Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
1)
Everyone is in denial about November
My personal favorite is this headline on an Associated Press story: “Coronavirus could complicate Trump’s path to reelection.” I know the AP is as strait-laced as possible in its coverage, and to be fair, the story is straightforward in describing Trump’s challenges come November. Still, this is equivalent to a headline on Dec. 8, 1941, saying: “Japanese attack on Pearl Harbor could complicate America First’s desire for isolationism.” [...] All of these stories are interesting but nonetheless contain an air of unreality about them. They assume that the Trump campaign’s gambits can somehow alter the trajectory of the general-election campaign. [...] Furthermore, spending two hours a day at a podium does not help Trump. His antics might appeal to his base, but there’s a reason other Republicans want him to cut down his appearances. They put all of his weaknesses on display. And for those who fear that this crowds out Biden, let me suggest that at this point in the race, the more Biden appears in the public mind as “Generic Democrat,” the better his chances for victory as the safer “not Trump” choice. [...] New attacks on Biden will feed lots of media narratives. They will not alter the brute facts of this campaign. (Daniel Drezner, Washington Post)
Ich halte den Artikel für wesentlich zu optimistisch. Grundsätzlich ist es absolut richtig, dass die miserable Grundsituation grundsätzlich schädlich für Trump ist. Es ist etwa hinreichend deutlich, dass Obama sowohl 2010 als auch 2014 wahrscheinlich die Wiederwahl nicht gewonnen hätte (wohl aber 2016, aber das ist eine andere Geschichte). Egal, wie talentiert ein Wahlkämpfer ist, gegen grausige
fundamentals - wie im Jargon Werte wie Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum und Konsumentenzuversicht genannt werden - kommt er im Zweifel nicht an. Ich habe auch vor zweieinhalb Jahren
selbst geschrieben, dass die Gesetze der politischen Schwerkraft auch für die
Republicans, auch für Trump gelten.
Aber: Es gibt eben auch Faktoren, die sehr stark für Trump sprechen. Und da wäre ein weiteres
fundamental: Der Amtsinhaber gewinnt bei den Präsidentschaftswahlen meistens. Nur dreimal wurde seit 1945 ein Präsident nach einer Amtsperiode abgelöst (Ford, Carter und Bush), achtmal gewann er die Wiederwahl (Truman, Eisenhower, Johnson, Nixon, Reagan, Clinton, Bush, Obama). Und Ford darf man eher als Betriebsunfall betrachten. Dazu kommt der zu erwartende massive Wahlbetrug der
Republicans, die in modernen Zeiten nie dagewesene Polarisierung (
das Gesetz der 42%), die es, in den unsterblichen Worten Trumps, egal macht, ob er auf der 5th Avenue vor laufenden Kameras jemanden erschießt.
Ich hoffe, dass ich völlig falsch liege und dass Biden im November mit Trump den Boden wischt. Aber ich bin skeptisch. Vor Corona habe ich den Wahlkampf effektiv als 50:50 gesehen. Jetzt? Vielleicht 55:45 für Biden. Und das sind schlechtere Chancen, als Trump 2016 hatte. Das ist auch recht unabhängig vom Kandidaten; Biden ist zwar sicher nicht mein Wunschkandidat, aber ich glaube nicht, dass der/die GegenkandidatIn für Trump dieses Jahr sonderlich bedeutsam ist. Dafür sorgt Corona. Wie gesagt, ich hoffe, ich liege grotesk daneben. Aber zuversichtlich bin ich nicht.
2)
Is Trump dangerously strong or perilously weak?
