Von Stefan Sasse
Schon mal von John Asht gehört? Ich auch nicht. Er schreibt "phantastische Literatur", ausdrücklich nicht zu verwechseln mit Fantasy-Literatur, und sein Roman "TWIN-PRYX: Zwillingsbrut" (Leseprobe) ist vor einem Jahr erschienen. Kennt jemand Myriel vom Blog "Bücherzeit"? Ich auch nicht. Aber John Asht und sein Verlag Roder schienen sie irgendwie als eine gewaltige Bedrohung aufzunehmen. Kurzfassung: sie mochte das Buch nicht, fand es katastrophal, brach es nach 90 von 900 Seiten ab und verfasste einen kurzen Blogbeitrag darüber, warum sie es scheiße fand. Mr. Asht, höchstpersönlich, verfasste daraufhin einen eigenen Blogbeitrag, in dem er sich (im Internet) darüber ausheulte, dass heutzutage nicht nur studierte Literaturwissenschaftler im Print rezensieren dürfen, wo dann das gehobene Bildungsbürgertum sich für das Literarische Quartett warmläuft, sondern jede "gescheiterte Studienhopperin" ihren Senf (im Internet) abgeben darf. Aber, immerhin, Mr. Asht höchstpersönlich kann, vermutlich vor einem Lagerfeuer, abgesessen von der Harley Davidson, Rache schwören: das Internet ist ja schließlich kein rechtsfreier Raum! So weit kommt es noch, dass da jeder schreiben kann, was er will! Und so griff Mr. Asht ans Hüftholster, holte "Jura für Dummies" raus und postete Myriel einen Kommentar unter ihre Rezension:
Na ja, von einer 23-jährigen Fantasy-Leserin, die mit gehobener Literatur überhaupt nichts anfangen kann, erwarte ich auch nicht mehr als eine solch’ unqualifizierte Pseudo-Rezi. Mädel, schreib’s dir hinter die Ohren: Phantastische Literatur ist nicht „Fantasy“. Also, tu uns allen einen Gefallen und bleib bei deinen Zwergen und Elfen – für mehr reichts nicht! … außerdem werde ich „Myriel“ und „Bücherzeit“ von meinem Rechtsanwalt gerichtlich ahnden lassen – denn mir sieht diese Einrichtung sehr suspekt aus – etwa so, wie von gewissen Leuten bezahlt, um einem Autor zu vernichten. Das wird teuer, Lady!
Wie er auf den Trichter kommt, erklärt er übrigens in seinem eigenen Blogpost:
Stattdessen aber bekommt sie eine Anzeige wegen Verstoßes gegen § 15 UWG "Geschäftlicher Verleumdung". Traurig! Eine veröffentlichte Rezension ist nämlich eine ernstzunehmende Literaturkritik und daher eine konkrete Leserempfehlung - es geht also um Absatzmärkte, um den Verkauf eines Produktes und schließlich um Arbeitsplätze. Sobald eine Rezension veröffentlicht ist, untersteht sie nur dann dem Schutze der freien Meinungsäußerung, insofern sie zutreffend fundiert und objektiv analysiert ist - vor allem aber muss der Rezensent das gesamte Werk von der ersten bis zur letzten Seite gelesen haben. Ansonsten spricht man von gezielter Geschäftsschädigung wider besseren Wissens. Das ist kriminell und wird vom Gesetz geahndet sowie von der Staatsanwaltschaft vor Gericht gebracht, nach UWG (Unlauterer Wettbewerb Gesetz)Das Beste daran ist noch, dass Asht sich in seinem Post anfangs pessimistisch über die Zukunft des freien Internets geäußert hat. Ich bin nun wahrlich kein Experte, aber die Behauptungen, die Asht und sein Verlag hier aufstellen, klingen reichlich absurd in meinen Ohren. Aber selbst wenn sie wahr wären und es möglich wäre, in Hamburg oder so auf dieser Grundlage zu klagen: es ist völlig unverhältnismäßig. Die Idee alleine, einen Hobby-Rezensenten wegen einer qualitativ schlechten Rezi nicht einfach nur abzumahnen, sondern anzuzeigen ist geradezu absurd. Es ist das Schießen auf einen verwundeten Spatzen, mit einem thermonuklearen Sprengsatz. Glücklicherweise wird sich ja sicherlich irgendjemand im Verlag besinnen, Asht auf die Finger klopfen und ihm mitteilen, dass das, was er gerade abzieht, nicht nur eben unverhältnismäßig ist, sondern auch schädlich für seinen Ruf und den des Verlags. - Oder auch nicht. Die Verlegerin meldet sich höchspersönlich zu Wort und kommentiert Asht gleich hintendrein:
Grundregel Nummer 1 für eine Rezension ist, dass man das Buch überhaupt gelesen hat!!!Wow. Das ist wohl die Rick Perry der Verlegerinnen. Mal kurz als Grundkurs: eine freundlich-distanzierte, etwas formal gehaltene Mail, in der man die Rezensentin auf die wahrgenommenen Qualitätsdefizite hinweist und bittet, die Rezension noch einmal zu überdenken, wäre der richtige Weg gewesen. Wenn das nicht passiert, kann man einfach Rezensionsexemplare verweigern. Wenn Madame ihr Belegexemplar selbst gekauft oder sonstwie besorgt hat, dann geht schlicht gar nichts anderes. Man packt nicht das juristische Großkaliber aus und droht, eine kleine Bloggerin finanziell zu vernichten, deren Wirkungsradius so groß nun wirklich nicht sein kann. Wenn man das natürlich trotzdem tut muss man schnell feststellen, dass Leute wie ich dabei mithelfen, den Wirkungsradius plötzlich enorm zu vergrößern. Denn das Internet und die Möglichkeit, auch schlechte Rezensionen über schlechte Bücher zu verfassen, sind wesentlich wichtiger als der verletzte Stolz eines Phantasie-Buch-Autoren, den man nicht mit einem Fantasy-Buch-Autor verwechseln sollte. Er kann Myriel ja dann ihre Elfen und Zwerge lassen und weiter über Fransen-Indianerinnen in Sibirien schreiben, während er auf eine Rezension im FAZ-Feuilleton hofft.
Es ist absolut unfair, sich hinter einem anonymen Decknamen zu verstecken und einfach ein Buch zu verreißen, das man gar nicht kennt. Ein Buch mit über 900 Seiten ernsthaft bewerten zu wollen, obwohl man gerade mal 90 Seiten gelesen hat, ist nicht nur höchst unprofessionell, es zeigt auch, dass hier jemand Internetforen missbraucht, um den Autor oder den Verlag anzufeinden. Das sollte von einem seriösen Forum eigentlich angemahnt und unterbunden werden, denn persönliche Differenzen, wie auch immer sie geartet sein mögen, haben in einer Rezension nichts verloren – genauso wenig wie starke Emotionen, egal ob positiv oder negativ, denn diese trüben die Wahrnehmung und verzerren das Bild.
Aber es ist natürlich bequem, so schön anonym einen Verriss zu posten. Man muss ja dem vermeintlichen „Gegner“ dabei nicht in die Augen schauen. Nicht gerade mutig, aber eben einfach. Auf diese Weise kann man auch wunderschön sogenannte „Freundschaftsdienste“ erfüllen und sich zum Handlanger anderer machen. Allerdings besitzt jeder Verlag und auch jeder Autor die Handhabe, eine feindliche und destruktive Kampagne ahnden zu lassen, sodass dann vor der Staatsanwaltschaft auch der Deckname nichts mehr nützt. Die Person wird identifiziert und zur Rechenschaft gezogen.
Literatur ist aber nicht einfach nur gut oder schlecht. Jeder Leser nimmt ein Buch unterschiedlich wahr. Dabei spielt die bisherige Leseerfahrung eine Rolle, der Bildungshintergrund, die persönlichen Vorlieben und und und.
In der heutigen literarischen Landschaft gibt es eine Flut von Büchern, die Leser bedienen, die nicht mehr nachdenken wollen und keine großen Ansprüche an den Inhalt stellen – immer schön nach dem gleichen Schema gestrickt, denn viele Verlage werfen nur noch möglichst schnell neue Bücher auf den Markt. Anspruch wird ersetzt durch einen entsprechend hohen Werbeetat.
Daneben gibt es aber noch solche Autoren, die sich Zeit nehmen für ihr Werk, die Handlungsstränge ausarbeiten und eine Geschichte entwickeln. Daraus entstehen Bücher, die nicht zur Massenware zählen und die den Leser zum Mitdenken anregen wollen – keine vorgekaute Kost. Damit bilden diese Bücher ein Gegengewicht zur heutigen Massenware Buch und bereichern das literarische Angebot im deutschsprachigen Raum. Diese Bücher wissen noch etwas zu erzählen und können den Horizont erweitern.
