Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Wer schweigt, trägt eine Mitschuld
Das ist ein Punkt, der mir immer wieder auffällt: die eigentlichen programmatischen Forderungen der AfD werden überhaupt nicht diskutiert, das läuft alles nur auf einer Schiene von "die wollen keine Immigration", und selbst da sind die konkreten Forderungen unklar. Die AfD ist ein Vibe, keine Partei. Das erklärt glaube ich auch viel von ihrem aktuellen Erfolg; nicht nur dieser und seine Ursachen sind eine Art Rorschach-Test, wie ich das schon einmal beschrieben habe, sondern auch die Partei selbst. Sie ist ein Spiegel, in dem jede*r sieht, was auch immer er oder sie sehen will. Die Wirtschaftspolitik der Partei, wenn man das Amalgam an Unsinn überhaupt als eine solche bezeichnen will, ist genauso quatschig wie die Sozialpolitik oder irgendetwas anderes, was da verlautbart wird. Es wäre echt mal an der Zeit, sich mit der Partei ernsthaft auseinanderzusetzen und sie auf Basis ihrer eigentlichen Positionen zu bekämpfen. Alles andere klappt gerade offensichtlich sowieso nicht. Und ja, vielleicht sollten die Wirtschaftsführer*innen da auch mal genauer hinschauen, was da eigentlich auf sie zukommt, wenn die Rechtsextremisten wieder an die Regierung kommen. Das hat sie das letzte Mal ja auch kalt überrascht.
Die Idee, dass der Journalismus mehr positive Nachrichten bringen müsste, gehört zu den Evergreens der Medienkritik. Ich bin ehrlich gesagt skeptisch, dass das eine taugliche Lösung wäre. Nachrichten funktionieren nach Angebot und Nachfrage, und ja, wenn Beyer darauf hinweist, dass es nun einmal Interesse an aktuellen Geschehnissen gäbe, trifft das natürlich zu; wichtiger ist für mich aber, dass ich glaube, dass die meisten Leute keine positiven Nachrichten lesen wollen. Ein großer Punkt am Lesen von Nachrichten ist, dass man danach mit anderen meckern kann. "Hast du schon gelesen, dass...?", gefolgt von irgendeinem Aufreger, ist ein Dauerkonversationspunkt an allen Stamm- und sonstigen Tischen. Da können Leute noch so oft was anderes behaupten.
3) The Treason of the Intellectuals
Niall Ferguson dreht echt völlig ab. So relevant und spannend der "Verrat der Intellektuellen" als Thema ist, so ist nicht nur der Vergleich, sondern die aktive Gleichsetzung der linken Akademia (bei all ihren Irrungen) mit den nationalsozialistischen Massenmördern ist einfach so abseitig - mir ist unklar, wie ein studierter Historiker, der einmal so kluge Bücher geschrieben hat wie Ferguson, sich derart verrennen konnte. Generell sehe ich gerade eine massive Zunahme an bescheuerten Nazi-Vergleichen, und zwar auf allen Seiten des Spektrums. Das neue CDU-Grundsatzprogramm wurde mir etwa in meiner Timeline schon mit dem Anfang der Judendiskriminierung verglichen. Was ist mit den Leuten los?!
4) Bildungsministerin Stark-Watzinger dringt auf Grundgesetzänderung
Wir stehen in immer mehr Bereichen an einem Kipppunkt. Ob beim Klimaschutz, der Bundeswehr, dem Bildungssystem - überall wird deutlich, dass es eine grundlegende Kursänderung braucht, die in den bestehenden Strukturen nicht möglich ist, und all diese Anforderungen (von liberaler Seite kann man sicherlich noch den Sozialstaat, von konservativer die Zuwanderungspolitik in den Topf werfen) zerren in unterschiedliche Richtungen, schließen sich gegenseitig aus.
Was die konkrete Forderung angeht: Stark-Watzinger ist damit nicht allein, auch SPD-Chefin Saskia Esken schlägt so etwas vor. Ich denke, die Idee, dass der Bildungsföderalismus irgendwie zu positiven Gesamtergebnissen führt, kann mittlerweile endgültig zu den Akten gelegt werden. Da die Länder und Kommunen keinerlei finanzielle Spielräume haben, sind sie grundsätzlich nicht in der Lage, den notwendigen Kurswechsel durchzuführen. Die missratene Konstruktion der Föderalismusreform verbietet aber Hilfen des Bunds. Man sehe nur das Drama um das drohende Aus des Digitalpakts an, um zu sehen, wohin dieser Unfug führt.
5) Why Berlin can’t just do as Paris does on cycling and parking policy
Jon Worths Analyse ist super spannend, weil sie auf die reale Machtverteilung eingeht. Das wird in allen Veränderungsbestrebungen gerne übersehen: real existierende Machtverhältnisse und institutionelle Arrangements bestimmen über Spielräume (siehe auch Fundstück 4). Es ist auch auffällig, über wie wenig offiziell-formale Macht Hidalgo eigentlich verfügt, wie groß aber gleichzeitig der echte Gestaltungsspielraum ist, weil sie die entsprechende Kompetenz hat. Auch hier ist die Verantwortungsdiffusion des deutschen föderalistischen Systems ein Hindernis bei der Umsetzung von Lösungen.
Resterampe
a) Deutsche Satire, legendär unlustig.
b) A brief history of modern Palestine. Sehe ich ähnlich.
c) In a twist that surprises actually no one: »Bündnis Sahra Wagenknecht«: BSW erhielt offenbar Spenden aus dem Ausland.
d) Eine gesetzliche Pflicht zur Klimaanpassung. Ich sag's immer wieder, da geraden Verfassungsnormen grundlegend in Konflikt.
e) The Republican worldview in one chart.
f) Das Spannungsverhältnis zwischen Staatsräson und Grundrechten.
h) A propos: Verfassungsschutz stuft AfD in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch ein.
i) Gesucht: Straßenverkehrsrecht für die Zukunft.
j) Diese Entwicklung in der Ansicht zu LePen ist leider keine Überraschung. (Bluesky)
k) Realität und gefühlte Wirklichkeit prallen da auch aufeinander.
l) Reallöhne sind jetzt auf dem Niveau von 2015.
m) Für eine Entlastung der Spitzeverdienenden ist auch in der Haushaltskrise Geld da.
n) Ich hab nichts Relevantes zum SPD-Parteitag zu sagen, daher nur ein paar Artikel: hier, hier.
o) Als Nachtrag zu meinem Kulturkampfartikel siehe auch diese Kolumne im Spiegel.
p) Sehr guter Artikel zu Gaza in der NZZ.
q) Wie Trump versucht, mit "garbage data" die Wahl zu beeinflussen.
r) Guter Hintergrundartikel zu Elon Musks finanzieller Situation.
s) Ganz interessantes Streitgespräch.
t) FDP: Bundesvorstand leitet Basisvotum über Aus der Ampel ein. Das hat auch so Brexit-Vibes. "Oh bitte, stimmt für Remain. Bitte, bitte."
u) Bürgerforum auch dafür: G9 bringt Kretschmann zunehmend ins Schleudern. Es ist auch eine bekloppte Haltung, gerade im Hinblick auf alle anderen Bundesländer.
v) Deutsche Bahn: Empörung in der Politik über üppige Boni-Zahlungen an Bahn-Manager. Wäre gefühlt auch das erste Mal, dass Managment-Boni an Performance des Unternehmens gekoppelt wären...
w) Bret Deveraux hat was Gutes zu Kollateralschäden im Krieg, gerade im Hinblick auf Gaza.
x) Relevanter Thread zum neuen CDU-Programm.
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