Donnerstag, 31. Oktober 2019

Männer trainieren bei Bernd Lucke Ungleichheit in Thüringen und Chile - Vermischtes 31.10.2019

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Women At Ernst & Young Instructed On How To Dress, Act Nicely Around Men
The training was billed to participants as advice on how to be successful at EY, according to Jane, a training attendee and former executive director at the firm who’s in her early 40s. [...] A long list of “Invisible Rules” for men and women on Page 13 paints a bleak portrait of contrasting communication styles. It says that women often “speak briefly” and “often ramble and miss the point” in meetings. By comparison, a man will “speak at length ― because he really believes in his idea.” Women don’t interrupt effectively like men. Women “wait their turn (that never comes) and raise their hands.” [...] The so-called masculine traits included “Acts as a Leader,” “Aggressive,” “Ambitious,” “Analytical,” “Has Leadership Abilities,” “Strong Personality” and “Willing to Take a Stand.” The so-called feminine traits included “Affectionate,” “Cheerful,” “Childlike,” “Compassionate,” “Gullible,” “Loves Children” and “Yielding.” None of the feminine traits involved leadership ― ostensibly a focus of the training. [...] Jane said the message was that women will be penalized, by both men and women, if they don’t adhere to feminine characteristics or if they display more masculine traits. And that if you want to be successful, you have to keep this in mind. [...] Jane said that at the PPP training she attended last year, Clark coached the group in how to interact with men in the workplace ― advice that Jane wrote down in her notes and shared with HuffPost: 
  • Don’t directly confront men in meetings, because men perceive this as threatening. (Women do not.) Meet before (or after) the meeting instead.
  • If you’re having a conversation with a man, cross your legs and sit at an angle to him. Don’t talk to a man face-to-face. Men see that as threatening.
  • Don’t be too aggressive or outspoken.
“You have to offer your thoughts in a benign way,” Jane said, recalling the seminar. “You have to be the perfect Stepford wife.” It felt like they were being turned into someone who is “super-smiley, who never confronts anyone,” she said. (Emily Peck, Huffington Post)
Diese Fortbildung ist einfach der blanke Irrsinn. Eine einzige Ansammlung billigster Geschlechterklischees auf dem Level eines Herrenwitzes, verkauft als Erkenntnisse. Da bezahlen die Top-Leute der Top-Branchen hunderttausende von Dollar, um ihre Leute mit solcher gequirlten Kacke auszubilden und richten auch noch ihr ganzes Unternehmen danach aus. Und das sind diese angeblich so rational, pragmatisch agierenden, hochqualifizierten Götter der freien Wirtschaft, die um so vieles besser sind als der öffentliche Dienst. Wer mit so einer Fortbildung im öffentlichen Dienst aufschlagen würde, den würde man aus dem Raum lachen. Und solche Indoktrination wird dann als natürliche Ordnung und/oder wirtschaftliche Realität verkauft. Erst drangsaliert man seine weiblichen Nachwuchskräfte in ideologischen Brainwashingseminaren, und dann bestätigt sich die Herrenriege gegenseitig nickend, dass die Frauen ja ohnehin kein Interesse an Führungspositionen hätten und, leider, leider, doch wieder ein weißer, geschniegelter BWL-Schnösel befördert werden müsse, mangels Alternativen, Sie wissen schon. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so zum Heulen wäre.

