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Donnerstag, 30. April 2009
Blogpause bis Montag
ich bin dieses Wochenende ab heute bis Montag jenseits jeden Internets. Haltet euch solange an die Kollegen der Blogbar und an frühere Beiträge. Viel Spaß dabei und sonnige Tage!
Liebe Grüße
euer Oeffinger Freidenker
Dienstag, 28. April 2009
Der kranke Mann Deutschlands - Deutschlands Bildungssystem, Teil 3: Schulformen
Teil 1: Auftakt
Teil 2: Welche Wurzeln hat unser Bildungssystem?
Teil 3: Schulformen
Teil 4: Infrastruktur
Teil 5: Lehrerbildung
Teil 6: Die Universitäten
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Schulformen
Die Schulformen Deutschlands zu beschreiben ist nicht leicht. Bekanntlich ist das Bildungssystem in der BRD föderalistisch geregelt, was bedeutet, dass jedes Bundesland der Überzeugung ist, mit seinem System den Stein der Weisen gefunden zu haben und sein System als dem der anderen Länder überlegen ansieht (obgleich immer wieder Bestrebungen versucht werden, einheitliche Tests durchzuführen). Dieser Bildungsförderalismus hat auch Rückwirkungen auf die Lehrerausbildung, wie wir in einem späteren Artikel noch sehen werden, nur so viel: ein Lehramtsstudent in Baden-Württemberg kann sein Praxissemester zwar in Neuseeeland machen, aber nicht in Bayern – weil die Schulsysteme zu unterschiedlich seien.
Welche Schulformen gibt es also in Deutschland? Eine Form findet sich mehr oder minder unverändert in allen Bundesländern, und das ist die Grundschule. Sie beginnt für gewöhnlich für Kinder mit dem sechsten Lebensjahr (sofern sie nicht in eine Grundschulförderklasse kommen, die eine Art Mittelding zwischen Kindergarten und Schule darstellt) und dauert zwischen zwei und vier Jahren. Am Ende der Grundschule steht in den meisten Bundesländern dann die Selektion auf eine weiterführende Schule. Davon gibt es bis zu vier: die Sonderschule, die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium, die sich wiederum in Unterzweige aufgliedern können (Werksrealschulen, Wirtschaftsgymnasien und so weiter). In einigen Bundesländern, die sozialdemokratisch regiert sind (oder lange Zeit waren) gibt es außerdem mehr oder minder weit fortgeschrittene Experimente mit Gemeinschafts- oder Einheitsschulen. Was aber bedeutet das alles? Wir wollen uns zuerst einmal dem Unterschied zwischen dem „normalen“ System, das ab hier richtigerweise als „gewohntes“ System bezeichnet werden soll, zwischen dem dreigliedrigen Schulsytem und den Gemeinschafts- oder Einheitsschulen, ab sofort nur noch als Gemeinschaftsschulen bezeichnet, befassen.
Das dreigliedrige Schulsystem, das vor allem von den Konservativen präferiert wird, geht vereinfach gesagt davon aus, dass Kinder individuelle Stärken haben. Die einen sind pfiffiger, die anderen weniger. Gemeinhin wird unterstellt, dass Kinder, deren Fähigkeit zum abstrakten Denken weniger weit entwickelt ist, handwerklich eher begabt sind. Dementsprechend gibt es mehrere Schulformen, die für diese Typen geeignet sein sollen.
Die erste (und rangniedrigste) dieser Schulformen ist die Sonderschule. Sonderschulen sind für lernschwache Kinder gedacht, die hier in einem für sie angepassten Niveau lernen sollen. Die Lernkurve ist allgemein flacher als bei den anderen weiterführenden Schulen, abstraktes Denken wird fast nicht benötigt.
Die zweite Stufe ist die Hauptschule. Sie deckt den Zeitraum ab, der vom Gesetzgeber als gesetzliche Schulpflicht vorgesehen ist (neun Jahre) und endet damit für gewöhnlich im Alter von 15 oder 16 Jahren. Die Schule soll Kinder darauf vorbereiten, später eine handwerkliche Lehre zu beginnen.
Die dritte Stufe ist die Realschule. Sie ist gewissermaßen ein Zwitter zwischen Hauptschulen und Gymnasien. Ursprünglich war sie als Alternative zu den humanistischen Gymnasien geschaffen worden um gleichrangig eine an den Naturwissenschaften orientierte Ausbildung zu bieten. Mit der Aufteilung in allgemeinbildende und humanistische Gymnasien jedoch ist sie immer weiter zurückgedrängt worden, bis sie ihre heutige Stellung eingenommen hat. Die Kinder lernen hier kompliziertere Sachverhalte, bleiben jedoch eingermaßen praxisnah und sollen nach der Schullaufbahn, die ein Jahr länger dauert als auf der Hauptschule, idealerweise eine Lehre als Kaufmann oder etwas Ähnliches beginnen.
Die vierte Stufe ist das Gymnasium. Es ist gewissermaßen die Krone des Schulsystems, ein Relikt aus der Zeit, als es noch dem oberen Prozent der Kinder vorbehalten war (heute bis zu 50%). Praxisbezug spielt hier fast keine Rolle, Abstrahierungen müssen auf hohem Niveau erlernt und ein breites Allgemeinwissen erworben werden. Die zwölf bis dreizehn Jahre Schulzeit enden in einer großen Prüfung, dem Abitur (früher auch Reifezeugnis genannt), das die Hochschulreife beinhaltet. Das Gymnasium ist also dezidiert dazu gedacht, die Kinder auf ein späteres Hochschulstudium hin vorzubereiten.
Soweit die Theorie. Wir werden uns später mit der Praxis beschäftigen. Gemeinschaftsschulen funktionieren nach einem anderen Prinzip. Hier wird gerade nicht davon ausgegangen, dass die Kinder gewissermaßen inhärent klüger oder dümmer und damit für bestimmte Aufgaben prädestiniert sind, sondern dass ein gemeinsames Lernen letztlich für alle von Vorteil ist. Wo Konservative damit argumentieren, dass auf diese Art die Klugen und Schnellen von den Dummen und Langsamen ausgegrenzt werden argumentieren die progressiven Befürworter, dass die Ersteren die Letzteren mitziehen und letztlich beide Seiten profitieren. Gemeinschaftsschulen sehen oftmals gemeinsamen Unterricht bis zur sechsten bis zehnten Klasse vor (selten in einem anderen Rahmen), meist mit der Möglichkeit verbunden, bei entsprechender Neigung die gymnasiale Oberstufe aufzusatteln und damit die Hochschulreife nachzuholen.
Die Form des dreigliedrigen Schulsystems ist in ihrer häufigsten Ausprägung als staatlich finanzierte und kontrollierte Schule anzutreffen, die nach den gesetzlichen Standards und Richtlinien des Kultusministeriums funktioniert, deren Lehrer verbeamtet sind und die chronisch unterfinanziert sind. Sie sind als Privatschulen relativ selten.
Gemeinschaftsschulen auf der anderen Seite sind zum Teil staatliche Einrichtungen (praktisch ausschließlich in sozialdemokratisch regierten Ländern) und werden ebenso häufig als private oder teil-private Anstalten geführt, oftmals mit Zuschüssen des Staates, aber ohne die Weisungen und Regeln des Kultusministeriums.
Den Gesamtschulen ist gemein, dass sie häufig besser sind als ihr Ruf. Es stimmt nicht, dass die Schüler dort im Schnitt bessere Leistungen erreichen würden als ihre gleichaltrigen Kameraden im dreigliedrigen Schulsystem (als Vergleichsmaßstab können hier nur die zentralen Abiturprüfungen oder Abschlussprüfungen der Realschule herangezogen werden), aber es ist gleichfalls falsch, wie vor allem ihre Gegner nicht müde werden zu behaupten, dass die Abgänger der Gemeinschaftsschulen im Schnitt schlechter wären als ihre Kameraden aus dem gewohnten Schulsystem.
