Dienstag, 22. April 2008

Der VdK reiht sich ein

Die Mai-Ausgabe der VdK-Zeitung bringt auf der ersten Seite eine kleine, fast unscheinbare Meldung. Beinahe wirkt es so, als schämten sich die Macher ein wenig dafür, doch davon kann man nicht ausgehen. Ich zitiere den Artikel zur Gänze, da er nur wenige Zeilen umfasst:
"Sozialverband VdK fordert eine Pflicht zur Riester-Rente
Das Zögern der Politik bei der zusätzlichen Altersvorsorge erhöht nach Ansicht des VdK die Gefahr, sozial abzustürzen. Wer nicht vorsorge, dem könne Altersarmut drohen, warnte VdK-Präsident Walter Hirrlinger. Der VdK fordert, dass neben der gesetzlichen Rente eine obligatorische betriebliche Altersvorsorge aufgebaut wird, in die Arbeitnehmer und Arbeitgeber paritätisch einzahlen. "Wo das nicht möglich ist, brauchen wir eine Pflicht zur Riester-Rente", so Hirrlinger. Freiwillig hätten bisher nur zehn Prozent aller Beschäftigten eine solche Versicherung."
Nun auch noch der VdK, der in den Chor einstimmt, wonach die staatliche Rente nicht mehr ausreiche, man sich privat versichern müsse. Warum sie nicht mehr ausreiche, warum nur zehn Prozent aller Beschäftigten riesterversichert sind, scheint dem VdK nicht von Relevanz zu sein. Lieber fordert man Zwang, wenn die Menschen nicht so spuren, wie es die Politik will oder wenn sie einfach die finanziellen Mittel nicht aufbringen können, um nebenbei Vorsorge zu betreiben. Wissen wohl Hirrlinger und die VdK-Oberen, dass sie mit so einer Aussage die umlagefinanzierte Rente weiter diskreditieren, ihr das Fundament untergraben? Dass sie denen Aufwind geben, die von einer in Agonie liegenden gesetzlichen Rentenversicherung delirieren? Kann man von Mutwilligkeit des VdK sprechen oder ist es Arglosigkeit?

Wenn ein Sozialverband solche Töne äußert, wenn er nicht fähig ist, kritische Worte zu finden, zu einer Praxis, die jegliches Vertrauen in die staatliche Rente unterminiert; wenn zudem die Verpflichtung zur Privatrente gefordert wird (schöner "freier" Markt, der Zwang als Grundlage von Profitmaximierung duldet), dann muß man sich fragen, wo der Bürger sich noch fachgerecht vertreten fühlen soll. Es ist unbegreiflich, wenn ein Sozialverband in das altbekannte Klagelied einstimmt, wonach man ja keine Alternativen anbieten könne. Es steht a priori fest und ist unumstößlich in der öffentlichen Diskussion: Man muß privatvorsorgen. Alternative Ansätze, wie man die gesetzliche Rentenversicherung wieder festigen, wie man den Menschen wieder Vertrauen einflössen kann, damit sie um die Vorteile der Umlagefinanzierung wissen, werden beim VdK überhaupt nicht auf den Tisch gebracht. Nein, man reiht sich uniform in die herrschende Meinung ein, die durch Propaganda entstanden, zur gültigen Wahrheit wurde. Wie war das noch gleich bei Orwell mit der Lüge, die in die Geschichte einging? Der VdK tut sein Bestes, um aus dieser Lüge eine historische Wahrheit zu machen, so wie es viele Verbände, Organisationen, Behörden, Privatmenschen, Unternehmer usw. tun, um aus einer fadenscheinigen Prämisse, die finale Wahrheit abzuleiten. Für den VdK jedenfalls, der Millionen von Rentner vertritt, scheint die umlagefinanzierte Rente ein Auslaufmodell zu sein, dem man keine Unterstützung mehr angedeihen lassen will.