How disorienting is political reality in the Trump era? So disorienting that people who devote their lives to observing and analyzing politics can't even agree on whether President Trump is inches away from abolishing democracy and turning himself into a dictator — or if, instead, he's a pitifully weak president who regularly demonstrates his impotence. [...] The answer is both. And until we come to terms with this reality, we will fail to grasp the distinctive character of the danger the Trump presidency poses to our political system. Presidents have two broad spheres of power. The first is their ability to command the federal government — executive branch departments and agencies, administrative and regulatory bureaucracies — to do things. When it comes to this power, Trump is an extremely weak and ineffective president — as some of the sharpest political analysts on the left have long contended. [...] But this isn't the only kind of power a president wields. The other power is rhetorical — the ability to use language to shape public opinion. It's in this respect that Trump displays genuinely tyrannical tendencies. [...] Trump's dictatorial proclamations point in a much darker direction. Every time the president asserts absolute powers, every time he claims to possess the ability to do things the Constitution doesn't permit him to do, every time he stirs up and actively encourages populist animosity against duly elected public officials, every time he calls journalists enemies of the people who peddle fake news, he normalizes the idea, moving public opinion among a portion of Republican voters a little bit further in the direction of accepting and approving of authoritarianism. Words matter in politics — especially the words of the president, and never more so than in an age when he has the ability to speak to his most rabid supporters instantly and directly. In many respects, Donald Trump is a weak president. But he talks like an authoritarian strongman, and with each autocratic word he primes a portion of the country for tyranny. (Damon Linker, The Week)
Eine saubere Analyse. Dass Worte wichtig sind ist eine Erkenntnis, die sich weder bei den Relativierern und Normalisierern in den USA durchgesetzt hat noch hierzulande. Der rechte Rand der CDU und die AfD operieren ja in derselben Dynamik. Ob die AfD ähnlich ineffektiv wäre ist etwas, das wir hoffentlich nie herausfinden werden. Aber die Worte, die sie in die Debatte eingebracht und dank ihrer Helfershelfer in den etablierten Parteien und der Publizistik normalisiert hat, haben bereits weitreichenden Flurschaden angerichtet.
Die Grenzen des Sag- und Forderbaren zu verschieben ist keine einfache Aufgabe. Sie ist ohne die Mithilfe des Establishments praktisch nicht zu bewältigen. Die LINKE kennt diese Dynamik aus erster Hand. Ihr ist das selbst zu den Hochzeiten der Hartz-Proteste nie wirklich gelungen. Außerhalb ihrer eigenen Anhängerschaft verfing die Rede von "Hartz-IV ist Armut per Gesetz", wie unzählige Wahlplakate verkündeten, nie wirklich. Inzwischen hat Deutschland seinen Frieden mit der Reform gemacht. Grundsatzkritik an derselben hat sich nie in den Leitmedien durchsetzen können, wurde nie von hochrangigen SPD-Politikern geteilt. Sie verhallte letztlich.
3)
Der Stoff, aus dem Gewaltfantasien sind
Für diesen vermuteten Wirkungszusammenhang von behaupteter Gefahr und impliziter Gewaltlegitimation gibt es in der Gewaltforschung einen Namen. Er nennt sich „gefährliche Rede“ und steht bisher im Schatten des Begriffs der „Hassrede“, der häufig angeführt wird, wenn es um rechte Rhetorik und Gewalt geht. Dabei ist die gefährliche Rede, auch wenn sie auf Gewaltrhetorik verzichtet, wohl entscheidender für rechten Terror als unverblümte Hetze. Wie die Sozialwissenschaftlerin Susan Benesch sagt, ist es gerade das Gerede von einer „tödlichen Bedrohung durch eine verhasste … Gruppe, das Gewalt nicht nur angemessen, sondern notwendig erscheinen lässt.