2) Von wegen „Nazi-Methoden“: Die falsche Inszenierung von Bernd Lucke als Opfer
Nun kehrt Lucke also an die Uni zurück, als wäre nichts gewesen. Dass ein gescheiterter Parteigründer und Prediger des reinen Wassers des Neoliberalismus selbst doch lieber den Wein des sicheren Beamtenverhältnisses trinkt, stößt einigen übel auf. Doch das geltende Recht räumt ihm diese Möglichkeit ein. Doch es wären von einer kritischen Öffentlichkeit durchaus Fragen zu stellen: Was hat einer, der sich politisch so verzockt hat, der die Bedrohung durch völkische Nationalisten in seiner Partei entweder nicht erkannt oder so lange geduldet hat, bis sie ihn hinfort jagten, jungen Studierenden beizubringen? Wie berufen ist jemand, „Makroökonomie“ zu unterrichten, dessen ökonomische Einschätzungen und Untergangsszenarien im Hinblick auf den Euro und den EU-Wirtschaftsraum– Stand heute – samt und sonders nicht eingetroffen sind? Auch Luckes wissenschaftliches Renommee ist umstritten. [...] Dass dieser Jargon, dieses Kokettieren mit ethnischer Säuberung auf die Bühne der deutschen Politik zurückgekehrt ist, verdanken wir nicht zuletzt Bernd Lucke. Man mag sich ausmalen, was es für Studierende mit Migrationshintergrund heißt, bei einem zu studieren, der Flüchtlinge für „Bodensatz“ hält. Man mag sich hineinfühlen in diejenigen, deren berufliche Karrieren nun wieder vom Votum eines Bernd Lucke in Berufungskommissionen und Prüfungsausschüssen abhängen. [...] Wo waren die ganzen Freiheitsmahner und Demokratiewächter eigentlich, als es darum gegangen wäre, Lucke zu konfrontieren? Nie wurde er von der medialen Öffentlichkeit für das zur Verantwortung gezogen, was er an Zerstörung von politischer Kultur in diesem Land angerichtet hat. Dafür, dass er eine Partei geschaffen hat, die das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Herkunft und Ansichten in diesem Land infrage stellt. Um es mit Alexander Gauland zu sagen: Eine gestörte Vorlesung ist dagegen ein Vogelschiss. (Andre Reijsin, Übermedien)
Ich möchte gleich vorwegstellen, dass ich kein Fan der Blockade von Luckes Vorlesung an der Hamburger Uni bin. Aber der Untergang des Abendlandes ist es sicher nicht. Es ist ein Studentenprotest. Studentenproteste ohne Störung von irgendwelchen Vorlesungen oder des Universitätsbetriebs sind schlechterdings unvorstellbar. Dumme Protestaktionen zu machen ist quasi Teil der studentischen Erfahrung. Ich erinnere mich noch an unsere Proteste gegen die Einführung der Studiengebühren 2005. Das Eindringen in die Bannmeile des Landtags schien damals Höhepunkt strategischer Weisheit, und das Hineinbrüllen von "reiche Eltern für alle" in irgendwelche Vorlesungen war bewundernswerter Aktionismus. In Baden-Württemberg steht die Demokratie und Wissenschaftsfreiheit noch. Was Lucke erreichen will ist Selbstinszenierung und Selbstüberhöhung auf der einen und das Vergessenmachen seiner schmutzigen Vergangenheit auf der anderen Seite. Bisher hat Lucke noch keinerlei Aufarbeitung betrieben oder seine Verantwortung in der Etablierung von Rassismus und Rechtsextremismus im öffentlichen Raum thematisiert. Solange er sich als bürgerlicher Saubermann darzustellen versucht, werde ich sicherlich keine Krokodilstränen weinen, wenn er in der Öffentlichkeit nicht ohne Störung auskommt. Wer in der öffentlichen Arena mit Schmutz um sich wirft muss mit Echo rechnen. Aber Verantwortung für die eigenen Taten wird im bürgerlichen Bereich ja bekanntlich eher klein geschrieben.

3) "Narzissten trauen wir Führungspotenzial zu" (Interview mit Tomas Chamorro-Premuzic)
ZEIT ONLINE: Das heißt, dass Unternehmen sich mehr Mühe geben müssten, das Führungspotenzial der Chefs richtig einzuschätzen. Gibt es eine Möglichkeit, schon im Vorstellungsgespräch zu erkennen, dass jemand ungeeignet ist?

