Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
1) Cult Classic ‘Fight Club’ Gets a Very Different Ending in China
Fight Club is getting an entirely different ending in a new online release in China, where imported films are often altered to show that the law enforcement, on the side of justice, always trumps the villain. [...] The 1999 film by David Fincher originally ends with the Narrator (Edward Norton) killing his split personality Tyler Durden (Brad Pitt). With the female lead Marla Singer (Helena Bonham Carter), he then watches all the buildings explode outside the window and collapse, suggesting Tyler’s anarchist plan to destroy consumerism is in the works. The exact opposite happens in the edit of the same film released in China. In the version on the Chinese streaming site Tencent Video, the explosion scene has been removed. Instead, viewers are told that the state successfully busted Tyler’s plan to destroy the world. “Through the clue provided by Tyler, the police rapidly figured out the whole plan and arrested all criminals, successfully preventing the bomb from exploding,” a caption said. “After the trial, Tyler was sent to lunatic asylum receiving psychological treatment. He was discharged from the hospital in 2012.” It’s unclear if the ending was altered out of self-censorship or by government order. Tencent Video declined to comment. A source familiar with the matter said the film was edited by the copyright owner and then approved by the government before it was sold to streaming sites for distribution. (Viola Zhou, Vice)
Weitaus relevanter als die absurde Zensur des Films (leider sind solch sinnentstellende Kürzungen auch in Deutschland nicht eben unbekannt, wenngleich nicht aus politischen Gründen) ist die Selbstzensur, die das für die Produzenten hat. Der chinesische Markt ist für die Unterhaltungsindustrie ungemein wichtig und nimmt an Bedeutung nur noch zu, und vorauseilender Gehorsam gegenüber den Wünschen der chinesischen Führung findet sich leider in immer mehr Hollywoodprodukten. Und da diese kulturbildend für weite Teile der Welt sind, werden so chinesische Propagandastücke (zum Glück noch selten) verbreitet und auch nur die leiseste Kritik an China unmöglich. Das ist ein zentraler Unterschied zum Kalten Krieg, als Kritik an der Sowjetunion nicht eben ungewöhnlich war, um es milde auszudrücken.
2) Andrea Nahles wird Chefin der Bundesagentur für Arbeit
Die frühere SPD-Chefin rückt an die Spitze der Arbeitsagentur. Fachlich ist die Ex-Arbeitsministerin und Vordenkerin des Sozialstaatskonzepts eine Idealbesetzung. [...] Als Chefin der Arbeitsagentur, einer Mammutbehörde mit knapp 100.000 Beschäftigten, kann Nahles nun zentrale Teile des SPD-Sozialstaatskonzepts selbst exekutieren. Das gilt etwa für die Einführung des neuen Bürgergelds, mit dem die SPD Hartz IV überwinden will und das sich inzwischen auch im Koalitionsvertrag der Ampelregierung findet. [...] Das neue Führungsteam sei für alle Aufgaben bestens aufgestellt – von der Bewältigung der Coronakrise über die Gestaltung des Strukturwandels und der Transformation bis hin zur Digitalisierung und zum Fachkräftemangel, sagte die Verwaltungsratsvorsitzende Anja Piel. (Frank Specht, Handelsblatt)
Grundsätzlich, auf rein menschlicher Ebene, gönne ich Nahles die Position. Ihre Amtszeit als SPD-Vorsitzende war nicht eben glücklich, und sie hatte nicht verdient, wie das ablief. Gleichzeitig kann ich dem Handelsblatt nur zustimmen: sie ist mit Sicherheit eine der bestqualifiziertesten Ernennungen, die man sich dafür vorstellen kann. Hoffen wir, dass ihre Qualifikationen sich auch in eine gute Amtsführung übertragen.