“ Gefährliche Rede findet etwa dann statt, wenn einer Gruppe besondere Grausamkeit zugeschrieben wird. Wo ihr unterstellt wird, sie bedrohe Existenz der Adressierten, erscheint es diesen opportun, drastisch gegen sie vorzugehen. Es geht immerhin ums Überleben. Und Notwehr ist bekanntermaßen der einzige Grund, aus dem Tötungen unbestritten erlaubt sind: Wer anderen das Leben nehmen will, darf dieser Norm zufolge unschädlich gemacht werden. Für die Legitimation von Gewalt eignet sich daher kaum etwas besser als der „Spiegelungsvorwurf“: Die Dehumanisierung des Anderen rechtfertigt die Brutalisierung des Selbst. Explizite Gewaltaufrufe sind dafür nicht nötig. Gewaltsame Politiken, die ja immer besonders rechtfertigungsbedürftig sind, gehen daher meist mit Mythen der Bedrohung einher. Bereits der Faschismus schöpfte aus solchen die Rechtfertigung für außerordentliche Maßnahmen. Der Faschismusforscher Roger Griffin bezeichnete diese Rationalität dereinst als „palingenetischen Ultranationalismus“: Angesichts des drohenden Untergangs müsse die Nation eine kompromisslose Kraftanstrengung vollziehen, um zu ihrer Wiedergeburt zu gelangen. Auch heute bläst die extreme Rechte wieder in das Horn des nationalen Untergangs, um drastische Maßnahmen zu rechtfertigen. Die AfD mittendrin – und ihr „Flügel“ vorneweg. (Holger Maks/Janina Pawels, Geschichte der Gegenwart)
Und wo wir es gerade von der Wirkung der Sprache haben. Auch diese Mechanik ist im Übrigen farbenblind; man erinnert sich noch allzu gut des raschen Wandels, den die "Gewalt gegen Sachen" zum offenen Terrorismus in den 1970er Jahren nahm, oder die abwertende Sprache, mit der die Linksextremisten jener Tage ihre Gewalt rechtfertigten.
Deswegen wehre ich mich auch immer so dagegen, die spezifischen Sprachcodes dieser Gruppierungen zu übernehmen. Selbst wenn man sie selbst unschuldig benutzt und ohne die Ziele der Extremisten zu teilen, normalisiert man damit deren Sprache. Die einzige Möglichkeit, wie man diese gefährliche Spirale verhindern kann, ist die konsequente Abgrenzung. Und die muss eine zivilisierte Gesellschaft gemeinsam und permanent treffen.
4) Tweet
Ich lasse das vor allem deswegen noch mal hier, weil wir vor einem Jahr noch hitzig darüber debattiert haben, ob nun der Rechts- oder der Linksextremismus in Deutschland das größere Problem darstellt. Vor einem Jahr wurde hier im Blog auch noch äußerst erbittert und kontrovers darüber gestritten, ob eine Figur wie Hans-Georg Maaßen nun a) falsch liegt und b) absichtlich falsch liegt, weil selbst extremistisch. Ich hoffe, das hat sich mittlerweile beides geklärt.
5)
Brandenburgs Landtagsvizepräsident Andreas Galau (AfD) ist mit der Ablehnung einer Parlamentsdebatte über Rechtsterror nach dem Anschlag in Hanau gescheitert. Das brandenburgische Verfassungsgericht beschloss am späten Dienstagabend in einem Eilverfahren, dass der CDU-Vorschlag für eine "Aktuelle Stunde" zugelassen werden müsse. Sie soll den Titel "Walter Lübcke, Halle, Hanau - Wehrhafte Demokratie in der Pflicht" tragen. Galau hatte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, er sehe keinen Bezug zu Brandenburg und fürchte eine politische Instrumentalisierung der Anschlagsopfer. Daraufhin musste Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) den Antrag ablehnen, denn sie muss mit ihrem Vize einvernehmlich entscheiden. Die CDU-Fraktion wandte sich danach an das Verfassungsgericht, um den geänderten Themenvorschlag zur "Aktuellen Stunde" an diesem Donnerstag durchzusetzen. (dpa, SpiegelOnline)
Ich möchte dieses Beispiel vor allem dafür nutzen zu zeigen, warum die Anwesenheit der AfD in den Parlamenten allein bereits gefährlich ist, von der Übernahme von Regierungsmacht ganz zu schweigen. Der vorliegende Fall ist an und für sich recht harmlos; es läuft zwar (Fundstück 3) unter gefährliche Rede (glaube ich), aber es sind eben solche Kleinigkeiten, die die Anfänge bilden, denen zu wehren ist. Ein solcher Schritt normalisiert die Frage, ob man einem von Rechtsterroristen ermordeten Politiker gedenken soll, als eine normale politische Auseinandersetzung. Das darf nicht passieren. Soweit dürfen Maßstäbe nicht verschoben werden. Dagegen muss aktiv und entschlossen vorgegangen, dagegen müssen Zeichen gesetzt werden. Von Anfang an.
