Mittwoch, 16. Mai 2012

Sprachlos über den Röttgen-Rauswurf

Von Stefan Sasse

Angela Merkel hat Norbert Röttgen entlassen. Das lässt mich zugegebenermaßen sprachlos zurück. Bevor der NRW-Wahlkampf begonnen hatte, war Röttgen "Muttis Klügster" gewesen, einer der profilierteren Unionsköpfe im Kabinett. Seine Person stand für die Offenheit der CDU gegenüber den Grünen. Obwohl ihm immer wieder vorgeworfen wurde, die Atomwende zu langsam zu vollziehen, kann ich mich an keine echten Patzer als Minister erinnern. Aber dann kam der NRW-Wahlkampf, Röttgens Versuch, sich nicht auf die Landespolitik festzulegen und die katastrophale Niederlage. Jetzt ist das Kapitel "Röttgen" in der CDU wohl endgültig geschlossen. Altmaier - der ihn als Umweltminister beerbt - wünschte ihm "für seine berufliche Zukunft alles Gute". Es scheint, als hätte Röttgen bereits einen neuen Job. Was hier geschehen hat, ist trotzdem mehr als merkwürdig, oder doch zumindest neuartig. Rekapitulieren wir noch einmal Stück für Stück, was ablief. 

Erstens: Norbert Röttgen wurde lange als "Kronprinz" Merkels gehandelt. Ich habe nie ganz verstanden, warum der Posten so interessant sein soll - schließlich wird er nur beim Tod des aktuellen Monarchen, also einer Abwahl Merkels, frei -, aber zumindest nach Meinung der Medien scheint das ein großes Ding zu sein. Da Röttgen nie zur Riege des Andenpakt gehört hatte - also der offen ambitionierten CDU-Männer - war er auch eher ihr Rechter-Hand-Mann als ein potentieller Politmeuchler. In der Atomwende selbst scheint er wenig aktiv gewesen zu sein, das war eher ein Alleingang Merkels. Ob er die Umsetzung tatsächlich im Alleingang gegen die Unionsfraktion verschleppte, kann ich nicht beurteilen. Ich sehe aber keinen echten Grund dafür, Röttgen war nie ein eingefleischter Atomfan. Ausgeschlossen ist es natürlich trotzdem nicht, aber das Motiv erschließt sich mir zumindest nicht. 

Zweitens: der NRW-Wahlkampf. Nachdem Jürgen Rüttgers die Chose 2010 in den Sand gesetzt hatte, brauchte es jemanden, der die NRW-CDU - die wohl nicht gerade einer der disziplinierteren Landesverbände ist - in den nächsten Wahlkampf führt. Da die Flügelkämpfe in NRW selbst offensichtlich bis Ende 2011 keinen Gewinner kannten, schien eine Mission Röttgens als "Weißer Ritter" keine allzu schlechte Idee. Er war ein bekanntes Gesicht, und eine (voraussehbare) Niederlage mit Anstand wäre sicherlich nicht schlecht für ihn gewesen. Gut möglich, dass er denselben Plan hatte wie Christian Lindner und NRW als Durchlauferhitzer für die eigene Karriere nutzen wollte. Ab hier allerdings liefen die Dinge schief. Lindner setzte, ganz der Spieler, alles auf eine Karte und gab seine Bundesämter auf. Für diese Entscheidung wurde er zum Shootingstar der Medien. Röttgen dagegen wollte sich nicht NRW als Klotz ans Bein binden, was ihm die Medien aus irgendeinem Grund nie verziehen. 

