen haben sich online gefunden und wollen sich jetzt offline treffen – weil sie zum Beispiel planen, den sächsischen Ministerpräsidenten zu erschießen. Es wird auch mehr Affekthandlungen geben, also ungeplante Übergriffe, weil die Leute sich in ihren apokalyptischen Welten nach einem Befreiungsschlag sehnen – und nach Applaus aus der eigenen Community.
ZEIT ONLINE: Der Bundestag will demnächst über eine allgemeine Impfpflicht beraten. Gegner dieser Maßnahme argumentieren, dass das die Szene noch stärker radikalisieren könnte. Teilen Sie diese Befürchtung?
Dittrich: Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Aber es wäre falsch, wenn wir uns davon erpressen lassen. Die Entscheidung über eine Impfpflicht sollte auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhen. Und dann müssen wir uns fragen: Wie können wir stärker gegen die radikale Szene vorgehen – und wie können wir uns vor Übergriffen schützen? Der Staat könnte zum Beispiel Impfzentren besser absichern. Oder Geschäfte dabei unterstützen, die Kontrollen der Corona-Maßnahmen durchzuführen. Und es ist wichtig, daran zu erinnern, dass es sich nur um eine kleine Minderheit handelt, die gerade durchdreht. Es gibt eine große Mehrheit, die eine klare Position zur Pandemie hat und sich deshalb an die Regeln hält. Es ist nicht "das Volk", das auf der Straße steht. (Rebecca Wiese, ZEIT)
Ich fühle mich diesbezüglich ziemlich bestätigt. Genauso wie bei Pegida - ich bin für den Vergleich seitens Dittrich hier wirklich dankbar - war das "die sehen aus wie wir" der wichtigste Grund, warum man den Extremismus laufen ließ. Ich erinnere mich noch an Sigmar Gabriels blödsinnige Tour nach Ostdeutschland, wo er mit den Leuten reden wollte. Genauso wie jetzt bei den Schwurblern war diese Bewegung schon immer, als was sie jetzt erscheint. Die Behauptung, sie habe sich radikalisiert, ist eine Schutzbehauptung, um Gesicht wahren zu können - damals war es sinnvoll zu reden, damals war es die Mitte der Gesellschaft, jetzt haben sie sich radikalisiert. Aber das ist nicht wahr. Die waren schon immer genau das, was sie sind.
Glücklicherweise hat Dittrich auch Recht damit, dass es eine kleine Splittergruppe ist. Und wenn die Obsession damit, diese Leute als die Hälfte der Gesellschaft oder gar eine schweigende Mehrheit darzustellen endlich aufhören könnte - durch die ganze Pandemie hinweg haben konstant 60-70% der Bevölkerung die bestehenden Maßnahmen ODER HÄRTERE befürwortet! -, wäre viel gewonnen. Ständig Extremist*innen zu normalisieren ist kein guter Ansatz.
Mein größter Kritikpunkt mit dem Interview ist der Satz, die Impfpflicht solle auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhen. Das ist ein Irrtum. Die Sicherheit von Impfungen, die entsprechenden Freigaben, all das kann auf wissenschaftlicher Grundlage beruhen. Die Impfpflicht aber ist eine politische Entscheidung. Man muss der ohnehin weit verbreiteten Tendenze der Politik, sich hinter "der Wissenschaft" zu verstecken und die Verantwortung aus der Hand zu geben (siehe auch: Schuldenbremse, die), nicht noch Vorschub leisten. Kein Wissenschaftler kann auf empirischer Basis sagen, ob die Impfpflicht kommen muss. Das ist eine politische Entscheidung, Kern von Regierungshandeln.
