Mittwoch, 11. Juli 2018

Jedi mit tiefem Ausschnitt fahren schlecht Rad, das BILD-Außenressort isst Erdbeeren und in Harvard studiert man Merkels Verteidigungspolitik - Vermischtes 11.07.2018

Die Serie "Vermischtes" stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) My complicated relationship with gender and Star Wars
Growing up, you’re Han or you’re Luke. Maybe if you’re the moody one you’re Darth Vader because if you’re going to play Star Wars your group needs a bad guy. More often than not, though, you’re Han or you’re Luke. Later on the dynamic shifted slightly: Anakin or Obi-Wan. You’re one of those two, or maybe you’re Maul, or Yoda right around the time Attack of the Clones came out. In all the years I spent playing with toy blasters and lightsabers with my friends as a child, though, I never got what I really wanted. I never got to be Leia. For most of my life I’ve been conditioned to believe that Star Wars is for boys. Girls had Barbie and My Little Pony and later on in life they had One Tree Hill and Gossip Girl. Boys had sports and boys had comic books, but most importantly, boys had Star Wars. Star Wars, which gave us lightsabers and the Force, which gave us the Millennium Falcon, which gave us the two perfect avatars through which we as boys could focus our budding masculinity: Luke, the straight-laced optimistic dreamer, and Han, the smarmy bad boy. You were one or the other, and you liked it. I thought I liked it. I always wanted to be Princess Leia. Everything about her was magnetic to me from the moment she graced the screen. The way she held herself, how clear she made it that she didn’t have time for anybody’s shit, the moment she stood up to Vader, god, everything about her was perfect. It showed me, for the first time in my life, what kind of person I wanted to be when I grew up. But young boys aren’t allowed to be Princess Leia. You’re Han or you’re Luke. There’s weakness in looking up to women as young men and it carries over into ever facet of life, even big dumb space wizard laser sword movies. (Geek.com)
Ich finde es immer wieder spannend wie problematisch es für Jungs/Männer häufig genug noch ist, ein weibliches Rollenmodell zu haben. Weibliche Protagonisten sind nicht das Problem, solange sie in einem klar definierten Rahmen auftauchen (man denke an Lara Croft), aber tatsächlich zu sagen, dass die größte Identifikationsfigur in einer Geschichte eine Frau ist ist ungeheuer schwierig. Mein Eindruck (weibliche Leser gerne korrigieren!) ist, dass dies anders herum bei weitem kein so großes Problem ist. Es sind solche Kleinigkeiten an denen gearbeitet werden muss, die nachhaltig Einstellungen verändern können, wie das im obigen Artikel denn ja auch weiter ausgeführt wird.

2) Nach unten treten, nach oben buckeln
Der Radfahrer kann sich eben nicht freistrampeln von den sozioökonomischen Machtverhältnissen, in denen er fährt. Er schimpft auf den Paketdienstfahrer, der ihm den Fahrradstreifen zuparkt, obwohl er weiß um die unerreichbaren Ziel- und Zeitvorgaben der prekär beschäftigten Zusteller, denen es um jede Sekunde geht und um jeden Euro. Dem Radfahrer hingegen geht es um "Lebensqualität pur", um Fitness und um das Umweltbewusstsein der Glücklichen, die sich eines leisten können. Und insgeheim geht es ihm, wie allen in der Konkurrenzgesellschaft, darum, möglichst schnell anzukommen, vor allen anderen. Auf zwei Rädern ist kein Platz für Solidarität. Auch nicht gegenüber jenen Radfahrern, die tatsächlich schuldlos in Verkehrsunfälle verwickelt werden. Für sie wirkt es wie Hohn, dass jeder noch so rücksichtslose Radler sich ebenfalls als Opfer der Autofahrer und ihrer Verkehrslobby inszenieren darf. Irgendein Pkw wird sich schon finden, dem er mit der Faust aufs Dach schlagen kann, weil er sich geschnitten, bedrängt, marginalisiert fühlt. Das ist dem meist weißen Radfahrermann besonders wichtig, denn ihm fehlen andere Marginalisierungserfahrungen, die er öffentlichkeitswirksam beklagen kann. Nur auf dem Rad vermag er seine Moralistenpflicht gleich doppelt zu erfüllen: als Klimakämpfer und als ohnmächtiger Partisan im