Mittwoch, 1. Dezember 2021

Die Washington Post schreibt homöopathischen Unsinn über linke Kritik an deutschen 520-Euro-Bildungsplänen - Vermischtes 01.12.2021

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Tweet

Vor drei Jahren oder so ging schon mal ein Tweet darüber viral, in dem sich eine Schülerin beklagte, zwar Gedichte interpretieren, aber keine Steuererklärung ausfüllen zu können. Ich kann diesen Blödsinn nicht mehr hören. Es gibt wahrlich genug am Bildungsplan zu kritisieren, aber "Steuererklärung ausfüllen" ist kein Inhalt, der in die gymnasiale Oberstufe gehört. Aber davon abgesehen ist auch die ständige Kritik daran, dass etwas "realitätsfremd" sei oder man "es nicht brauchen kann" bescheuert. Klar wird praktisch niemand in seiner weiteren Laufbahn noch Gedichte interpretieren, aber sprachliche Gestaltungsmittel durchschauen zu können und zu sehen, wie ein Text in mir Emotionen zu wecken versucht ist nicht eben etwas, das nie mehr vorkommt. Komplete Texte durchschauen zu können genausowenig. Und natürlich rechnen die wenigsten Flächeninhalte von Quadraten unter der Hypothenuse aus, aber Regelverständnis soll auch auf anderen Gebieten hilfreich sein. Die Steuererklärung Stand 2021 dagegen ist quasi die Definition von totem Wissen, und dass Leute im selben Atemzug über Latein meckern können, weil es ja eine "tote Sprache" sei, setzt dem Ganzen die Krone auf.

2) The ‘Great Resignation’ is in Fact … Well, Great

But that’s not what the Great Resignation is. Not all of this mischaracterization was myopia. Until recently good information was spotty. We’re now finally getting robust data that shows that the historic rise in ‘quits’ is being driven by low wage workers who are quitting their jobs because they’re able to get better paying ones. We’re don’t have good data on exact income levels. But we can get a good idea from the industry breakdowns. They’re concentrated in the service and hospitality sectors and light manufacturing where wages are low. Overwhelmingly these are people in what were already grueling and thankless jobs and became, in many cases, dangerous jobs during the Pandemic. They aren’t quitting and leaving the labor market. They’re quitting because they are finding other jobs that are paying them more. That can certainly create turbulence in labor markets. And it can be part of the equation in inflationary pressures in the economy – though that’s more complicated. But by almost every measure that we’re supposed to care about that’s a good thing. Peoples’ wages are going up and that increase is concentrated at the bottom of the income scale. [...] But a small but key part of the labor force is at least temporarily waiting on the sidelines. That in turn is creating a seller’s market for labor. Workers who didn’t have other options besides their grueling low paid job are finding other job openings at higher wages. (Josh Marshall, TPM)

Marshall liegt völlig richtig. Aktuell haben Arbeitnehmer*innen soviel Einfluss wie seit den 1970er Jahren nicht, und als Folge gehen endlich einmal die Löhne rauf, vor allem in Branchen, die bisher nie profitiert haben. Volkswirtschaftlich gesehen ist das hervorragend, auch wenn es die professionellen Ausbeuter in der Dienstleistungsbranche sicherlich nervt. Man kann nur hoffen, dass ein Aufwärtsdruck auf die Löhne entstehen wird, der sich quasi wie eine Schockwelle durch das ganze System nach oben fortpflanzt. - Wer übrigens eine kritischere Sicht auf das Geschehen lesen will, sei an Kevin Drum verwiesen. Seine Fragen kann ich auch nicht beantworten, aber wichtig sind sie .

