Von Stefan Sasse
Die innenpolitische Entwicklung in BRD und USA könnte gerade unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite haben zwei Parteien einen tiefen, schier unüberwindbaren Graben aufgerissen und betrachten die Anhänger der Gegenseite als parasitäre Feinde, die eigentlich gar nicht wirklich zum Land gehören, während auf der anderen Seite die Parteien so dicht aneinander herangerückt sind, dass man nur noch als gelerntes Fakt weiß, wer eigentlich Opposition und wer Regierung ist. Wären nicht die üblichen ritualhaften Phrasen, mit denen an den Vorschlägen der Regierung herumgemäkelt wird, hätte man es schwer, aus den Statements deutscher Parteien herauszulesen, worin sie sich eigentlich wirklich unterscheiden. Als gesund können beide Entwicklungen nicht angesehen werden. In den USA lähmt die tiefgreifende Spaltung das ganze Land auf eine Weise, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurde. Die Amerikaner kennen politische Lähmungen, sie sind nichts Neues und als gewollte Möglichkeit im System angelegt; es gibt dutzendweise Regeln, die eine Blockade ermöglichen, wenn man sie nur will (wie in Deutschland übrigens auch). Der Graben geht aber längst nicht mehr nur durch den Kongress; er hat die gesamte Gesellschaft erfasst. Dass die grundsätzliche Legitimität der anderen Meinung in Zweifel gezogen wird ist neu. Üblich ist es, dass man sich über den Weg streitet, aber nicht anderen abspricht, ihn überhaupt gehen zu können. Üblich ist es, dass man einen Weg für besser hält als den anderen, aber nicht, dass man einen als vollständig abartig und ungehbar darstellt. In Deutschland dagegen stellt sich längst die Frage, wer eigentlich ein wählbares Gegenkonzept zur herrschenden Politik aufstellen soll.
Frank Lübberding hat den neusten Patzer Mitt Romneys (der erst jetzt bekannt wurde, aber bereits im Mai stattfand), in dem er sich für 47% der Amerikaner als nicht zuständig erklärte, weil diese nur dem Staat auf der Tasche liegen würden, in scharfen Worten als Verfassungsbruch verurteilt. Seine Analyse ist durchaus richtig; ob sie allerdings von der republikanischen Anhängerschaft geteilt wird, darf bezweifelt werden. Romney spricht zwar keine Mehrheitsmeinung aus, aber seine Vorstellung davon, wer in den USA überhaupt noch das Recht auf Politik hat wird von einer großen Minderheit geteilt. Arbeitslose, die ja alle an ihrem Schicksal selbst Schuld sind, Schwarze und Latinos, Homosexuelle, die liberale Intelligenzia - sie alle dürfen dieser Meinung nach nicht in Anspruch nehmen, überhaupt Amerikaner zu sein. 47% des Landes werden einfach beiseite gewischt und untergepflügt. Hierzulande impliziert man gerne den Vaterlandsverrat der Kommunisten, aber eine Spaltung diesen Ausmaßes ist in Deutschland überhaupt nicht vorstellbar und war zuletzt in den 1960er und 1970er Jahren zu beobachten.
Ein Land in einer solch tiefen Spaltung ist nicht gesund. Wo Menschen mit gleicher Staatsbürgerschaft sich schon nicht mehr als Gegner, Rivalen oder Konkurrenten betrachten, die miteinander um den besten Weg wetteifern, sondern als Feinde, die ihre Gegner mit allen Mitteln bezwingen und den totalen Sieg anstreben müssen kann nichts mehr gemeinsam wachsen. Normale Gepflogenheiten amerikanischer Höflichkeit in der politischen Sphäre sind es etwa, Respekt vor dem Amt und den Toten zu haben (worüber man streiten kann, gewiss). Die Reaktion Romneys und seiner Berater auf die Toten in Libyen lässt selbst konservative Kommentatoren wie Mark McKinnon sprachlos zurück. Der Auftrag der amerikanischen Politik rührt noch aus ihrer Gründerzeit her und lautet "to form a more perfect union". Von einer Union entfernt sich das Land derzeit immer mehr. Es geht nur noch darum, die eigene Position zu sichern. Wenn der unterlegenen knappen Hälfte aber jede Legitimität abgesprochen wird, gerät die Union nur noch zu einem Schlachtfeld der Ideen statt einer Wettkampfarena. Und schon immer waren Wettkämpfe weniger blutig als Schlachten.
In Deutschland indessen bricht sich ein neuer Patriotismus Bahn, zumindest wenn Wolfgang Michal Recht behält. Der Gegner befindet sich in Deutschland nicht mehr auf der Oppositionsbank, sondern in der EZB-Zentrale, wo eine Verschwörung finsterer Südländer antritt, um das hart verdiente Geld zum Fenster hinauszuwerfen und la vida loca zu leben. Man fühlt sich tatsächlich unangenehm an die Idee des Burgfriedens erinnert, und tatsächlich spielt die CDU versuchsweise gerne auf der Klaviatur der "deutschen Interessen", die es zu wahren gelte. "Deutsche Interessen" aber sind verabsolutiert, sie existieren einfach. Wenn sie zum Maßstab für Politik werden, dann gibt wird der Streit um den richtigen Weg entweder ähnlich aufgeladen wie in den USA - in einen "deutschen" und einen "undeutschen" Weg also - oder aber es versucht überhaupt niemand mehr, eine Alternative zu entwickeln, um gar nicht erst als undeutsch zu erscheinen. Diese Gefahr besteht in Deutschland. Von Seiten der Union ist das ein cleveres Manöver, sie wusste sich schon immer als die "deutsche" Partei zu inszenieren. Und wie bereits im ersten Burgfrieden läuft die SPD wieder in dieselbe Falle, Seite an Seite mit den Grünen und den Piraten.
"Wenn der unterlegenen knappen Hälfte aber jede Legitimität abgesprochen wird, gerät die Union nur noch zu einem Schlachtfeld der Ideen statt einer Wettkampfarena."
AntwortenLöschenDass hier jemandem die Legitimität abgesprochen wird kann ich aus Romneys Worten nicht herauszulesen. Ich habe lediglich verstanden, dass er meinte, dass er knapp die Hälfte der Amerikaner mit seinem Wahlkampf nicht erreicht, weil diese ein anderes Staatsverständnis haben. Dass Romney sind um diese Leute 'nicht zu kümmern' braucht, auf dieses Zitat baut Lübberding seine Argumentation auf, ist für mich ziemlich deutlich auf die Wahlstrategie bezogen, über die er ja auch redet. Das zu übergehen und mit der Verfassungskeule zu schwingen riecht für mich nach Vorsatz.