Als ausländischer Beobachter ist es mir im Grunde egal, ob die Demokratenoder die Republikaner hier die Wahlen gewinnen. Es gab in der Vergangenheit in beiden Parteien immer gute und integre Leute, und es gab ein zumindest weitgehend funktionierendes System von "checks and balances" - die Institutionen sorgten dafür, dass die regierende Partei im Rahmen des immerhin halbwegs Erlaubten blieb. Ein Problem ist, dass es die Republikaner, die Grand Old Party, wie wir sie kannten, nicht mehr gibt. Trump hat diese Partei gekapert und in eine Höllenmaschine verwandelt. Die Demokraten, wie wir sie kannten, gibt es auch nicht mehr. Die Partei umfasst zu viele Strömungen und Positionen, sie wird ihre inneren Spannungen auf Dauer nicht aushalten. [...] Was meines Erachtens in diesem Zusammenhang zu wenig Aufmerksamkeit erfährt, sind drei Faktoren. Erstens: Die Republikaner sind derzeit dabei, in von ihnen kontrollierten Bezirken und Bundesstaaten die Wahlkreise so neu zuzuschneiden, dass sie auf absehbare Zeit nicht mehr verlieren können, selbst wenn sie weniger Stimmen erhalten. Klingt absurd? Ist absurd. Das sogenannte "gerrymandering", das Zuschneiden der Wahlbezirke, ist eine Kunst, die die Republikaner in Perfektion beherrschen. Die Demokraten sind da auch alles andere als unschuldig, aber zum einen sind die Republikaner skrupelloser, zum anderen kontrollieren sie viel mehr Bundesstaaten. Zweitens: das Wahlsystem. [...] Die Republikaner haben es komplizierter gemacht, sich ins Wählerregister einzutragen. Sie haben die Zahl der Wahllokale verringert, insbesondere in Gegenden, in denen eher Minderheiten leben. Sie versuchen, die Briefwahl massiv einzuschränken. [...] Kommen wir zum brutalen Teil: Sollte Trump im Jahr 2024 nicht - mehr oder weniger legal - zum Präsidenten gewählt werden, wird der 6. Januar 2021 im Vergleich zu dem, was dann passiert, wie ein Bildungsausflug von interessierten Bürgern zum Kapitolshügel aussehen. Dann wird sich Gewalt Bahn brechen. Es würde vermutlich, hoffentlich, kein Bürgerkrieg, aber wir würden das erleben, was man "bürgerkriegsähnliche Zustände" nennt. Dass in den USA zu viele Menschen bewaffnet sind, ist bekannt, aber ich glaube, es ist in Europa vielen Leuten nicht bewusst, welche Mengen an Waffen es in diesem Land gibt, und welche kulturelle Rolle sie hier spielen. [...] Die Demokraten in den USA umfassen, wenn man es mit Deutschland vergleicht, heute alles vom linken Rand der Linkspartei bis zu Friedrich Merz. Das kann keine Partei aushalten. Deshalb verzettelt sie sich in ziellosen Diskussionen und kriegt kaum was auf die Reihe. Selbst jetzt nicht, da sie das Weiße Haus besetzt und in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit hält. Zugleich tragen viele Demokraten ihre vermeintliche moralische Überlegenheit in unerträglicher Arroganz vor sich her. Ihre Selbstgerechtigkeit ist oft atemberaubend, und dass die Demokraten in der Mitte des Landes kein Bein auf den Boden kriegen, liegt daran, dass sie absolut keine Ahnung davon haben, was die Menschen dort bewegt. (Christian Zaschke, SZ)
Ich fand diesen Artikel grauenhaft. Nicht so sehr wegen des Inhalts; wer meine eigene Analyse der aktuellen Aussichten der Democrats gelesen hat, weiß, dass weder die Gefahr für die Demokratie durch die Republicans noch die destruktiven Flügel der Democrats Argumente sind, die mir fremd sind. Was mich massiv stört ist die Attitüde. Da ist auf der einen Seite die geradezu absurde Vorstellung, dass es für uns irrelevant wäre, ob Faschisten in den USA die Macht übernehmen; als wäre das eine rein innenpolitische Frage von bestenfalls akademischem Interesse.
