Dienstag, 1. März 2011

Schwerer Schlag für Zeitarbeit

Von Stefan Sasse

Bei all den guten Nachrichten wegen des Rücktritt Guttenbergs sollte man nicht vergessen, dass das Bundesarbeitsgericht eine letztlich bedeutendere, Strahlkraft entwickelnde Entscheidung gefällt hat: sämtliche Tarifverträge der Christlichen Zeitarbeitsgewerkschaften (CGZP) sind wirkungslos. Wer jetzt verständnislos den Kopf schüttelt, weil er von diesen Gewerkschaften nie gehört hat, muss nur wenig Asche auf sein Haupt streuen (aber zumindest ein bisschen!). Diese "christlichen" Gewerkschaften machen den Markt sei den Agenda-Reformen unsicher, indem sie mit Arbeitgebern der Zeitarbeitsbranche Tarifverträge abschließen, die deutlich unter denen der "normalen" Gewerkschaften liegen - Stundenlöhne von 5 Euro pro Tarifvertrag sind keine Seltenheit. Machenschaften dieser Scheingewerkschaften, die kaum Mitglieder haben, sind zum ersten Mal beim Streit zwischen PIN und Post zum Tragen gekommen und haben es den Zeitarbeitsfirmen ermöglicht, den equal-pay-Grundsatz weiträumig zu umgehen. Diese Praxis hat das Bundesarbeitsgericht jetzt beendet, indem es den CGZP einfach die Tarifmächtigkeit abgesprochen hat. Diese Entscheidung war überfällig. 

Auf die Zeitarbeitsbranche kommen damit Forderungen in Milliardenhöhe zu, einmal von klagenden Zeitarbeitern (wobei die wohl eher schlechte Karten haben werden), zum anderen aber auch von den Sozialkassen selbst, die Nachforderungen für nicht bezahlte Beiträge ab 2005/6 stellen können. Die meisten Zeitarbeitsfirmen werden kaum in der Lage sein, diese Forderungen zu erfüllen und deswegen Konkurs anmelden müssen. Überleben werden  das nur wenige, es steht also zu hoffen, dass Wolfgang Clement sich bald einen neuen Job suchen muss. Wenn noch Zeitarbeitsfirmen danach am Markt bestehen, werden diese nicht mehr auf dem Geschäftsmodell arbeiten können, den Staat und die Arbeiter um Milliarden zu betrügen, sondern tatsächlich nur noch für Auftragsspitzen Arbeiter anbieten können. Wenn die Regierung nicht neue Gesetze erlässt, die den Zeitarbeitsfirmen doch neue Auswege ermöglichen, dürften zumindest die schlimmsten Auswüchse dieser Branche passé sein. 

Was allerdings wirklich schlimm daran ist: es war wieder einmal die demokratisch nicht legitimierte Justiz, die eine Entscheidung zum Wohle der Allgemeinheit gegen die Interessen einiger weniger hat treffen müssen. Das Einfallstor für diesen großangelegten Betrug der Gesellschaft hat Rot-Grün eröffnet, indem es die Zeitarbeitsfirmen mit äußerst großzügigen Rahmenbedingungen arbeiten ließ und nichts gegen die Auswüchse unternahm (dass die CGZP keine Tarifmacht hat war bereits Jahre bekannt). In der Großen Koalition tat die SPD immer noch nichts gegen die mittlerweile deutlich erkennbaren Probleme, die die Zeitarbeit schuf (Verdrängung regulärer Arbeit, Aushöhlung der Sozialsysteme durch Beitragsumgehung). Und seit Schwarz-Gelb am Ruder ist tut sich auf diesem Feld ohnehin nichts. Wie lange soll es noch so weitergehen, dass die obersten Gerichte - allen voran das Bundesverfassungsgericht - in Deutschland den Job machen, den eigentlich das Parlament hat? Wann endlich kommt eine neue Generation Politiker, die endlich neue Visionen für eine deutsche Gesellschaft des 21. Jahrhunderts hat? Die aktuelle hat offensichtlich abgewirtschaftet.

18 Kommentare:

  1. Warum meinst du denn, werden die Zeitarbeiter schlechte Karten haben? Weil die zu verteilenden Mittel für sie nicht mehr ausreichen werden oder aus einem anderen Grund?