3) Im Basar der Meinungen – über die grassierende Manie des Überzeugtseins
Ich wage eine paradoxe These: Wir festigen Meinungen gerade dadurch, dass wir sie nicht zu fest werden lassen. Das heisst, wir spielen das alte sokratische Spiel: wider das Überzeugtsein. Meinungsstreitigkeiten kranken viel zu oft daran, dass die Kombattanten ihre Meinung bereits «gemacht» haben, um damit auf die Gegner einzuprügeln. Es entsteht die Subspezies der Wut- und Kampfmeiner. Eine Meinung «haben» bedeutet dann letztlich Selbstsuspendierung vom Denken. Das sokratische Spiel verlangt hingegen nichts weiter als die radikale Bescheidenheit, unsere Meinung auf den Prüfstand zu stellen, sprich: einen solchen Prüfstand überhaupt zu akzeptieren. Das tun nicht nur die Wissenschafter, das tun alle Menschen mit Vernunft. Vernunft, nicht primär verstanden als eine individuelle Eigenschaft, sondern als eine gemeinsame Errungenschaft, als ein Metier, das tägliches intellektuelles Training verlangt. Maxime: Die eigene Meinung ist antastbar. Das Metier hat eine lange, aber prekäre Tradition. Sie verkümmert im Basar zusehends. Und mit ihr ein robuster Meinungskonsens, der Boden der Res publica. Denn wohin man blickt: manisch Überzeugte allenthalben. (Eduard Kaeser, NZZ)
Das "sokratische Spiel" in allen Ehren, aber der Artikel geht von einer schwerwiegenden Fehleinschätzung aus: dass das je anders gewesen sei. Dass eine Verkümmerung "zusehends" geschehe, ist ein Irrtum. Da ist nichts zu Verkümmern. Ich darf Kaeser an dieser Stelle daran erinnern, wie das "sokratische Spiel" für seinen Erfinder ausging: die Athener hatten die Faxen dicke und zwangen Sokrates, den Schirlingsbecher zu trinken. Weder vor 2500 Jahren noch vor 25 Jahren gab es irgendeine wie auch immer geartete Mehrheit, die bereit gewesen wäre, die eigene Meinung stets als antastbar zu betrachten. Selbst wir hier im Blog, die dieses "tägliche intellektuelle Training" bereitwillig betreibt, schaffen das ja nicht, und ich lehne mich nicht aus dem Fenster zu sagen, dass wir da schon echt eher zur Spitze der Gesellschaft gehören, was diese Bereitschaft angeht. Das heißt nicht, dass wir es nicht trotzdem ständig tun und andere dazu anhalten sollten, aber let's not kid ourselves, die meisten werden das nicht machen, und wir werden vermutlich nie erfolgreich damit sein. Wir kämpfen da gegen unsere eigene Psyche an.
4) Die Einführung einer Impfpflicht wäre ein kommunikatives Scheitern
Die Einführung einer Impflicht wäre ein denkwürdiges politisches Scheitern. Nicht, weil sie zur Überwindung der Pandemie ungeeignet wäre. Womöglich ist sie dafür am Ende sogar das letzte realpolitische Mittel. Das Scheitern bestünde darin, dass das parteiübergreifende Ziel, eine ausreichende Impfquote durch Überzeugung zu erreichen, verfehlt wurde. [...] [S]ie waren nicht von vornerein festgelegt, man hat sie aber offenbar auf den entscheidenden Etappen der Meinungsbildung nicht erreicht. Und nun sind sie mehrheitlich nicht mehr zum Umdenken zu bewegen. Ihr Misstrauen wird auch mit weiteren Plakaten oder Social-Media-Bildern nicht zu überwinden sein, zumal wenn sie so emotionslos wie in der neuen Regierungskampagne für das Impfen daherkommen. [...] Und tatsächlich steht ja mit der Klimaneutralität die nächste Mammutaufgabe bereits auf dem Plan. Auch Energiewende und Dekarbonisierung greifen tief in die Lebenswelt der Menschen ein. Wenn das Ziel für die Stromquote der erneuerbaren Energiequellen – 80 Prozent bis 2030 – nicht so krachend wie das Ziel für die Impfquote scheitern soll, muss die Politik aus dem kommunikativen Versagen der Impfkampagne ihre Lehren ziehen. (Johannes Hillje, Tagesspiegel)
Keine Notwendigkeit zum Konjunktiv: die Einführung der Impfpflicht, allein die Debatte darum, IST Eingeständnis eines offensichtlichen kommunikativen Scheiterns. Denn dass immer noch nur rund 70% der Bevölkerung geimpft sind, ohne dass Aussicht bestünde diesen Wert noch signifikant zu steigern, ist eigentlich DAS Scheitern der Pandemie, zumindest was Kommunikation angeht. Und auf dem Feld der Kommunikation ist echt viel gescheitert.