Welche Argumente gibt es also für Gemeinschaftsschulen, wenn sich doch am Ergebnis scheinbar nichts ändert? Der Unterschied liegt im Detail. Ich habe eingangs die theoretische Konzeption des dreigliedrigen Schulsystems angesprochen, die zu Teilen noch aus dem Bismarck-Reich mit seinen Elementar-, Volks- und Realschulen stammt. Diese Konzeption ist von der Wirklichkeit überholt. Sie mag in einer von den Konservativen gerne verklärten Zeit gegolten haben, als nur ein Prozent der Schüler (praktisch ausschließlich aus besserem Hause und männlich) das Gymnasium besucht hat und die überwältigende Mehrheit mit den Elementarschulen (und später den Hauptschulen) vorlieb nehmen musste. Damals mag das System so funktioniert haben, und in der hauptsächlich von der Industrie geprägten Wirtschaft jener Jahre mögen auch die Ergebnisse zur Situation des Arbeitsmarktes gepasst haben.
Gerade der Bildungsförderalismus ist einer der größten Blockierer für Reformen, interessanterweise nur in den seltensten Fällen aus Wahlkampfmotiven. Wurden Sozialstaatsreformen bislang praktisch immer zu wahltaktischen Zwecken blockiert oder nicht blockiert, so kann der Bildungssektor als ein verbliebendes Bollwerk der ideologischen Auseinandersetzung gelten. Im Endeffekt geht es um das Aufeinanderprallen zweier Menschenbilder, die sich in den letzten 150 Jahren nicht großartig verändert haben: die Konservativen auf der einen Seite sind der Überzeugung, dass Menschen von Natur aus unterschiedlich sind und es deswegen auch unterschiedliche Bildungswege braucht – im in diesem Zusammenhang leider oft gebrauchten Stammtisch-Deutsch gibt es eben „dumme“ und „kluge“ Schüler, und man muss die dummen von den klugen separieren, damit sie die klugen nicht versauen. Die Progressiven gehen davon aus, dass die Kinder zwar unterschiedliche Begabungen und Lernweisen haben, es aber so etwas wie „dumme“ Kinder nicht wirklich gibt. Kinder lernen „anders“, nicht „schlecht“ oder „gut“. Das dreigliedrige Schulsystem bzw. die Gesamtschule trägt diesen Vorstellungen Rechnung.
Die aktuelle Misere um die Hauptschulen zeigt jedoch deutlich, dass das dreigliedrigen Schulsystem nicht mehr in der Lage ist, die aktuellen Problemstellungen zu bewältigen. Man kann das auf die sozialdemokratische Bildungsexpansion der 70er Jahre schieben, als der Prozentsatz der Kinder, die das Gymnasium besuchen konnten sprunghaft anstieg und dadurch und durch Einführungen wie die des Bafög gleichzeitig auch die Studentenzahlen in die Höhe gingen, ein Boom, der bereits kurz darauf in Panik vom durchaus eher konservativen Schmidt abgebrochen wurde (deswegen spreche auch in diesem Zusammenhang gerne von „progressiv“ als Gegensatz zu „konservativ“ und nicht von SPD und CDU). Effektiv aber sieht es so aus, dass die Chance eines Hauptschülers heute einen Job zu bekommen um ein vielfaches schlechter ist als noch vor zwanzig Jahren. Sie liegt nahe null, und auch für die Realschulen sieht die Lage nicht viel besser aus. Gymnasiasten drängen inzwischen in Jobs, die früher von Hauptschülern erledigt wurden, auch und gerade in den handwerklichen Berufen. Der Schule gelingt es nicht mehr, notwendiges Wissen zu vermitteln, der Ruf nach mehr Praxisbezug wird immer lauter.
Gleichwohl führt dieser Ruf in die Irre. Ein Praxisbezug kann in einer Welt, in der sich das vorhandene Wissen mit jeder Dekade verdoppelt keinen praktischen Wert besitzen. Er besitzt eine unglaublich geringe Halbwertszeit und lässt sich bereits nach kurzer Zeit kaum mehr sinnvoll gebrauchen, wie beispielsweise die Hilflosigkeit vieler Menschen im Umgang mit Computern immer wieder beweist, von iPhones und ähnlichem ganz zu schweigen. Welchen Nutzen soll es haben, wenn Achtklässter die Nutzung von Windows XP erlernen, wenn bei ihrem Abitur Windows Vista von Windows 7 abgelöst wird? Dies sind keine Aufgaben, die die Schule meistern kann. Die Schule muss in der Lage sein, ein breites Wissen zu vermitteln, und vor allem das Wissen darüber, wie man sich Wissen auch aus fremden Fachbereichen aneignet. Ich bin der Überzeugung, dass die Gesamtschulen in dieser Disziplin deutlich besser abschneiden als das dreigliedrige Schulsystem, und dass Gesamtschulen die Zukunft sind, so sehr sich die Konservativen auch dagegen sträuben mögen.
Montag, 27. April 2009
Kommentierte Fundstücke 27.04.2009, 13.46 Uhr
Der Zeit fällt auf, dass der Bachelor zumindest in seiner aktuellen Form totaler Bullshit ist. Wie die NDS aber so richtig bemerken gehört die Zeit wegen ihrer Kooperation mit dem CHE zu den größten Befürwortern der Reform, weswegen die Kritik kaum ernstzunehmen ist und auch keine besondere Tiefe aufweist.
Günther Wallraff hat ein bisschen bei der Bahn herumgeforscht und zeigt im Interview mit der FR auf, welche diktatorischen Maßnahmen Mehdorn immer durchgesetzt hat - und wie.
Robert von Heusinger erläutert, was der positive Ifo-Geschäftsindex eigentlich genau bedeutet.
Ebenfalls in der FR wird darüber sinniert, dass die Banker schon wieder neuen Hochmut zeigen. Ich habe auch gedacht ich seh nicht recht, dass Ackermann schon wieder mit seinem 25%-Renditeziel hausieren geht und frech wie Oskar sagt, dass wer das nicht erreicht scheiße ist. Hallo du Arschloch, ohne unsere Steuergelder würdest du das nie erreichen! Könnte irgendjemand mal diese Leute von ihren Positionen entfernen?
Der IWF-Chefvolkswirt sieht am deutschen Exportwirtschaftsmodell kein Problem. Zwar kriegt Deutschlands Wirtschaft (und damit natürlich nicht die Konzernchefs, sondern die kleinen Leute) jetzt in der Krise alles dicke, aber davor habe sie ja ordentlich profitiert (die Konzernchefs, nicht die kleinen Leute). Fällt eigentlich niemand auf, was für einen Quatsch diese Leute predigen?
In Frankreich hat der EADS-Chef seine üppigen Rückversicheurngen gekündigt, um eine neue Unternehmenskultur zu errichten. Es bleibt abzuwarten, ob sein Beispiel Schule macht.
Nachdem man Nebelkerzen geworfen hat, die gesperrten Seiten nicht zu kontrollieren, "erwägt" die Regierung jetzt, das alles aufzuzeichnen. War ja klar.
Es droht die erste Rentenkürzung seit 1957, und gleichzeitig eine Kürzung von Hartz-IV. Ist schon klar, wir müssen Politik für die Mitte machen.
Der hessische Rundfunk soll kaltgestellt werden: der dortige Chef will praktisch das gesamte Nachrichtenprogramm ohne Not streichen. Das würde Roland Koch sicher gefallen.
Die SZ macht sich Gedanken darüber, dass Obama auch nur ein Mensch ist und eigentlich kein echtes Programm hinter sich hat.
Die EU legalisiert Schleichwerbung.
Sonntag, 26. April 2009
Volkszählung 2011
Inzwischen haben auch andere Gruppen ein gieriges Auge auf die Daten geworfen, vor allem die Kirchen. Denn die Volkszählung soll auch die Religionszugehörigkeit erfassen, und das letzte Mal wurden solche Daten in einer Zeit erfasst, als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgruppe mit dem Tode bestraft wurde. Ja, ich weiß, das wird in der BRD nicht passieren. Aber ich kann mich nur wiederholen: wer will zum 60jährigen Bestehen der BRD garantieren, dass sie es noch mal 60 Jahre macht? Die Daten werden sich halten, das kann ich euch versprechen. Da ist zivilier Ungehorsam angesagt, Freunde. Wenn ihr nach irgendwas gefragt werdet - Klappe halten, sofern die das nicht illegalisieren. Weiß irgendjemand, ob es da eine Auskunftspflicht gibt?