"In Deutschland indessen bricht sich ein neuer Patriotismus Bahn, zumindest wenn Wolfgang Michal Recht behält. Der Gegner befindet sich in Deutschland nicht mehr auf der Oppositionsbank, sondern in der EZB-Zentrale, wo eine Verschwörung finsterer Südländer antritt, um das hart verdiente Geld zum Fenster hinauszuwerfen und la vida loca zu leben."
Was du beschreibst hat mit 'Patriotismus' nichts zu tun. Vielleicht ist 'Nationalismus' passender.
Man kann in Spanien, Italien, Griechenland, ja selbstverständlich in Frankreich oder Großbritannien sehr genau definieren, was die nationalen Interessen sind. Und danach handeln auch die jeweiligen Regierungen, große Unterschiede sind dabei nicht auszumachen, soweit es um die Europapolitik geht. Deutschland ist eigentlich das einzige Land der Eurozone, das versucht, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Interessen der eigenen Mehrheitsbevölkerung und den Forderungen der dahinsiechenden Mitgliedsstaaten zu finden. UK hat sich zurückgezogen, weil es mit der Historie und der Mentalität der Briten vereinbar ist, einen kontinentaleuropäischen Moloch zu unterstützen.
AntwortenLöschenWas ist also der Vorwurf an die deutsche Europapolitik? Tatsächlich können Oppositionsparteien kaum auf dem Feld der Außenpolitik gewinnen, die Machtverhältnisse ändern sich, wenn innenpolitische Gründe dies verlangen. Ein Absetzen der SPD von der offiziellen Regierungslinie wäre selbstmörderisch, dies muss kleinen, renegaten Parteien überlassen bleiben. Es ist gut, dass Deutschland langsam seine nationale Position findet, denn im Falle des Scheiterns trägt die Rechnung nicht Italien oder Spanien, sondern der deutsche Steuerzahler mit empfindlichen Wohlstandsverlusten. Dieses Achten auf eigene Interessen vorzuwerfen, ist eigentlich nur dumm.
Des weiteren hat sich noch immer gezeigt, dass ein Regieren gegen ökonomische Gesetze unmöglich ist. Deutschland kann nicht die Basis für seine Altersbezüge jahrzehntelang durch niedrige Geburtenraten erodieren lassen, gleichzeitig das Rentenniveau und die Rentenbezugsdauer nach oben schrauben. Das sind mathematische Unmöglichkeiten, die jedes, auf Balance ausgerichtetes System an die Wand fahren. Nur mal so als Zahl: Die Deutschen sparen sich so mit einer Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau ein Drittel dessen pro Generation, was notwendig zum Substanzerhalt notwendig wäre. Ein Kind verursacht bis zum Ende seiner Ausbildung so 200.000 EUR, mithin 2 Kinder 400.000 EUR. Wird 1/3 eingespart, so sind dies 133.000 EUR. Ein Paar müsste also, um den Verlust an Kindern auszugleichen, pro Person 66.000 EUR über mehrere Jahrzehnte anlegen, da es diesen Betrag ja bei der Ausbildung eingespart hat. Als private Vorsorge reicht dies allemal, um bei gesunkenem Rentenniveau trotzdem einen angenehmen Ruhestand zu genießen.
Soll die SPD gegen solche Selbstverständlichkeiten anargumentieren?
Ist das ernst gemeint? Ökonomische Gesetze?? Durch Geburtenraten erodierende Altersbezüge??? Da hat aber jemand kräftig aus der Propagandapulle des letzten Jahrzehnt genascht.
LöschenGenau, ökonomische Gesetze gibt es doch gar nicht. Ökonomie entsteht durch Glauben, besonders linkem glauben. Der linke Scehin bestimmt das sein.
LöschenUnd um in Zukunft viel Umverteilen zu können muss man heute nicht investieren, nein, wir können ruhig alles Geld für den Konsum umverteilen, die notwnedigen Investitionen in Automatisierung tätigen sich von selbst.
Hm ich bin der Meinung, dass die Situation gar nicht so unähnlich zur Spaltung der USA ist. Die Frontlinien verlaufen nur an anderen Abschnitten innerhalb der EU. Immerhin setzt man ja auch viel daran, die Südländer aus den Entscheidungsgremien der EU herauszuhalten und spricht ihnen damit auch irgendwie das Recht ab, am "demokratischen" Prozess mitzuwirken.
AntwortenLöschen@Dubio
Nationale Interessen wahren ist doch nicht das eigentliche Problem, dazu sind Regierungen ja da. Das Problem ist, dass darüber keine Debatte stattfindet, warum es zb in deutschem Interesse liegen sollte, dass halb Europa gerade durch irrwitzige Austeritätsprogramme seine Wirtschaft plattmacht. Oder warum es den deutschen Interessen dienen sollte, dass Spanien 7% Zinsen zahlt.
Nur weil die Union sich hinstellt und willkürlich ihre Handlungen zu deutschen Interessen uminterpretiert, muss das ja nicht wahr sein. Das ist ja das Problem, das beschreibt Stefan ja auch gut. Die Union pappt irgendwo "deutsche Interessen" ohne weitere Erklärung dran und alle (Medien & Opposition) rennen hinterher und nicken brav, anstatt mal die simple Frage zu stellen, wo genau das deutsche Interesse daran besteht, wenn zb griechische Rentner ihre Medikamente nicht mehr bezahlt bekommen.
Vielleicht könnte man mit einer echten Opposition ad hoc wirklich keine Wahlen gewinnen, aber mit dem jetzigen Kurs ja auch nicht, daher halte ich die jetzige Taktik für einen Trugschluss. Langfristig bin ich durchaus der Meinung, dass ein Oppositionsweg zb à l'Hollande erfolgreich wäre, aber dafür braucht man ein Minimum an Mut und Überzeugung und dummerweise besteht die Politikriege imo hauptsächlich aus jämmerlichen Feiglingen.
@Ariane
AntwortenLöschenWelche "irrwitzigen Austeritätsprogramme"? Ich wette, kaum jemand, der darüber schreibt, weiß, was konkret die Auflagen für die Länder sind. Sie umfassen nämlich mitnichten ausschließlich Sparauflagen. Ist z.B. der Verkauf von staatseigenen Unternehmen Austerität? Nein, nicht nach der Definition von Eurostat und nicht nach den Maastrichtkriterien. Ist die Beseitigung von bürokratischen Hemmnissen Austerität? Nicht im Traum. Spanien und Europa haben ganz gut gelebt, als in den 1990er Jahren der Madrider Haushalt 7%-Zinsen verkraften musste. Warum sollte es heute kümmern? Die Wirtschaft in Italien wurde in den letzten 20 Jahren plattgemacht, nicht heute. 10 Jahre Stagnation sind zuviel. Seltsamerweise fällt auch heute erst den ClubMed-Anhängern auf, dass eine Jugendarbeitslosigkeit jenseits der 20% nicht das Gelbe vom Ei sind. Doch sind 30% ein Problem oder erst 45%?