6)
Ezra Klein - Up from Polarization (Review)
Looking eastward to the stormy capitol from sunny California, Klein has written a kind of wonk’s “Goodbye to All That.” His mournful diagnosis of a political system where tribal resentments crowd out evidence serves also as a requiem for the Obama years, and for his own bygone faith in policymaking by data alone. Yet Klein ultimately stops short. He builds a persuasive account of polarization’s rise, but the master explainer can offer no explanation for where we go from here. [...] In Klein’s phrasing, white identity is a “powerful primal force.” But whiteness is not a primal force ipso facto; it is a primal force because the structure of social and political relations has made it so. Identity is powerful, but what about white identity should give it, now, in the United States and in different ways across the West, such a powerful hold? In the end, Klein lets the ruling classes off easy. Political economy itself remains offstage. His question is why partisans scream at each other, not why, amid all the screaming, the rich keep getting richer. He uses psychology to shift the gaze from the powerful and to lay the blame on our monkey brains. [...] “If we could first know where we are and whither we are tending,” Lincoln said in the “House Divided” speech, “we could then better judge what to do and how to do it.” But after dissecting the polarization machine, Klein has no answer for what the polity should do now. Obama captivated us back in 2004, and his specter hangs over this book. The president who had thought longer and harder about identity than any other occupant of his office was fatally optimistic that “our nonpolitical identities could become our political identities.” Incrementalism and good policy made by experts have hit their limits, and it’s not clear what might follow. As Klein well understands, there is no going back to bonhomie and bipartisan compromise. Yet the notion that new coalitions and forms of solidarity, however constituted, might break through the present impasse seems too strange for him to contemplate. And so he finds himself in a cul-de-sac. (Daniel Schlozman, Dissent Magazine)
Die Analyse von Klein und seinen Ansichten ist sicher zutreffend. Ich kann das aus persönlicher Erfahrung nachvollziehen. Meine eigene Reise zur Mitte des politischen Spektrums lief ja gerade über diesen Ansatz. Ich finde die Idee einer evidenzbasierten, nüchternen Politik der kleinen Schritte, in der von Experten umfassend informierte Politiker Entscheidungen auf Basis von Nutzenabrechnungen treffen, weiterhin unglaublich attraktiv. Aber 2016 hat deutlich gezeigt, dass diese Ansicht eine absolute Minderheitenposition ist.
Ich denke, die eher linksgerichteten Kritiker dieses Status Quo - vom Jacobin Magazine zu Sanders zu Corbyn und wie sie alle heißen - liegen grundsätzlich richtig in ihrer Problembeschreibung. Mein Problem mit ihnen und den Bewegungen, die sie vertreten, ist, dass ich weder die Lösungsvorschläge noch den Weg dorthin für sonderlich überzeugend halte. Aber das ist ein Thema, das weit über den Kommentar hier hinausgeht.
Zu Klein daher noch ein abschließender Kommentar: Die von ihm gegründete Zeitung vox.com hat sich seit ihrer Gründung auch teilweise von ihren ursprünglichen Absichten in der Vermittlung von möglichst viel Faktenmaterial zur Informationsbildung verabschiedet. Das haben sie zwar
auch noch, aber bereits in der zweiten Obama-Legislatur haben sie auch massiv in
clickbait-Überschriften, Infotainment und parteiischen Kram investiert.