Was mich so nachhaltig entsetzt ist das fehlende Wissen über grundsätzliche Zusammenhänge in der Bevölkerung. WARUM Masken getragen werden sollen, WARUM Impfungen eigentlich vor dem Virus schützen, WARUM soziale Distanzierungsmaßnahmen die Ansteckungsgefahr reduzieren ist vielen unbekannt. Was bekannt ist, sind die Regeln (wenn überhaupt). Ihr Sinn ist es meist nicht. Auch das ist ein kommunikatives Versagen von geradezu epischer Breite.
Siehe zum Thema übrigens auch dieser Thread.
5) Mit der Putinbrille auf der Nase sieht die Welt ganz anders aus
Wie wenig an Putins Schutzbehauptungen inhaltlich dran ist, habe ich ja schon in einem Artikel erklärt. Was ich so auffällig an der Kommunikationsstrategie des Kreml finde ist, neben der Tatsache, dass es hervorragend funktioniert, wie diese Strategie der Inszenierung als Opfer gegen alle Kontrolle immunisiert. Da werden die glattesten Lügen erzählt, aber wenn man den Erzählenden damit konfrontiert, ist das für den nur eine weitere Gelegenheit, sich in die Opferrolle zu werfen. So immunisiert man sich in einem tautologischen Kreislauf. Das funktioniert für Putin genauso wie für die Republicans.
6) «Christian Lindner könnte eine Art postfaktische Politik verfolgen» (Interview mit Adam Tooze)
Sie befürchten, dass Lindner in einer Krise wie etwa der zu Beginn der Pandemie die EU mit Spardiktaten in den Abgrund manövrieren könnte?
Nicht nur in der Krise. Die heutigen Systemprobleme des Kapitalismus sind für Leute wie Lindner schwer zu verdauen: 60 Prozent der Europäer:innen leben in Ländern, deren öffentliche Schuld 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übertrifft. Das heisst, die Maastrichter Kriterien, die ein Maximum von 60 Prozent erlauben, sind nicht mehr relevant. Natürlich können sich Konservative ihre Fantasiewelt zusammenbasteln, in der diese Regeln bald wieder eingehalten werden, aber das sind kindliche Vorstellungen – viele Länder werden diese Kriterien nie erfüllen. Italiens Schuldenquote beträgt rund 155 Prozent! Wir müssen uns von der Vergangenheit verabschieden und uns der Realität stellen. Die Frage ist: Was machen wir damit?Was ist denn Ihre Antwort?
Mir macht Angst, dass Lindner und seine Leute eine Art postfaktische Politik verfolgen könnten, indem sie die Einhaltung der Maastrichter Kriterien durchzusetzen versuchen. Sie sollten stattdessen den Mut haben, ihrer Klientel zu sagen: «Leute, es tut uns leid, aber damit ist es nun vorbei.» Wir sind nicht mehr in den sechziger Jahren, als man den angeblich zeitlosen Prinzipien des deutschen Ordoliberalismus folgen konnte. Meine Furcht ist, dass sich die deutsche FPD zu Hause flexibel zeigt und dafür eine umso härtere Linie in der EU verfolgt: Im Scheinwerferlicht der EU wird man gezwungen, sich mit einer klaren Linie zu profilieren. Aber ich wäre erfreut, wenn sich unsere Befürchtungen nicht bewahrheiten. Lindners erster Auftritt in Brüssel am Montag lässt alles offen. Die Debatte wird erst nach den französischen Wahlen richtig losgehen. (Yves Wegelin, WOZ)
Für mich ist Lindner eine Gefahr und eine Chance zugleich. Die Gefahr sehe ich ähnlich wie Tooze: dass er sich aus rein parteipolitischen Motiven gezwungen sehen könnte, eine schädliche Politik zu fahren, um die Ideolog*innen der eigenen Basis und Wählendenschaft zu beruhigen. Das ist in jeder politischen Situation immer eine Gefahr, und wir sehen die Auswirkungen in der Außenpolitik ja gerade beispielsweise bei der SPD, oder in der Energiepolitik bei den Grünen.