    Leider kann ich nicht recht daran glauben, dass es damit ein Ende hat, einfach weil ja nicht nur christliche Gewerkschaften mit Zeitarbeitsfirmen Tarife ausgehandelt haben. Das betrifft wohl vor allem die kleineren Betriebe, während die Großen munter weiterdumpen werden.

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  2. Weil die Verträge teilweise viel kürzere Verjährungsfristen vorsehen (siehe SZ-Artikel) und das Klagen durch Instanzen problematisch, teuer und aufwändig ist. Außerdem werden die eh bankrott gehen, du glaubst doch nicht ernsthaft dass die nur die Forderungen der Sozialkassen bezahlen können oder?
    Und klar, das beseitigt das Problem nicht. Aber es ist ein Anfang.

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  3. Zuerst mal:
    es gibt KEIN equal pay in der zeitarbeit.
    Auch die anderen zeitarbeitsfirmen haben tarifverträge abgeschlossen, die nicht regelwidrig sind. Deshalb werden leiharbeiter in den ausleihbetrieben nach den tarifen der zeitarbeitsfirmen und nicht nach den tarifen der entleihfirmen bezahlt. Das macht dann unterschiede von gut 50% bis 150% je nach arbeitsfeld.

    Zeitarbeiter verdienen nach dn regulären tarifverträgen der branche ca 6 - 8,50 € im industriellen bzw. kaufmännischen bereich. Es gibt durchaus ausnahmen, aber das sind wirklich sonderfälle.

    Es ist mir immer wieder ein rätsel, wie über eine so einfach zu durchschauende geschichte wie entlohnung in der zeitarbeit soviel unsinn geschrieben werden kann, aber das ist ja leider bei ALG II auch nicht anders. Der im moment noch gut abesicherte bürgerliche normalo, scheint sich darum ja wohl nicht kümmern zu müssen/wollen. Leider.
    bel

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  4. Da hast du etwas mißverstanden.

    Der deutsche Gewerkschaftsbund ist tariffähig. Seine ausgehandelten Stundenlöhne und miesen Arbeitsbedingungen gelten weiter.

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  5. Ob die „Zeitarbeiter“ wirklich schlechte Karten haben, muss man abwarten. Regelungen über Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag unterliegen der AGB Kontrolle und können schon von daher ungültig sein. Sofern es einen Verweis im Arbeitsvertrag auf das nunmehr für ungültig erklärte Tarifwerk gab, so ist dies auf jeden Fall hinfällig.
    Unabhängig davon ist aber jede Forderung individuell geltend zu machen und einzuklagen. Da gibt es keinen Mechanismus, schon gar nicht für die Sozialkassen.

    Dass es Milliarden Nachzahlungen geben wird, bezweifle daher ich mal. Die Pleite einer ZAF bedeutet auch nicht, dass Zeitarbeit vom Markt verschwindet, sondern dass es dann Neugründungen geben wird.

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  6. Klar ist der DBG tariffähig, warum auch nicht?

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  7. Nach einem Bericht vor einiger Zeit im TV ist es ein deutsches Phänomen, Leiharbeiter schlechter als Festangestellte zu bezahlen. In Frankreich ist es wohl umgedreht, Leiharbeiter bekommen mehr als Festangestellte, weil sie mehr Risiken tragen. Sollte man mal überlegen, warum das so ist, und ob es sich wirklich nicht ändern ließe.

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  8. "Wenn die Regierung nicht neue Gesetze erlässt, die den Zeitarbeitsfirmen doch neue Auswege ermöglichen, dürften zumindest die schlimmsten Auswüchse dieser Branche passé sein. "
    Wenn ich mir unsere Regierung so anschaue ... die Auswege werden kommen.
    So lange die obersten Gerichte, wie du sagst, den Job der Parlamente machen müssen, werden diese immer nur im Nachhinein als Korrektiv wirken. Siehe Hartz IV: Gericht beschließt die Unrechtmäßigkeit der Regelsatzberechnungen, Neuberechnungen werden vorgetäuscht, am Ende ist steht ein neuer Regelsatz, der genauso unrechtmäßig ist wie der Alte. ---> Muss man sich das Bundesverfassungsgericht als glückliches Gericht vorstellen? Wie lange gelingt diesen Richtern wohl das Leben im Absurden?

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  9. dass sich diese Gewerkschaften auch noch "christlich" nennen, ist das perfideste an der ganzen Geschichte; aber das kennen wir ja auch von sogenannten christlichen Parteien, denen es eigentlich nur um Geld und Macht geht

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  10. Auf den christlichen Glauben kann man sich ebenso vielfältig wie auch auf die Natur berufen, wenn man irgend einen Murks rechtfertigen will. Die meisten denken an Nächstenliebe, CDU und Co jedoch eher an die gottgewollte Eigenverantwortlichkeit.