Dieser Punkt ist mir auch bis heute nicht klar. Warum gibt es einen Zwang Röttgens, sich für die Bundes- oder Landespolitik zu entscheiden, besonders wenn er ohnehin offensichtlich nur wegen des Wahlkampfs nach NRW ausrückte? Röttgen hat keine eigene Basis in der NRW-CDU, wo einige Königsmörder bereits mit dem Messer in der Hand warteten (Laschet etwa). Dass er unter diesen Umständen nicht Fraktionsvorsitzender werden wollte, einer Fraktion zudem, die er sich nach Lage der Dinge hätte effektiv mit Laschet teilen müssen, ist nachvollziehbar. Trotzdem zog er mit dieser Entscheidung einen eigentümlichen Hass auf sich, der zu einer regelrechten Hetzkampagne durch alle Blätter hinweg gegen ihn führte, wie sie Oskar Lafontaine in seinen besten Tagen auch erlebt hatte. Dass Röttgen dazu reichlich Munition lieferte und von Wahlkampfpatzer zu Wahlkampfpatzer rannte, machte die Sache kaum besser. 

Und nun haben wir den dritten und finalen Akt des Dramas. Röttgen kehrte nach Berlin zurück, wo ihn eine dankbare Kanzlerin...feuerte. Und genau hier bleibe ich sprachlos zurück. Röttgen wurde, zumindest nach aktueller Informationslage und dem Wortlaut von Merkels kurzem Statement, nicht zurückgetreten oder trat selbst zurück. Nein, sie feuerte ihn. Warum? Das erschließt sich mir nicht. Befürchtete sie einen Fallout von Röttgen, als ob er abfärben würde? Wen interessiert denn in 16 Monaten noch die NRW-Wahl? Nachdem Röttgen bereits alles Erdenkliche getan hatte, um sein NRW-Debakel von seinem Amt als Minister zu trennen und von Anfang an eine scharfe Trennlinie zwischen Bund und Land gezogen hatte - was hielt Merkel davon ab zu erklären, sie habe "einen Bundesminister und keinen Wahlkämpfer" eingestellt, und der erstere mache seinen Job gut? Es ist ja nicht so, dass mit einer solchen Argumentation nicht schon Leute durchgekommen wären.

Ich empfinde das nicht gerade als positive Entwicklung. Soll die Politik zum Alles-oder-Nichts werden, ein ständiger All-in im Pokerspiel um die Macht, bei dem jede Niederlage die ultimative Strafe nach sich zieht? Selbst Guttenberg durfte selbst zurücktreten und wurde nicht mit einem Merkel'schen Fußtritt gefeuert. Wollte Merkel hier selbst den Schlusspunkt zu einem medial aufgepeitschten Drama setzen? Ich weiß es nicht. Ich weine Röttgen sicherlich keine Träne nach; wer ihn einmal in einer Talkshow erlebt hat, wird ihn sicherlich nicht missen. Aber der Umgang, der sich hier gerade einzuschleichen scheint, ist der Politik sicherlich nicht zuträglich. Vielleicht hat Merkel vor, es als konsequent zu verkaufen und opfert Röttgen auf dem Altar öffentlicher Empörung. Das aber wäre die totale Kapitulation der Politik vor einem sich immer schneller drehenden Rad konstruierten Politaintments.

31 Kommentare:

  1. Und dann der unsägliche Peter Altmeier als Nachfolger.

    AntwortenLöschen
  2. Sprachlos?
    Und ich hatte sogar schon einen Titel für den einen neuen Beitrag im Spiegelfechter, auch weil ich zum
    Beitrag "Stefan Sasses Analyse zur NRW-Wahl" mit einer Antwort nicht zufrieden sein konnte.
    Selbstzitat: "... Vielleicht wird ja von Sasse ein neues Fass aufgemacht?
    Möglicher Titel: "Das alternativlos hässliche Gesicht der Macht!"