Wer damit nicht mehr umgehen kann, sollte sich künftig besser nur noch mit anspruchsloser Kost berieseln lassen. Das ist auch den Machthabern lieber, denn diese Art von Fast-Food-Leser lassen sich optimal lenken und kontrollieren – eben weil sie allmählich das rationale Denken verlernen.
Grundregel Nr. 1 des Marketing: auch schlechte PR ist gute PR! Es erhöht die Aufmerksamkeit um ein Beträchtliches.
AntwortenLöschenDas Verhalten von Autor und Verlag ist kindisch, albern und elitär. Außerdem ist es entlarvend, denn es ist ein offenes Geheimnis, das Literatur-Rezensenten nicht selten bezahlt, umschmeichelt und unter Druck gesetzt werden. Von "freier Kritik" kann hier selten die Rede sein.
Das die bürgerlichen Medien, große Konzerne, Unternehmen, die Musikindustrie, Verlage usw. zunehmend Angst davor haben, dass "das Internet" ihnen Macht, Einfluss und Meinung streitig macht, ist eine begrüßenswerte Entwicklung.
Beschwört da jemand einen Shitstorm mit einer Prise Streisand herauf ...? ;-)
AntwortenLöschenSehr unterhaltsam. Unfassbar wie der Autor und die Verlegerin sich gebaren. Das ist kindisches Niveau, vollkommen lächerlich. Die Drohung mit rechtlichen Konsequenzen ist eine Farce. § 15 UWG wurde offensichtlich auf die Schnelle ergoogelt. Er ist bei Rezensionen überhaupt nicht einschlägig, es mangelt iü an "Tatsachenbehauptung". Da dürfte auch nichts weiter kommen. Wenn doch, bitte durchziehen, die Betroffene dürfte nichts zu befürchten haben. Der Verlag würde bloßgestellt werden. Natürlich kann man seinen Unmut bekunden ("rezensieren"?), wenn ein Buch so erbärmlich erscheint, dass man nur bis zu Seite 90 kommt. Mittlerweile hagelt es ja negative Rezensionen. Chapeau.
AntwortenLöschenDass gleich wieder der Kapitalismus am Pranger steht (epikur) ist nicht weniger albern als die Reaktion dieses auf ewig unbekannten Wanna-be-Autors. Wo sind denn hier Konzerne, wo ist hier die Macht? Dieser Verlag könnte kleiner nicht sein (nun gut, bis auf den Renneritz-Verlag). Die verzweifelte Reaktion des Autors und der netten Verlegerin (die so empört war, dass sie sich mit Häufung von Ausrufezeichen schon im ersten Satz disqualifizierte) ein kleines abseitiges Hobbyblog anzugreifen, dem womöglich auch nur zufällig dieses irrelevante Buch in die Hände geriet, sind Ausdruck der Tatsache, dass sie eben überhaupt keine Macht haben. Das ist ein Nobody-Verlag mit 9 gelisteten Autoren. Man sollte im übrigen die anderen 8 vielleicht mal anschreiben und sie auf die unseriösen Umtriebe der Verlegerin hinweisen.
Wie dem auch sei, wie sähe denn "freie Kritik" aus, Herr epikur? Führen wir einen solidarischen Rezensionsfonds ein, von dem Rezensionsexemplare erworben werden, die an demokratisch gewählte Rezensenten verteilt werden, die in keiner wie-auch-immer gearteten Beziehung zu Autoren und Verlagen stehen? Führen wir ein Losverfahren ein, wer welche Bücher aus welchen Verlagen rezensieren darf? Oder ist ein periodischer Wechsel praktischer? Vielleicht nutzen wir gleich die Strukturen der Stiftung Warentest. Oder doch lieber das Staatsfernsehen. Die Alternative von aus deiner Sicht un-"freier Kritik" ist alles, aber nicht 'frei'.
@Tobias Fuentes: naja, epikur bezog sich wohl darauf dass es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Kritik einflussreicher Sender und Verlage kam an der scheinbaren Anarchie im Internet.Was ja auch stimmt und nicht weniger richtig dadurch wird daß es sich bei dem oben genannten Verlag eben nicht um einen solchen handelt.
AntwortenLöschenDavon abgesehen, wissen wir denn sicher, daß die junge Dame nicht sogar von diesem Verlag bestochen wurde das Buch zu verreißen um genau das loszutreten was nun hier los getreten wird?