Auf der anderen Seite noch viel abstoßender aber ist für mich die Arroganz und Überheblichkeit von Zaschkes Haltung. Der distanzierte Bothsiderismus, in dem, neben der bereits erwähnten Distanz, eine Performance von Objektivität und analytischer Schärfe mitschwingt. Diese aber bleibt Performance. Und die erwähnte Arroganz wird nirgendwo so deutlich wie in der Idee, dass die komplette demokratische Partei "keine Ahnung hat, was die Menschen in der Mitte des Landes bewegt", er aber, der Korrespondent in Washington, schon. Dieses "nothing matters", die Weigerung, für Meinungsfreiheit und Demokratie Partei zu ergreifen, nur um sich selbst besser zu fühlen, dieses Moralisieren im Gewand einer Analyse, wird uns noch alle in den Untergang führen.
9) Abschied von Bullerbü: Baerbocks Start in die Weltpolitik
Deutschland wird in Kürze Farbe bekennen müssen, vor allem gegenüber Moskau. Aus der SPD heißt es zwar weiterhin, wie einst unter Gerhard Schröder, es könne in Europa keine Friedensordnung ohne Russland geben. Dieser alte Satz ist zwar richtig. Doch leider gilt, was Omid Nouripour, Kandidat für den Bundesvorsitz der Grünen, an diesem Wochenende festhielt: Zu einer europäischen Friedensordnung gehöre „auch guter Wille in Moskau - und der ist gerade nicht sichtbar“. [...] Das „Gebundensein durch Verantwortung“, von dem Robert Habeck zu Recht spricht, hat in keinem Feld so große Bedeutung wie in der Außenpolitik. Kanzleramt und Auswärtiges Amt müssen daran arbeiten, gegen die doppelte autoritäre Bedrohung durch Russland und China einen breiten politischen Zusammenhalt herzustellen: in Berlin, in Europa und vor allem über den Atlantik hinweg. Die Grünen gewinnen jetzt damit Profil, dass sie zumindest als erste in der Regierung sehr offen reden über die neuen außenpolitischen Herausforderungen und das damit verbundene Dilemma. Vielleicht erweisen sie sich am Ende sogar als Wegweiser für den Rest der rot-gelb-grünen Koalition. (Matthias Koch, Redaktionsnetzwerk Deutschland)
Während der "Abschied von Bullerbü" für Teile der grünen Basis sicherlich zutreffend ist, sind die Aussagen Kochs eigentlich für den Großteil des deutschen Parteiensystems passender als die Grünen, die, wie vielfach bemerkt, im Wahlkampf den schärfsten Kurs gegen China und Russland fuhren und die noch den klarsten Blick hatten (was auch nur der einäugige König unter den Blinden der deutschen Außenpolitik ist). Am schlimmsten ist eigentlich die SPD, gefolgt, merkwürdigerweise, von der CDU. Aber so oder so ist es gut zu sehen, dass sich da etwas bewegt, und wenn Baerbock es schafft, die Autonomie ihres Ministeriums vor den bereits ziemlich unumwundenen Zugriffsversuchen des Koalitionspartners zu retten ("Außenpolitik wird im Kanzleramt gemacht", Mützenich).