Deutschland zahlt Hilfen an ein Land, das eine Verschuldung von 160% aufweist. Ökonomisch ist das unter keinem Gesichtspunkt wirklich vernünftig. Dieses Geld wird diesen Staat auf Dauer nicht retten, ob mit Austeritätsprogramm oder mit "Wachstumsspritze". Man kann also nur Maßnahmen erzwingen, die hoffentlich in 3-5 Jahren für deutlich bessere Wirtschaftsbedingungen sorgen. Da sind Kürzungen in der Staatsverwaltung, Verringerung der staatlichen Transferleistungen auf ein durchschnittliches OECD-Niveau und Abbau von Verwaltungsnormen allemal besser als ein Konjunkturprogramm, das nach aller Erfahrung lediglich Geld verfeuert. Wer unproduktiver wie die Türkei arbeitet, kann nicht 50% mehr als der türkische Durchschnitt verdienen. Das funktioniert nicht.
Francois Hollande hat gegen einen äußerst unpopulären Präsidenten gewonnen, wo war das Kunststück? Das Kunstück liegt doch wohl eher in der Tatsache, dass der Sozialist binnen weniger Wochen seinen Vorgänger in Punkto Popularität noch unterbietet. Hollande hat bisher Null Erfolge vorzuweisen, doch das wird am Ende über seine Amtszeit entscheiden. Wäre Merkel so unpopulär wie Sargozy seinerzeit, würde jede Oppositionspartei mit jedem Kandidaten gewinnen. Die Franzosen wollten erst den "rechten" Strauss-Kahn und haben dann den linken Hollande ins Amt gehievt. Ist das ein Beweis für die Popularität des Programms und den politischen Mut?
@Anonym
AntwortenLöschenEinfach schreiben, was Sie nicht verstanden haben, schließlich habe ich es genau aufgelistet. Oder glauben Sie, ein System, das auf möglichst vielen Erwerbstätigen basiert, verträgt es, wenn generationslang weniger Nachkommen herangeführt werden als zum Erhalt des Bestandes notwendig sind?
@ In Dubio
AntwortenLöschenJa. http://www.nachdenkseiten.de/?p=4391
@Anonym
AntwortenLöschenBitte, die Meinung der Nachdenkseiten sind doch kein Argument. Genauso könnte ich auf Ihre Frage mit der Meinungsseite der WELT antworten. Fühlten Sie sich dann ausreichend gewürdigt?
@dubio
AntwortenLöschenAlso *lufthol* zunächst mal bin ich ganz grundsätzlich der Meinung, dass die Programme nicht dazu dienen, großartig etwas zu ändern, sondern mittlerweile als große Droh/Strafkulisse herhalten müssen + ein bisschen Neoliberale Ideologie, weil wirklich einige meinen, das funktioniert. Spätestens nach Griechenland zählt diese Ausrede imo aber nicht mehr. Das ist an sich ja schon irrwitzig genug.
Zweitens geht es mir hauptsächlich um Programme, die direkt auf die Binnenkonjunktur wirken, also höhere Verbrauchssteuern, Renten/Gehaltskürzungen usw (das sind übrigens nicht alles nur Sozialleistungen nur mal so, geringerer Mindestlohn ist KEINE Sozialleistung). Ein Großteil des Rests ist einfach nur dumm und schlecht getimt (zb Steuern einführen, ohne dass man weiß, wie man sie einziehen soll. Oder Privatunternehmen für astronomische Summen anbieten, für die sich momentan niemand interessiert)
Ich sage nicht, dass man gar nichts hätte machen sollen, aber es ist auch in der Politik nicht verboten, seinen Verstand einzusetzen und aus Fehlern zu lernen. Hat das Theater nun irgendwie deutschen Interessen gedient? Ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Griechenland (oder sonstwer) seine Schulden eher zurückzahlt? Nö. Ist deutsches Geld dadurch sicherer geworden? Nö. Zweifelt irgendjemand in der höheren Politik oder auf breiter Front dieses Theater an? Auch nicht wirklich wirksam. Stattdessen verkriecht sich der Großteil der Opposition, ist vermutlich selbst ganz froh, dass die Kanzlerin das alles regelt und Frau Merkel lacht sich kaputt. Aber politisch gesund ist das nicht.
Aso sorry, zum Hollande-Weg: Ich bin der Meinung, dass Merkels Popularität auch durch die Zahmheit der Opposition verursacht wird, es wären durchaus Angriffspunkte da. Hollande hat meiner Meinung nach eine wirklich andere Politik mit der Unbeliebtheit Sarkozys verbunden und ja ich denke schon, dass es zumindest möglich wäre, an Merkels Stuhl zu kratzen, wenn man sich aufraffen würde.
AntwortenLöschen@Ariane
AntwortenLöschenIch hätte es ja fast schon vermisst: neoliberale Ideologie zur Begründung der Malaise. Darf in keinem Forum fehlen. Griechenland ist fast ausschließlich Binnenmarkt, der mit steigenden Schulden und EU-Zuschüssen gefüttert wurde. Das war ziemlich offensichtlich nicht der richtige Weg. Es ist daher zwangsläufig, dass jede politische Maßnahme negative Effekte auf eben die Binnenkonjunktur haben muss. Wie soll's denn sonst gehen? Die Basis jeden Wirtschaftens ist die Produktion. Griechenland hat aber keine nennenswerte Produktion, sondern Handel und nicht exportierfähige, einfache Dienstleistungen. Das führte dazu, dass der inländische Konsum seit Jahrzehnten weit höher war als was im Land produziert wurde ("über die Verhältnisse leben").
Warum wurde in Griechenland trotz hoher EU-Anzeize kaum produziert? Gute Frage. Im Wettbewerbsindex belegte Hellas stets hintere Plätze. Dieses Ranking ist kein Produkt von Theoretikern, sondern kontinierlicher Befragung von international arbeitenden Führungskräften. Also die, welche am Ende über Investitionen entscheiden. Niemand will nach Athen und seit so zwei Dekaden auch immer weniger nach Italien. Griechisches Staatseigentum will keiner kaufen, weil er damit noch längst nicht zum Eigentümer wird. Die Beschränkungen sind sehr hoch. Ich kaufe ja auch kein Auto, wenn ich den vollen Kaufpreis zahlen soll aber den Wagen anschließend mit 50 anderen teilen soll.