    AntwortenLöschen
  3. Passend, ich war auch zunächst sprachlos und finde die ganze Sache arg merkwürdig. Soweit ich weiß, sind Ministerentlassungen sowieso in der ganzen BRD-Geschichte ganz selten vorgekommen und hier ist ja nicht mal was Schlimmes passiert, kein Skandal oder so. Im Fernsehen meinte Deppendorf, dass es am Druck lag und Röttgen wohl sowohl in der CDU als auch CSU unten durch war und die letzte Kabinettsitzung wohl auch eisig verlief. Vielleicht haben sie sich auch persönlich in die Haare bekommen oder es kam noch was anderes dazu. Aber empfinde das auch als ganz seltsame Geschichte. Interessanterweise klang es in den Fernsehbeiträgen so, als hätte Merkel ihm die Entscheidung abgenommen, weil er nicht zurücktreten wollte. Die Frage, warum eine verpatzte Wahl gleich zum Ministerrücktritt führend sollte, wurde gar nicht gestellt.

    AntwortenLöschen
  4. Das war eine Hinrichtung. Möglicherweise auch der Beginn einer Abkehr von der Energiewende.

    der Herr Karl

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Sehr gut, Herr Karl. Genau das ist passiert. Die Intrige gegen Röttgen begann bereits während des NRW-Wahlkampfs. Röttgen war Merkel ein Dorn im Auge. Röttgen hat Merkel den Atomausstieg abgerungen.
      Merkel serviert über die Medien einen Konkurrenten nach dem anderen ab. Konkurrent ist bereits wer der Königin widerspricht.
      Die Liste der Opfer ist lang. Unser Land wird von dieser Frau nachhaltig beschädigt. Diese Type Merkel meint sie wäre der Staat.

      Löschen
  5. Ich habe das mit dem Rücktritt im Radio gehört (MDR Info oder Kultur) und die ganze Zeit auf die Begründung gewartet, die Angabe eines Grundes. Er wurde halt einfach gefeuert … Aber auch das kein Grund angegeben wurde, hätte man ja mal als auffällig erwähnen können, aber nein, alles ganz normal, ein Minister wurde halt gefeuert, gehen sie weiter, hier gibt's nichts zu sehen. Man fühlte sich unwillkürlich an alte Zeiten erinnert, wo die Beschlüsse des ZK in der Aktuellen Kamera halt einfach bekannt gegeben wurde …

    AntwortenLöschen
  6. Für mich ist der Rauswurf Röttgens zwar kein traditionelles Bauernopfer, doch aber das Opfern eines lahmenden Läufers um das Schach gegen die Königin zu verhindern.

    Man sehe sich nur den Anfang vom Ende für Schröder an. Merkel musste befürchten nach zwei kurz hintereinander verlorenen Landtagswahlen in die Medienkritik zu geraten: "Wie lange wird Schwarz-Gelb noch durchhalten?" Nun haben die Medien einen anderen Brocken hingeworfen bekommen über den sie trefflich schreiben können (siehe auch die BLOGs, wie hier...).
    Übrigens sehe ich keinerlei Zeichen für eine Abkehr von der Energiewende. Altmaier ist bekannt für seine vielseitigen Kontakte zu den Grünen. Seine Ernennung zum Umweltminister wäre schlicht das falsche Signal um zurück zur Atomkraft zu rudern. Vielmehr hält er sogar die Schwarz-Grüne Option noch ein Stück weit offen.

    AntwortenLöschen
  7. Ich habe dazu mal eine Verschwörungstheorie erdacht, die im Übrigen nicht ganz ernst gemeint ist. Daraus spricht aber auch bei mir die Weigerung, die Schlichtheit in Merkels Worten und den bisherigen Kommentaren dazu als Erklärung gelten zu lassen. Also:

    Merkel oder ein anderer mächtiger Akteur will Röttgen aus $Gründen loswerden. Man stellt ihm eine Falle. Röttgen wird gedrängt, als Kandidat in den Wahlkampf in NRW zu ziehen. Dabei wird ihm die Möglichkeit einer Rückkehr nach Berlin als selbstverständlich zugesichert. Im Wahlkampf dann wird diese Unterstützung urplötzlich zurückgezogen. Im Gegenteil, es wird sogar die Frage, ob Röttgen in jedem Fall in NRW bleibt, medial gestreut und über nahestehende Organe skandalisiert. Opposition und Massenmedien arbeiten so ahnungslos für die eigene Sache.