Filmtipp: Dr. Horrible's Sing-along-Blog
Erinnert sich noch jemand an den großen Writer’s Strike in Hollywood, als die Traumfabrik so richtig albtraummäßig lahmgelegt war, weil alle Drehbuchautoren beschlossen hatten, dass sie etwas besser bezahlt werden wollten als Supermarktkassierer bei KiK? Ich muss ehrlich sagen, ich habe keine Ahnung, was das Ergebnis dieses Streiks war, aber ein eher unbeabsichtigtes Ergebnis war die Produktion eines „Supervillain-Musical“ (von denen es, wie wir alle wissen, viel zu wenige gibt), das unter der Feder von Joss Whedon entstand und in dem Neil Patrick Harris die Hauptrolle des Dr. Horrible spielt. Den kennt ihr vielleicht noch als Carl Jenkins in „StarshipTroopers“ (der Geheimdienstyp mit dem Nazi-Ledermantel). Wenn nicht, macht das auch nichts, nach diesem Film werdet ihr ihn kennen. Joss Whedon ist im Übrigen ein netter Mensch, denn das Video gibt es im Netz zum Download für praktisch kein Geld. Die DVD kann man leider nur in den Staaten kaufen. Andere Möglichkeiten gibt es nicht, denn wer würde schon PIRATErie betrieben wie manche BAYern?
Worum geht es also? Dr. Horrible ist ein Nachwuchsbösewicht, der nur allzugerne in „Bad Horse’s Evil League of Evil“ aufgenommen werden würde. Dummerweise muss er sich dafür erst beweisen, wie ihm Bad Horse persönlich auch in einem Antwortbrief auf seine Bewerbung mitteilt: ohne eine wirklich große, böse Tat (am besten ein Mord!) geht gar nichts. Nur ist Mord definitiv nicht Dr. Horribles Stil, also muss er etwas anderes versuchen. Sein Plan ist ein Freeze-Ray, mit dem er die Zeit anhalten will um so sein Ziel zu erreichen, die Welt zu beherrschen – und nebenbei die Frau seiner Träume zu gewinnen, Penny, die er in seiner bürgerlichen Existenz als Billy regelmäßig im Waschsalon trifft und nicht anzusprechen wagt.
Doch beim Diebstahl einer wertvollen Substanz namens Wonderflonium, die er für seinen Freeze-Ray benötigt, interferiert Dr. Horribles Nemesis, Captain Hammer, und ruiniert sowohl Horribles Plan als auch seine Liebe zu Penny, denn die glaubt Hammer habe sie gerettet und verliebt sich in ihn. Da Dr. Horrible seine treue Fangemeinde über sein Blog in Videobeiträgen über seine neuesten Fortschritte informiert, sind leider auch Captain Hammer und das LAPD auf dem Laufenden über seinen Plan mit dem Freeze-Ray, und so scheitert Horrible grandios. Nun gibt es nur noch eine Chance auf einen Eintritt in Bad Horse’s Evil League of Evil, und das ist kaltblütiger Mord. Aber wen sollte Dr. Horrible ermorden…?
Wer jetzt denkt, dass das (englischsprachige) Musical von knapp 43 Minuten Dauer nur für dümmliche Gags zu haben ist, der liegt vollkommen daneben. In dieser Zeit gelingt Joss Whedon, wofür die Nolans immerhin zweeinhalb Stunden, Christian Bale und Heath Ledger benötigt haben: das Superheldengenre gehörig zu demontieren, analysieren und auf die Schippe zu nehmen. Hinter Dr. Horrible steckt deutlich mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Die Charaktere Horrible, Captain Hammer und Penny haben alle drei Tiefgang, und hinter jedem verbirgt sich mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Sie machen charakterliche Entwicklungen im Verlauf des Musicals durch, hauptsächlich während der hevorragend getexten und gesungenen Lieder, die teilweise absolut Ohrwurmcharakter haben. Philosphische Fragen werden aufgeworfen, und an vielen Stellen (wenn auch nicht gerade bei den Tricks) braucht Dr. Horrible sich wahrlich nicht vor seinen Vorbildern zu verstecken. So, für den folgenden Absatz herrscht Spoilergefahr.
Wenn Dr. Horrible beispielsweise reflektiert, dass alleine Penny seine Bosheit in der Waage enthält und sie ihn mit ihrer Hinwendung zu Captain Hammer immer mehr in Richtung Böse treibt, so hat dies fast die gleiche tragische Dimension wie Dr. Manhattans Bindung an Laurie Juspecyk in Watchmen. Ebenfalls eine Referenz an dieses großartige Comic-Epos ist die Ernsthaftigkeit, mit der die Welt die Existenz von Superhelden und Superschurken anerkannt hat. Als Captain Hammer schlussendlich von Dr. Horrible deklassiert wird, tragen die Mädchen statt Hammer-T-Shirts plötzlich Horrible-Shirts, und die Medien berichten anstatt über Hammers unaufrichtige Charity-Aktionen über Horribles neuesten Zug – business as usual. Einen üblen Twist zieht Joss Whedon ebenfalls noch in den letzten fünf Minuten, wenn Dr. Horrible fulminant seinen Traum erreicht – und dennoch ebenso grandios scheitert. Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken, und man ist gezwungen, sich reflektierend noch einmal mit den Charakteren und ihren allzumenschlichen Zielen – vor allem Anerkennung – auseinanderzusetzen. Nur die besten Komödianten erreichen das.
So, hier endet die Spoilergefahr.
Kommentierte Fundstücke 26.04.2009, 17.33 Uhr
Dieses Jahr ist erwartungsgemäß Rekordverschuldung. Ihr wisst schon, das böse Ding, das man nie machen darf wenn es Leuten was helfen würde die unter Spitzensteuersatz verdienen.
Ein SPD-Staatssekretär schwadroniert in der SZ über profillose Parteien und ratlose Wähler. Viel von dem was er sagt ist erstaunlich objektiv, aber man hört zwischen den Zeilen doch immer wieder raus, welche Richtung er haben will, wenn er von Pragmatismus und Verantwortung labert. Das Thema beherrscht generell immer mehr den öffentlichen Diskurs und ist, wenn auch dieser Schritt in selbigem noch nicht vollzogen ist, definitiv mit den antizipierten sozialen Unruhen verknüpft. Empfehlenswert sowohl NDS als auch, besonders empfehlenswert, Spiegelfechter.
In der SZ wird über "Mehdorns Trümmerhaufen" berichtet, unter Fokus natürlich auf dem Unternehmensklima, das der Neue richten soll. Woher die immer noch irgendwelche Erfolge Mehdorns herfabulieren entzieht sich meiner Kenntnis. Ich glaube da fehlt einfach noch der Wille, sich zu den früheren Fehleinschätzungen zu bekennen, bei denen man einfach nur wie allzu häufig die offizielle Linie nachgeplappert hat.
Im Freitag sind zwei nette Artikel: im einen überlegen sich ein SPDler und ein LINKEr, wie das rot-rote-Projekt aussehen könnte, im anderen wird analysiert, dass die Parteien keine Konjunkturmaßnahmen mehr machen wollen, damit der Schwarze Peter des Geldausgebens an der neuen Regierung hängenbleibt.
Beispiel für den Obama-Unfug: Extra3 hat mit "Yes he can Kanzler"-Slogans die deutsche Medienlandschaft verarscht.
Auch der SZ ist mittlerweile aufgefallen, dass die AMpel-Koalition, die die SPD propagiert, totaler Unsinn ist.
Feynsinn über Pirate Bay, das Urheberrecht und dämliche Zeitartikel.
Freitag, 24. April 2009
Kommentierte Fundstücke 24.04.2009, 19.40 Uhr
ver.di hat ein sehr hübsches Doku-Video zum Thema Mindestlohn im Stil einer Sendung-mit-der-Maus erstellt. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass die Gewerkschaften zur Zeit rot-grüns, als so ein Mindestlohn möglich war, streng dagegen waren, da sie um ihre Machtbasis fürchteten.