Mindestlöhne sind so eine Sache. Sind sie zu niedrig, verfehlen sie ihren sozialen Zweck. Sind sie zu hoch (wie z.B. in Frankreich), so verhindern sie Beschäftigung und nivellieren die Löhne (Einheitslohn). Ich hatte es bereits gesagt: man kann nicht eine Produktivität wie die Türkei haben, aber 50% mehr Lohn verlangen. Genauso die anderen Punkte: es gibt KEINE Maßnahme, die auf eine Perspektive von 3-5 Jahren die Anleihen sicherer gemacht hätten. Nicht bei einem Schuldenstand von 160% des BIP. Dann doch lieber Austerität.
Auch zu Hollande hatte ich bereits geschrieben: wenn es den Franzosen egal war, ob der wirtschaftsnahe Strauss-Kahn oder der linke Hollande Präsident wurden, welchen Einfluss auf den Wahlerfolg (den Sie ja offensichtlich sehen) soll denn das Programm gehabt haben? Die deutsche Opposition hat doch folgendes Problem: die Europolitik wird wahrscheinlich das entscheidende Wahlkampfthema. Deutschland wird in allen Szenarien der große Zahler, entsprechend unpopulär sind weitere Kredite an die Südländer. Es ist unwahrscheinlich, dass die SPD mit einer Politik a'la Hollande punkten könnte. In Frankreich war das anders: die Franzosen fühlen sich mentalitätsmäßig eher zum Süden gehörig, Geldwertstabilität und Wirtschaftswachstum sind der einen Hälfte der Franzosen keine Werte. Anders als Deutsche stehen sie einer wachsenden Staatsverschuldung egalitär gegenüber.
@Ariane
AntwortenLöschenNicht nur Griechenland, auch Italien und insbesondere Spanien haben höchst ineffektive Steuererhebungssysteme. Würden insbesondere die beiden Problemstaaten so effektiv wie Deutschland oder gar die USA Steuern erheben, hätten sie überhaupt kein Problem. Ist es da gerechtfertigt, Deutschland für die Besteuerungsmängel in Madrid heranzuziehen? Das versteht hier kein Mensch. Meine Schwester lebt in Spanien, ein Land, das so viel Bürokratie hat, dass Produkte wie Solarpänel dort trotz geringerer Lohnkosten deutlich teurer sind als hierzulande. Ein Land übrigens, in dem während des langen Wirtschaftsbooms kaum einer in die günstigen Sozialsysteme einzahlen mochte und man sich heute wundert, dass man keine Ansprüche besitzt. Und für diese Versäumnisse soll der deutsche Steuerzahler haften?
Effektiv Steuern erheben? Im Ernst?
AntwortenLöschenWieso dann ein Steuerabkommen mit der Schweiz?
In den USA hat sich im Gefolge des Videos herausgestellt, dass Multimillionäre nur geringe (10 Prozent) oder überhaupt keine Steuern zahlen.
Ist es das, was Ihnen vorschwebt?
Dass es in Griechenland Misswirtschaft gegeben hat und gibt, bestreitet niemand. Dass an der Misere aber auch europäische Institutionen und amerikanische Banken beteiligt waren, kommt bei Ihnen einfach nicht vor. Und wenn die Menschen dort jetzt Medikamente nur gegen Bargeld bekommen, das sie nicht haben, kümmert Sie nicht?
In einem US-amerikanischen Blog habe ich gelesen: Die Griechen haben geschummelt, das ist wahr. Aber ist das ein Grund, sie zugrunde gehen zu lassen?
@CitizenK
AntwortenLöschenNun ja, spätestens seit den 1990er Jahren sollte man über den Begriff der Steuereffizienz nicht mehr lachen. Nicht Steuersätze, sondern Steuersystem und Steuervollzug bestimmen über den Steuerertrag. Ob ein Staat also viel oder wenig einnimmt, hängt nicht an einzelnen, sondern an der Summe einer Gesellschaft. Nachdem mir meine Schwester über die Verhältnisse in Spanien berichtet hatte, wollte ich es genau wissen, denn wenn Steuerhinterziehung in einer Gesellschaft immanent ist, bildet sich das irgendwo ab. Also habe ich mir die OECD-Zahlen vorgenommen.
Deutschlands Einkommensteuersätze liegen zwischen 14 und 27,5 Prozent, die Griechenlands zwischen 15 und 40 Prozent, die von Spanien zwischen 24 und 43% und die von Italien zwischen 24 und 44 Prozent. Wenn sonstige Parameter wie Wirkung von Ausnahmetatbeständen, Steuervollzug und Steuerehrlichkeit gleich sind, wäre zu erwarten, dass der Steuerertrag bezogen auf das BIP annähernd gleich ist.
So, jetzt kommen wir zu besagter OECD-Statistik. Danach weisen die Steuern auf das persönliche Einkommen folgende Effzienzen, bezogen auf das BIP, auf:
Deutschland: 9%
Spanien: 6,5% - 7%
Italien: 11,7%
Griechenland: 4,9%
nachrichtlich
USA: 8,0% - 10,0%
Es zeigt sich, dass der Steuerertrag erheblich differiert, was wie gezeigt nicht an den Steuersätzen liegen kann. Bleiben Steuervollzug und Steuerehrlichkeit. Die Zahlen entsprechen dem Volksmund und den Vorurteilen. Die USA zeigen übrigens, dass man auch mit niedrigen Steuersätzen einen relativ hohen Anteil am BIP abschöpfen kann. Vorbildlich!
So, würden die Hellenen wie der OECD-Schnitt (9%) Einkommensteuern zahlen, so käme das einer Erhöhung der Steuerlast um 80% gleich. Der griechische Staat hat Jahr für Jahr auf 10-12 Mrd. EUR allein an Einkommensteuer verzichtet, damit wären in den letzten Jahren immer ein Drittel des Staatsdefizits gedeckt gewesen. Die europäischen Partnerländer sollen also (wieder)dafür bezahlen, dass die Griechen nicht Willens sind, ihren Steuerpflichten nachzukommen. Diese Misere ist rein von Griechenland selbst verursacht, EU-Instituten haben höchstens zu lange weggesehen, was dieses korrupte Völkchen so treibt.