Straßenkampf. Seit einiger Zeit ist viel die Rede von einer selbstgerechten kulturellen Elite, die ihre linken Ideale zugunsten eines moralisierenden und identitätspolitischen Kurses verraten habe. Seltsamerweise ist bisher das eindringlichste Beispiel für diesen Typus des neoliberalen Linken der Flüchtlingsfreund, der am Bahnhof für Refugees klatscht. Das ist natürlich Unsinn. Neoliberale Linke, die stets den Zeigefinger oben halten und die Arbeiterklasse möglichst weit unten, stehen nicht an Bahnhöfen und applaudieren. Sie umfahren auf gut ausgeschilderten Radwegen jedes Bahnhofsviertel weiträumig. Sie sind Radfahrer. Denn Radfahren ist Identitätspolitik für all die Kleinfamilien gründenden biodeutschen Lehrerkinder, denen es an nichts fehlt. Erst wenn man so jemanden mit selbstgerechter Miene sich auf dem Rad durch den Berufsverkehr drängeln sieht, hat man dem linken Neoliberalismus ins Gesicht geschaut: Alle gegen alle, aber wenigstens bleibe ich dabei gesund und habe ein richtig, richtig gutes Gewissen. (Zeit)
Das Essay macht mir furchtbare Bauchschmerzen. Mir ist klar, dass es sich um eine Überzeichnung handelt, die man durchaus auch ironisch lesen kann (wobei es schwer zu sagen ist; der Autor macht seine Intention hier nicht wirklich deutlich). Es ist auch sehr gut geschrieben, ich habe es mir gleich für die Schüler als Beispiel gelungener Essaykonstruktion abgespeichert. Aber ich kann den kulturpessimistischen Grundton einfach nicht mehr hören. Jedes verdammte Essay - und von den Dingern erscheinen republikweit ja jeden Tag mehrere - hat diesen negativen Touch, was heute alles so schrecklich ist, diesen konservativen Kulturpessismus mit mindestens einer Prise Untergang des Abendlands, und häufig wird da großzügig gewürzt. Und das Schlimme ist, dass alle voneinander abschreiben. Ich kann das am konkreten Beispiel belegen: meine Schüler schreiben durch die Bank genauso Dinger in den Klausuren und im Abi, und als Zweitkorrektor lese ich es auch, also liegt es nicht an mir persönlich. Es ist so grauenhaft Jahr für Jahr 17jährige über die Jugend von Heute jammern zu hören, die von ihrem Smartphones abhängig ist und gar nicht mehr miteinander redet, ganz anders als zu ihrer Zeit. Und das ist kein Scherz.

3) Ersatz-Shirts: Bayrische Schule kämpft gegen Po-Blitzer
Sie sind weit, lang und stehen nicht im Verdacht, auch nur annähernd aufreizend zu sein: Mit solchen Ersatz-Shirts stattet die Mittelschule Osterhofen in Niederbayern Schülerinnen aus, die in zu knapper Kleidung erscheinen. Zuerst berichtete die Passauer Neue Presse (PNP) über die Praxis, an der die Schule bereits seit gut zwei Jahren festhält. "Wir kaschieren den 'guten Geschmack und über den lässt sich irgendwann nicht mehr streiten", zitiert das Blatt Rektor Christian Kröll. "Uns geht es vor allem um zu tiefe Ausschnitte. Alles was anstößig und nicht ästhetisch ist". (nordbayern)
Da erzählen sie einem ständig davon, wie schrecklich es ist dass Muslime jungen Mädchen aus kulturellen oder religiösen Gründen das Kopftuch aufzwingen (völlig zu Recht übrigens) und dann hängen sie Kruzifixe ins Klassenzimmer und verhängen Bekleidungsregeln für junge Mädchen, die ihrem Verständnis von Anstand nicht genügen. Das ist auf der einen Seite einfach nur eine widerliche, bigotte Heuchelei. Auf der anderen Seite gibt es sehr gute, konkrete Gründe gegen solche Regeln. Erstens sind "anstößig" und "ästhetisch" beide mit einem großen Graubereich ausgestattet und sicher nicht von konservativen Rektoren fortgeschrittenen Alters letztinstanzlich zu beurteilen. Zum zweiten geht es gar nicht, dass einseitig Mädchen Bekleidungsvorschriften gemacht werden. Zudem bin ich auch gezwungen, manche ästhetische Grausamkeit von älteren Kollegen zu ertragen, ohne dass ich deswegen gleich Regeln durchsetzen würde, um mein Empfinden zum Standard zu machen. Hier werden schlichtweg sexistische Doppelstandards ausgelebt. Man muss immerhin froh sein, dass das dumme Argument von wegen "Schüler und Lehrer werden durch freizügige Ausschnitte abgelenkt" nicht bemührt wurde, scheinbar ist wenigstens diese Lektion gelernt, das ist ja schon mal was.