Nur kurze Empfehlung der aktuellen Ausgabe von WDR5-Politikum. Besonders witzig: "Pfandflaschen hatten unter rot-grün mehr Rechte als Asylbewerber". :)
In der Financial Times entschuldigt sich deren Chefred für das Versagen der Wirtschaftspresse bezüglich der Finanzkrise; die Entschuldigung wird aber durch viele Relativierungen weichgespült. Mal ehrlich, das Argument, das andere auch versagt hätten ist Kindergartenniveau.
Heribert Prantl schrieb in der SZ eine Würdigung des Sozialstaates als wirklichen Garant des Friedens in der BRD. Damit hat er Recht, und wir haben schon oft genug gesagt, dass die ganzen Streichungen und Kürzungen in Deutschland ein Schnitt ins eigene Fleisch sind, ausgedacht vom äußerst begrenzten Horizont der BWL-Schnösel, die nicht länger als ein Quartal in die Zukunft schauen können.
Nochmal FTD: Ein Aufruf, die weiche Linie gegenüber den Banken aufzugeben. Son Quatsch, das machen die nie im Leben.
In einer Minisatire wird kurz der Begriff Bad-Bank erklärt, nicht überragend, aber ganz nett.
Die geplante Volkszählung 2011 wirft für die Kommunen Probleme auf: vermutlich leben in Deutschland rund 1,3 Millionen Menschen weniger als angenommen. Das bedeutet starke Geldverluste für die Gemeinden, und auch Ämter.
Die SZ verurteilt die Übernahme von Porsche-VW und Schaeffler-Conti. Ach nein, so plötzlich. Vor kurzem war das alles noch ganz toll, boah, schaut mal was die können, Klatschen und Bewundern.
Schwan kriegt Gegenwind wegen ihren Warnungen vor sozialen Unruhen. Offensichtlich agieren die meisten Leute auf dem Stand von Dreijährigen: wenn sie nur nicht drüber reden, wird schon auch nichts passieren. Feynsinn kommentiert auch.
Bei den Discountern ist - mal wieder - Preiskampf angesagt, worunter natürlich die Zulieferer und letztlich wir alle leiden. Das fiecht die SZ natürlich nicht an, die vollkommen realitätsblind von Vorteilen für den Vebraucher schwadroniert. Ne, klar, die Gebrüder Albrecht und Dieter Schwarz werden was von ihrem Milliardenvermögen abknapsen um die Preiskämpfe gegenzufinanzieren. Das ist so wahrscheinlich wie ein nach oben fallender Stein. Wir zahlen das! Wie bescheuert kann man eigentlich sein, das immer noch nicht zu sehen?
Der Richter des Pirate-Bay-Prozesses war in einer Urheberrechtslobby. Vielleicht hat die Revision doch bessere Chancen als ich ursprünglich dachte.
Zusammen mit einer Mega-LAN wurde auch ein Aufklärungsprogramm für Eltern in Nürnberg verboten. Wo kommen wir denn da hin, wenn plötzlich Aufklärung betrieben wird und man sich von geliebten Vorurteilen verabschieden muss?!
Jens Berger im Freitag zur Terrorzelle im Sauerland.
Weißgarnix äußert sich ebenfalls äußerst lesenswert zum Thema soziale Unruhen.
Und Heribert Prantl auch.
Donnerstag, 23. April 2009
Kommentierte Fundstücke, 23.04.2009, 12.29 Uhr
Bei Conti gab es große Demos (wir erinnern uns: Firma wurde durch Schaeffler so mehr oder minder übernommen, aber auf jeden Fall mal destabilisiert), zu denen auch Franzosen anreisten, um die deutschen zu unterstützen. 1200 französische Arbeiter sollten mit einem Sonderzug kommen, aber der verspätete sich zufällig. Die Gewerkschaften machen aber klar, dass sie die französischen Methoden (etwas gewalttätigere Proteste und Geißelnahmen) ohnehin ablehnen und die Aktionäre "mit Argumenten überzeugen" wollen. So sehr ich den Gewaltverzicht auch unterstütze, mit Argumenten die Aktionäre überzeugen? Leute, ehrlich.
Die GroKo hat einen neuen Beschluss gefasst, wie künftig Manager persönlich haftbar sein sollen. Kleinster gemeinsamer Nenner, und ich wette, der wird bis September nicht umgesetzt in der Hoffnung, dass es danach überflüssig wird.
Unternehmen kaufen inzwischen Blogger, um Werbung zu machen.
Die FR hat einen Hintergrundartikel zu Notstandsgesetzgebung und Ausnahmezustand im Angebot. Ich lese dazu gerade ein Buch; ich poste euch dann was ausführliches dazu wenn ich damit fertig bin.
In der Welt wird davor gewarnt, die SPD allzu leichtfertig verloren zu geben, weil die Demoskopen sich eh irren. Das ist richtig, aber man kann echt nur die Hoffnung haben, dass die dermaßen abkacken.
Die tollen neuen Möglichkeiten, die Steinbrück sich gegen Steuerhinterzieher im Ausland (und besonders in der Schweiz) hat geben lassen, will er nun nicht benutzen. Nebelkerzen, wohin man blickt.
Mittwoch, 22. April 2009
Kommentierte Fundstücke 22.04.2009, 16.33 Uhr
Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass ich mal von Dieter Bohlen beeindruckt sein würde oder ihm bei dem, was er sagt, zustimmen. Aber hinter dem vulgären Affen von DSDS steckt doch ein recht intelligenter Mensch, was meine alte Theorie bestätigt dass in dem Geschäft nur die Intelligenten sich halten können. Aber zum Thema: was Dieter Bohlen bei Kerner zum Thema Filesharing gesagt hat ist einfach klasse, genauso wie seine Meinung zur Finanzkrise. Unbedingt anhören. Man hätte statt Sinn und Miegel echt mal Bohlen zu Anne Will und Sabine Christiansen einladen sollen.
Endlich mal ein Argument für Gesine Schwan: sie hält die CHE-Rankings für dämlich und sagt das derem Chef auch ins Gesicht. Zugegebenermaßen noch ein bisschen dünn für eine Bundespräsidentin, aber immerhin mal besser als nichts, das sich derzeit in Gestalt Köhlers manifestiert.
Wer sich für die Geschichte der Studiengebühren in Deutschland interessiert, dem sei dieser Überblicksartikel der StudisOnline anempfohlen.
Zum Themengebiet "Überwachung" hab ich heute einiges. Zuerst einmal befindet der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar, dass der Staat die Bürgerrechte zu sehr einschränkt, was eine objektiv durchaus anerkannte Tatsache sein dürfte, sofern man nicht gerade zufällig in der Parallelwelt Schäubles und Schilys lebt.
Heribert Prantl weißt dagegen auf einen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung von Überwachung beim Staat auf der einen und bei Unternehmen wie Telekom, Lidl und Bahn auf der anderen Seite hin. Dadurch, dass der Staat jede Hemmung verloren hat, verloren auch die Unternehmen sie - durchaus konsequent. Der Staat ist nicht so schwach, wie viele ihn immer herbeireden; seine Vorreiter- und Vorbildsfunktion darf nicht unterschätzt werden. Die große Ausbeutung begann ja auch erst, als rot-grün sie ermöglichte - weil alle Schamgrenzen heruntergefahren waren.
Weil ja in solchen Fragen die CDU bekanntlich eine Kernkompetenz hat, hat sich die JU-NRW entschlossen, gleich mal einen neuen Vorschlag auf den Tisch zu knallen: YouTube soll zensiert werden; Legitimation ist die angebliche Unzahl von Gewaltvideos von "populär werdenden Jugendbanden", die per Handy gefilmt und dann da hochgeladen werden. Der helle Wahn; natürlich hat die Bundes-CDU bereits gesagt, wie toll sie die Idee findet. Intellektuell ist sie auf dem gleichen Niveau wie immer angelegt, man bekämpft die Symptome, weil das viel einfacher ist. Als ob die Jugendlichen nicht viele andere Möglichkeiten zur Verbreitung der Videos hätten, als den Pickelgesichtern von der JU auch nur im Traum einfallen würden!
In der taz findet sich ein ausführlicher Artikel über die Ausbeutung bei den Discountern, heute mit Fokus auf Netto, der gerade zum Branchenprimus aufgestiegen ist: 1000 unbezahlte Überstunden im Jahr, das muss man erst einmal hinbekommen. Pro Mitarbeiter. Diese Überstunden sind fest einkalkuliert und werden durch unmenschlichen Druck erzwungen. Es wird echt Zeit, dass diesem Verbrecherpack das Handwerk gelegt wird, aber darauf können wir wohl lange warten. Hängen ja Arbeitsplätze dran.