@CitizenK
AntwortenLöschenIch habe mit dem Bettler auf der Strasse Mitleid, wenn ich auch nicht verstehe, wie heute in Deutschland jemand unfreiwillig obdachlos sein kann. Aber Mitleid und Barmherzigkeit sind keine Begriffe, die für Staaten untereinander gelten sollten. Für die Griechen ist es doch eher beschämender, dass sie wie ein Dritt-Welt-Land von Hilfsgeldern anderer Nationen abhängig sind. Und Spanien wehrt sich vehement gegen Auflagen, möchte also leistungslose Zahlungen (Almosen). Das geht nicht, das versteht niemand. Daher sollten wir damit nicht argumentieren.
Eine kleine Anfrage der Piraten im Düsseldorfer Landtag brachte es an den Tag: der direkte Ertrag aus dem Ankauf von Steuer-CDs ist minimal, der Großteil sind ehrliche Bürger. Der entscheidende Effekt ist ein höchst fragwürdiger: Durch den systematischen Ankauf werden Menschen mit Schwarzgeld zu Selbstanzeigen getrieben. Es stehen damit zwei Strategien gegeneinander: nach der NRW-Methode macht sich der Staat zunehmend davon abhängig, dass sich ein Teil der Steuerunehrlichen aus Angst vor Entdeckung selbst offenbart. Der rechtsstaatliche Weg ist die Vereinbarung mit der Schweiz: Mit dem Abkommen werden alle in der Schweiz lagernden Gelder von der Steuererhebung erfasst, egal ob zuvor schon versteuert oder unversteuert. Das System NRW wirkt eine kurze Zeit mit spektakulären Erfolgen, die von der Bundesregierung verfolgte Regelung hat einer dauerhafte Systematik.
Moin Dubio,
AntwortenLöschenwieso nur die Einkommenssteuer ? Du sprichst doch von Steuerertrag, also alle Steuern zusammen genommen, oder ? Der Anteil am BIP beträgt in Deutschland 35,8 %, in Spanien 34,2 %. Ich nenne das ähnlich. In Italien sind es sogar 41 %. In Griechenland 32%. Die USA zeigen übrigens, dass man mit niedrigen Steuersätzen einen niedrigeren Anteil am BIP abschöpfen kann. 25,5 %. Darunter liegt nur Mexico und Chile. Wie soll man dich ernst nehmen, wenn du ständig Behauptungen aufstellst um diese dann mit Zahlen zu belegen, die nichts mit deiner Behauptung zu tun haben ?
gruß, UL
@ul
AntwortenLöschenNun ja, dass diese Länder viele Steuern erheben, ist ja nichts Neues. Dass das nicht umbedingt ein Modell ist, Prosperität in ein Land zu bringen, auch. Ich hatte eingangs geschrieben, was das Ziel der Darstellung war. Eigentlich ist das Ziel von Einkommensteuern doch, das sie, wie andere Steuern auch, gezahlt werden.
Griechenland hat nur einen totalen Steuerertrag von so 31%, OECD-Schnitt sind 4%-Punkte höher - dies bei einem Land, das formal hoch besteuert, was eigentlich abschreckend wirkt, sich gleichzeitig jedoch einen umfangreichen Staatsapparat und Sozialstaat leistet. Da wiederhole ich mein Mantra: Steuern sollten maßvoll in der Höhe sein, aber konsequent im Vollzug. Die genannten Länder gehen eher den umgekehrten Weg.
Deutschland liegt mit zwischen 36 - 37 Prozent übrigens deutlich über OECD, Spanien darunter. Allerdings habe ich nie behauptet, die Iberer wären wegen zu hoher Defizite in die Krise geraten (höchsten die Regionen). Und betrachte bitte nicht 1 Jahr, sondern den Schnitt mehrere Jahre. Das ist aussagekräftiger. Die Schweiz ist ein sehr prosperierendes Land, ausgeglichenem Staatshaushalt und kann sich deutlich unterdurchschnittliche Steuererträge leisten. Dabei sind die Steuern auf Einkommen trotzdem sehr ertragreich.
@ul
AntwortenLöschenEs gilt daneben die Ansprüche zu berücksichtigen, die Bürger an ihren Staat stellen. Länder mit umfangreichen Sozialstaat müssen immer mehr Steuern erheben als Staaten wie die USA, wo die Eigenverantwortung des Bürgers im Vordergrund steht. Griechenland hat sich bei beidem das Angenehme herausgesucht - wenig Steuern zahlen und dafür umfangreiche staatliche Sicherheit genießen. Die Hellenen werden ihr Verhältnis zum Staat klären müssen, bevor das Land aus der Krise kommt.
Dubio,
AntwortenLöschendu versuchst aus Zahlen, die du selektiv wahrnimmst und deren Bedeutung du nur ansatzweise zu verstehen scheinst Rückschlüsse zu ziehen, die diese Zahlen schlicht nicht hergeben.
Wenn denn dein Mantra von den niedrigen Steuern und der daraus folgenden Prosperität stimmen würde müsste es den Griechen besser als uns gehen, nicht schlechter. Himmelherrgott, die Amerikaner haben eine Steuerquote die 10% unter OECD Schnitt liegt und trotzdem die gleichen Probleme wie die Eurozone. Und innerhalb der Eurozone lässt sich der von dir herbeigesehnte Zusammenhang ebenso nicht nachweisen. Da helfen auch keine Vergleiche mit der Schweiz, schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass die Schweiz nicht Mitglied der Währungsunion ist.
Wie hoch ist der Anteil der Einkommenssteuer am gesamten Steueraufkommen in der Schweiz ? Du schreibst, "Dabei sind die Steuern auf Einkommen trotzdem sehr ertragreich." Was ist "ertragreich" ?
gruß, UL
gruß, Ul
@Ul
AntwortenLöschenWarum versuchst Du etwas zu lesen, was nicht da steht? Ich habe nicht von niedrigen Steuern geschrieben, sondern von maßvollen. Das ist bei weitem nicht das Gleiche. Du versuchst Dich gar nicht auf meine Argumentation einzulassen, denn die Richtung passt Dir nicht. Das Argument ist, dass Griechenland Einkommen ähnlich besteuert wie Deutschland und höher als die USA, aber weit weniger Steuern auf das Erwirtschaftete gezahlt werden. Warum ist das so? Biete doch ein Gegenargument zu meinem (schlechter Steuervollzug und Steuermoral) an. Damit würdest Du nebenbei auch zeigen, dass Du Argumente versteht.
Zweitens, das sind Relationen. Sie sagen nichts über die absolute Höhe von Einkommen und Steuern aus, damit auch nichts über den Wohlstand. Das wird damit nicht verglichen, nur die Effektivität von Steuern. Und bei der Gelegenheit starte doch mal den Versuch zu erklären, was hohe Steuersätze für einen Sinn ergeben, wenn gleichzeitig das prozentale Aufkommen daraus niedriger ist als bei niedrigen Steuersätzen. Auch damit würdest Du zeigen, dass Du Argumente vestehst. Was wiederum die Voraussetzung ist, Argumente widerlegen zu können.