4) Die "dunkle Macht", die beim Stern Regie führt
Beim „Stern“ leiden sie in ganz besonderem Maße an einer Selbstblindheit, an der einige Journalisten erkrankt sind. Bei „Hart aber fair“ können sie, wenn man die Art kritisiert, wie sie ihre Themen formulieren, mit dem Begriff des „Framing“ nichts anfangen und behaupten, sie versuchten einfach „das, was Menschen beschäftigt, so darstellen, wie es ist“. Ein „Bild“-Redakteur reagiert auf den Vorhalt, wie oft in den vergangenen Wochen negative Schlagzeilen über Flüchtlinge die „Bild“-Zeitung dominiert haben, mit der Andeutung, das habe einfach „an der Realität“ gelegen. Sein Chefredakteur retweetet das. Journalisten machen sich oder dem Publikum vor, dass das, was sie berichten, und wie sie berichten, einfach ein Abbild der Realität ist. Als träfen sie gar keine Entscheidungen, welcher Mord an einem 14-jährigen Mädchen auf die Titelseite gehört und welcher nicht. Als wählten sie aus der schier unendlichen Zahl von Geschehnissen nicht aus, gewichteten nicht, bestimmten keine Perspektiven. Als wäre ihre Berichterstattung nicht nur ein winziger, subjektiver Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Als würde die Wahrnehmung der Wirklichkeit durch das Publikum nicht von diesen Entscheidungen beeinflusst. Und als hätte das nicht wiederum Konsequenzen für die Wirklichkeit, in der Wirklichkeit. Man könnte ja mit dem „Bild“-Redakteur streiten, ob es vielleicht genau richtig ist, dass das Blatt die Entscheidung getroffen hat, fast jeden Tag ein Problem mit Flüchtlingen oder Migranten auf die Seite 1 zu heben, aus publizistischer Sicht, aus ökonomischer oder aus politischer. Man könnte darüber streiten. Man kann es aber nicht, wenn er so tut, als gebe es da ohnehin keine Entscheidung, sondern nur die Realität, die sich auf wundersame Weise auf der Titelseite materialisiert. Oder als habe da eine dunkle Macht Regie geführt, wie sie beim „Stern“ schreiben würden. (Übermedien)
Der Stern ist echt ein Schmierenblatt, das ist unglaublich. Ihre Merkel-Fixierung dagegen finde ich fast unterhaltsam. Der Stern und vor allem sein ewiger Chefredaktreur Ulrich Jörges hat ja jahrelang einen Termin nach dem anderen im Brustton der Überzeugung für Merkels jetzt aber wirklich bevorstehenden Überraschungsrücktritt vertreten. Das ist eine Obsession. Auf der anderen Seite wiederholen sie beim Stern den gleichen Mist, den schon die ARD verkündet hat: Framing, so was gibt es im deutschen Journalismus nicht. Der stellt nur dar, was passiert ist. Ganz objektiv und ohne jede Vorauswahl, quasi. Das ist so etwas wie das Wort Gottes, und wehe dem, der daran zweifelt. Es ist ein wahres Trauerspiel, was die abliefern. Zusätzlich zum generellen Angriff auf die Presse von rechts und links verscherzen sie es sich auch noch mit der seriösen Mitte.

5) Reichelts neuer Kurs?
Ist die Bild-Zeitung ein Spiegel der Gesellschaft? Immerhin erreicht das Blatt trotz schrumpfender Druckauflage jeden Tag rund zehn Millionen Menschen. In einem Werbeprospekt heißt es, Bild sei „ein Seismograph der deutschen Befindlichkeit“. Bild spricht für das Volk. Aber stimmt das eigentlich? Nein. Es stimmt nicht. Genauer gesagt: Es stimmt nicht mehr. journalist-Autor Olaf Wittrock hat für uns eine bemerkenswerte Zeitreise unternommen. Er hat sich angeschaut, wie die Leserstruktur von Bild im Jahr 1965 ausgesehen hat: Bildungsniveau, Geschlecht, Berufsverteilung. Und da lässt sich Erstaunliches feststellen: 1965 passten die Leserschaft von Bild und die Gesamtbevölkerung fast wie identische Schablonen übereinander. Das gilt für die Verteilung der Schulabschlüsse genauso wie für die Geschlechterverteilung. Ja: 1965 haben genauso viele Frauen wie Männer Bild gelesen. Bild war so, wie das Land war. Noch im Jahr 1972 hieß es in einer Studie: „Der Bild-Leser unterscheidet sich vom Nicht-Bild-Leser eigentlich nur dadurch, dass er Bild liest.“ Im Jahr 2018 sieht das völlig anders aus. Geschlechterverteilung? Nur noch ein Drittel der Bild-Zeitungs-Leser sind Frauen. Verschoben hat sich auch die Verteilung beim Bildungsniveau: In der Gesamtbevölkerung haben heute 31 Prozent Abitur oder einen Studienabschluss, unter den Bild-Lesern sind es nur 16 Prozent. Die Bild-Zeitung erreicht nicht mehr alle Bevölkerungsteile gleichermaßen. Oder etwas pauschaler ausgedrückt: Im Jahr 2018 wird Bild vornehmlich von mittelalten Männern ohne Abitur gelesen. Möglicherweise ist das einer der Gründe, warum die Themenmischung der Bild-Zeitung in der jüngeren Vergangenheit so ist, wie sie ist. Der Bildblog-Redaktionsleiter Moritz Tschermak formuliert das so: „Das Selbstverständnis der Bild-Redaktion ist seit jeher: Hier spricht das Volk. Nur kam das beim Volk nicht mehr so richtig an.“ Nach der gescheiterten Doppelspitze mit Tanit Koch bestimmt Julian Reichelt seit einigen Monaten allein über den Kurs von Bild. Beobachter attestieren der Zeitung seitdem einen Kurswandel. Weg von der Mitte, hin zum Populismus. Ausländer, Flüchtlinge, Gewalt. Sind das die Themen, mit denen Bild künftig sein Leser-Klientel erreichen will? (Journalist Magazin)
Eine klare Schwäche dieser Analyse ist, dass sie sich ausschließlich auf die Print-Ausgabe der BILD bezieht. Für die Onlineseite bild.de liegen die Daten nicht vor, und die verändern das Bild vermutlich noch einmal etwas. Am generellen Trend allerdings dürfte das nichts ändern: die BILD wird nicht nur immer mehr ein Nischenmedium - weswegen ich der SPD auch empfahl, sie zu ignorieren - und sie verliert mehr und mehr an Relevanz. Letzteres erklärt sich vor allem durch die stetig sinkende Auflage. Die Zeitung hat in den letzten zwei Dekaden über die Hälfte ihrer Leser eingebüßt, und der Trend macht bisher wenig Anstalten sich zu verlangsamen oder gar umzukehren. Die BILD ist zudem durch eine ganz andere Entwicklung bedroht: die offensichtlichen Anstrengungen von Akteuren außerhalb der klassischen deutschen Medienwelt, etwa Putins Propagandakanal "RT Deutsch" oder den Bemühungen der AfD, eigene Medienkanäle für ihre dann nach Vorbild der Republicans hermetisch abgesiegelten Medienblase (dort FOX News) zu schaffen, bedrohen genau die Klientel, die der BILD bleibt. Errichtet die AfD tatsächlich ein funktionierendes eigenes Mediengebilde, hat die BILD ein Problem. Vielleicht versucht sie deswegen gerade auch so emphatisch, sich nach rechts zu radikalisieren.