In der gleichen Quelle findet sich ein Verriss der derzeitigen Steuerpolitik der CDU. Ich zitiere einfach mal: "Lange hat die Union einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung stur abgeblockt. In Steueroasen aktive Unternehmen - die gewiss niemals auf die Idee kämen, die dortigen Ministeuersätze auszunutzen - würden dadurch unter Generalverdacht gestellt, hieß es. Ganz schlimm erschien der CDU auch, dass Bezieher von bescheidenen Jahreseinkommen ab einer halben Million Euro selbst ohne Anlass mit Steuerprüfungen rechnen müssen. Das absurdeste Argument dagegen lautete: Dies sei ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz. Demnach ist es sicher auch verfassungswidrig, dass Autofahrer häufiger in Geschwindigkeitskontrollen geraten als Fußgänger." Großartig. Thomas Strobl hat in der FAZ ebenfalls eine wunderbare Abrechnung mit den derzeitigen Bullshit-Ladungen der FDP und CDU geschrieben, absoluter Lesebefehl! Feynsinn kommentiert ebenfalls.
Volker Pispers macht sich über die Dividendenpraxis der Banker und ihre Verluste in der Finanzkrise lustig. Keiner von seinen besseren, aber ok.
Jens Berger schreibt in der TP über das Konzept der Bad Banks. Falls gerade mal jemand bemerkt, dass seine Wut über Peer Steinbrück verraucht ist, dann sollte er einfach mal den Artikel lesen, danach will man dem Kerl wieder die Klöten an eine Autobatterie anschließen, und seinem Herrchen Asmussen gleich mit. Immerhin fällt das auch Robert von Heusinger bei der FR auf.
Wer mal sehen will, welche Niederungen ein konservativer Intellekt zu beschreiten weiß, sollte diesen Welt-Artikel lesen. Und wenn du glaubst, dümmer geht's nicht mehr... - Mit dem gleichen Thema beschäftigt sich auch Spiegelfechter.
Die SZ bringt einen reflektierten und sachlichen Artikel zum Thema Jugendämter und dem Druck, dem Mitarbeiter dieser gehassten Institution immer ausgesetzt sind. Oftmals kritisiert man sie ja zurecht, aber die Typen sind schon arme Schweine.
Montag, 20. April 2009
Das CSU-Verständnis der Meinungsfreiheit
Kommentierte Fundstücke 20.04.2009, 12.53 Uhr
In der SZ wird ein Szenario ausgebreitet, bei dem ich mir echt nicht sicher bin ob ich davor Angst haben soll: wenn die Parteien sich im September nicht auf eine Koalition einigen können (was möglich ist), könnte der Bundespräsident von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch machen und einfach IRGENDWEN zum Bundeskanzlerkandidaten vorschlagen. Die SZ fabuliert von "unverbrauchten" Personen, vielleicht nicht einmal aus der Politik. Josef Ackermann for Bundeskanzler! Dann haben wir einen Sparkassendirektor als Präsident und und einen Investmentbanker als Kanzler, da kann ja nichts mehr schiefgehen.
Ebenfalls in der SZ wird noch mal eine Bilanz der aktuellen Wahlversprechen gezogen (da werden wir in den kommenden Monaten sicher noch die eine oder andere zu hören bekommen), nach der sie SPD gerade deutlich seriöser rüberkommt als die Union oder die FDP, aber effektiv alle drei gequirlte Scheiße reden. Die drücken das natürlich freundlicher aus, aber der Kern bleibt derselbe.
Ein Artikel in der taz über den Parteitag der LINKEn im Saarland ist eigentlich nur wegen der Info interessant, dass in einem Dorf zig Leute zurückgetreten sind, weil sie als erklärte Pazifisten nicht akzeptieren konnten, dass ihr Chef leidenschaftlicher Paintballspieler ist. Ey Leute, euch hat doch echt einer ins Hirn geschissen, oder? Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?
Wen es interessiert, der findet hier eine aktuelle Zusammenfassung des Pirate-Bay-Prozesses. Ich bin gespannt, ob die Jungs in der nächsten Instanz etwas reißen können, aber ich wage es zu bezweifeln. Trotzdem gilt weiterhin, dass hier mit Steuermitteln ein Marktversagen subventioniert wird: was die Content-Mafia anbietet will kaum mehr jemand haben, aber anstatt ihre Produkte an den Markt anzupassen, verklagen sie alle Leute.
Die SZ wird marxistisch! Sie haben festgestellt, dass das SPD-Wahlprogramm nicht sonderlich links ist. Man, so viel gesunder Menschenverstand gehört doch echt bestraft.
In der FR findet sich ein Interview mit dem Autor von "Deutsche Republiken - Triumph und Scheitern der Demokratie". Feynsinn hat bereits kommentiert, was die Geschichtslosigkeit unserer Eliten für unser Land bedeutet, deswegen von mir noch die Bemerkung, dass ich das Interview etwas arg einseitig auf die BRD konzentriert sähe, als ob 1949 der Initialstart für die Demokratie in Deutschland gewesen wäre. Wilhelm von Sternburg erkennt ja richtig, dass gerade der (relative) Wohlstand der Adenauer-Ära die Akzeptanz der Demokratie förderte, aber was ist denn mit Weimar? Man kann eigentlich mit großer Berechtigung annehmen, dass ohne die desaströse ökonomische Lage Weimar ebenfalls auf Dauer ein Erfolg geworden wäre.
Die CIA hat deutlich häufiger Folter (Waterboarding) angewendet als bisher bekannt; in einem Fall allein 183 mal im Jahr 2002. Das ist nicht gerade überraschend, wer glaubt auch Aussagen eines Geheimdienstes über dessen Verbrechen? Wirklich auffallend ist, dass sich die SZ nicht entblödet, von "harten Verhörmethoden" zu sprechen, anstatt einfach klipp und klar "Folter" zu sagen. Leute, das sind keine "harten Verhörmethoden", es ist Folter, ein Verbrechen und gehört entsprechend benannt.
In der SZ findet sich ein Artikel zum Reizthema Lehrer, relativ schön ausgewogen und faktenreich.
Ebenfalls in der SZ gibt es noch ein flammendes Plädoyer an die Staatsanwaltschaften damit aufzuhören, Vorverurteilungen über die Medien zu lancieren und so die Grundrechte der Angeklagten zu verletzen. Sehr lesens- und unterstützenswert.
Sonntag, 19. April 2009
Freitag, 17. April 2009
Referenzfall Somalia
Aber sehen wir uns den Konflikt noch einmal von Beginn an: Somalia ist bekanntlich ein Land ohne eine Regierung (zumindest ohne eine die in der Lage wäre zu regieren) und deswegen de facto nicht in der Lage, hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen - etwa den Schutz und die Überwachung seiner Küsten. Dieses Fakt haben sich diverse international agierende Konzerne - nennen wir sie vereinfachend die Arbeitsplatz AG - zunutze gemacht, indem sie illegal Giftmüll vor Somalias Küste verklappen und die Gewässer leerfischen. Während bei letzterem "nur" Langzeitschäden bei der Bevölkerung angerichtet werden, raubt ihnen letzteres die Lebensgrundlage, denn die Küstenbevölkerung Somalias besteht fast ausschließlich aus Fischern. Oder sollen wir sagen, bestand?
Ohne Lebensgrundlage, aber doch mit diesem für die Arbeitsplatz AG störenden Überlebenstrieb ausgestattet stellten die Fischer bald fest, dass sie die langsamen Schiffe, die da durch ihre Gewässer kreuzten, mit ihren eigenen Booten und den AKs, von denen es dank mehrer Dekaden Bürgerkrieg wahrlich genügend gibt, einfach kapern könnten und dann Lösegeld verlangen.