    Das kann man vielfältig auslegen und eben z.B. meinen, der Staat müsse sich schon deshalb aus dem Leben seiner Bürger heraus halten, um ihre Verantwortung für sich selbst nicht zu gefährden (ges. Mindestlohn, Sozialleistungen etc.).

    Da sich das der neoliberalen Ideologie recht deutlich annähert, kann man's ganz wunderbar damit unterfüttern, d.h. einfach mal dran glauben, dass es besser sei, die freien Märkte alles nötige Regeln zu lassen, um so die Macht des bösen Staates etwas einzudämmen.

    Dass auch Arbeitgeber nicht selten zu Despoten für ihre Angestellten werden, interessiert hierbei offenbar nicht, denn das ist ja so schön effizient.

    Man sollte darüber nachdenken, ob für ein eigenverantwortliches Leben nicht ersteinmal gewisse Rahmenbedingungen von egal wem geschaffen werden müssen. Ist ein von Privaten geknechteter Sklave etwa frei, weil sich der Staat aus seinen Belangen heraushält?

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  11. Zu dem Kommentar von 13:43. Dass Deutschland eine Ausnahme sei, ist wieder ein Mythos. Nein, Frankreich ist die Ausnahme - Frankreich, wie immer - ich predige seit langem, dass Frankreich das sozialistischste Land der EU ist, nebenbei bemerkt. Das Frankreich-Beispiel wurde im Zuge der Zeitarbeitsdebatte mal in einer Talkshow gebraucht - ich glaube von Wagenknecht bei Anne Will. Keiner der Kontrahenten hat da angemessen reagiert. Seitdem argumentiert man ständig mit der franz. Regelung. Frankreich ist massivst überreguliert, die Hürden für den Einstieg in den Arbeitsmarkt sind so hoch wie nirgends sonst. Insofern erfüllt Zeitarbeit dort auch nicht integrierende Zwecke. Praktisch in Ganz-Europa sonst steht Equal Pay im Gesetz, mit tariflichen Einschränkungen - generell oder für bestimmte Gruppen. DEN/SWE etwa oder Niederlande - dort gibts Equal Pay erst nach einem halben Jahr. Abzuwägen sind eben Auftragsspitzen vs. Qualifikation/Integration.

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  12. "Wenn die Regierung nicht neue Gesetze erlässt, die den Zeitarbeitsfirmen doch neue Auswege ermöglichen"
    Gibt es irgendwelche Gründe, warum die das nicht machen sollten?

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  13. Genug Scheiße mit S21, Landtagswahlen und gutti-Rücktritt.

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  14. Die Regierung muss keine neuen Gesetze erlassen, um irgendwelche Ausflüchte zu ernöglichen.
    Die Entscheidung des BAG ist darin begründet, dass das Konstrukt der christlichen Gewerkschaften ursprünglich nicht tariffähig war, Inzwischen ist das aber abgestellt worden. Die aktuellen Tarifverträge zur Zeitarbeit der christlichen Gewerkschaften sind daher auch gar nicht betroffen.

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  15. @Wehner

    Das ist nicht möglich.

    Die Tariffähigkeit ist mit der Begründung abgesprochen, dass die Gewerkschaft zu wenige Mitglieder hat.
    DARAN HAT SICH NICHTS GEÄNDERT.

    JEDER SOLLTE SOFORT KLAGEN.

    Aber wie viele werden es tun?

    Und werden einfach weiterarbeiten?

    Nur ein gesetlicher Mindestlohn , der staatlicherseits kontrolliert wird, und dessen Nichteinhaltung zu Geldstrafen von 1000000 Euro und mehr führt.

    Wird wirklich etwas ändern.

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  16. Nee, siehe hier:
    http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=15001

    Über die Tariffähigkeit der einzelnen CGB Gewerkschaften ist auch gar nicht enzschieden worden.

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  17. Naja nicht alle Zeitarbeitsfirmen sind schlecht. Es gibt auch noch die Guten in der Branche.

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  18. Auch die Zeitarbeitsfirmen werden von Menschen geführt, oder Unmenschen.So ist das Leben ein ewiges hin und her.Ich glaube auch an das Gute...

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