Was hat in diesem Zusammenhang die Schweiz mit der Währungsunion zu tun? Hängt die Ergiebigkeit von Steuern an der Größe des Währungsraumes? Die Links hatte ich bereits mitgeliefert, aber gut, wir sind alle ein bisschen bequem ;-):
Gesamter Steuerertrag: 30% vom BIP
Ertrag Einkommensteuern: knapp 10%; damit also ein Drittel des gesamten Steueraufkommens.
Bei maßvollen Sätzen zwischen 15% und 40% ist das weit effektiver als Deutschland, was ein deutliches Argument gegen eine weitere Erhöhung des Spitzensteuersatzes zur Generierung von Steueraufkommen ist. By the way.
"Und für diese Versäumnisse soll der deutsche Steuerzahler haften?"
AntwortenLöschenNach dieser Logik wäre es auch falsch, dass deutsche Steuerbeamte das griechische Steuersystem und deutsche Kommunalbeamte die Verwaltung aufbauen. Zahlt ja auch alles der deutsche Steuerzahler.
Auch auf die Rolle von GoldmanSachs beim "Wegschauen" bist Du auch nicht eingegangen. Wer blauäugig und ungeprüft Kredite gibt - ist der nicht auch "selber schuld"? Hätte sich vielleicht vorher den Film "Alexis Sorbas" anschauen sollen.
Ist es würdelos, wenn Menschen lebensnotwendige Medikamente haben wollen, auch wenn sie sie nicht bezahlen können? Der Gedanke, MENSCHEN in Notlagen, auch in teilweise selbstverschuldeten, zu helfen ist Dir offenbar völlig fremd. In Art 1 GG ist von "Menschen" die Rede, nicht von Deutschen.
(ein anderer Anonym als der, der sich trotz völliger Aussichtlosigkeit mit In Dubio auseinandersetzt ... ;-)
AntwortenLöschen"Dass die grundsätzliche Legitimität der anderen Meinung in Zweifel gezogen wird ist neu. Üblich ist es, dass man sich über den Weg streitet, aber nicht anderen abspricht, ihn überhaupt gehen zu können. Üblich ist es, dass man einen Weg für besser hält als den anderen, aber nicht, dass man einen als vollständig abartig und ungehbar darstellt."
Wer diese Entwicklungen als "neu" ansieht, der sollte keine Bücher über Geschichte schreiben ...
Schon mal was vom amerikanischen Bürgerkrieg gehört? Oder von der McCarthy-Ära?
Das waren sicher keine Zeiten, wo die Meinung des jeweils anderen als "Legitim" angesehen wurde und wo man einfach gesittet über unterschiedliche Positionen diskutiert hat.
Neu erscheint es Ihnen vielleicht deshalb, weil wir momentan in einem scheinbar friedlichen Umfeld leben, und solche Spaltungen mit gegenseitigem Absprechen der Legitimität meistens unmittelbar in Kriegen gemündet haben. Zeiten wie die McCsrthy-Ära oder die Inquisition werden ebenfalls gerne als Ausnahmssituationen betrachtet. Der Untschied liegt nur darin, dass Inquisition und McCarthy-Ära "Kriege" der großen Masse gegen eine Minderheit waren (man spricht dann von "Verfolgung" statt von Krieg), während bei großen Kriegen die Spaltungen größere Gruppen ergeben haben, die einen echten Krieg führen konnten.
Je nachdem, wo sich der gerade entstehende Spalt also seinen Weg bahnt, befinden wir uns im Vorfeld zu einem Krieg oder zu einer Verfolgungswelle einer oder mehrerer Minderheiten ...
@CitizenK
AntwortenLöschenIch wiederhole es, notwendigerweiser: Ich bin ein Mensch wie jeder anderer, der über ein durchschnittliches, vielleicht sogar höheres Maß an Emphathie verfügt wie jeder andere auch. Das muss klar sein. Doch Politik funktioniert nicht nach Empathie, soll sie auch gar nicht. Und die Zusammenarbeit von Staaten funktioniert auf Austausch, was die Grundbedingung für Gleichheit ist. Auf dieser Basis helfen deutsche Steuerbeamte dem griechischen Staat beim Aufbau einer funktionsfähigen Finanzverwaltung.
Fakt ist jedoch, der Athener Staat ist pleite: finanziell, moralisch, strukturell. Das es so gekommen ist, daran haben seine Bürger einen gewichtigen Anteil. Wenn es jetzt anders werden soll, so muss sich auch ein Teil der Mentalität der Griechen ändern. Doch dann müssen wir unterscheiden: es macht wenig Sinn, für die völlige Überschuldung des Landes in Haftung zu treten, das müssen schon die bisherigen Gläubiger übernehmen. Und für eine Übergangzeit wird die Bevölkerung auch auf Hilfslieferungen angewiesen sein, das ist die Konsequenz aus dem Vorherigen.
Wer hat denn dem griechischen Staat so großzügig Kredite geben? Das waren die eigenen Banken. War das blauäugig? Wenn sie's nicht besser wussten, wer dann? Goldman Sachs war Berater der griechischen Regierung, sie haben den Athener Herren geholfen, findungsreich ihre Verschuldung zeitweise zu drücken. Das ist kein Verbrechen, so wie man den Anwalt nicht für ein Vergehen anklagen kann, das sein Mandant begangen hat. Die Partner wiederum konnten nicht wissen, was die Griechen da tricksen, schließlich haben sich die Mitglieder der Eurozone Souveränität und Unabhängigkeit gegenüber der statistischen Meldebehörde Eurostat ausbedungen.
Persönlich, das zum Schluss, bin ich sehr betrübt, dass die Griechen ihr Land so heruntergewirtschaftet haben. Es ist mein präferiertes Urlaubsland zum Sonnenbaden, die Menschen sind freundlich, es hat eine beeindruckende Geschichte. Nur wegen meinem speziellen Hang habe ich auch die völlig überhöhten Urlaubspreise bezahlt, die Türkei wäre weit günstiger. Die Griechen sind an einem Punkt, wo sie entscheiden müssen, eher dem orientalischen oder dem west-europäischen Kulturkreis zugehören zu wollen. Die Entscheidung ist meiner Beobachtung nach noch nicht gefallen.
Dubio,
AntwortenLöschenStaatseinnahmen sind alle Steuerarten zusammen. Einverstanden ? Die Einkommensteuerer ist eine Steuerart. Einversanden ?