    Röttgen könnte sich nun klar zu NRW bekennen - und wäre damit weg aus Berlin, der Komplott geglückt. Andernfalls würde ein forciert schlechtes Wahlergebnis Röttgen derart schwächen, dass Merkel seinen Rücktritt erzwingen könnte, um sich seiner auf diese Weise zu entledigen. Röttgen entschließt sich, die im zugesicherte Rückfahrkarte einzufordern und sieht sich einer massiven Kampagne ausgesetzt. Er erkennt, dass er in eine Falle getappt ist, weiß um den Verrat an ihm. Um sich aus seinen Fesseln zu befreien droht er Merkel gegenüber, sie mitverantwortlich für die absehbare Wahlschlappe zu machen. Er spielt damit die letzte Karte aus, die ihm in diesem Machtkampf bleibt, meint er doch, auf diese Weise Loyalität der Kanzlerin erzwingen zu können. Als er damit nicht durchdringt, macht er Ernst und deutet die Wahl in der Öffentlichkeit in einer grotesk deutlichen Art in eine Abstimmung über Merkels Europa-Kurs um.

    Die Wahl geht verloren, umgehend tritt Röttgen als Landesvorsitzender zurück. Er weiß, diesen Posten kann er nicht halten, es geht jetzt allein um seine Stellung in Berlin. Als er einen Rücktritt als Minister ablehnt, bereitet Seehofer seine Abservierung in den Abendnachrichten vor. Merkel nutzt die Vorlage und feuert ihren Minister kurze Zeit später. Der etwas brüskierten Öffentlichkeit reicht letztlich die Erklärung, das schlechte Abschneiden bei der Wahl habe den Ausschlag gegeben. Oder so.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das ist keine Verschwörungstheorie. Damit hast du die Intrige sehr gut beschrieben. Schon während des NRW-Wahlkampfes lief eine sehr seltsame Berichterstattung. Interessant wäre nur noch die Frage wie tief die Energiekonzerne da mit drinhängen.
      Wenn man dann noch wusste, das Röttgen nach Fukushima seinen Willen gegen Merkel durchsetzen konnte, dann war jedem politischen Beobachter klar was passieren würde. Genauso lief es bisher mit allen Merkel-Widersachern. Dioe wurden abserviert über unfaire Medienberichterstattung.

      Löschen
    2. So ähnlich beschreibe ich das auch in meinem Beitrag, siehe unten. Nur fehlen bei mir die Akteure, die ihn bekannt unter Druck setzen, und sein Wissen darum.
      Ich blieb, da Informations- und Beweismangel, eher bei dem "Alles-oder-Nichts" stehen.
      Würde mich aber schon interessieren, wer das "Argument" mit dem "notwendigen NRW-Verbleib" streute.

      Löschen
    3. Klingt zumindest ziemlich plausibel.

      Löschen
  8. @Sasse
    Den Unterschied zu Guttenberg hast du nicht verstanden. Guttenberg hatte eine Machtbasis. Die CSU. Man hätte ihn nicht einfach entlassen können. Deswegen laufen alle Intrigen über die Massenmedien. Damit alles sinnvoll und logisch erscheint. Das Opfer wird als "Selbst-Schuld" inszeniert. Genau so laufen Intrigen (dort über Gerüchteküche) auch in den Betrieben ab. Genau dasselbe Spiel, mit anderen Mitspielern.