3) Der blasse Herr Bartsch oder Das politische Lazarett Linkspartei

Sein machtpolitisches Erfolgsrezept: Er schloss vor vielen Jahren mit seinen Leuten, die sich Reformer nennen, ein offensichtlich unzerstörbares (eisernes) Bündnis mit dem Flügel um Sarah Wagenknecht — das sogenannte Hufeisen-Bündnis. Eine Formation, die sich allein im Destruktiven findet, stimmt es doch alles nieder, was jenseits dieser beiden machtpolitisch orientierten Hardcore-Fraktionen, versucht, die Linkspartei programmatisch und organisatorisch lebendig zu machen. [...] Es spricht viel dafür, dass die Linkspartei so etwas wie eine Holding ist. Eine Holding, die den gemeinsamen Namen liefert ebenso wie den notwendigen rechtlichen Rahmen, den Zugang zur Parteienfinanzierung …, eben das alles, was eine wirtschaftliche Holding auch so liefert; bei letzterer stehen die einzelnen Tochtergesellschaften auch autonom, gesellschaftsrechtlich und organisatorisch für sich. Und bei der Linkspartei steht (wie bei einer richtigen Holding) jede einzelne Fraktion für sich: Deren Ziel ist es nicht, das Ganze möglichst stark zu machen, sondern nur die eigene Gruppe. Wie anders könnte erklärt werden, dass die Linkspartei sich seit vielen Jahren in härtesten öffentlich ausgetragenen — öffentlich, auf offener Bühne, nicht einmal darum bemüht, das alles in den Hinterzimmern auszutragen — Denunziationen, Intrigen, Fraktionskämpfen und verbissendsten Debatten um jedes Komma in uferlosen abstrakt formulierten Beschlussvorlagen ergeht; ihrer offiziellen Kernbotschaft zum Trotz, nach der es ihr nur um Solidarität, Empathie und das Gute geht. Das Zerstörerische hat immer einen prominenten Platz. (Wolfgang Storz, Bruchstücke)

Ich kriege richtig Nackenschmerzen vom Nicken. Die zahllosen Gliederungen der LINKEn befruchten sich tatsächlich nicht, sondern ziehen sich wie Krebse im Eimer (rote Krebse...) gegenseitig nach unten. Das kann man sich leisten, wenn man auf eine stabile Stammwählendenschaft bauen kann. Da aber neuerdings die Proteststimmen im Osten bei der AfD auflaufen, ist das nicht mehr gegeben. Die LINKE garantiert sich damit ihre eigenen Bedeutungslosigkeit, weil sie schlicht nicht koalitionsfähig ist.

4) Unbezahlte Arbeit: Das Schicksal der Betrogenen

Das Momentum Institut hat sich anlässlich des Equal Pay Day, der dieses Jahr auf den 25. Oktober fiel, den Zusammenhang zwischen dem Gender-Pay-Gap und den Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen angesehen und kommt dabei zum Schluss: Dort, wo es längere Öffnungszeiten gibt, ist auch die Einkommenslücke geringer. [...] Ist hier ein Paradigmenwechsel zu erkennen? Erkennen inzwischen auch konservativere Kreise an, dass Familien Kinderbetreuung brauchen, fragte Arbeit&Wirtschaft AK-Präsidentin Renate Anderl. „Egal, ob Vereinbarkeit von Familie und Beruf, faire Chancen für jedes Kind, bessere Arbeitsmarktchancen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mehr Fachkräfte für Unternehmen, die Stärkung des Standortes und des ländlichen Raumes oder die Gleichstellung von Frauen und Männern – Kinderbetreuung und Elementarbildung spielen dabei immer eine zentrale Rolle“, betont sie. Vereinbarkeit sei ein zentrales Zukunftsthema, bei dem Politik, Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen an einem Strang ziehen müssten. [...] Am Ende bleibt: Soll sich für Frauen etwas ändern, muss sich auch für Männer etwas ändern. Das haben inzwischen nicht nur alle Sozialpartnerinnen, sondern – theoretisch – auch alle Parteien erkannt. Der erste Schritt wäre, hier nun rasch für einen flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen zu sorgen, was – ähnlich wie im Bereich der Pflege – nicht nur den Bau von Kindergärten und Horten, sondern vor allem die Ausbildung von Personal, in diesem Fall von Elementarpädagog:innen, erfordert. (Alexia Weiss, Arbeit&Wirtschaft)

Ich tute bereits seit Jahren in dieses Horn. Die eine große Ursache des Gender-Pay-Gap ist der Gender-Care-Gap: solange Frauen unverhältnismäßig die Last der Kinderbetreuung und des Haushalts aufgebürdet bekommen, werden sie auf schlechter bezahlten Stellen sein, weniger befördert und arbeiten in Teilzeit. Das kann niemanden, der nicht mit ideologischer Brille und irgendwelchen Geschichten von "die wollen das so" an die Sache herangeht, ernsthaft überraschen.