Das wahrlich interessante ist nun, und das hebt der oben verlinkte Artikel ausdrücklich hervor, dass die Piraten sich wie Unternehmer verhalten, also mithin so, wie es die Globalisierung als Positivutopie festschreibt. Sie entwickeln eine Art Tarif, schütten die Gewinne an Anteilseigner aus (korrupte Regierungsstellen, Warlords und natürlich die Piraten selbst) und behalten einen Teil zurück, um ihn in mehr Waffen und Boote zu investieren. Sie haben gewissermaßen die Lektion des Westens gelernt.
Der zeigt sich jetzt allerdings nicht übermäßig dankbar, sondern schickt stattdessen seine Marine, in der sicheren Erwartung, dass einer NATO-Marine ein Neger im Kamaran wenig entgegenzusetzen hat. Die Deutschen überschlagen sich vor Freude, endlich wird wieder Kanonenbootpolitik in Afrika betrieben und den Einheimischen mal gezeigt, wo der Hammer hängt! Selbige wurden nur dummerweise schon ein zweites Mal unterschätzt, denn anstatt als gute Afrikaner die Überlegenheit der weißen massas anzuerkennen und einfach in einer abgeschiedenen Ecke zu krepieren und bisweilen mit traurigem Blick für CNN zu posieren, haben sie sich entschlossen der marktbeherrschenden Macht der Arbeitsplatz AG entgegenzutreten und stattdessen eine Fusion mit einem anderen lokalen Unternehmen einzugehen, um die freiwerdenden Synergieeffekte zu nutzen. Kaum forderten die Marinekapitäne, die schon seit Ewigkeiten Schiffe-Versenken nur als Brettspiel kennen, die schnelle Versenkung der Piratenbrut, anstatt auch noch Gefangene nehmen zu müssen (wo kommen wir denn da auch hin!), taten sich die Piraten mit den Menschenschmugglern zusammen.
Letztere sind schon ein bisschen länger im Geschäft als die Piraten und schippern verzweifelte, bürgerkriegsgeplagte Somalis in halsbrecherischen Fahrten in lecken Kähnen über das rote Meer nach Jemen, damit sie von dort nach Saudi-Arabien weiterkönnen, um für die Ölscheichs zu arbeiten. Das war bisher ok, denn die Hungerlöhne, die sie dort bekommen, garantieren für uns ja billiges Öl, und wie gute Afrikaner haben sich die Flüchtlinge bisher nie beschwert. Jetzt nutzen die Piraten die Situation für sich: sie schippern die Flüchtlinge hin, wodurch sie einen Schutz vor der Shoot-on-sight-Marine der NATO-Staaten bekommt, weil die sich an diese echt lästigen Menschenrechte halten müssen und nicht einfach das Boot mit den ganzen Afrikanerfrauen und -kindern versenken dürfen und überfallen auf dem Rückweg schnell noch ein Schiff.
Jetzt sind die Marinekommandeure - wieder einmal - ratlos. Die gerade erst erhobene Forderung nach einer schlichten Versenkung der Piraten ist durch die Flüchtlingsnutzung nicht mehr haltbar, und andere Optionen als drauflosballern haben sie auf den Schiffen leider nicht wirklich.
Warum also soll dieser Fall exemplarisch für die Betrachtung und Lösung von Krisen in der heutigen Zeit sein? Ganz einfach. Offenkundig leidet Somalia - und damit ein paar Millionen Menschen! - an einem tiefgehenden Problem, nämlich der Zerrissenheit durch den Bürgerkrieg. Man hat 1993 bereits einmal versucht, das mit Militär zu lösen, was bekanntlich furchtbar in die Hose ging, wie der Film "Black Hawk Down" eindrucksvoll zeigt. Dieses Mal hat man gelernt und bleibt auf dem Wasser, wo der Neger nicht zurückschießen kann. Allerdings löst das das Problem nicht, sondern erzeugt Ausweichverhalten. Das Schicken von Schiffen war nur die bequemste und billiste Lösung, die man aufzubieten hatte, denn die Schiffe hat man ja eh und Kugeln sind billig. Müsste man stattdessen versuchen eine internationale Lösung zu erstellen, das Raubfischen am Horn von Afrika und das Verklappen von Giftmüll zu verbieten hätte man richtig zu tun, und es wäre teuer, denn die Arbeitsplatz AG würde gleich jammern, dass dadurch Arbeitsplätze verlorengingen. Und damit man ihnen den Schmarrn auch glaubt, würden sie mit betrübten Gesichtern erst einmal ein paar hundert Leute entlassen. Macht keinen Sinn, aber sieht gut aus. Schickt also lieber mal ein paar Schiffe, die sehen wenigstens hübsch aus.
Kommentierte Fundstücke 17.04.2009, 16.54 Uhr
Wiglaf Droste zieht über die taz her.
In selbiger nimmt man auch noch mal die mangelnde Glaubwürdigkeit der SPD auseinander.
In Panorama wird über die miesen Methoden von Schlecker berichtet.
Im Manager-Magazin wird über Alternativen zum aktuellen Bankenrettungswahn berichtet.
Heribert Prantl sieht die Unschuldsvermutung - zu Recht - gefährdet.
1und1 weigert sich, von der Laiens Sperrlisten mitzumachen. Leider nicht mit guten Argumenten, sobald es Gesetz wird machen sie mit.
SZ hat eine Analyse der verfassungsrechtlichen Problematik unserer Wahlrechts im Angebot.
Und nochmal SZ: ein tiefergehender Artikel zum Pirate-Bay-Urteil.
Donnerstag, 16. April 2009
Kommentierte Fundstücke 16.04.2009, 19.19 Uhr
Die FTD zerpflückt den Wahlkampf. Gleiches Thema auch bei Spiegelfechter, SZ und Feynsinn.
Laut einem Soziologen herrscht radikale Stimmung unter Hartz-IVern. Kann's ihnen nicht verdenken. Interessant ist die Analyse, warum es in Deutschland nicht zu gewalittätigem Protest kommt.
Peer Dumpfbacke, unser Alibi-Finanzminister, macht sich tapfer an den Kampf gegen die Inflation. Auf der Titanic hätte er sich mit dem Wischmob daran gemacht, das Salzwasser aufzuwischen, damit keine hässlichen Flecken zurückbleiben, wenn der Untergang durch die Selbstheilungskräfte der Schifffahrt überwunden wurde. Freitag und Weißgarnix beschäftigen sich beide damit.
Auf den NDS finden sich Gedanken zur Verfassungswirklichkeit.
In GB haben ein paar Polizisten völlig unprovoziert um sich geprügelt, das Beweisvideo findet sich beim Guardian.
Ein US-Student hat die Ölkonzerne bei Konzessionen um Ölgebiete bei Naturschutzparks, die Bush als faules Ei hinterlassen hat überboten ^^
In den USA ist eine Teenagerin wegen Kinderpornos angeklagt, weil sie als Zweölfjährige mal ein Bikinibild von sich gemacht hat. Schock! Und sagt jetzt bloß nicht "klar, die dämlichen Amis", die dämlichen Grsetze haben wir hier nämlich auch. Die haben nur schon ein Wort dafür: Sexting.
Lest unbedingt dieses Interview mit dem Bund der Steuerzahler. So sehr wie die sich über den neuen Steuervorschlag der SPD ereifern und vor allem mit welchen Argumenten - das belegt eigentlich nur, dass der Vorschlag nicht ganz schlecht sein kann.
Und noch mal zwei Artikel zum Thema. Scheint gar nicht sooo dumm zu sein, der Vorschlag, zumindest ist er das Vernünftigste, was ich im Wahlkampf bisher gehört habe.
Kinderpornomissbrauchsopfer gegen von der Laien.
Mittwoch, 15. April 2009
Buchtipp: Thomas Wieczorek - Die DAX-Ritter. Wie Manager unser Land ruinieren
Wann immer die überzogenen Gehälter der Spitzenamanager gegeißelt werden geistert eine Wortkombination durch die Debatte: leistungsgerechte Bezahlung. Mit bemerkenswerter Penetranz versucht ein Konsortium von Lobbyisten landein, landaus durch die Talkshows tingelnd uns klar zu machen, dass Gehälter von mehreren Millionen im Jahr irgendetwas mit Leistung zu tun hätten. Thomas Wieczorek, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler und freier Autor, hat sich des Mythos angenommen und deklassiert ihn vollständig. Unsere Spitzenamanger bekommen nämlich nicht nur obszön viel Geld, nein, sie verdienen es nicht einmal im wahren Wortsinn.