    Du musst noch sehr viel lernen, Sasse.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Übrigens sind es die bornierten, die oberflächlichen, die dummen Menschen die solche Intrigen erst möglich machen. Nur durch die Minderbemittelten fallen solche Sachen nicht auf und die intriganten Lumpen kommen mit ihrer Falschspielerei immer wieder durch. Wer (beispielsweise innerhalb des betrieblichen Umfelds) selbst auf solche Sachen hinweisst begibt sich in große Gefahr. Weil er keine Unterstützung von seinen Kollegen erfährt. Damit ist er dann zum Schweigen verdammt und dazu gezwungen dem Unrecht tatenlos zuzusehen. Wegen solcher Trottel wie euch.

      Löschen
    2. Ist halt die Frage, ob jemand, der Leute höchstens durch Kommentare kennt und trotzdem beleidigt, nicht selbst zur Gruppe der "oberflächlichen Trottel" gehört.

      Löschen
    3. Es sollten sich nur die angesprochen fühlen, die zu doof sind solche Intrigen zu erkennen. Ich hoffe das war bei dir nicht der Fall.

      Löschen
    4. Der Kommentar hat sich auf keinen konkreten Kommentator hier bezogen. Sondern auf die verantwortungslosen Ignoranten, die durch ihr Schweigen und Ignorieren diese Welt für ALLE schlechter machen.

      Löschen
  9. Gibts hier keine backlinks?

    Habe mich mal ein wenig mit dem Thema auseinander gesetzt:
    http://mokanterbeobachter.blogspot.com/2012/05/nicht-sprachlos-aber-konsterniert.html

    AntwortenLöschen
  10. Hm, naja wenn wir schon wild rumspekulieren. Es könnte natürlich sein, dass das ganze eine Eigendynamik entwickelt hat und da Leute draufgesprungen, bzw angefangen haben, damit Röttgen aus dem Amt gedrängt wird. Das würde auch diese Kampagne erklären, dass auch ein Wahlverlierer ja unbedingt in NRW bleiben müsste und dass Röttgen verliert, war von Anfang an wahrscheinlich.
    Vielleicht war Merkel auch immer noch sehr wütend, über sein Manöver, sie in die Wahl mit hineinzuziehen (kann ich mir vorstellen) oder es gab noch größere Differenzen zwischen den beiden.
    Es passt auf jeden Fall überhaupt nicht zur Teflonkanzlerin, sondern wirkt auf mich total unsouverän und bringt vermutlich mehr Unruhe als ein Aussitzen (siehe Lammerts & Bosbachs Reaktion)Und dass Altmeier nun die Energiewende besser managt, muss auch nicht unbedingt sein.
    Kurzfristig mag ihr das vielleicht helfen, weil die Medien ziemlich einhellig hinter ihr stehen und dieser Rauswurf weniger hinterfragt wird als ich dachte, aber gerade innerparteilich kann ich mir vorstellen, dass das ganze auch dick in die Hose geht. Klar, Seehofer & die FDP freuen sich erstmal, aber gerade in puncto Betreuungsgeld u.ä. kann ich mir vorstellen, dass der CDU-Widerstand sich eher noch vergrößert.
    Und wie gesagt, ich finde es wirkt so untypisch von ihr, das ist eigentlich eine ziemliche Panikreaktion.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. ? Oh ja verzeihung. Es ist natürlich eine großangelegte Verschwörung von Bild, SpOn, Seehofer und der Atomlobby, um den Atomausstieg rückgängig zu machen, indem man Röttgen absägt.

      Löschen
  11. Die Erklärungen, die die Kommentatoren bislang liefern, so zum Beispiel in der Presseschau http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-05/roettgen-merkel-rauswurf-2, sind mehr als unbefriedigend. Im Wesentlichen werden drei Punkte immer wieder genannt.

    Erstens der Auftritt Röttgens bei ZDFlogin. Lächerlicher geht es nicht mehr. Einem anderen Politiker hätte man das Bedauern über die Entscheidungsgewalt des Wählers als gekonnt wohltuende Selbstironie ausgelegt, zumal in einer Sendung für Jugendliche. Bei Röttgen liegen die Interpretationen dann irgendwo zwischen antidemokratischen Tendenzen und mangelndem Respekt. Mangelnder Respekt zeigt sich dabei höchstens in der Unterstellung, der Wähler bildete sich seine Wahlentscheidung anhand einer hochgejazzten Aussage in einer Infotainmentsendung.