Wenn dein Argument lautet:
" Das Argument ist, dass Griechenland Einkommen ähnlich besteuert wie Deutschland und höher als die USA, aber weit weniger Steuern auf das Erwirtschaftete gezahlt werden."
dann wirfst du in diesem Satz die beiden Paar Schuhe "Einkommenssteuer" und "gesamte Steuereinnahmen"(=Steuern auf das Erwirtschaftete) zusammen.
Lustiger wird es dann hier:
"Gesamter Steuerertrag: 30% vom BIP
Ertrag Einkommensteuern: knapp 10%; damit also ein Drittel des gesamten Steueraufkommens."
Michmädchen aller Länder: vereinigt euch !
Die 10% sind der Anteil des Einkommens eines Alleinstehenden, ohne Kinder mit dem Verdienst eines durchschnittlichen Arbeiters. Der verdient in der Schweiz ca 51.000 €. Über den Anteil der Einkommensteuer am gesamten Steueraufkommen ist damit nichts gesagt ! (Im Kanton Bern lag der Anteil der Einkommessteuer am gesamten Steueraufkommen in 2009 bei 72%, ich nehme an in den anderen Kantonen sieht es ähnlich aus. Ich lasse mich gern vom Gegenteil überzeugen.)
Weiter oben schreibst du:
" Wenn sonstige Parameter wie Wirkung von Ausnahmetatbeständen, Steuervollzug und Steuerehrlichkeit gleich sind, wäre zu erwarten, dass der Steuerertrag bezogen auf das BIP annähernd gleich ist."
ebenso Unfug. Selbst wenn alle Ausnahmetatbestände usw. gleich wären hätte in Griechenland nicht den gleichen Steuerertrag bezogen auf das BIP. Um einen Unterschied zwischen den Sterertägen der beiden Länder herzustellen braucht es nur ein paar Punkte Unterschied z.B. in der Mehrwertsteuer.
Du schreibst:
"Nun ja, dass diese Länder viele Steuern erheben, ist ja nichts Neues. Dass das nicht umbedingt ein Modell ist, Prosperität in ein Land zu bringen, auch."
Daraus habe ich gefolgert, dass du meinst, dass Prosperität mit niedrigen, verzeihung, massvollen Steuern der Wohlstand Einzug hält. Demonstriert am Beispiel Schweiz.
Nehmen wir an, alle Griechen zahlen ab morgen den Schweizer Einkommenssteuersatz von 10 %, keiner drückt sich. Problem gelöst ?
gruß, Ul
@Ul
AntwortenLöschenVorsicht: wer über andere lacht, hat oft etwas grundsätzlich nicht verstanden. Der letzte Satz von Dir enthüllt, dass Du etwas völlig missverstanden hast. Ich habe offensichtlich mehr vorausgesetzt, als da ist:
Nehmen wir an, alle Griechen zahlen ab morgen den Schweizer Einkommenssteuersatz von 10 %, keiner drückt sich. Problem gelöst?
und:
Die 10% sind der Anteil des Einkommens eines Alleinstehenden, ohne Kinder mit dem Verdienst eines durchschnittlichen Arbeiters.
Ich erkläre es einmal in aller Ausführlichkeit, also bitte langsam und genau lesen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Griechen beträgt so 230 Mrd. EUR (zuletzt etwas weniger). Das sind alle produzierten Ouzos, Oliven, verkaufte Hotelbetten eines Jahres. Diese sind mit selbständiger und unselbständiger Arbeit (Löhne) sowie Unternehmertätigkeit und Kapitaleinsatz erstellt. Das nennt man Einkommensquellen und diese werden in Griechenland mit einem Einkommensteuersatz von 15-40 Prozent (je nach Verhältnisse) besteuert. Dein Denken vorausgesetzt, müsste bei einem Durchschnittssteuersatz von sagen wir 25% der Staat Einnahmen aus der Einkommensteuer von 57 Mrd. EUR generieren. Das ist in der Tat Quatsch. Athen nimmt tatsächlich nur so bestenfalls 11 Mrd. EUR ein. Das gesamte Steueraufkommen beträgt 71 Mrd. EUR, das sind unsere 4,9% bzw. 31%. Das jährliche Staatsdefizit liegt bei 25-30 Mrd. EUR.
Die Frage ist: warum nimmt Athen lediglich 11 Mrd. EUR aus der Einkommensteuer ein? Hätte man eine vergleichbare Steuereffizienz wie Deutschland oder die USA, wären dies 22-23 Mrd. EUR ohne Erhöhung der Steuersätze. Dann läge das Defizit schon nicht mehr bei 30 Mrd. EUR, sondern bei 18-20 Mrd. EUR. Da das nicht so ist, muss irgendjemand diese 11 Mrd. EUR beisteuern. Rate mal, wer?
Die kleine Schweiz generiert ein BIP von 405 Mrd. US-$, was ungefähr 330 Mrd. EUR entspricht - also über 100 Mrd. EUR mehr als Griechenland. Die Einnahmen aus der Einkommensteuer daraus belaufen sich auf so 33 Mrd. EUR. Die gesamten Steuereinnahmen von Bern und der Kantone liegen bei gesamt so umgerechnet 100 Mrd. EUR. 33 Mrd. EUR Einkommensteuer / 100 Mrd. EUR Gesamtsteuereinnahmen sind: 33 Prozent
Wo war nochmal das Milchmädchen?
Dubio,
AntwortenLöschenich kann mich irren, keine Frage. Was ich nicht verstehe ist folgendes:
"Athen nimmt tatsächlich nur so bestenfalls 11 Mrd. EUR ein" (aus der Einkommenssteuer, richtig ?)
woher hast du diese Zahl ?
"Die Einnahmen aus der Einkommensteuer daraus belaufen sich auf so 33 Mrd. EUR"
woher hast du diese Zahl ?
ganz ehrliche Frage.
gruß, UL
@Ul
AntwortenLöschenGanz ehrlich: nur Prozentrechnung, das BIP x die genannten Sätze. Ich habe es allerdings nochmal nachkontrolliert und - logischerweise - stimmen die absoluten Werte mit der OECD-Statistik. In der Tabelle kannst Du alles einstellen, was Du abfragen willst: Steuerart, Währung etc. Es ist ja heute alles verfügbar.
Die Schweiz hat 53 Mrd. CHF aus der persönlichen Einkommensteuer generiert, das ist beim derzeitigen Währungsverhältnis mehr als die von mir genannten 33 Mrd. EUR, im Schnitt der letzten 10 Jahre pendelt sich das aber so ein. Das gesamte Steueraufkommen betrug 164 Mrd. EUR CHF im Jahr 2010.