Ein Paradebeispiel hierfür ist Jürgen Schrempp; dessen Karriere als Daimlerchef wird von Wieczorek ausführlich beschrieben. Schrempp ist es gelungen, in seinen zehn Jahren (in denen er übrigens über 80 Millionen Euro verdient hat, womit er eher zu den Geringverdienern der Branche zählt) Kontrolle über den Daimler-Konzern eine Fusion mit Chrysler gehörig in den Sand zu setzen und 95 Milliarden Euro Firmenwert zu vernichten. Um das noch einmal klarzumachen, die Firma war nach seiner Führung 95 Milliarden weniger wert als zuvor. Allein durch die Ankündigung seines Rücktritts stieg die Daimler-Aktie um 5%. Dieser Mann, der seine Firma fast ruiniert hat, ging natürlich mit goldenem Handschlag, wie so viele Versager vor ihm. Schrempp ist allerdings nicht arbeitslos, wie es jeder Arbeiter wäre, der über zehn Jahre die Maschinen an seinem Arbeitsplatz kaputtshreddert. Er darf neue Firmen in den Abgrund führen.
Dieser Wahnsinn hat Methode, und Wiezcorek zeigt mit beeindruckender analytischer Weitsicht und akribischer Genauigkeit auf, wie es den Managern gelingt, trotz offensichtlicher Inkompetenz und schweren Fehlern immer wieder viele, viele Millionen zu kassieren. Das große Netz der Aufsichtsräte ist dafür der Hebel Nummer 1. Allein anhand einiger weniger Unternehmen, die Wiezcorek exemplarisch herausstellt, wird leicht deutlich wie vernetzt die Manager untereinander in den Führungsgremien ihrer jeweiligen Firmen sind. Auf diese Art genehmigen sie sich gegenseitig Phantasiegehälter und decken sich im Falle allzu offensichtlichen Versagens, wie es ständig vorkommt. Eine ganze Public-Relations-Industrie voller bezahlter Mietmäuler gibt ihnen dafür das nötige intellektuelle Fundament. Die Dürftigkeit ihrer Weltbilder wird exemplarisch immer wieder Hans-Werner Sinn, dem Chef des ifo-Instituts deutlich, dessen Aussagen und Prognosen sich bisher in Bausch und Bogen als vollkommener Mist erwiesen haben, der aber trotzdem beständig ganz oben mitmischt und seine gekaufte Meinung ständig durch den Blätterwald rieseln lässt.
Dies ist exemplarisch für die gesamte Zunft. Eine bestenfalls zweitklassige Oberschicht träufelt das Odeur des Erfolgs, der sich an kurzfristigen Aktiensprüngen nach oben abzeichnen soll, über ihr eigenes Versagen. Firmen werden zugrundegerichtet, und wie die Heuschrecken ziehen sie von Firma zu Firma, bis sie sich irgendwann auf ihr Altenteil zurückziehen.
Thomas Wieczoreks Buch ist so wichtig, weil es leicht verständlich und auf vergleichsweise wenig Raum das Kunststück schafft, dem Leser einen fundierten Eindruck des Treibens in den Vorstandsetagen zu vermitteln. Eine parasitäre Elite lebt auf Kosten der Allgemeinheit und vernichtet tausende von Arbeitsplätzen, und dafür wird sie auch noch gefeiert und mit absurdesten Gehältern belohnt. Bücher wie dieses müssen gelesen werden, damit Hans-Werner Sinn (pars pro toto für all die Mietmäuler) endlich zum Schweigen gebracht werden können und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik beginnen kann – auch in den Vorständen.
Dienstag, 14. April 2009
Kommentierte Fundstücke 14.04.2009, 12.19 Uhr
Die Zeit hat einen Artikel im Angebot, der ausführlich die Situation der Piraten von Somalia beleuchtet. Erfrischend unvoreingenommen und der Situation gegenüber aufgeschlossen.
Die taz hat einen Doppelartikel im Angebot, Thema: Aktionsbündnis gegen Studiengebühren. Ein Artikel ist pro, einer contra. Schaut besonders auf den contra, da finden sich kurz zusammengefasst die ganzen dämlichen Argumente der Studiengebührenbefürworter. Weil Hauptschüler benachteiligt sind, muss man Studenten benachteiligen? Häh?
Kontraste hat sich mal wieder auf Spurensuche in der Bundeswehr gemacht und dabei viele Spuren der Wehrmacht gefunden. Interessant, aber eigentlich nichts Neues.
In der FR kommt ein Mediziner zum Zuge und widerlegt drei gängige Propagandalügen zum deutschen Gesundheitssystem.
In der FAZ ärgert man sich über weiteren Geburtenschwund bei Akademikerinnen. Schön ist, wie unverholen das Ganze als das dargestellt wird, das es ist: Bevölkerungspolitik im besten Nazistil. Und das ganz ohne dass es dem FAZ-Autor auffiele.
Noch drei mal FR, ohne dass man das weiter kommentieren müsste, einfach lesen: eine Darstellung zum 60. Geburtstag des Tarifvertragsgesetzes, HRE - Ein Lehrstück, und "Mehr Keynes wagen".
In der SZ schreibt Heribert Prantl einen wütenden Angriff auf die Banker, die sich aus der Verantwortung ziehen wollen und nun dem Staat verantwortlich machen. Leider hat die Ausrede, der Staat habe nicht genügend reguliert einen wahren Kern. Nur: der Staat ist keine Person. Nicht der Staat hat zuwenig reguliert, sondern Schröder, Fischer, Steinmeier, Steinbrück, Merkel, Glos, Guttenberg. Diese Bagage ist schuld, nicht der Staat.
Montag, 13. April 2009
Kommentierte Fundstücke 13.03.2009, 1.20 Uhr
Sonntag, 12. April 2009
Kommentierte Fundstücke 12.04.2009, 13.53 Uhr
Feynsinn befasst sich noch mal mit den somalischen Piraten. Ich kann ihm nur zustimmen.
In der FR findet sich ein Artikel, der sich mit der zunehmenden Ausbreitung von Risikojobs um die ganze Welt befasst. Lesenswertes Hintergrundmaterial!
Weißgarnix hat in der FAZ einen schönen, ausführlichen Artikel zur Sozialen Marktwirtschaft im Angebot. Empfehlenswert!
Gleiche Quelle, nur dieses Mal das Blog: Weißgarnix ärgert sich über die ordnungspolitischen Wahnmaßnahmen der Regierung.
In der SZ wird mal wieder die Sorge nach der akademischen Zweiklassengesellschaft geäußert. Ach was.
Samstag, 11. April 2009
Fünf detaillierte Fundstücke
Das erste Fundstück, dem ich mich widmen will, stammt aus der Süddeutschen Zeitung. Es ist ein Hintergrundartikel über Kärnten, wo die Rechtsextremen über 45% der Stimmen erhalten haben. Was dort beschrieben wird ist frappant: die Rechten touren mit Bussen durch die ganze Provinz und verteilen soziale Wohltaten, 365 Tage im Jahr, ob Wahlkampf ist oder nicht. Politisch versuchen sie mit aller Macht, Ausländer aus dem Land zu bekommen, was durch "Bodenpolitik" erreicht wird - keine Vermietung an Ausländer, und wenn einer Land kaufen will, kauft es die Gemeinde vorher weg. Zweisprachige Ortsschilder werden ausgerissen, Tschetschen in Sippenhaft genommen. Wichtig ist jedoch, dass in meinen Augen der Grund für den Erfolg der Rechtsextremen tatsächlich die von ihnen vorgelebte "Volksnähe" und ihre zahllosen sozialen Almosen sind. Im Gegensatz zu den sich immer weiter entfremdenden Politikern erwecken die Rechtsextremen den Eindruck, tatsächlich etwas für die Menschen zu tun - symptomatisch, dass der SZ dazu nur einfällt, dass Kärnten überschuldet ist.