Auf der anderen Seite ist da aber auch immer eine Chance, ganz getreut dem Motto "Only Nixon can go to China". Vielleicht ist es gerade die Rückendeckung, die Lindner als des Linken eher unverdächtige Person (auch wenn die CDU massiv an dieser Wahrnehmung zu schrauben versucht, Stichwort "links-gelb") genießt, die es ihm ermöglicht, Deutschland aus der finanzpolitischen Sackgasse zu befreien, in die es sich gefahren hat. Wir werden sehen.
7) Das erschreckende Geständnis des Karl Lauterbach
Der Bundesgesundheitsminister hatte schon in einem Interview mit der „FAZ“ seine fehlende Unterrichtung durch das RKI eingestanden. Er gab jetzt bei Frau Illner interessante Einblicke in seine Arbeitsweise. So habe man im Ministerium über die Quarantäne-Verordnungen gesprochen. Parallel sei „auf Arbeitsebene eine Diskussion” gelaufen, für wie lange jemand als genesen gelte. Er habe gedacht, „das wäre noch nicht abgeschlossen” und werde „dann später entschieden” und sei „dann doch an diesem Abend entschieden worden”. Auf einer anderen Arbeitsebene war zur gleichen Zeit in der EU beschlossen worden, sich auf eine sechsmonatigen Genesenenstatus zu verständigen. Für Lauterbach war das eine „andere Baustelle”, weil es um die Reisevoraussetzungen in der EU gegangen sei. Diese vielen Arbeitsebenen und Baustellen sind wirklich verwirrend. So funktioniert wissenschaftliche Beratung in unserem System öffentlicher Gesundheitsfürsorge: Auf Arbeitsebene diskutieren irgendwelche Leute über ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse, teilen die dem Minister nicht mit und anschließend wird jemand aus dem Bordrestaurant geworfen. [...] So war diese Sendung ein Beleg dafür, was bei uns unter öffentliche Gesundheitsfürsorge zu verstehen ist: ein Sammelsurium mit aus der Hüfte geschossenen Maßnahmen auf Grundlage nicht vorhandener Daten. In Großbritannien, Dänemark, Norwegen oder Schweden ist das anders. Dort ist die öffentliche Gesundheitsfürsorge auf Arbeitsebene in professionellen Händen. Genau deshalb brauchen wir auch im Gegensatz zu diesen Ländern die Impfpflicht: als letzten Ausweg der Amateure. (Frank Lübberding, FAZ)
Frank und ich haben grundsätzlich entgegengesetzte Ansichten zur Gefährlichkeit der Pandemie und der richtigen Strategie sie zu bekämpfen, aber in der Kritik dessen, was die Bundesregierung fabriziert (ob Merkel IV oder Scholz I) kommen wir problemlos zusammen. Und da werfe mal jemand der Politik vor, sie spalte die Gesellschaft! Aber Scherz beiseite. Wie in Fundstück 4 schon angesprochen haben wir es mit zahlreichen Fehlschlägen der Politik zu tun, und dieses überlappende Kompetenzchaos gehört mit Sicherheit dazu und trägt das seinige zu dem kommunikativen Dauerdesaster bei.
8) Spotify says it will put a content advisory on podcasts that talk about COVID-19
After doctors, scientists, health-care professionals, professors, and musicians raised concerns over COVID-19 misinformation running rampant on Spotify podcasts, the streaming service announced it will now add a content advisory to podcasts that discuss the virus. "To our knowledge, this content advisory is the first of its kind by any major podcast platform," Spotify said on Sunday, adding that the global rollout will start within the next few days. The advisory will link to a hub containing facts on COVID-19, information from reputable doctors and scientists, and links to additional resources. Earlier this month, 270 experts signed an open letter to Spotify, criticizing misinformation being shared on The Joe Rogan Experience, the platform's most popular podcast. The letter specifically referred to a December episode with virologist Robert Malone, who spread vaccine misinformation and false conspiracy theories, including that people only believe vaccines work because of "mass formation psychosis." The experts asked Spotify to "establish a clear and public policy to moderate misinformation on its platform." (Catherine Garcia, The Week)
Wenn man ein Paradebeispiel sucht, wie man Pandemiekommunikation verkacken kann, dann hätte man das hier. Die Feigheit von Spotify gegenüber einem High-Performer wie Rogan führt zu der irren Folge, dass die gleiche "Content-Warnung" neben verschwörungstheoretischen Podcasts wie dem von Rogan und dem Coronavirus-Update des NDR steht. Klar, Spotify kann natürlich auf seine "Links zu einem Hub mit Fakten" verweisen, aber die Botschaft ist das katastrophale "such dir selbst aus, was wahr ist", das die Querdenker-Szene überhaupt erst so groß gemacht hat. Wenn alle Informationen dieselbe Content-Warnung haben, dann kann ich mir endgültig aussuchen, an was ich glaube.