Chamorro-Premuzic: Das geht, ist aber schwierig. Denn auch Narzissten und Psychopathen schneiden in Interviews sehr gut ab. Um zu vermeiden, dass unsere Intuition uns in die Irre führt, müssen die Fragen sorgfältig ausgewählt sein, sie müssen allen Bewerbern gestellt werden und die Antworten müssen nach einem vordefinierten Algorithmus ausgewertet werden. Wenn man jemanden nur als charismatisch bezeichnet, ist das nicht rational.
ZEIT ONLINE: Und welche rationalen Faktoren machen jemanden zu einem guten Chef?
Chamorro-Premuzic: Lernfähigkeit, emotionale Intelligenz, soziale Kompetenz und Integrität. Ein kompetenter Chef ist jemand, der einen Haufen Menschen dazu bringt, ihre persönliche Agenda beiseitezulegen, um etwas zu erreichen, das sie alleine nicht schaffen könnten. Kompetente Führungskräfte sorgen dafür, dass sich die Teammitglieder vertrauen, alle sich einbringen und zusammen Leistungen bringen, mit denen sie andere Teams übertreffen. [...] 

ZEIT ONLINE: Was können Frauen in Unternehmen tun, damit sie selbst in Führungspositionen kommen?
Chamorro-Premuzic: Diese Frage – die ich immer wieder höre – ist nicht die richtige. Das eigentliche Problem ist das System. Ratschläge wie: Sei selbstbewusst! Bring dich ein! Bau dir eine Marke auf! Oder: Lean in – wie es das Buch der Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg sagt –, können bei einzelnen Personen wirken, aber sie verstetigen ein System, das sich zu sehr auf die falschen Funktionen konzentriert. Die richtige Frage wäre: Was sollen wir tun?
ZEIT ONLINE: Gut. Was sollen wir also tun?

Chamorro-Premuzic: Wenn Sie es kompetenten Frauen leichter machen wollen, befördert zu werden, sollten Sie damit beginnen, es für inkompetente Männer schwieriger zu machen. Denn die belegen leider viele Plätze, die sowohl von kompetenten Frauen als auch von kompetenten Männern besetzt werden könnten. (Maria Mast, ZEIT)
Das Fundstück hier passt gut zu Fundstück Nummer 1. Die Freie Wirtschaft hebt absurd bescheuerte ideologisch motivierte Werte aufs Podest und erklärt diese dann zum Naturgesetz. Dabei zeigt die Forschung beständig in eine andere Richtung. Aber die Selbstreproduktion ist deutlich stärker. Narzissten und aggressiv-dominant auftretende Chefs ziehen ebenso narzisstische und aggressiv-dominant auftretende Nachfolger heran. Und da Aggression männlich konnotiert ist, werden tendenziell männliche Führungskräfte rekrutiert. Auch hier bietet der öffentliche Dienst mit seinen völlig anders strukturierten Beförderungsmodellen ein interessantes Gegenmodell, das die Privatwirtschaft einmal zur Kenntnis nehmen sollte, wenn sie über den eigenen ideologischen Schatten springen können.