Wo soll der Bürger noch Vertrauen fassen, wenn selbst ein Sozialverband in die Irrlehren neoliberaler Apologeten einstimmt? Wenn ein Sozialverband so tut, als gäbe es zum ökonomischen Zeitgeist keine Alternative mehr? Man kann nur resigniert feststellen, dass der VdK keine Alternative sein kann, sofern er die gleichen Lieder singt wie jene, die das Vertrauen in die staatliche Rente zerstören wollen. Im Gleichschritt unterwerfen sich sämtliche Verbände und Organisationen den herrschenden "Wahrheiten" und vollziehen somit eine stille Gleichschaltung. Mehr und mehr fühlt man sich in eine alternativlose Gesellschaft gepresst, in der man zwischen denen, die einen vertreten und jenen, die einzig ihre Partikularinteressen durchgesetzt wissen wollen, nicht mehr unterscheiden kann. Man kommt sich vor, wie Orwells Farmtiere, die am Fenster stehend beobachten, wie die Schweine mit den Menschen verhandeln: "Die Tiere draußen blickten von Schwein zu Mensch und von Mensch zu Schwein, und dann wieder von Schwein zu Mensch; doch es war bereits unmöglich zu sagen, wer was war."

Ein Gastbeitrag von Roberto J. De Lapuente.

4 Kommentare:

  1. Ich begreifs nicht. Die gesetzliche Rente ist in Schieflage. Sie MUSS es zwingend sein, wenn (Stichwort: demografische Entwicklung) die Zahl der Beitragszahler sinkt und die der Leistungsempfänger zunimmt und gleichzeitig auch noch die individuelle Dauer der Einzahlungen im Verhältnis zur Dauer der Leistungsgewährung abnimmt. Das System der Umlagefinanzierung hat prima funktioniert, solange es diese Entwicklung nicht gab. Jetzt funktioniert es nicht mehr. Was ist daran so schwer zu begreifen oder zu akzeptieren???

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  2. "Ich begreifs nicht." - Richtig erkannt!

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  3. Du hast vollkommen recht. Nur ist meine Schlussfolgerung ebenso wie die von Autor Roberto eine andere: man muss gegensteuern und die sozialversicherungspflichtigen Jobs fördern und die unsinnige Förderung der Minijobs begrenzen.

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  4. Mein Senf:

    1. Ich frage mich ernsthaft: Wieso bitteschön soll ein privates Unternehmen, das in ca 50 Jahren meine Rente zahlen soll mich besser versorgen können als der Staat?
    Wie viel % der heutigen Versicherer wird es 2060 noch geben? Wer weiß?

    2. Natürlich ist dieses Riester-Renten-Dings ein Riesengeschäft für die Versicherer:
    Ich bin Riesterversichert und als ich gesehen hab, was da an Verwaltungskosten draufgeht, hätte ich an die Decke gehen können...
    Ohne die staatliche Zulage wäre das ein Minusgeschäft... Liegt natürlich an der geringen Einzahlung, aber so gehts dann halt allen die nicht viel einzahlen können / wollen!

    3. Ja, wir haben zuwenig Beitragszahler. Oder die zahlen zu wenig ein. Aber wieso macht es sich hier der Gesetzgeber "so leicht" und verschiebt die Verantwortung auf die Privaten?
    Anstatt unser System mal kräftig zu reformieren?

    4. Ich muss sagen ich bin und bleibe ein Fan vom Schweizer System:
    - Pflichtversicherung
    - Jeder bekommt die gleiche Grundrente, die deutlich über der Armutsgrenze liegt
    - KEINEN beitragsbemessungssatz. Jeder zahlt x% vom Gehalt, auch Großverdiener

    Dieses System ist mal wirklich solidarisch...
    Natürlich haben die Schweizer dafür ein ganz anderes Einkommenssteuersystem...

    Aber ich persönlich würde lieber solidarisch in eine Rentenkasse einzahlen, als das Gefühl zu haben bei der Einkommenssteuer mit dem Spitzensteuersatz "geschröpft" zu werden...

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