6) Schnelle Erdbeeren und unsere Informationsgesellschaft
Medienwissenschaftler und -ethiker wie Bernhard Pörksen, Alexander Filipovic und John Hartley fordern auch angesichts dieser Entwicklung schon länger eine "redaktionelle Gesellschaft". Eine, in der Menschen Fakten prüfen, bevor sie sie weitergeben. So wie Journalisten es tun, wenn sie ihren Job ernst nehmen. Ich finde diese Idee prinzipiell richtig - zumal das Entlarven häufig nicht allzu schwer ist. Man muss niemanden anrufen und keine Experten befragen, um herauszufinden, dass "Erdbeere schnell" eine Erfindung ist, denn das haben andere schon erledigt. Es ist wichtig, dass alle mehr darüber lernen, wie digitale Medien funktionieren und wie ordentliche Journalisten arbeiten. Ich fürchte aber, dass eine "redaktionelle Gesellschaft" allein nicht reichen wird. Wenn alle anfangen, sich beim Informationenverteilen so zu verhalten, wie viele Redaktionen es tun, wird die offenbar so verbreitete Angst womöglich weiter zunehmen, denn Redaktionen berichten häufiger über Negatives, Bedrohliches, über Missstände. Das liegt in der Natur der Sache, weil der Journalismus eine Kontroll- und Korrekturfunktion hat, also eher auf Missstände schaut. Das soll er auch. Mancherorts aber hat sich der Blick aufs Angstauslösende zu einer Art Selbstzweck weiterentwickelt. Das kann man in diesen Tagen zum Beispiel mal wieder sehr anschaulich auf den Titelseiten der "Bild"-Zeitung sehen. Redaktionen und private Panikverbreiter arbeiten dabei versehentlich oder gar absichtlich denen zu, deren politisches Geschäftsmodell auf dem Angstmachen basiert. Donald Trump zum Beispiel, der diese Woche offenbar der AfD unter die Arme zu greifen versuchte, indem er erst einen Kriminalitätsanstieg in Deutschland herbeifantasierte und dann, als er von sehr vielen Seiten mit den Tatsachen konfrontiert wurde, gleich eine große Verschwörung zum Betrug der Deutschen witterte. Trump ist der Präsident eines Landes mit einer Mordrate, die fünfmal so hoch ist wie die deutsche. Eines Landes, in dem mittlerweile Vorschüler Merkreime auswendig lernen, damit sie sich im Falle eines bewaffneten Angriffs auf ihre Schule korrekt verhalten. Im internationalen Vergleich liegen die USA mit ihrer Mordrate kurz hinter Somalia und Kirgistan, aber noch vor Kasachstan, Kuba und Ruanda. Deutschland dagegen gehört zu den sichersten Ländern der Welt, die Wahrscheinlichkeit, einem Gewaltverbrechen oder Terroranschlag zum Opfer zu fallen ist verschwindend gering - und trotzdem gaben bei der Umfrage einer großen Versicherung, die vor ein paar Wochen veröffentlicht wurde, 71 Prozent der Befragten an, sich hätten große Angst vor "Terrorismus". Auf Platz zwei und drei landeten "politischer Extremismus" und "Spannungen durch Zuzug von Ausländern". Angst vor schweren Krankheiten schafft es nicht einmal in die Top Ten, dabei sterben pro Jahr etwa 580.000 Menschen allein an Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Krebs. Ermordet wurden im Jahr 2017 in Deutschland 405 Menschen. Das ist eine Realitätsverzerrung von kolossalem Ausmaß. (Spiegel)
Was hier angesprochen wird ist ein ebenso reales wie bisher ungelöstes Problem. Denn ja, wir müssten zu "Redakteuren in eigener Sache" werden, um die Flut der fake news zu bewätltigen, die inzwischen auf uns einprasselt. Gerade per Mail oder Whatsapp wird teilweise ein Mist geteilt (ich krieg das von Verwandten, Kollegen, Bekannten) dass man mit den Ohren schlackert. Aber weder sind die grundlegenden Fertigkeiten dafür vorhanden, noch können viele Menschen den Zeit- und Kognitionsaufwand leisten, der damit einhergeht. Das ständige kritische Hinterfragen und gegebenenfalls Nachrecherchieren ist anstrengend und zeitraubend. Ich fürchte, die Lösung für diese Probleme kann nur durch technische Innovationen kommen - und das heißt effektiv Zensur, mit all den Problemen, die das mit sich bringt. Es ist ein Dilemma ohne gute Auswege.