4) Worte, die vergiften

"Aber Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewusster ich mich ihr überlasse", schreibt Victor Klemperer in "LTI - Notizbuch eines Philologen", und ergänzt: "Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da." Vielleicht haben sich wirklich viele den Worten unbewusst überlassen und nicht bemerkt, wie sie nach und nach alles vergiften, wie die Rede von der "politischen Korrektheit", wie Arsen, nach und nach alles zerstört. [...] Das Fatale ist nicht allein, dass dies genau der politischen Absicht der rechtsextremen Bewegungen und ihrer politischen Marionetten entspricht. Der Trigger-Begriff des "politisch Korrekten" (ähnlich wie der der "Umvolkung" oder des "Genderwahns") war immer schon Kern jenes Product-Placements, das das eigene antidemokratische, völkisch-autoritäre Dogma unbemerkt ins Herz der Gesellschaft transportieren wollte. Da ist es nun angekommen. Alice Weidel und Björn Höcke können sich gelassen zurücklehnen, weil der rhetorisch-affektive Kitt zwischen den rechtsradikalen Fanatikern und der bürgerlichen Mitte jetzt auch ohne ihr Zutun wirkt. [...] Deshalb reicht es nicht, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nur dann zu registrieren, wenn gerade ein terroristischer Anschlag verübt wurde, es reicht nicht, "Nie wieder" zu deklarieren, wenn im Alltag immer wieder jene Hierarchisierungen von Menschen als "echte" oder "unechte", als "von hier" oder "Gesindel", als "zugehörig" oder "anders" toleriert werden. Es reicht nicht, sich auf einmal für Rassismus und Antisemitismus zu schämen, wenn im Alltag schamlos all jene alleingelassen werden, die sich ihm in Schulen oder Vereinen, in Kirchen oder Clubs entgegenstellen. All die vollmundigen Erklärungen und Maßnahmen gegen rechtsradikale, völkische Fanatiker nützen nichts, wenn gleichzeitig all jene Bürgerinnen und Bürger herablassend bespöttelt werden, für die Respekt vor anderen keine elitäre Zumutung, sondern eine soziale Selbstverständlichkeit bedeutet. Es ist trostlos, dass das Plädoyer für universale Menschenrechte, für rechtsstaatliche Institutionen und politische Vernunft mittlerweile als radikale, randständige Position gilt. (Carolin Emcke, Süddeutsche Zeitung) 
Ich habe hier im Blog immer wieder darauf hingewiesen, wie problematisch es ist, Sprache und Framing der Rechten zu übernehmen. Das betrifft gerade Begriffe wie "Genderwahn" oder Ähnliches. Wie Emcke überzeugend darstellt, hat ihre Legitimierung durch die Verwendung eben nicht rechtsextremer Akteure - wie sie hoffentlich alle Leser dieses Blogs sind - eine toxische Wirkung. Das entspricht nicht einem Sprach- und Diskussionsverbot. Für alle diese im rechtsradikalen und rechtsextremen Spektrum verwendeten Phrasen gibt es Entsprechungen oder wenigstens Umschreibungen, mit denen man die Übernahme und Normalisierung vermeiden kann. Ich schreibe auch nicht von Begriffen wie "Revolution" oder "Klassenkampf" oder bezeichne die Besetzung des Hambacher Forsts als "gesellschaftliche Notwehr" oder solchen Blödsinn, weil ich die Legitimation des spinnerten linken Rands ebenso vermeiden will wie meine Assoziation damit. Das geht manchmal nur um den Preis, sich von etwas distanzieren zu müssen, dem man eigentlich zustimmt. Aber damit gilt eben umgekehrt auch: Wer das nicht tut, der macht sich gemein mit dem extremen Rand, der hat kein Problem mit der Assoziation. Und muss sich die entsprechenden Angriffe auch gefallen lassen.