Entsprechend muss der Ausbau der Kinderbetreuung höher auf die Agenda, einerseits. Und andererseits ist es tatsächlich, wie im Artikel angesprochen, nötig, einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Das heißt gleichmäßigere Verteilung der Belastung und Arbeitszeit für sie und ihn, das heißt eine geänderte Kultur, das heißt andere, weniger toxische Männerbilder. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.

5) Der Traum von einem neuen Bildungsföderalismus

Die Parteien definieren das Kooperationsgebot als "eine engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation aller Ebenen", was schön konkret klingt, nur dass es das natürlich überhaupt nicht ist. Das geben die künftigen Ampelpartner dann auch noch im selben Absatz des Koalitionsvertrages selbst zu, indem sie schreiben: "Soweit erforderlich, bieten wir Gespräche über eine Grundgesetzänderung an". [...] Das ist der Teil des Traumes vom durchfinanzierten Bildungsföderalismus, und diese Passagen des Koalitionsvertrages lesen sich durchweg begeisternd: Die Weiterentwicklung des Gute-Kita-Gesetzes, ausgehend von den Ergebnissen von Monitoring und Evaluation hin zu einem Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards. Also: weiter Bundesgeld für die Kitas, wenn die Länder sich dafür auf einheitliche Standards und damit auf Verbesserungen bei den Betreuungsrelationen, der Sprachförderung und einem, wie es heißt, "bedarfsgerechten Ganztagsangebot" einlassen. Weiter erleichtert wird den Ländern der Schritt zur bundesweiten Harmonisierung durch ein weiteres Investitionsprogramm zum Ausbau von Kita-Plätzen, durch die Förderung der digitalen Ausstattung und digitalen Didaktik der Kitas und die Verstetigung des Programms "Sprachkitas". Auch für die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbildung und -betreuung hat es die Ampel auf einen bundesweiten Qualitätsrahmen abgesehen, natürlich darf ebenso ein Bekenntnis zur Weiterfinanzierung bisheriger Angebote wie dem MINT-Aktionsplan oder dem "Haus der Kleinen Forscher" nicht fehlen. (Jan-Martin Wiarda)

Eine der größten Hoffnungen, die ich in die FDP und ihre Besetzung des Bildungsministeriums setze, ist eine stärkere Abkehr vom Bildungsföderalismus. Zwar spart der Koalitionsvertrag die  Schulen praktisch komplett aus und konzentriert sich auf die Kitas, schon allein, weil hier die zu überwindenden Widerstände WESENTLICH geringer sind. Aber die Richtung, in die das ganze geht, könnte Spielräume für eine neue Föderalismusreform öffnen. Ich hoffe schwer, dass die anderen Parteien auf das Gesprächsangebot der FDP eingehen werden. Als kleinen Seitenhieb: ich erwarte jetzt eine Verdammung der FDP als verfassungsfeindlich durch Stefan Pietsch, weil sie fordert, die Verfassung zu ändern, obwohl sie keine Zwei-Drittel-Mehrheit hinter sich hat.

6) Ein klassisches Tauschgeschäft: Der eine bekommt einen höheren Mindestlohn, der andere eine Verfestigung und Ausweitung der Minijobs. Trotz vieler Gegenargumente

Minijobs sind kein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung: »Für die meisten Beschäftigten sind Minijobs kein Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Die schiere Größe des Niedriglohnsektors und seine jahrelange Existenz haben Minijobs in einigen Branchen zum Geschäftsmodell gemacht. In Kleinbetrieben verdrängen Minijobs sozialversicherungspflichtige Stellen. Somit ist es bei einem Jobverlust schwierig, einen sozialversicherten Job in der gleichen Branche zu finden, zumal Minijobber in der Regel auch keine Weiterbildungsangebote erhalten. Die einzige Gruppe, die es regelmäßig schafft, nach einem Minijob einen regulären Job zu finden, sind junge Menschen, die parallel zur Minijobtätigkeit studieren oder noch zur Schule gehen.« [...] Man muss sich verdeutlichen, was diese Festlegung bedeutet: Aus den 450 Euro-Jobs werden im kommenden Jahr in einem ersten Schritt 520 Euro-Jobs und dann wird es einen Automatismus bei der Dynamisierung der Einkommenshöhe für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse dergestalt geben, dass diese Grenze immer an 10 Stunden Arbeit pro Woche zu den jeweils konkreten Mindestlohnhöhen ausgerichtet (und angehoben) wird. Und fast schon putzig ist dann ein Satz, der im Ampel-Sondierungspapier an den Absatz, der eine Verfestigung und sogar eine Ausweitung des Minijob-Sektors beinhaltet, angehängt wurde: »Gleichzeitig werden wir verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden.« Klar, kann man mal behaupten und als semantische Beruhigungspille in den luftleeren Raum sgtellen, auch wenn die Befunde aus der Arbeitsmarktforschung mit Blick auf diese beiden Stellen [...] ganz überwiegend negativ ausfallen. (Stefan Sell, Aktuelle Sozialpolitik)