7) Vom Horizont her: die Innenpolitik der Außenpolitik
Diese Mobi­lität der Gewinne ist das poli­ti­sche Kapital der Konzerne. Sie zwingt die national orga­ni­sierten Gemein­wesen zu einer Politik, die nicht mehr der demo­kra­tisch ausge­han­delten Finan­zie­rung komplexer Gesell­schaften und ihrer Insti­tu­tionen dient, sondern der möglichst idealen Stand­ort­pflege für Konzerne. Der „Steu­er­wett­be­werb“ fördert nicht, wie manche Wett­be­werbs­a­po­lo­ge­tInnen behaupten, die Viel­falt verschie­dener volks­wirt­schaft­li­cher Modelle und „effi­zi­ente“ (will heissen möglichst billige) Staats­wesen, sondern drängt Gebiets­kör­per­schaften dazu, immer genau das zu tun, was ihre Nach­barn und Stand­ort­kon­kur­renten auch tun. Und das hiess in den letzten Jahr­zehnten fast immer: Steuern senken, vor allem jene von Gross­un­ter­nehmen. Wie kurz der Weg von dieser Steu­er­dum­ping­po­litik zum neuen Natio­na­lismus ist, demons­trierte kürz­lich SVP-Finanzminister Ueli Maurer am Beispiel des Konzern­tief­steuer­ge­bietes Schweiz: Wenn die Euro­päi­sche Union den Binnen­markt­zu­gang für die Schweizer Börse einschränken sollte, gab er zu Proto­koll, würde die Schweiz zu erneuten Steu­er­sen­kungen für Unter­nehmen gezwungen, um die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Schweiz aufrecht­zu­er­halten. Gleich­zeitig drohte Maurer der EU à la Trump mit finanz­markt­po­li­ti­schen Vergel­tungs­mass­nahmen. Eine globale Steu­er­po­litik, die nicht auf Stand­ort­kon­kur­renz, sondern auf eine welt­in­nen­po­li­ti­sche Zusam­men­ar­beit setzt, kann dieses rechte Perpe­tuum Mobile aus Auste­ri­täts­po­litik und Natio­na­lismus stoppen. Sie kann die finan­zi­ellen Grund­lagen für neue demo­kra­ti­sche Insti­tu­tionen auf regio­naler und globaler Ebene schaffen, die die poli­ti­schen, sozialen und wirt­schaft­li­chen Rechte der Bürge­rInnen garan­tieren und durch­setzen. Diese Insti­tu­tionen könnten soziale und poli­ti­sche Umver­tei­lung auf globaler Ebene betreiben und so der Entrecht­li­chung vieler Menschen, die die Natio­na­lis­tInnen voran­treiben, entge­gen­treten. Und die entspre­chende Steu­er­po­litik könnte den zerstö­renden Stand­ort­wett­be­werb zwischen Nationen (und in der Schweiz auch zwischen Kantonen, Städten und Gemeinden) beenden, die im Inter­esse der Konzerne und ihrer Aktio­näre soziale Ungleich­heit und natio­na­lis­ti­sches Stamm­tisch­denken schürt und den Service Public welt­weit lahm­legt. Die Auste­ri­täts­po­litik, die sich aus dieser Stand­ort­kon­kur­renz ergibt, macht die Möglich­keit eines guten Lebens letzt­lich zu einer rein privaten Frage der indi­vi­du­ellen ökono­mi­schen Verhält­nisse und leistet damit den poli­ti­schen Menta­li­täten konser­va­tiver Natio­na­lis­tInnen Vorschub. Umge­kehrt steht eine Politik, die für offene Grenzen eintritt, gleiche Rechte für alle einfor­dert, eine gute Gesund­heits­ver­sor­gung errei­chen will und sich für eine demo­kra­tiefä­hige Medien- und Kultur­land­schaft einsetzt, nur dann auf einem stabilen mate­ri­ellen Funda­ment, wenn sie sich auch für üppige Steu­er­ein­nahmen aus Unter­neh­mens­ge­winnen, Kapi­tal­ren­diten, hohen Löhnen und privaten Vermögen einsetzt. Letz­teres haben die neoli­be­ralen Kosmo­po­li­tInnen seit den 1970er Jahren versäumt. Eine koope­ra­tive Steu­er­po­litik könnte diese Lücke füllen und Insti­tu­tionen eines demo­kra­ti­sie­renden Multi­la­te­ra­lismus poli­ti­sche Gestal­tungs­mög­lich­keiten eröffnen, die Dörfer, Städte, Länder und Welt­re­gionen aus ihrer gegen­sei­tigen Konkur­renz befreien. (Geschichte der Gegenwart)