 5) “How Will You Pay For It?” Is the New “But Her Emails”
Every Democratic candidate is stuck in between two unsavory positions on healthcare: either open yourself to unfair GOP attacks by proposing the same sort of system that gives people better care at lower cost in nearly every developed country in the world, or avoid those attacks but promote a half-measures plan that doesn’t actually solve the cost problem. But whether one takes the cautious and ineffectual Biden approach, the cagey Warren approach, or the open yet politically risky Sanders approach, everything is predicated on the notion that a candidate’s healthcare plan must be paid for. Meanwhile, Trump and the GOP have blown open a nearly $1 trillion dollar deficit hole, a 26% increase from 2018 despite benefiting from an economy that is running at full tilt by traditional metrics. They’ve done this mostly through a combination of giant tax cuts for corporations and the wealthy, as well as through huge increases to the military budget and handouts to make up for Trump’s self-inflicted trade war. None of this Republican spending was paid for, any more than the Reagan tax cuts were, or the Bush tax cuts, or the invasion of Iraq, or any of the other federal largesse Republicans have doled out over the decades to wealthy corporations, shareholders, military contractors, fossil fuel interests and industries disproportionately benefiting their rural/exurban white male base. Not only was none of it paid for, there was barely any debate over paying for it, either in the halls of Congress or on the campaign trail. The Republican debates in 2016 featured nary a word about how to pay for their tax cut and spending proposals. Despite the power of the supposed Tea Party, none of the GOP candidates were forced back to the policy table to add pay-fors to their plans. (David Atkins, Washington Monthly)
Der Analyse von Atkins ist wenig hinzuzufügen. Die Democrats sind gut beraten, diese Angriffe zu ignorieren. Sie sind nichts weiter als Ablenkungsmanöver. Niemand ist daran interessiert, wie die Gesundheitsreformen bezahlt werden sollen. Jeder, der diese Frage stellt, will einfach nur, dass der jeweilige Kandidat erklärt, die Steuern erhöhen zu wollen. Die Journalisten wollen das, weil sie dann ihre billigen Schlagzeilen haben und wochenlang die gleichen Texte schreiben können, die sie immer schreiben; die Republicans wollen es aus dem gleichen Grund, aber sie müssen dann nicht mal mehr arbeiten. Es ist eine völlige Scheindebatte, die das Messen mit zweierlei Maß deutlich zeigt. Keine Sau fragt je Konservative, wie sie ihre Pläne zu finanzieren gedenken.

 6) William Taylor's testimony should be game over for Trump
For those who might be inclined to believe that "we do that all the time," in the now-infamous words of soon-to-be-under-the-bus Mulvaney, and for the 46 percent of Americans who told New York Times pollsters that this is more or less what they expect of government officials anyway, it is worth a reminder that even by the incredibly lax standards of a city overrun by lobbyists, grifters and rent-seekers, Trump and Giuliani's Ukraine plot was both illegal in a legal sense and totally insane as a foreign policy. It was illegal because it violated the Federal Election Campaign Act's prohibition on soliciting a thing of value (dirt on Biden and the Democrats) from a foreign national, and it would be so even if Hunter Biden spent 2015 stuffing his pants with laundered Ukrainian cash, which he did not. In less dry terms, the nonsense investigations that Trump's henchmen sought from Zelensky would have immediately destroyed Joe Biden's campaign and led to endless, negative speculation about the DNC, all based on a pile of b.s. so high it would eclipse Trump Tower. It is an incredible abuse of power, the act of a madman drunk on his power and operating with the not-unreasonable belief that his impunity is total and timeless, a crook who surrounds himself with other crooks who are too dumb to get away with their crimes. [...] The bigger picture is this: The president of the United States is a corrupt, oafish criminal willing to twist American foreign policy to benefit his re-election prospects, and willing to brazenly violate the law and abuse the powers of his office to do so. In a sane country with properly functioning political institutions and parties, this maniac would be forced to slink out of the White House tomorrow and hold his arms out for the handcuffs. That he still has, as of today, the support of both his congressional sycophants as well as the enthusiastic admiration of his rank-and-file voters suggests that this country is much more vulnerable to a slow-motion authoritarian takeover than even the most alarmist critics suspected at the outset of this nightmare presidency. (David Farris, The Week)
Es lohnt sich immer wieder darauf aufmerksam zu machen, wie krass die Verfehlungen Trumps sind und wie eindeutig seine Schuld. Es ist nur für das Thema völlig belanglos. Wie ich in meinem Artikel zum Thema beschrieben habe, ist das Impeachment ein politischer Prozess, kein juristischer. Alles, was zählt, sind Mehrheitsverhältnisse. Das Vorgehen der Republicans im Allgemeinen und Trumps im Speziellen ist es, alle mit sich hinunter in den Dreck zu ziehen. Es ist republikanische Strategie seit spätestens Ronald Reagan, die politischen Institutionen, in denen man selbst arbeitet, zu sabotieren und mit Schmutz zu bewerfen. Das Ansehen des Kongresses als Institution ist im mittleren einstelligen Prozentbereich! Das ist kein Zufall, sondern eine mittlerweile jahrzehntelange Strategie von rechts. Ihr Versuch ist es, alle Seiten als gleich schmutzig, gleich verwerflich darzustellen. Deswegen ist der weit verbreitete Politik-Zynismus ("alle korrupt", "alle lügen") auch so zersetzend. Den Rechten hilft es, weil sie lügen und korrupt sind, und sie können es mittlerweile so offen tun, weil wegen des permanenten Bothsiderismus ohnehin jeder immer das Schlimmste annimmt. Wenn man sich mit den Schweinen im Schlamm wälzt, werden alle schmutzig, aber den Schweinen gefällt es so. Die alte Weisheit bleibt wahr.