Eine interessante Überlegung wie mir scheint, denn wichtig ist doch nur dass über Buch und Autor berichtet wird, damit der unbedarfte und vielbeschäftigte Gelegenheitsleser beim nächsten Mal vor dem Regal des Buchhändlers seiner Wahl steht, sich dunkel erinnert von diesem Buch schon mal gehört zu haben und es Schluß endlich dann käuflich erwirbt... :-)
Nanny, so eine 'VT', ein PR-Gag, ist (nur) theoretisch natürlich immer vorstellbar. Ich möchte nicht wissen, wieviele Leser sich von der - berichteten (grr ich hasse es deutsche Postings rechtssicher zu machen) - Unterirdischkeit seines Buches selber überzeugen wollen. So ist das nunmal, diese übliche linke Leerformel des 'cui bono' war noch nie hilfreich. Seine Reaktion hat ihm dauerhaft geschadet. Er kann fachlich nicht mehr ernst genommen werden. Ich hab regelmäßig amüsiert über diesen ebayer Opa Unger getweetet, der von einem ähnliche Schlage wie Asht ist (noch deutlich derber, er hat sich seine eigene Wahrheit und Gerechtigkeit eingeredet und sie mit Verve verteidigt). Man mag sich sowas an sich nicht vorstellen können, aber solche Leute gibt es. Ob sie mit solchen Situationen überfordert sind, überreagieren, es ggf. bereuen ... kann auch sein. Man lernt ständig dazu.
AntwortenLöschenKlar gibt es finanzielle 'Abhängigkeiten' in jeder Lage - im Wahlkampf, bei Think Tanks, bei Sponsoring. Das gehört dazu. Die Frage ist, wie man damit umgeht, welche Transparenz sich durchsetzt, wie man Glaubwürdigkeit aufbaut etc. Es gibt keine sterile Freiheit. Man wird nicht in eine objektive vorgekaute Welt hinein geboren.
Epikur, als rezensent der unbezahlt rezensionen nur im austausch für exemplare schreibt kann ich dir versichern, das s es durchaus unabhängige und ehrliche rezensionen gibt.da exemplare für dem verlag teuer sind ist ärger über schlecht gemachte rezensionen verständlich. Das macht die reaktion natürlich keinen fatzen besser.
AntwortenLöschenEinen PIRX kenne ich - PRYX hingegen nicht.
AntwortenLöschender Herr Karl
Danke für den Beitrag, Stefan. Habe mal ein bisschen hinterher gegoogelt, mir Auszüge aus dem Buch, Rezensionen bei Amazon und vor allem Herrn Ashts Facebookseite angesehen. Entweder der Typ ist eine wirklich großartige Kunstfigur oder einfach komplett durchgeknallt. Als Beweis seiner Verschwörungstheorie bringt er die über 700 gefunden negativen Kritiken (darunter natürlich zig mal die von Myriel) an und hat dann die Chuzpe eher an ein Komplott gegen ihn zu glauben als an die Möglichkeit, dass seine Prosa einfach stinkt (nix mit Ockhams Rasiermesser). Das ist wirklich ganz großes Kino :D
AntwortenLöschenDie Denke von Asht/dem Verlag ist bemerkenswert. Er verbiegt die Dinge in eine schwer nachvollziehbare Richtung. Er bauscht die "Rezension" als böswilligen Akt auf, weil die Schreiberin scheinbar vor Jahren bei jenem Verlag versucht hat ein Manuskript unterzubringen. Weil sie auf ihrem Blog vermerkte, dass sie Ashts Buch als Lektüre grad hat (was sie aber offensichtlich mit allen Büchern so macht: "Momentane Lektüre"), meint Asht das sei ein stillschweigendes Angebot an den Verlag für eine positive Rezension zu bezahlen ("wenigstens aus dieser Richtung Bares vom Verlag sehen zu bekommen"), weil ja jeder Verlag diese Erwähnung über google-alert erfahren würde. Obskur.
AntwortenLöschenDarüberhinaus verkennt er die Rechtslage und hat prinzipiell eine weltfremde Sicht der Dinge. Hobby-Schreiber würden alles ruinieren. Für Hobby-Schreiber müssten Standards gelten. Autor und Verlag sind hier völlig schief gewickelt. Angenommen die "Rezension" wäre tatsächlich böswilligen Hintergrund, dann wäre das als justiziabel durchaus diskutierbar. Das wäre aber schlicht nicht zu beweisen. Die Indizien deuten absolut nicht drauf hin. Das, was Asht da konstruiert, ist ein Kartenhaus. Das kann nicht halten.
Sowieso. Viel amüsanter fand ich aber, wie er sich als anspruchsvollen Schriftsteller inszeniert.
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