Die Beibehaltung der Minijobs scheint mir einer der vielen Fälle zu sein, in denen die wissenschaftliche Lage zwar ziemlich eindeutig ist, aber aus politischen beziehungsweise identitätspolitischen Gründen eine Abkehr von der etablierten Praxis schwierig ist. Als steuerfreier Nebenerwerb für Schüler*innen, Studierende oder Rentner*innen ist das Instrument ja super geeignet, und auch für Zweitjobs ist es vorstellbar. Aber der Nachteil ist eben deutlich: ein Feststecken in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen. Das ist auch ein Problem, das sich durch die Grenze selbst nicht regeln lässt - die Steuer- und Abgabenfreiheit muss ja irgendwo enden, und bei dieser Grenze wird immer auch die Blockade sein, an der ausbeuterische Arbeitgebende die Arbeitnehmenden scheitern lassen. - Eine weitere Kritik findet sich auch im Neuen Deutschland, wenn das jemand lesen will.

7) War der Wechselunterricht gar nicht so schlecht?

„Bulimie-Lernen ist eine Katastrophe“, sagte Joachim Maiß, Schulleiter und Vorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung und knüpfte damit an den Beitrag von Julia Knopf an. Diese hatte zuvor von den anstehenden Abitur-Klausuren mit teils drei Prüfungen in einer Woche berichtet. Im berufsbildenden Bereich beobachte er, dass Schüler teils zwei Noten schlechter seien, wenn sie Wissen anwenden und nicht bloß reproduzieren sollten. „Wir müssen in die Lehrpläne rein“, unterstrich Maiß. Es sei viel zu wenig gestrichen worden, dabei sei dies notwendig, um Zeit für die Schülerinnen und Schüler zu haben: „Das wichtigste ist ja nicht eine Note an sich, sondern diese Note auch interpretieren zu können.“ Letztlich seien die Prüfungen „das Ergebnis des abzuprüfenden Wissens, das die Lehrpläne der Bundesländer und die Standards der Kultusministerkonferenz vorgeben“, verweist Knopf auf das Problem der Zuständigkeiten. Die Lehrpläne verkleinern sei aber ein notwendiger erster Schritt und in der Folge müssten „Recherche- und Selbstlernkompetenz“ gestärkt werden. (Benjamin Fischer, FAZ)

Ich bin zunehmend frustriert mit den Bildungsplänen und der etablierten Prüfungspraxis. Ich erlebe genau das oben beschriebene Problem in meiner täglichen Praxis: es werden viel zu viele Stunden Unterricht gegeben, viel zu viele Leistungsfeststellungen (meist im normiert-starren Klausurverfahren) abverlangt, viel zu viele Korrekturen ohne Sinn und Verstand angefertigt. Der Lerngewinn ist sehr überschaubar. Das Schlimmste daran ist, dass es den Boden für echtes Lernen, für Neugier, für Interesse vergiftet: was nicht prüfungsrelevant ist, wird abgelehnt, weil es Zeitverschwendung scheint. Es istz um Heulen.

Und bekannt ist das alles seit Jahrzehnten. Aber ständig wird nur noch feiner justiert, werden die Bildungspläne voller, detaillierter, werden die Vorschriften für Leistungsfeststellungen enger, die Anforderungen normierter. Dabei wäre genau das Gegenteil notwendig.