Diese Idee von der "Außenpolitik als Innenpolitik" oder "Innenpolitik als Außenpolitik" beziehungsweise die mangelnde Trennungsschärfe zwischen denselben treibt mich auch schon eine Weile um. Mit den USA haben wir das ja seit Jahrzehnten: Die dortige Präsidentschaftswahl ist für das Schicksal so mancher Menschen eine halbe Welt entfernt deutlich relevanter als die eigenen Wahlen. Auch in Europa zeigt sich immer mehr, dass etwa die Widrigkeiten und Launen der bayrischen Innenpolitik für einen Griechen relevanter sein können als die Frage, ob Syriza die Wahl gewinnt. Das Schlimme ist nicht, dass das so ist - schon immer haben mächtige Staaten allein durch die Tatsache, dass sie mächtig sind, die Geschicke anderer Nationen beeinflusst, selbst wenn sie das gar nicht wollten. Das Problem ist, wenn diese Staaten sich selbst darüber belügen, dass das überhaupt passiert. Ob das die USA sind, in denen sich besonders (aber wahrlich nicht ausschließlich) die Republicans der Illusion hingeben, man könne einfach die Probleme der restlichen Welt ignorieren und sie beträfen einen dann nicht, oder die Deutschen, die der Überzeugung sind dass uns die EU eigentlich nicht betrifft und sich eine Außenpolitik leistet, als sei man Luxemburg.

8) Merkel. Machos. Und die Macht.
Mit solchen Erfahrungen scheint Merkel tatsächlich gewappnet als perfekte Kämpferin gegen das grösste Problem Europas: die immer zahlreicher gewählten Anhänger der illiberalen Demokratie. Nur: Sie ist das wahrscheinlich nicht. Denn so sehr sie diesen Leuten misstraut: Die deutsche Kanzlerin ist den Autokraten näher verwandt, als erfreulich wäre. Denn ihre Politik ist halb Abwehr, halb Ursache der rechtsnationalen Erfolge. [...] Ebenso hasst sie, Reden zu hören. Sie mochte Obama nicht, als ihn alle liebten – sein Pathos ging ihr auf die Nerven. Sie begann ihn erst zu schätzen, als er unbeliebt und müde wurde – seine stoische, nervenstarke Intelligenz imponierte ihr. Obamas Mitarbeiter sagten, dass die enge Freundschaft der beiden auf ihrer inneren Ähnlichkeit beruhte: Sie waren beide Profis. Ihre Treffen müssen beeindruckend gewesen sein – «wie zwei Auftragsmörder in einem Raum». [...] Kurz: Die Wähler wählten sie als knallharte, flexible Realistin. Und die Feuilletons veröffentlichten Essays über ihre uneitle Sachlichkeit. Und lobten sie – erst als erfreulich nüchterne Abwechslung im Mutterland des Kitsches, dann als neue deutsche Normalität, schliesslich als Kanzlerin von Cool Germany. Lob ist ein langsam wirkendes Gift – auch bei uneitlen Menschen. Irgendwann erwischte es auch die skeptische Kanzlerin. Sie begann an ihr Image zu glauben. Und übersah, dass Kitsch in vielen Varianten möglich ist: etwa als Kitsch der Nüchternheit. Politiker sind erstaunlich immun gegen den Vorwurf der Lüge. Das erklärt sich (mit Hannah Arendt) so, dass ihr Job nicht das Aussprechen von Wahrheit ist – sondern die Veränderung der Wirklichkeit. Und nichts verändert die Wirklichkeit so schnell wie eine Lüge. Kein Wunder, bekommt ein Politiker fast nie Ärger mit seinen Anhängern, wenn er die Unwahrheit sagt: Er lügt dann nicht, er kämpft für die Sorte Wirklichkeit, die seine Wähler sehen wollen. Das Ziel der Politik ist nicht, recht zu haben, sondern recht zu bekommen. [...] Angela Merkel ist das Gegenteil von Donald Trump: Prahlerei, Übertreibungen, Beleidigungen sind nicht ihre Tasse Tee – die Kanzlerin hat eine obsessive Liebe zu akkuraten Informationen, Daten und vor allem Charts und Tabellen. Ihre bevorzugte politische Strategie ist: Sie verkleinert Probleme, bis sie sich auflösen. So ist es nicht erstaunlich, läuft auch ihre bevorzugte Sorte der politischen Lüge in die Gegenrichtung – die undramatische Lüge. Das 3-Punkte-Papier für den Amok laufenden Horst Seehofer ist fast schon ein Kleinod der Kunst, wie Merkel ernste Probleme in politisches Nichts verwandelt. (Republic.ch)
Der obige Artikel ist ein super-interessanters und ausführliches Porträt Merkels, das zwischen Bewunderung für ihre Erfolge und blanker Wut über ihre Misserfolge und, vor allem, Unterlassungen schwankt und versucht, das alles in das Große Ganze einzubinden. Selbst wenn man nicht mit allem übereinstimmt - und das tue ich sicher nicht - ist die Lektüre gewinnbringend. Ich habe besonders die oben zitierten Ausschnitte hervorheben wollen, aber die sind pars pro toto.