9) Kretschmanns Corona-Kurs löst Erstaunen in der Wirtschaft aus
„Mögliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen oder zumindest Überlegungen dazu dürfen nicht einfach durch Vorfestlegungen ausgeschlossen werden“, sagte Dick. Mit einer solchen Vorgehensweise gerate das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zunehmend ins Wanken. „Die künftigen Schritte in der Corona-Politik müssen auch weiterhin vom Infektionsgeschehen und hier insbesondere von der Hospitalisierungsinzidenz abhängig gemacht werden“, forderte Dick. Im Verband sind Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie organisiert, unter anderen die Branchen Fahrzeugbau und Maschinenbau. Der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), Wolfgang Grenke, sagte, die Festlegungen Kretschmanns seien für Unternehmen schwer nachzuvollziehen. „Viele Betriebe sind mittlerweile existenziell bedroht, unsere Innenstädte drohen im Rekordtempo zu veröden“, erklärte Grenke. Es sei nicht mehr möglich, weiter auf Sicht zu fahren. Die betroffenen Branchen bräuchten „ein klares Signal, was ab Frühjahr wieder möglich sein wird.“ (red, Stuttgarter Zeitung)
Ja, Sherlock, das Problem ist, dass keiner das weiß. Klar ist Unsicherheit Gift für die Wirtschaft. Unsicherheit ist Gift für alle. Unsicherheit macht krank. Leider ist das Wesen der Pandemie Unsicherheit. Wir haben nicht die geringste Ahnung, was passieren wird. Keiner. Das ist die Natur der Sache. Entsprechend kann die Politik auch niemandem sagen, ob im Frühjahr wieder alles gut wird. Weil es keiner weiß. Alle wetten nur auf die Zukunft. Kretschmann wettet darauf, dass es bis Ostern kein Verschwinden der hohen Inzidenzen geben wird. Ich wüsste auch nicht, woher eine solche Hoffnung kommen sollte. Andere wetten darauf, dass schon alles gut gehen wird. Kann man auch machen. Aber es bleibt eine Wette. WISSEN tut niemand was.
10) The Problem with "Good Republican" Candidates Is That They Answer to Bad Republican Voters
If you were hoping for green shoots from the Republican party, McCormick is exactly the kind of candidate you’d want. He’s smart. He’s a grown up. He’s not an insurrectionist. He’s the kind of candidate you would expect from a healthy, pro-democracy GOP. But here’s the problem: In order to be a viable candidate in that party, McCormick has to hide all of this stuff. Which demonstrates yet again that the foundational problem in American politics isn’t “the Republican party.” It’s Republican voters. You can have as many David McCormicks as you like. But if Republican voters demand that they act like insurrectionists, then at best they’ll be anti-anti-insurrection. Why did Lindsey Graham and Tim Scott and Mike Lee and all of those “serious” Republicans become Trump collaborators? It wasn’t because they wanted to, or because they believed Trump’s garbage. (Jonathan Last, Bulwark)
In Demokratien läuft die politische Willensbildung immer in zwei Richtungen: oben nach unten wie unten nach oben. Gerade letzterer Zusammenhang wird generell zu wenig gesehen. Die Politik ist in hohem Maße responsiv gegenüber der stets schwankenden Stimmungslage, auch wenn das gerne verleugnet wird (warum auch immer). Man sieht das immer wieder. Gerade Merkel war Meisterin darin, wie ein Seismograph diese Veränderungen zu spüren und nachzuvollziehen; allein, manchmal war die Schizophrenie dabei dann doch zuviel des Guten (Stichwort Flüchtlingskrise 2015/16).