 7) If Anyone Should Be Complaining About Unfair Political Attacks It’s Hillary Clinton
This is also why, other than the importance of congressional fiscal responsibility, few canards are more sacred to mainstream elites than the political independence of the Federal Reserve. Ask any mainstream economist or economics reporter why it's bad for the Fed to obey President Trump's whims, and the answer you'll get is: if politicians controlled the Fed's monetary policy, we'd get runaway inflation. The theory here is that elected officials cannot be trusted to manage the competing priorities of jobs versus price stability. The task must be given to well-trained technocrats — i.e. the officials at the Fed. What no one notices is that the logic justifying the Fed's design and role also just happens to completely negate the logic behind demanding balanced budgets from Congress. If Congress ever threw caution to the wind and just massively deficit spent, driving us past full employment and into a serious bout of inflation, the Fed could always step in and hike interest rates — shaving just enough demand off the top to keep the economy trucking without pitching into overheating. In short, if giving the central bank political independence and control over interest rates is a good idea that works, it cannot simultaneously be the case that Congress needs to adhere to "fiscal discipline." The whole point of setting up the Fed this way is to inoculate the economy against willy-nilly fiscal excess — to remove the need for congressional discipline. Let's return to our hypothetical Warren scenario: She wants to pass Medicare-for-all. When reporters ask how she'll pay for it, she could simply respond, "I won't. I'm going to finance the whole thing with deficits, and the Fed can do whatever it needs to do to keep inflation in check." That would be a 100-percent serious and legitimate response. (Jeff Spross, The Week)
Ich erinnere an meinen Artikel über MMT, in dem ich darauf hingewiesen habe, wie diese Theorie (die vor allem von Bernie Sanders' ökonomischer Beraterin Stephanie Kelton populär gemacht wurde) für die Progressiven dieselbe Funktion einnehmen kann, wie es das Gerede von der Laffer-Kurve und dem selbsttragenden Aufschwung seit mittlerweile 40 Jahren für die Konservativen tut. In dem Moment, in dem die Medien und die Öffentlichkeit diese Argumentationslinie als möglich akzeptieren, löst sich das politische Problem der Staatsverschuldung und Programmfinanzierung in Luft auf. Ich wiederhole noch einmal meine Einschätzung aus dem Artikel damals: Ich habe keine Ahnung, wie tragfähig das ökonomisch ist. Politisch allerdings bietet es einen so attraktiven Ausweg aus dem aktuellen Dilemma, dass es an ein Wunder grenzte, wenn nicht in näherer Zukunft ein Kandidat darauf zurückgreift. Artikel wie der obige mögen erste Zeichen einer Trendwende sein.