7)
The Liberal Economists Behind the Wealth Tax Debate
Last year, the faculty at Harvard’s Kennedy School of Government voted to offer Mr. Zucman, 33, a tenured position. But Harvard’s president and provost nixed the offer, partly over fears that Mr. Zucman’s research could not support the arguments he was making in the political arena, according to people involved in the process. He has since been awarded tenure alongside Mr. Saez, 47, at the University of California, Berkeley. [...] Four years ago, Mr. Saez and Mr. Zucman pitched the leading Democratic candidates, Hillary Clinton and Mr. Sanders, on their wealth tax proposal, but both campaigns passed. This cycle has been different. Mr. Sanders and Ms. Warren have both proposed wealth taxes. A third leading candidate, Pete Buttigieg, has said America “should consider” a wealth tax, though he has criticized Ms. Warren’s. Michael R. Bloomberg, the billionaire former mayor of New York, this month proposed raising taxes on the richest Americans but stopped short of endorsing a wealth tax. “They are the experts on wealth and income inequality in America,” said Warren Gunnels, a senior adviser to Mr. Sanders’s campaign. “Those that disagree with Saez and Zucman,” he added, “are the types of groups and academics that are funded by the powers that be, the establishment, the billionaire class.” (Jim Tankersley/Ben Casselman, New York Times)
Angesichts der völlig überzogenen Debatte um "
free speech" und der Gefährdung derselben durch
political correctness, die letztes Jahr wegen einiger doofer Studentenproteste an einige Unis geführt wurde, ist diese Episode besonders bemerkenswert. Denn wo wegen einiger Studentenproteste gegen Vorträge in Leitartikeln landauf, landab die Freiheit der Lehre beschworen und vor
safe spaces gewarnt wurde, hat der Präsident von Harvard kein Problem damit, Professoren deswegen die Anstellung zu verweigern, weil sie ihm nicht genehme Positionen vertreten. Gegen diese viel eklatantere Gefährdung der Lehr- und Forschungsfreiheit gibt es keinen Widerspruch seitens der "liberalen" Kritiker der Studenten.
Es zeigt aber auch die Monokultur an bestimmten Universitäten und in bestimmten Fächern, wo sich eben nicht die Besten durchsetzen oder die Leute mit innovativen Ideen, wie es die Legende immer will, sondern dass es vor allem darauf ankommt, den richtigen Habitus und die richtigen Phrasen zu haben. Wie in praktisch jedem Job eben. Am Schluss wird dann die Legende von der Meritokratie und der Leistungsgesellschaft drüber gekippt, aber das ist bloße Legende.
8) Tweet
Das passiert nicht nur gelegentlich. Diskriminierung gegen Schwangere und berufstätige Mütter im Besonderen, aber Familien im Allgemeinen ist in deutschen Unternehmen Alltag (im öffentlichen Dienst auch, aber nicht so schlimm, weil hier die Schranken gegen Diskriminierung viel besser funktionieren - kein Zufall, dass hier so viele Frauen arbeiten). Heute wird zwar wegen Schwangerschaft nicht mehr offiziell gefeuert, aber mysteriöserweise werden dann plötzlich befristete Arbeitsverhältnisse nicht verlängert oder Versetzungen vorgenommen, von der Kaltstellung der Karrierechancen ganz zu schweigen. Auch hier in Deutschland.