Merkels kühle Professionalität ist mir tatsächlich sympathisch, denn im Gegensatz zu den Elefanten im Porzellanladen eines Seehofers weiß man wenigstens, dass sie das Land nicht aus einer persönlichen Laune heraus in den Abgrund reißt.
Der zweite Punkt ist weit über Merkel hinaus relevant. Ich sage das selbst schon seit Jahren. Wähler wollen keine Wahrheit. Politiker, die die Wahrheit sagen, werden abgewählt, immer. Merkel hat das selbst erfahren. Ihre Karriere endete beinahe bevor sie richtig begonnen hat, als sie 2005 den wohl ehrlichsten Wahlkampf der letzten Dekaden führte und bitter dafür bestraft wurde. So was setzt sich als Lektion. Wenn Wähler belogen werden wollen, werden sie belogen. Und die Natur dieser Lüge wird in dem Artikel super analysiert.
Das dritte ist dann die praktische Anwendung. Merkel ist Meisterin darin, Probleme nicht zu lösen, sondern aufzulösen. Gegen Seehofer ist das super. Gegen den Klimawandel...not so much.

Senate Majority Leader Mitch McConnell told President Trump that Raymond M. Kethledge is one of two potential Supreme Court justices who could most easily be confirmed by the Senate, reports the New York Times, and he has made “strongly conservative rulings on immigration, religion, campaign finance and gun rights.” There is, however, a hitch: “[U]nlike most recent Supreme Court contenders, he graduated from a public university’s law school, at the University of Michigan.” [...] What makes this all so galling, and perhaps not only to Michigan graduates like me, is that Trump has presided over a comprehensive assault on intellectual standards in public life. Trump is a stupid man surrounded by other stupid people, who appeals to the dumbest instincts in the polity with a vocabulary of relentless idiocy. His administration systematically disregards science and expertise; its officials statements frequently contain misspellings; his entire persona is based on insulting the intelligence of the American public in the belief that even the crudest lies will go undetected by his infinitely credulous tribal fan base. You might hope that this relentless anti-intellectualism would have at least the tiny side benefit of social populism. But no. Trump is delivering both a relentless assault on the American mind while at the same time promoting the worst forms of old-fashioned credentialist elitism. It is a remarkable feat, and also perfectly consistent with the tone of the entire presidency, which has managed to retain all the ugly aspects of populism while jettisoning all its compensating features. (New York Magazine)
Warum jemals irgendjemand geglaubt hat, Trump würde ernsthaft irgendwelche linkspopulistischen Elemente übernehmen, ist mir völlig schleierhaft, aber es war auf der Weiter-Draußen-Linken von Augstein bis Ewald weit verbreitet. Nur sind natürlich deren bescheuerte Vorhersagen - die Welt ist mit Trump ein friedlicherer und sicherer Ort als mit Clinton oder Obama, er macht mehr für Arbeiter als Clinton, er wird ein riesiges Infrastrukturprogramm auflegen und was des bescheurten Unfugs nicht noch mehr war - immer noch nicht anerkannt und aufbereitet, während genau diese Schwätzer immer noch gerne selbstzufrieden darauf hinweisen, dass ja die Voraussage, dass Clinton gewinnen werde, falsch war. Zum Kotzen.

Heute haben wir also so etwas wie einen kalten Bürgerkrieg, der sich durch verschiedenste Krisen in Europa manifestiert und der uns im besten Fall voranbringen wird. Mein zweites Buch heisst in der Tat «Der Europäische Bürgerkrieg». Uns wird weisgemacht, dass wir eine Renationalisierung erleben, aber das ist nicht der Fall. Wie gesagt: Wir erleben eine transnationale Spaltung. Es stehen sich zwei konkurrierende Gruppen von europäischen Bürgern gegenüber. Die einen wollen ein einiges, soziales, demokratisches Europa, die anderen haben eine identitäre Agenda. Aber interessanterweise sind auch die Identitären europäisch vereint. Marine Le Pen mit Strache, mit der PiS, mit Salvini, mit Blocher. Die sind super vernetzt, gesamteuropäisch aufgestellt. Die Identitären wollen Europa. Schon Mussolini, schon Hitler wollten Europa. Es handelt sich nur um ein anderes Europa, ein Europa gegen Flüchtlinge, ein ethnisch homogenes Europa.
Auch die Anti-Europäer funktionieren also paneuropäisch? Was immer diese Kräfte darstellen, eine Renationalisierung ist es nicht. Wie Stefan Zweig gesagt hat: «Der Zeitgenossenschaft ist es nicht gegönnt zu verstehen, in welcher historischen Entwicklung sie sich befindet.» Weil wir mitten drin sind im Prozess. Oder mit Gramsci gesprochen: Wir sind im Interregnum. Das Alte ist noch nicht gestorben, das Neue noch nicht da. Wir wissen nicht, auf welcher Seite der Gleichung wir herauskommen. In einer schönen Europäischen Republik oder in einem protofaschistischen Post-Mussolini-Populismus-Europa. Wo wir auf jeden Fall nicht mehr rauskommen, weil es kein Zurück in der Geschichte gibt, ist in einem schönen Nationalstaat à la BRD mit einer schönen D-Mark.