 9) Und nun wieder gaaanz viel zuhören
Nun ist es vielleicht im Einzelnen müßig zu klären, woher die mentalen Verwahrlosungen stammen, die einen dazu bringen, für eine offen rassistische und offen antidemokratische Partei zu stimmen, nur weil der Bus nicht kommt oder ein Windrad den freien Blick auf eine Kuhwiese trübt. In etlichen Kommentaren zur Thüringen-Wahl aber wurde eine offensichtliche Erklärung einfach verworfen, indem es dort hieß: Knapp 24 Prozent hätten für die AfD gestimmt, obwohl an ihrer Spitze ein Rechtsextremer steht, als sei dies ein Beweis für die dramatische Lage des Seelenhaushalts, aus der heraus sich diese 24 Prozent nicht anders zu helfen wüssten. Dass sie allein deshalb für Höcke stimmten, weil er ein Rechtsextremer ist, scheint den Kommentatoren wohl zu abwegig gewesen zu sein. Den einen womöglich aus unerschütterlicher Gutmütigkeit, den anderen womöglich aus kalkuliertem Opportunismus, der in der AfD-Wählerschaft bloß verirrte Menschlein sieht, die fürderhin noch potenzielle Wähler, Zuschauer oder Leser sein könnten. Wenn man selbst nur eine Idee hätte, welches Angebot man ihnen machen müsste. Seit einiger Zeit hat sich im Umgang mit der AfD und ihrer Klientel die sozialtherapeutische Vorstellung eingeschliffen, man müsse einfach "mehr zuhören" und der Fall erledige sich von selbst. Kaum eine Floskel ist in den vergangenen Jahren so hyperinflationär strapaziert worden wie die vom "Reden" und die vom "Zuhören". Sie suggeriert nicht nur, hier gehe es vor allem um fehlgeleitetete Befindlichkeiten und um akutes Emotionsmanagement und weniger um manifeste Gesinnungen. Sie suggeriert auch, der große Zuspruch der AfD sei vor allem das Produkt eines zuvor verfehlten Kommunikationsprozesses der anderen Parteien und nicht etwa der eines geglückten der AfD selbst. Diese autorisiert Ressentiments, sie legitimiert einen Du-darfst-Rassismus, den offenbar viele schon mit sich herumgetragen haben könnten. (David Hugendick, ZEIT)
Hugendicks Argumentation ist ebenfalls eine, die ich seit längerem hier vertrete. Ich hasse diese Infantilisierung der Wähler, als ob die alle zu blöd seien zu sehen, für was sie da ihre Stimme abgeben. Es ist völlig irrelevant, wie angepisst jemand ist und wie berechtigt die Wut auf die generellen Umstände sein mag. Nazis zu wählen ist keine akzeptable Alternative, ist kein Denkzettel, ist zu verachten. Die 24% der Thüringer Wähler, die ihre Stimme einer Neonazi-Partei gegeben haben, geben ein Bekenntnis gegen die pluralistische Demokratie ab. Ich höre diesen Leuten zu. Sie sagen "ja" zu Gewalt, "ja" zu Diktatur, "ja" zu Unterdrückung, "ja" zu Rassismus, "ja" zu Sexismus. Wie lange soll ich ihnen noch zuhören?