Damit komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück: ich erwarte von Ländern wie Spanien und insbesondere Griechenland, dass sie im Gegenzug für Hilfsgelder von den Nordstaaten, dafür sorgen, dass ihr Steuersystem ähnlich ergiebig wird wie das im Norden Europas. Dafür muss man nicht die Steuersätze erhöhen, sondern dafür sorgen, dass Einkommen ordentlich erfasst werden.
Noch ein Schmankerl, wo der Sachverhalt den meisten nicht bewusst ist: Bekanntermaßen hat Athen den Staatsanteil durch Ausweitung der öffentlichen Beschäftigung in den letzten 10 Jahren deutlich ausgeweitet. Wenn ein Staat einen Beamten neu einstellt, so geht sein Gehalt als Wert in das BIP ein. Jede Neueinstellung im Staatssektor erhöht also das Volkseinkommen, selbst, wenn dieser Beamte nichts tut und sein Einkommen durch Ausgabe einer neuen Anleihe finanziert wird. Folglich sinkt auch das Volkseinkommen sofort, wenn der Staat Personal abbaut, selbst wenn es sich dabei nur um Bleistiftspitzer handelte. Folglich muss man die von Athen gemeldeten Wachstumszahlen des letzten Jahrzehnts mit großer Vorsicht genießen.
Dubio,
AntwortenLöschenDu hast Recht. Mea Culpa. Das Missverständnis lag wohl daran, dass du vor meiner letzten Antwort die Einkommensteuer als % vom BIP verlinkt hast, vorher aber nur die Einkommensteuer als % vom Einkommen. Beides im Fall der Schweiz dummerweise 10%.
"Damit komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück: ich erwarte von Ländern wie Spanien und insbesondere Griechenland, dass sie im Gegenzug für Hilfsgelder von den Nordstaaten, dafür sorgen, dass ihr Steuersystem ähnlich ergiebig wird wie das im Norden Europas. Dafür muss man nicht die Steuersätze erhöhen, sondern dafür sorgen, dass Einkommen ordentlich erfasst werden."
Da kann ich dir nur uneingeschränkt zustimmen. Ich glaube, du wirst es sogar sehr schwer haben dafür Widerspruch zu finden.
Und damit sind wir doch auch bei der entscheidenden Frage: Wie macht man das ? Indem man mit dem Fuß aufstampft und auf die faulen Griechen schimpft sicher nicht. Ich finde es auch nicht angebracht so zu tun, als hätten sich die Griechen ihre Situation ausgesucht. Die Konstrucktion der Währungsunion hat unbesrittene Fehler. Und diese Fehler wurden nicht von den Griechen eingebaut.
An der Korruption im Staatswesen hat man sich, solange man noch eifrig Kredite verkaufen konnte nicht sonderlich gestört. Die Buben von Goldman Sachs waren nicht da um den Griechen die Korruption auszutreiben und eine effektive Finanzverwaltung einzubauen. Und das soll keiner gmerkt haben ?
Die Vorstellung, dass man die Steuern nicht erhöhen, nur tatsächlich eintreiben muss, ist moralisch sicher richtig. In der Praxis ist es aber unter dem Strich immer eine Erhöhung, oder ? Daher fällt es mir schwer deine Gedanken nachzuvolliehen, da du ja auch gerne von "maßvollen" Steuern sprichst. Du forderst für Grichenland, dass mehr Steuern bezahlt werden, während auf der anderen Seite Steuern und Staat für dich häufig die Wurzel allen Übels zu sein scheint.
gruß, Ul
@Ul:Und warum hast du jetzt dubio "selektive Wahrnehmung" vorgeworfen?
AntwortenLöschenWarum hast du mit Apfel-Birnen-Vergleichen hantiert?
Wenn die Einkommenssteuer zwar hohe Steuersätze hat, aber nur sehr ineffizient Eingezogen wird, dann muss das fehlende Geld natürlich wo anders her kommen. Neben indirekten Steuern z.B. neue Staatsverschuldung, welche die Staatsquote auch erhöht.
Damit werden die ehrlichen doppelt belastet: Hohe Einkommenssteuer und hohe indirekte Steuern. Das durch viele unehrliche die Staatsquote nicht höher ist, hilft der Wirtschaft natürlich nur bedingt, da dies keine Rechtssicherheit und korruptionsfreie Umgebung gewährleistet.
Wofür also die vorherigen, persönlichen Angriffe? Ging es dir nicht um die Sache, sondern nur darum jemand anderen zu atrackieren?
@Techniknörgler
AntwortenLöschenIch denke, das Thema ist durch. Ich bin in Debatten nicht überempfindlich und wenn es hinterher Shakehands gibt, ist die Sache in Ordnung.
@Ul
Und damit sind wir doch auch bei der entscheidenden Frage: Wie macht man das?
Das ist durchaus schwer, keine Frage. Steuereffizienz ist eine Frage von Verwaltung (CitizenK hat das schon angesprochen) und Steuermoral. Beim Aufbau einer modernen Verwaltung können die europäischen Partner helfen. Bei der Steuerehrlichkeit sind wir bei dem Punkt, den ich bereits angesprochen hatte: wollen die Griechen eher zum Orient oder zu Westeuropa gehören? Ich denke, die heutige Krise wird ein heilsamer Schock für die Hellenen sein, der ein grundsätzliches Umdenken bewirken kann. So wie die Finanzkrise ein Umdenken bei den internationalen Kapitalgebern gebracht hat. Man schaut heute eben weit genauer hin, wem man Geld gibt.
Ja, die Steigerung von Steuereffizienz kommt de facto bei den Betroffenen als Steuererhöhung an. Aber es ist eine Frage der Gerechtigkeit, ein ineffizientes System, wo Steuersätze nur auf dem Papier stehen, begünstigt die Smarten, Trickreichen, auch die Unehrlichen. Hohe Steuersätze verstärken Ausweichtendenzen und Fluchtgedanken, wie man sich der Erhebung entziehen kann. Deswegen: maßvolle Sätze, wie sie z.B. die Schweiz erhebt, aber in aller Konsequenz.
Du forderst für Grichenland, dass mehr Steuern bezahlt werden, während auf der anderen Seite Steuern und Staat für dich häufig die Wurzel allen Übels zu sein scheint.
Nein. Der Staat hat in einer modernen, freien Gesellschaft Aufgaben. Leider neigt der demokratische Staat dazu, sich durch Aufgabenerweiterungen zu legitimieren und Wählerstimmen zu gewinnen. Im Gegenzug erfüllt er seine eigenen Aufgaben unzureichend. Beispiele sind die Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Einrichtungen hierzu oder einer effektiven Jurisprudenz.