10) Chartbook #57: 1914, the Urkatastrophe of the 20th century
A clash of Empires, for sure. How could it have been anything else? After all, all the great powers at the time were one or other type of empire. To add any value we need to be more precise in defining the historical conjuncture. 1914 was not simply a clash of Empires. The war was a product of a distinct conjuncture, well-labeled as the ‘age of imperialism’ . This conjuncture was defined not simply by empires butting up against each other, as they had for centuries. It was a new epoch defined by a new blend of expansive geopolitical claims, empires dynamized by nation-state mobilization at their core and the imbrication of those states with the interests of the latest generation of capitalist accumulation. All of this took place against the backdrop of a vision of history and global geography that was both grand and claustrophobic. The global frontier closed in the 1890s. The stage was set for the great play of world history to begin in earnest. [...] Economic forces continue to play a key role in any plausible interpretation of World War I - in the form of Russia’s looming development and the costs of the arms race between the major power. But whereas under the sign of imperialism theory the link from geopolitical ambition to economic interests was made scandalously explicit, in more recent work the underlying economic dynamics are no longer foregrounded . The tight connection between the outbreak of war, imperial expansionism and capitalist competition has unravelled. [...] The firewall drawn between “1914” and the story of the first globalization is ideological. But it is also a weak form of ideology - a silence rather than a strong thesis. Mainstream historical accounts of the July crisis in 1914 are, in fact, based, more often than not, on a modernization theory that dare not speak its name. Accounts such as Chris Clark’s Sleepwalkers rank Western European Empires and the scrappy Balkan protagonists in developmental terms. Meanwhile, economic accounts of the late 19th century that give a civilian-socio-economic analysis of the stresses of globalization and treat 1914 as exogenous, result not just in a whitewashing of global economic development, but in strange and counterfactual history of the early twentieth century. (Adam Tooze, Chartbook)
Es ist absolut faszinierend, wie diese Epoche immer wieder neu interpretiert wird. Gerade Adam Tooze (aber auch Niall Ferguson) haben hier unglaublich wertvolle Arbeit geleistet. Die obigen Ausschnitte sind nur kleine Teile des ersten Teils einer Kurzfassung eines Essays von Tooze zu Thema, und ich kann interessierten Lesenden nur die Lektüre anraten, genauso wie die seines Buches "Sintflut". Eine Aussicht, die mich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zurücklässt, ist, dass die Periode der 1930er und 1940er Jahre in spätestens zwei bis drei Jahrzehnten vermutlich ebenfalls einer Revisionismuswelle ausgesetzt sein dürfte, und ich bin nicht sicher, ob das gut sein wird. Aber es wohl unvermeidlich.
11) Chartbook #56: The West Asian Polycrisis - From Afghanistan to Lebanon
Regions of polycrisis might be defined succinctly as zones in which the collective trouble is worse than the sum of its parts. Think of a region where climate change brings drought or a historic hurricane that crosses borders, creating misery and refugee flows, with no safe place to go. Think of regions wracked by geopolitical tensions and local rivalries. Alongside Latin America, another region that might be thought of in these terms, is the region that Fred Halliday once dubbed Western Asia, a region that stretches by way of Pakistan and Afghanistan, to Iran, Iraq, Syria, Lebanon and Turkey (figures refer to population estimates). [...] State borders in this region are some of the most arbitrary in the world. The Kurdish population of 40 million stretches across Turkey, Syria, Iraq and Iran. Millions of displaced people from Afghanistan, Syria and Iraq lived in improvised camps. The economies are interconnected through the use of multiple currencies, trade and infrastructure connections, particularly for energy. Climate change has inflicted simultaneous drought on Iraq, Iran and Afghanistan. Altogether, the region presents a landscape of crisis more intense than anywhere else in the world. (Adam Tooze, Chartbook)
Die westasiatische Region (ein passenderer Name als "Naher Osten", irgendwie) ist so etwas wie die Welthauptstadt der schlechten Nachrichten. Die Instabilität ist gerade in Fällen wie Türkei oder Iran wegen deren Rolle im internationalen Staatensystem sehr gefährlich, während sie in Fällen wie Afghanistan vor allem für die Nachbarn ein Problem darstellt - und mittelfristig auch für uns, etwa durch verstärkte Flüchtlingsströme. Was man dagegen tun sollte, ist mir völlig schleierhaft. "Fluchtursachen bekämpfen" ist eine Nullformel, ohne jeden Inhalt. Auf die Türkei ist man, wie eklig es auch sein mag, dank der Flüchtlingspolitik angewiesen. Auf den Iran hat kaum jemand Einfluss. Und so weiter. Man kann nur mit gerunzelter Stirn hinschauen und Sorge tragen.
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