    Der zweite Punkt ist die oft wiederholte Kritik daran, Röttgen hätte sich nicht voll auf NRW festgelegt. Offenbar spricht dieser Anwurf für sich selbst, denn warum und wofür das ein Argument sein soll, wird nie erklärt. Sicher lässt sich das ausschlachten, sicher hätte man da anders mit umgehen können. Dass Merkel den Rauswurf an einer Meinungsverschiedenheit in dieser Frage festmacht, scheint mir zumindest arg konstruiert.

    Die dritte Erklärung dann hat Merkel höchstselbst der Journalie vorgegeben. Über Monate habe ich nicht so oft das Wort "Energiewende" gelesen wie allein am gestrigen Tag. Dass das Thema, von der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbeachtet, Merkel plötzlich politisch gefährlich werden könnte, ist überhaupt nicht abzusehen. Gang im Gegenteil, Merkel selbst lenkt den Fokus der Öffentlichkeit auf die Verfehlungen ihrer Regierung in dieser Frage und meint offenbar, dadurch keinen Schaden zu nehmen.

    Dass eine dieser drei Erklärungsmuster den Ausschlag gegeben haben können, überzeugt mich überhaupt nicht. Die Kommentatoren, die offenbar von Berufs wegen immer alles genau erklären können, geben in dieser Situation ein geradezu groteskes Bild ab. Dann schon lieber die eloquente Sprachlosigkeit eines Stefan Sasse.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Eben, Robin, die meisten "Argumente" sind bei näherer Betrachtung schlicht keine oder widerlegt.
      In meinem Beitrag zeigte ich das bspw. bzgl. Wonka und der MAZ, wo geschrieben wurde, dass Merkel in einer Präsidiumssitzung anwesend war, in der Röttgen die NRW-Wahl zur "Abstimmung über Merkels-Eurokurs" machen wollte. War also länger vorher bekannt.
      Entweder widerspreche ich dem dann in der Sitzung oder ziehe ihn mir danach heran. Fruchtet das nicht, gehe ich später öffentlich darauf ein - man kann aber so drohen, dass das wohl nicht nötig werden dürfte.

      Der "NRW-Verbleib" ist auch kein Argument - er hätte nur verlieren können. Laschet, Laumann und auch Wittke stehen und standen doch schon bereit. Glaubt irgendjemand, dass Röttgen ein Amt in der Opposition, egal ob Partei oder Fraktion, hätte erhalten und halten können?
      Denke ich nicht.

      ZDFLogin ist an Lächerlichkeit, wie schon geschrieben, kaum zu überbieten.

      Und auch die "Energiewende" kann es nicht sein, wie man an Merkels Erklärungen am Montag und Mittwoch jeweils sehen kann.
      Sie sagte dazu nahezu nichts inhaltliches - Altmaier hingegen lehnte sich mit "gesellschaftlicher Bedeutung", "Klimaschutz", etc. aus dem Fenster.

      Löschen
  12. Hm. War da nicht doch was? Hatte Röttgen, wenn ich mich nicht sehr irre, doch kurz vor der NRW-Wahl frech behauptet, dass der Landtags-Wähler damit zugleich auch ein Votum über die Bundespolitik (sprich: über Merkel höchstselbst) abgäbe. Darüber dürfte die Kanzlerin ganz und gar NOT AMUSED gewesen sein, zumal bereits zu dem Zeitpunkt alle Spatzen das ganz große Abschmieren der CDU von den Dächern pfiffen. Für Merkel klang das vermutlich hochgradig illoyal.
    "Ärgert dich aber dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf es von dir! Es ist besser, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde" (Matthäus 5,29). Das wird ihr als Pastorentochter sicher geläufig sein. Und - gedacht, getan!
    Liebe Grüße, Saby