8) Homöopathie und Pandemie: Nein zum Impfen aus Liebe zur Natur

Nirgendwo fand diese Einstel­lung eine so weite Verbrei­tung wie in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz. Heute sind diese drei Hoch­burgen der Homö­opathie die drei Länder mit den höchsten Anteilen an Unge­impften in West­europa. [...] Inner­halb Deutsch­lands genießt die Homö­opathie vor allem in Bayern und Baden-Württem­berg Ansehen. Der baye­rische Land­tag geneh­migte noch Ende 2019, kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie, eine 800.000 Euro teure Studie zu der Frage, „ob durch homö­opathi­sche Mittel der Einsatz von Anti­biotika redu­ziert werden kann“. Nach hitziger Debatte gab es aus drei Frak­tionen genü­gend Ja-Stimmen: CSU, Freie Wähler und Grüne. SPD und FDP schüttelten sich. Die sozial­demo­kratische Gesund­heits­expertin Ruth Wald­mann sprach von „Unfug“, der finanz­poli­tische Sprecher der FDP-Land­tags­fraktion, Helmut Kalten­hauser, von unfass­barer Geld­verschwen­dung: „Wenn das so weiter­geht, schmeißt die Staats­regie­rung noch eine Million Euro für eine Studie aus dem Fenster, die eruieren soll, ob Exor­zisten wirklich den Teufel austreiben können.“ Die Abge­ordnete Susann Enders von den Freien Wählern indessen konterte, SPD und FDP sollten aufhören, auf die Homö­opathie ein­zu­prü­geln: „Wer heilt, hat recht, ob es Ihnen passt oder nicht.“ (Matthias Koch, Redaktionsnetzwerk)

Ich mag den Spruch von Otmar S., dass es sich bei der Homöopathie um das "Trickle-Down der Nicht-Ökonomen" handelt. Eine Theorie, die sich durch keinerlei Empirie beweisen lässt, aber so einfach und griffig ist, dass sie zahlreiche Anhänger*innen hat und einfach nicht totzukriegen ist. - Es bleibt einfach ein Skandal, dass Homöopathie von den gesetzlichen Krankenkassen (von den privaten sowieso, die bezahlen ja wirklich jeden Scheiß) bezahlt wird, medizinisch notwendige Eingriffe und Hilfen aber nicht. Und aus Furcht vor der wohlhabenden Schicht, die diesem Blödsinn anhängt, macht die Politik das parteiübergreifend mit, wobei die unrühmlichste Rolle sicherlich von den Grünen eingenommen wird, die bis vor Kurzem noch die Partei der Esotheriker waren (mittlerweile scheinen die eher zur AfD abzuwandern; good riddance). Aber da ist immer noch viel zu viel Unsinn am Werk.

9) War movie about defeat of US Army is now China’s biggest film ever

A Chinese propaganda movie depicting the defeat of the US Army has become the country’s highest-grossing film of all time. The three-hour-long war epic, “The Battle at Lake Changjin,” has made a whopping $892 million in the communist country since it was released there on Sept. 30. It has now surpassed the 2017 action flick “Wolf Warrior II,” which previously held the record for China’s highest-grossing movie, with $882 million in box office receipts. As the Chinese box office is the largest in the world, “The Battle at Lake Changjin” is also now the highest-grossing film of 2021 worldwide, according to Variety. [...] The film is based on the Battle of Chosin Reservoir — a military campaign that occurred during the Korean War. The brutal, 17-day battle took place in late 1950, shortly after the People’s Republic of China entered the war in support of North Korea. Against all odds, 120,000 Chinese troops managed to encircle and attack US forces and their allies. While the Americans were eventually able to break free, they were subsequently forced to evacuate the region, marking their complete withdrawal from North Korea. “The Battle at Lake Changjin” — which cost $200 million to make — was sponsored by the Chinese government, which is said to be delighted at the success of the propaganda film. (Andrew Court, New York Post)

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10) Nur noch fünf Fernsehsender?