So ist es auch hier: die Republicans haben lange Zeit ihre eigene Basis radikalisiert, aber das ist ein Prozess, den sie nicht mehr aufhalten können. Der letzte diesbezügliche Versuch war Mitt Romney und die folgende Autopsie 2013, seither dreht das effektiv frei und wirkt weiter. Deswegen ist auch dieser "Trump slaying Republican" (siehe letztes Vermischtes) so ein Mythos; kein*e Politiker*in kann Macht gewinnen UND sich gegen die eigene Wählendenschaft stellen.
11) Schluss mit der Lückenstopferei!
Deren Zahl ging zuletzt sogar noch zurück, obwohl die Länder seit Jahren mit einem immer krasseren Lehrermangel kämpfen und selbst alle Seiten- und Quereinsteiger nicht mehr reichen. Klar ist auch: Einfach mehr Studienplätze, die bitter nötig sind und bislang nur teilweise eingerichtet wurden, werden es nicht richten. Weil es erstens rund sieben Jahre dauert, bis aus einer Studienanfängerin eine fertige Lehrerin wird. Weil es zweitens wenig bringt, wenn sich zum Beispiel mehr Abiturienten für Deutsch auf Gymnasial-Lehramt einschreiben, dann aber vor allem Mathe- oder Informatiklehrer an Sekundarschulen gebraucht werden. Die entscheidenden Fragen lauten: Wie kann es gelingen, mehr technik-, zahlen- und naturwissenschaftsaffine junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern? Und wie können sie schneller in den Schulen ankommen? Das mit der Begeisterung wird nur gelingen, wenn aus dem Gerede über mehr Geld für Schulen etwas folgt, wenn die Länder (und der Bund!) endlich massiv und flächendeckend in die Gebäude, Ausstattung und didaktische Konzepte an den Schulen investieren. Wenn sie nicht nur vakante Lehrerstellen verwalten, sondern parallel Sozialarbeiter einstellen, Systemadministratoren und Verwaltungskräfte. Symbole eines bildungspolitischen Aufbruchs statt der immer gleichen Katerstimmung. Andernfalls werden viele hochqualifizierte Studienanfänger weiter einen Bogen um das Lehramt machen – erst recht, wenn künftigen MINT-Absolventen anderswo der rote Teppich ausgerollt wird. (Jan-Martin Wiarda)
Korrekt, nur halte ich für es nicht möglich, MINT-Lehrkräfte besser zu bezahlen. Eine solche Ungleichbehandlung mag zwar marktwirtschaftlich sinnig sein (Angebot <--> Nachfrage), aber in diesem System nicht funktionieren. Es kann allerdings bei den Studienvoraussetzungen angesetzt werden, um nur ein Beispiel zu nennen (das Lehramtsstudium gehört eh reformiert). Eine andere Problemquelle wird im Artikel ja schon angesprochen: die Arbeitsbedingungen. Ich habe darüber auch schon ausführlich geschrieben. Es sind einfach massive Nachteile mit dem Beruf verknüpft, egal wie sehr neidzerfressene Kritiker*innen auch immer auf dem angeblichen Schlaraffenland herumreiten.
Letztlich sind die Leute, die von MINT angezogen werden, überdurchschnittlich nicht diejenigen, die vom Lehramt angezogen werden. Eventuell muss also das Pferd von hinten aufgesattelt werden und man muss Leute, die sich zum Lehramt hingezogen fühlen zu MINT bringen (Berg und Prophet, ihr wisst schon). Keine Ahnung wie, aber das würde das Grundproblem effektiver angehen. Gute Lehrkräfte sind wichtiger als gute Mathematiker*innen, besonders wenn man das geforderte fachliche Niveau bedenkt. Idealerweise hat man natürlich beides, aber in der aktuellen Mangelsituation scheint mir das immer selbe Anrennen gegen die immer selbe Wand wenig zielführend.
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