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. siehe oben bzw. Wonka und die MAZ oder meinen Beitrag.
      Das war Merkel und Anderen schon vorher bekannt - getan wurde anscheinend (zunächst) nichts.
      Entweder ließ man ihn dann in ein offenes Messer laufen, oder wartete die Gelegenheit ab, dies mithilfe der Presse öffentlich aufs Brot zu schmieren.
      Beides nichts, was gegen Röttgen spricht.

      Löschen
  13. ....nun ja, diese Merkel ist nun mal ohne Skrupel...nicht umsonst kommst sie ja aus der Agitprop-Abteilung.....

    aber....hätte Röttgen jetzt eine Arsch in der Hose, dann würde er offen den Austand proben....aber wie alle schon vor ihm.....Feigheit vor dem Feind....

    AntwortenLöschen
  14. im übrigen hätte merkel ihm ja vorher, als er sich nicht für düsseldorf ich im falle einer verlorenen wahl festlegte, sagen können, dass die türe in berlin zum umwelministerium jedenfalls nach verlorener nrw - wahl verschlossen bleibt...

    AntwortenLöschen
  15. Ich denke auch , daß der Umstand nicht unterschätzt werden sollte , daß Röttgen von einer Abstimmung über Merkels Eurokurs sprach.

    Das konnte sie nicht einfach so hinnehmen , denn genau hier sitzt ihre Achillesferse , europaweit und zunehmend auch in Deutschland mehrt sich die Kritik an der "Alternativlosigkeit" der eingeforderten Sparpolitik.
    Seehofers Interview war eine Inszenierung , aber die Wut dahinter ist echt , Merkel kann nicht mehr einfach so zur Tagesordnung übergehen , was auch die Einberufung eines Treffens der drei Parteispitzen zeigt.
    Da kommt Röttgen als Bauernopfer gerade recht , zwei Fliegen mit einer Klappe - und niemand in der CDU sollte glauben , daß Merkel die Parteiinteressen über den eigenen Machterhalt stellt.

    Für Merkel ist NRW gar nicht so schlecht gelaufen , hätte Röttgen nur 5 % besser abgeschnitten , hätte sie weder von einem Votum für ihre Politik sprechen noch ihn so leicht schassen können.

    AntwortenLöschen
  16. Na wenigstens Röttgen hat endlich seinen Sprache wiedergefunden.;-)
    Dass er sich ausgerechnet die Bildzeitung als Sprachverstärker gewählt hat, spricht nicht für ihn.
    „Er ist verletzt, aber nicht am Ende: Nach dem Rauswurf aus dem Kabinett durch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will Noch-Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nicht einfach aufgeben. ...“

    AntwortenLöschen
  17. "Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Norbert Röttgen zu entlassen."

    der Herr Karl

    AntwortenLöschen
  18. Ich bin weder CDU- noch Röttgen-Fan, aber diese von Stefan angesprochene "Alles oder Nichts"-Haltung, die mittlerweile vor allem von den Medien als gegeben hingenommen erscheint, finde ich sehr bedenklich.

    Oder, vielmehr, die Medien wollen lieber das Drama. Vielleicht wollen sie wieder altrömische Sitten, wo ein politisch in Ungnade Gefallener sich gefälligst in sein Schwert zu stürzen hatte.

    Ich finde, wir brauchen auch in Deutschland die Möglichkeit, etwas versuchen, scheitern, und dann weitermachen zu dürfen.

    Zumindest dann nicht, wenn man sich nach objektiven Maßstäben nichts wirklich zu Schulden hat kommen lassen. Röttgen wurde ja nicht bei Korruption oder Titelklau erwischt ;-)

    Naja, sein Bundestagsmandat hat er ja weiterhin.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.