Sie scheinen überzeugt zu sein, dass die Geschichte vollkommen offen ist. Umbruchsituationen sind das, was wir ex post Geschichte nennen. Was ist Geschichte denn anderes als die Sequenz der Nahtstellen, wo wir von einer Form der Staatlichkeit in eine andere übergehen? Und zwar immer über Kriege, Revolutionen, Bürgerkriege. Wenn ich das jetzt mal für Deutschland anschaue, hatten wir in den letzten 200 Jahren das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen, dann den Deutschen Bund, dann das Deutsche Reich, und von da sind wir zu Weimar und zu Hitler, in die kleine Bundesrepublik und in die grosse Bundesrepublik gekommen. Das sind sieben konstitutionelle Brüche. Wir sind von einer Staatlichkeit in die andere gewandert, und an jeder Naht oder Bruchstelle gab es wahlweise einen Krieg, einen Bürgerkrieg oder eine Revolution. Und jetzt wollen Sie mir sagen, dass der Nationalstaat, genannt Bundesrepublik Deutschland, in den Grenzen von 1989 das Ende der Geschichte sei? (Republic.ch)
Dieses Interview ist voller spannender Gedanken. Ich finde vor allem die Erkenntnis relevant, dass egal wie es weitergeht wir nicht wieder zurückgehen werden. Das scheint bei den meisten Teilnehmern an der Diskussion noch nicht angekommen zu sein. Ich persönlich bin bekanntlich ja ein klarer Verfechter der europäischen Republik, aber natürlich könnte es auch das "proto-faschistische Post-Mussolini-Populismus-Europa" werden, für das es dringend eines griffigeren Titels bedarf. Tatsächlich ist die Vernetzung der Neuen Rechten untereinander eines der spannendsten Elemente, das sie von früheren rechten Bewegungen abhebt. Internationalismus dieser Art war eigentlich immer ein linkes Phänomen, aber gerade die weltweite Linke ist so nationalistisch eingebaut wie selten zuvor. Deswegen argumentierte ich ja immer wieder, dass "rechts" und "links" als Begriffe immer weniger deskriptiv sind.

Yet Germany’s defense spending, or lack thereof, is a disgrace. One would think the country would have been embarrassed into following a different trajectory after German troops — Panzergrenadierbataillon 371, to be exact — had to use broomsticks instead of guns in a NATO exercise in 2014. But Germany evidently doesn’t embarrass easily. [...] It is the biggest economy in Europe and fourth-largest in the world that is the serious laggard. Germany spends all of 1.2 percent of GDP on defense. As Elisabeth Braw points out in Foreign Policy magazine, its military is short on tents and winter clothes. Its aircraft suffer from missing spare parts, and most of its tanks aren’t battle-ready. It has a shortfall of about 20,000 officers and noncommissioned officers. It is promising to get to 1.5 percent GDP . . . by 2025 (when a Trump second term would be ending). Merkel is happy to browbeat other EU countries over their fiscal and migrant commitments, but please don’t bother her to spend on her own defense. The old saw, courtesy of Lord Ismay, NATO’s first secretary-general, is that NATO exists to “keep the Soviet Union out, the Americans in, and the Germans down.” But the last item in his formulation, given the deep streak of pacifism in post-war German politics, is no longer apt. It’s not as if the German tanks will inevitably rumble through the Ardennes if the country’s defense budget touches 2 percent (the EU, not military conquest, is now Germany’s tool for European influence). [...] Needless to say, if Vladimir Putin is tempted to challenge NATO somewhere on its periphery, he’s not going to be dissuaded by Germany’s foreign-aid budget or its openness to Middle Eastern migrants. (National Review)
Dass ich einmal einem Artikel auf dem National Review einfach zustimmen würde! Aber man kommt ja kaum umhin. Die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik ist ja wirklich in höchstem Maße albern. Das ist keine Forderung, das deutsche Verteidigungsbudget an das amerikanische anzugleichen und eine weltweit agierende Interventionsstreitmacht aufzubauen. Aber dass die Bundeswehr dysfunktional ist und strukturell irgendwo zwischen Kaltem Krieg und organisiertem Verfall rangiert, ist ja effektiv unumstritten. Man kann darüber diskutieren, wie die deutsche Landesverteidigung künftig aussehen soll und in wieweit wir uns an Auslandseinsätzen beteiligen sollten, aber der aktuelle Zustand ist völlig peinlich, und die leider weit verbreitete Idee, man könne die großen Konlikte einfach durch "Verhandlungen" lösen - ein Wort, das ich in Anführungszeichen packe, weil meistens keine Verhandlungen gemeint sind sondern eine Art Zauberstab, der dann Probleme löst - ohne dass es irgendwelche belastbaren Faktoren gibt, ist eher wenig zielführend.

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