Das zweite Fundstück ist ebenfalls aus der SZ und behandelt eine neue Reality Show. Sie heißt "Someone's gotta go" (Jemand muss gehen) und thematisiert die Wirtschaftskrise. Jede Woche soll ein kleines, krisengeschütteltes Unternehmen vom Moderator (einem Wirtschaftsberater) besucht werden. Die Mitarbeiter sollen dann selbst entscheiden, wer gefeuert wird. Eines der Kernelemente der Sendung soll sein, dass die Mitarbeiter einander ins Gesicht sagen sollen, was ihnen am anderen nicht passt. Produziert wird das Ganze natürlich von - Endemol. Jeder weitere Kommentar meinerseits ist denkbar überflüssig, das spricht genug für sich selbst.
Das dritte Fundstück erzählt, dass das BKA in den Siebziger Jahren plante, selbst Terroranschläge durchzuführen (Hamburger Elektrizität, Berliner Wasserversorgung) und diese dann der RAF in die Schuhe zu schieben. Man wollte außerdem gefälschte RAF-Quellen in Umlauf bringen. Die Welt kann das alles nicht richtig glauben, aber die Beweise sprechen für sich. Mir erscheint das alles mehr als einleuchtend, und es ist durchaus möglich, dass die Verschwörungstheoretiker Recht haben und ein Großteil der Terroranschläge False-Flag waren. Man sollte dranbleiben und sehen, ob da noch weitere Sachen ans Licht kommen.
Das vierte Fundstück ist ein Hintergrundartikel über Gladio und andere solche Organisationen. Wem das nichts sagt, der sollte sich darüber informieren, denn diese Organisationen sind ein praktisch immer unter den Teppich gekehrter Aspekt der Nachkriegsgeschichte.
Das fünfte Fundstück befasst sich mit dem "Wahnsystem" der Landesbanken. Es ist unglaublich, was da abgegangen ist, und es beweist eindrucksvoll, dass staatliche Verwaltung nicht zwangsläufig besser ist, ganz besonders dann nicht, wenn die Staatsorgane selbst genauso wie die Investmentbanker agieren, als hätte ihnen einer ins Hirn geschissen.
Montag, 6. April 2009
Kommentierte Fundstücke 06.04.2009, 14.22 Uhr
In der taz findet sich die absolut berechtigte Befürchtung, dass die Entpolitisierung und die Demokratieverdrossenheit weiter zunehmen werden, wenn man nicht schnell das ALG-II reformiert - und die CDU blockiert da gerade.
Dem DLF hat Lafontaine ein ausführliches Interview gegeben, in dem er noch einmal schöne Analysen und Zusammenfassungen bietet.
In der SZ hat Markus Zydra einen ehrlich bescheuerten Artikel geschrieben, in dem er uns an seiner Phantasiewelt teilhaben lässt: in der ist die herrschende Lehre keynesianisch seit Jahrzehnten, und einige wackere Neoliberale kämpften vergeblich gegen die Krise an. Das Schlimme ist nur, der Junge glaubt den Unsinn.
Josef Ackermann glaubt, es würde soziale Unruhen geben. Ich glaube Josef Ackermann glaubt, es würde soziale Unruhen geben.
In der TP findet sich eine schöne Außenansicht auf die Schnüffeleien des BKA. Lesenswert!
Die NDS analyisieren das Wahlprogramm der FDP. Dazu passt ein Artikel aus dem Focus, in dem Westerwelle klar eine Ampelkoalition ausschließt - mit witzigen Argumenten.
In einem Stern-Interview mit Steinbrück kann man sehen, welche intellektuellen Verwüstungen in dessen Hirn angerichtet wurden.
Die EU ist auf die Idee gekommen, Asylbewerber mit Hartz-IVern gleichzustellen. So was war auch echt überfällig.
Elf Millionen Jobs seien in Deutschland gefährdet, meldet die Welt. Ich wäre mit solchen Zahlen ja immer etwas vorsichtig.
Diese deutsche Radikal-Evangelisten-Familie sucht gerade in den USA Asyl, um ihre Kinder daheim zu unterrichten. Gebt euch mal diese Verdrehung von Hirnwindungen: "Wir haben festgestellt, dass die staatlichen Schulen in Deutschland keinen wertneutralen Unterricht bieten, sondern traditionell christlichen Werten wie Nächstenliebe, Treue, Zuverlässigkeit, Fleiß, Hilfsbereitschaft oder Respekt entgegenwirken." Äh, ja. Alles klar. Einweisen mit Zwangsjacke.
Heiner Flassbeck kommentiert mit bösen Worten den G20-Gipfel.
Sehr guter und informativer Hintergrundartikel in der SZ zum Thema Afghanistan. Absoluter Lesebefehl!
Es ist unglaublich: wegen Winnenden hat das Dortmunder Jugendamt ein LARP abgesagt. Wegen Gewaltprävention. Offensichtlich haben die Nasen echt keine Ahnung von gar nichts. So eine Bande impertinenter Vollidioten!
Freitag, 3. April 2009
Kommentierte Fundstücke 03.04.2009, 18.50 Uhr
Das Bildblog analysiert die Schlagseite der BILD im Wahlkampf 2002 und der Methoden, mit denen sie die Union lobte und damit eine implizite Wahlempfehlung aussprach - und dass sich die Methoden gerade wiederholen.
"Bachelorstudenten ticken anders" weiß SpOn, und das verwundert auch nicht übermäßig. Wirklich Kritik geäußert wird aber nicht, der ganze Artikel ist total durch den Weichspüler gezogen.
Die Böcklerstiftung hat untersucht, wie es um das politische Interesse von Studenten bestellt ist und kam zu erschreckenden Schlussfolgerungen: nicht einmal die Hälfte kann als überzeugte und engagierte Demokraten bezeichnet werden. Der Neoliberalismus hat hier ganze Arbeit geleistet, und ich kann das aus eigener Anschaung bestätigen.
Franz Walter hat im SpOn die Unterschicht untersucht und einige "verblüffende" Erkenntnisse zutage gebracht. /Ironie
Lasst die Banken pleitegehen!, fordern die Blätter.
Joseph Stiglitz hat dem SpOn ein Interview gegeben und geißelt wieder einmal die deutsche Krisenpolitik. Das wird Steinbrück natürlich wenig anfiechen, der Mann ist beratungsresistent wie ein Granitblock.
Die Berliner SPD hat der Berliner CDU Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen, woraufhin letztere den Saal verlassen und die letzte Sitzung boykottiert hat. Filmreif ^^
Jens Berger hat bei Telepolis den Londoner G20-Gipfel auseinandergenommen; sehr informative Zusammenstellung der Inhalte und Perspektiven.
Thomas Fricke zerfetzt ebenfalls wieder einmal Peer Steinbrück (scheint der neue Volkssport der wirtschaftlich bewanderten Zeitgenossen zu werden), was Feynsinn kommentiert.
Karsai hat in Afghanistan ein Gesetz unterschreiben, das die Frauenrechte zurück in die Talibanzeit katapultiert - und die Taliban klatschen Beifall. Für so etwas sterben deutsche Soldaten, für so etwas setzen wir uns so einem Risiko und so einer Belastung aus? Es wird Zeit, endlich den Exit aus Afghanistan zu finden.
In der SZ findet sich ein Interview, das den Staat und nicht die Banken für die Krise verantwortlich macht.
Zwei FTD-Artikel hab ich noch: einen über die Dummheit der Anleger, die immer wieder auf die gleichen Tricks reinfallen, den zweiten über den Versuch der amerikanischen Banken, den Einfluss des Staates zurückzudrängen - und wie klug die Amerikaner dafür sorgen, dass sie damit nicht durchkommen. Ein weiter Link in der FR befasst sich damit, dass erste Maßnahmen jenseits von Demos aufgetaucht sind; Hungerstreiks, beispielsweise, um gegen die aktuelle Krisenpolitik und ihre Verursacher zu protestieren. Der letzte Artikel beschreibt dass Müntefering nur in der Person Lafontaines ein Hindernis der Zusammenarbeit sieht. Das aber ist die Bankrotterklärung: wenn Inhalte gar nichts zählen, sondern nur persönliche Animositäten das Feld bestimmen, dann ist die Politik am Ende. Alle Links mit Dank an Bernd Haasch.
Fefe lässt sich noch mal zum Thema Killerspiele und CSU aus. Unglaublich.
Heribert Prantl thematisiert die Flüchtlingskatastrophe.