Was die inhaltlichen Anforderungen betrifft, ändert sich wenig. Erneut hebt der Entwurf hervor, dass der ÖRR „für alle“ da sein müsse, nicht nur für das Bildungsbürgertum oder Zuschauer über 60. Ausdrücklich erwähnt wird die Selbstverpflichtung, „die Möglichkeiten zu nutzen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus der Beitragsfinanzierung erwachsen“. Hinter dieser verschämten Formulierung versteckt sich die unmissverständliche Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts, ein „Gegengewicht“ zu den kommerziellen Sendern und zur privaten Presse zu bilden, um die Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Unterhaltungsformate sollen nur dann eine Berechtigung haben, wenn sie „einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen“, also Bildung, Kultur oder Information transportieren. [...] Würde die angepeilte Strukturreform tatsächlich 2025 durch eine Finanzreform ergänzt, welche die Rundfunkgebühr an die Inflationsrate koppelt, ergäbe sich – trotz allen Süßholzraspelns über Zukunftsfähigkeit und Modernisierung – eine Vollbremsung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn jede Weiterentwicklung müsste künftig durch interne Einsparungen gegenfinanziert werden, ein Rückbau wäre unvermeidlich. Und genau das ist das Ziel derer, die das öffentlich-rechtliche System seit jeher „verschlanken“ wollen. Während der Digitalverband Bitkom nur die neun Landesrundfunkanstalten auf sieben reduzieren und die vielen Tochtergesellschaften der Sender „privatisieren“ möchte, verlangt die CDU/CSU-Mittelstandsunion – ähnlich wie die AfD – eine Fusion von ARD und ZDF, eine Reduzierung der linearen TV-Vollprogramme und den Verzicht auf Sport- und Unterhaltungsformate zugunsten privater Sender. Es ist wohl kein Zufall, dass der Vorsitzende der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, in wohlmeinenden Presseorganen seit einiger Zeit stark nach oben gelobt wird. (Wolfgang Michal, Freitag)

Dass die CDU massiv Interessenpolitik für die Privatsender betreibt ist nichts Neues, das macht sie seit 40 Jahren mit großem politischen Gewinn (und in diversen Fällen auch individuell finanziellem). Gleichzeitig sehe ich aber durchaus den Sinn bei einigen dieser Reformvorschläge. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Öffentlich-Rechtlichen im Unterhaltungssegment konkurrieren sollten. Sportübertragungsrechte und Ähnliches können problemlos von den Privaten abgedeckt werden. Auch eine Zusammenlegung von Sendern beziehungsweise eine Digitalisierung macht absolut Sinn. Gerade die Programme für's Bildungsbürgertum tun es auch als Streaming-Angebot. Dass eine Festschreibung der Rundfunkgebühren (inflationsbereinigt) auf dem jetztigen Niveau die ÖR killen würde, sehe ich nicht. Die Gebühren sind ziemlich hoch, und eine Indexierung an die Inflationsrate reicht völlig.

11) How will the media cover Trump in 2024? Insiders are sounding the alarm.

With ominous signs mounting that Donald Trump really may run again for president in 2024, a debate has begun to simmer in newsrooms: How can the press avoid the pitfalls in covering Trump that bedeviled 2016 and 2020? More broadly, how do you cover a candidate who is explicitly anti-democracy while simultaneously maintaining both the media’s conventions of nominal objectivity and its small-L liberal commitments? [...] To be clear, many in the press take this challenge extremely seriously, as Dan Froomkin’s overview of ongoing coverage changes in response to it usefully demonstrates. But still, coming from those two top journalists, recognition of the problem and a frank acknowledgment that the solution remains broadly elusive constitute a loud, clanging alarm from within. [...] So here are a few suggestions for proceeding: Let’s stop saying Trump and/or his supporters “actually believe” 2020 was stolen. This formulation is baseless — we don’t know what they “actually believe” — and effectively downplays the gravity of the current threat to democracy. By casting this as a matter of personal belief — or personal loyalty to Trump — it obscures the degree to which the lying represents propaganda expressly designed for a deliberate instrumental real-world purpose. [...] No more platitudes about “deep divisions” and “two different realities." [...] Boosting Trump’s election lies is not clever politics. [...] When bad actors manufacture “an issue,” it isn’t necessarily news. (Greg Sargent, Washington Post)

Ich bin extrem skeptisch, dass die Leitmedien irgendetwas aus den vergangenen Jahren gelernt haben. Ich glaube sofort, dass ernsthafte Journalist*innen Befürchtungen und haben und Überlegungen anstellen. Aber gegen schlechte institutionalisierte Praktiken von 40 Jahren und eine gründlich erlernte Panik vor den Rechten wird das nicht ankommen. Und dementsprechend werden die Lügen der Republicans auch 2024 (von 2022 gar nicht erst zu sprechen) mit großer Wahrscheinlichkeit funktionieren, wird die Demokratie weiter beschädigt werden. Ich lass mich gerne positiv überraschen, aber ich bin sehr pessimistisch.

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