9)
Saudi Arabia, energy geopolitics, and the big production cut
But the episode is not over, and the risks remain high for Saudi Arabia. There may be a political price to pay. For example, the collapse of the American energy sector is beginning to affect US-Saudi relations. Members of Congress intensely lobbied the Trump administration, and wrote several open letters to urge Crown Prince Mohammad bin Salman, to end the oil price war (even if this involved unilateral action), arguing that US-Saudi relations were at stake. Senators from the Republican Party even introduced two consecutive bills calling for the removal of US troops from Saudi territory, aiming to place Riyadh under pressure in the negotiations. [...] The oil price war has also had an impact on Saudi Arabia’s relations with Russia. It ended almost three years of Saudi-Russian cooperation in energy geopolitics, which underpinned broader bilateral dialogue on political and economic issues. Discussions between Investment Minister Khalid al-Falih – Saudi Arabia’s preferred go-between with Moscow, an OPEC veteran, and a former energy minister and Aramco chairman – and Russian Energy Minister Alexander Novak reportedly became very tense, even straining relations between higher-ranking leaders. More immediately, and perhaps of greater significance, is the oil price war’s impact on all producers whose budgets depend on energy revenues – especially as they face rising expenses for healthcare and economic relief packages due to covid-19. Saudi Arabia itself is on alert, planning for massive loans and the privatisation of state assets. While the PIF is on a low-cost, high-profile shopping spree, snapping up undervalued assets at bargain prices, Riyadh announced in March that it would reduce government expenditure by $13.2 billion, or nearly 5 percent of its budget for 2020. And it has prepared emergency plans to scale back expenditure by an additional 20 percent. Hence, if this economic recession is anywhere near as bad as it looks, there will be more late-night OPEC meetings in a few months’ time. Yet it is unclear whether Saudi Arabia will retain its coercive capabilities and leadership capacity in the next set of negotiations. (Cinzia Bianco, European Council on Foreign Relations)
Ich kann recht wenig zu dieser ganzen Chose sagen, dazu fehlen mir die Fachkenntnisse. Dieser Artikel sei daher hauptsächlich zur Information eingestellt. Ich will die Gelegenheit stattdessen nutzen, um anzureißen welche Konsequenzen ein Zusammenbruch Saudi-Arabiens hätte.
Das Land ist vermutlich eine der miesesten Diktaturen weltweit, noch nicht ganz im Club mit Nordkorea, aber den Mitgliedsantrag schon ausgedruckt und unterschrieben. Eine winzige Oberschicht streicht atemberaubende Ölgewinne ein, alimentiert damit einen trostlosen wie unproduktiven Gottesstaat darunter, der durch zahllose ethnische Minderheiten und Einwanderer, die alle gleich rechtlose und ausgebeutete Sklavenexistenzen führen, am Laufen gehalten wird. Das Land führt einen Vernichtungskrieg im Jemen, leistet sich einen Kalten Krieg mit Iran, finanziert internationalen Terrorismus und mischt sich in jeden Konflikt des Nahen Ostens ein.
Wenn dieser Staat implodiert versinkt die Region in noch mehr Chaos und Bürgerkrieg als ohnehin, aber anders als in Syrien mit erschütternden geopolitischen Folgen. Der Iran wäre unangefochtene Hegemonialmacht in der Region. Eine neue Welle religiös motivierten Terrors stünde ins Haus. Und dazu verfügen die Saudis über das beste Militärgerät aus aller Welt. Grandiose Aussichten. Dass Spielernaturen in Riyad sitzen, stimmt nicht eben hoffnungsfroh.