 10) Chile Is a Victim of Its Own Success
But the question inevitably follows: If Chile is so successful, why are the streets exploding in rage? One possibility is that the common metrics cited above simply miss some important elements of social or economic failure. Chileans might be feeling more economically precarious. They may feel that a narrow elite dominates the political process and denies them a true voice. Or they might simply care a lot about prices of certain daily goods, such as train tickets. Alternatively, protests like Chile’s might simply be an outgrowth of the rise of social media. In his book “The Revolt of The Public and the Crisis of Authority in the New Millennium,” former CIA analyst Martin Gurri theorizes that social media has made large protests so easy to start that essentially any reason for discontent -- anger about history, a vague feeling of being cheated by elites, disappointment with government’s failure to live up to grand promises -- now tend to spill into the streets. But it’s possible that Chile’s very success during the past three d ecades is what’s driving discontent now. Although Chile’s growth was fast for 22 years, it has slowed down recently, possibly due to falling commodity prices. In 2018, real per capita income was only 5% higher than in 2013. And most of the drop in inequality ended by 2006. A generation raised on expectations of steadily rising living standards, burgeoning freedom and increasing equality might be enraged that those expectations weren’t fulfilled. This idea, called a revolution of rising expectations, has been used to explain protests and revolutions across the centuries, from the French Revolution to the unrest of the 1960s and 1970s. It implies that rapid bursts of progress followed by pauses tend to stoke uprisings. Chile may well be a victim of its own success. If that’s the case, Chile has little option but to wait out the unrest. (Noah Smith, Bloomberg)
Ich habe diese Theorie mittlerweile an mehreren Stellen gelesen, und sie klingt grundsätzlich sehr überzeugend. Ich denke, die Anwendung lohnt sich auch auf Ostdeutschland. Geht man rein von statistischen Indikatoren aus, geht es der Bevölkerung dort unzweifelhaft besser als 1990, geht es ihnen besser als 2000, geht es ihnen besser als 2010. Die Zahlen zeigen beständig nach oben, der Aufbau Ost ist grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte. Aber: So was passiert halt nicht in einem Vakuum. Der Mensch vergleicht sich doch immer mit den Nachbarn, und den Menschen in Westdeutschland geht es deutlich besser als denen im Osten, und das Gesamtdeutsche, ja, fast weltweite Phänomen eines erlahmenden Aufschwungs trägt massiv zur Unruhe bei. Was Smith hier vorschlägt - einfach abwarten - ist vermutlich tatsächlich das Einzige, was man tun kann. Die Frage ist nur, ob Demokratie und Rechtsstaat diese Wartezeit überleben. Siehe auch Fundstück 11 zum Thema.

 11) Chile: The poster boy of neoliberalism who fell from grace
While Chile leads Latin America in GDP per capita, it also leads it terms of inequality. In 2015, its level of income inequality was higher than in any other Latin American country except for Colombia and Honduras. It exceeded even Brazil’s proverbially high inequality. The bottom 5% of the Chilean population have an income level that is about the same as that of the bottom 5% in Mongolia. The top 2% enjoy the income level equivalent to that of the top 2% in Germany. Dortmund and poor suburbs of Ulan Bataar were thus brought together. Chilean income distribution is extremely unequal. But even more so is its wealth distribution. There, Chile is an outlier even compared to the rest of Latin America. [...] Such extraordinary inequality of wealth and income, combined with full marketization of many social services (water, electricity etc.), and pensions that depend on the vagaries of the stock market have long been “hidden” from foreign observers by Chile’s success in raising its GDP per capita.  But the recent protests show that the latter is not enough. Growth is indispensable for economic success and reduction in poverty. But if there Is no social justice and minimum of social cohesion, the effects of growth will dissolve in grief, demonstrations, and yes, in the shooting of people. (Branko Milanovich, Global Inequality)
Eine andere Interpretation der chilenischen Krise findet sich hier. Für Branko Milanovic ist Ungleichheit der Quell des Übels. Wo Smith in Fundstück 10 noch betont, dass die Ungleichheit gegenüber der Pinochet-Zeit stark abgenommen habe - ein Teil des Erfolgs, der in seinem Artikel angesprochen wird - betont Milanovic, wie hoch sie immer noch ist. Vermutlich arbeiten beide Faktoren zusammen. Denn diese riesigen Ungleichheiten mit einer schmalen Klasse von Superreichen und einer armen Bevölkerung finden sich oft auf der Welt. Relevant ist ja vielmehr, dass es nach oben ging - aber eben nicht genug und nicht für alle. Der Erfolg Chiles bringt diese Ungleichheiten, die durch den Erfolg geringer werden, ja überhaupt erst aufs Tablett. Es ist der gefährlichste Punkt für solche Gesellschaften: Zum ersten formuliert eine neu entstandene Mittelschicht Forderungen und Erwartungen, die es vorher nicht gab, und zeigt sich massiv enttäuscht, wo diese nicht erfüllt werden können. Das steht einigen Staaten der Welt, wie etwa China oder Indien, noch aus.

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