10)
Gute Miene zum Vereinbarkeits-Spiel
Die Stimmung im Raum positiv zu beeinflussen, ist ein weiterer Teil der Mental-Load. Er ist noch unsichtbarer, als die lange ToDo-Liste von oben, die ja sowieso niemals geschrieben wird. Die sogenannte „Emotionsarbeit“(„Emotional Labour“, Arlie Hochschild, 1979) meint „Das Managen von Beziehungen und Emotionen innerhalb einer Gruppe, eines Teams oder einer Familie“, und dazu gehört auch „Die eigenen Emotionen zu kontrollieren, um dem Gegenüber einen erwünschten Gefühlsausdruck zu präsentieren.“ (Schnerring / Verlan: Equal Care. Über Fürsorge und Gesellschaft. Berlin, 2020) Es ist Arbeit, die anfällt, wenn die Stimmung zu kippen droht, obwohl noch so viel zu erledigen ist. Zu Hausaufgaben motivieren, obwohl man auch selbst die Faxen dicke hat vom Homeschooling. Die Familie bei Laune zu halten, und auch noch die schlechte Stimmung derer auffangen, die gar nicht merken, wie sehr sie mit ihrer grimmigen Miene am Essenstisch alle mit runterziehen. Zwischendurch noch ein optimistisch-beschwingtes Telefongespräch mit den sorgenvollen Großeltern und ein berufliches Videomeeting mit guter Miene trotz Hintergrundchaos…In der Psychologie unterscheidet man zusätzlich zwischen Oberflächenhandeln (Surface Acting; So-als-ob-Gefühlsausdruck) und Tiefenhandeln (Deep Acting; authentische Darstellung) (z.B. in Hochschild, Arlie. The managed heart. Berkeley, CA: University of California Press. 1983). Einen Gefühlsausdruck zeigen zu müssen, der gar nicht dem tatsächlichen Gefühl entspricht, schadet auf Dauer der Gesundheit, zumal es kontraproduktiv ist, die eigenen Gefühle ständig zensieren zu müssen. Aber zur Zeit wird trotzdem von vielen Neutralität oder eine positive Ausstrahlung verlangt, allein um die Utopie „Vereinbarkeit“ auch im HomeOffice aufrechtzuerhalten. Wer sie auch jetzt noch fordert, hat nie seine Erwerbsarbeit an den Küchentisch verlegt, während kleine Kinder um ihn herumtanzen. (Almut Schnerring, Wort-und-Klang-Küche)
Auch dieses Feld ist eines, auf das die Corona-Krise ein besonders grelles Schlaglicht leuchtet. Kinder betreuen sich nicht selbst, und so mancher, der gerade im Home Office ist, bemerkt erst jetzt, welche Arbeit die Partnerin eigentlich immer leistet - oder gegebenenfalls die Betreungseinrichtung. Wie so häufig wird die anstehende Arbeit größtenteils von den Frauen erledigt, selbst wenn diese selbst Vollzeit im Home Office arbeiten.
Was ich als besonders störend in der aktuellen Debatte finde ist, dass zwar den Leiden der Bundesligafans eine riesige Aufmerksamkeit zuteil wird, denen der Eltern aber nicht. Zwar ist es sicherlich zur Prävention halbwegs sinnvoll, nicht alle Kitas und Schulen wieder aufzumachen. Aber was das für Eltern bedeutet, wird viel zu wenig diskutiert, und was es für die Kinder bedeutet fast gar nicht.
Die Kinder leiden unter der Isolation und dem Verlust von Routinen und Tagesstrukturen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es doppelt bescheuert, dass zwar auf Teufel komm raus die Abschlussklassen wieder in die Schulen gezwungen werden, aber gerade die verletzlicheren und besonders betroffenen jüngeren Schüler leben weiterhin im Limbo der Isolation. Das ist, gelinde gesagt, scheiße. Und dafür helfen weder fantastische Ideen von irgendwelchen Apps noch Fußballspiele noch offene Möbelhäuser. Es ist bedrückend zu sehen, welche Prioritäten die Debatte gerade hat.
11) Tweet
Dieser Tweet ist symptomatisch für den Geisteszustand der GOP. "Wenn es die Linken ärgert, muss es gut sein." Eine Nuklearexplosion
downtown würde sie auch nicht begeistern, aber das macht es nicht zu einer guten Idee. Das ganze Land geht vor die Hunde, weil 40% seiner Bevölkerung nichts wichtiger finden, als ihre Nachbarn zu ärgern. Das ist eine amoklaufende Identitätspolitik und ein intellektuelles Armutszeugnis. Dass sie es inzwischen auf ihren offiziellen Kanälen nicht nur offen aussprechen, sondern auch als Ehrenabzeichen begreifen, setzt dieser Entwicklung die Krone auf.
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