In ihrem Buch "Die amerikanische Revolution" schreibt die Historikerin Charlotte Lerg:
lm Zentrum des weiblichen Aufgabenbereichs standen Familie und Religion. Kindererziehung und Haushalt waren die weibliche Sphäre, während der Mann sich um Finanzen und Politik kümmerte. Hier setzte auch das neue Rollenverständnis an, das sich nach der Revolution zu entwickeln begann. [...] Den Frauen kam nun in diesem Verständnis eine ganz entscheidende Aufgabe zu, die später als „Republican Motherhood“ bezeichnet wurde: Sie galten als Wächterinnen der Tugend, hatten ihre Ehemänner auf dem rechten Weg zu halten und aus ihren Söhnen tugendhafte Bürger zu formen. Frauen blieben damit zwar im privaten und von den direkten politischen Geschäften ausgeschlossen, die Aufgaben einer „Republican Mother“ aber erforderten eine über die häusliche Sphäre hinausreichende Bildung. Neben Kochen, Handarbeit und Musizieren erlernten sie nun beispielsweise auch Latein und Griechisch, Geschichte und klassische Literatur. In den folgenden Jahrzehnten wurden spezielle Schulen und Colleges für Frauen eingerichtet. […] Die Revolution vermittelte Frauen ein neues politisches Selbstverständnis und schuf darüber hinaus die Grundlage für eine bessere Bildung von Frauen, die es ihren Töchtern und Enkelinnen ermöglichte, aktiv in der politischen Sphäre Einfluss zu nehmen.
Diese positive Einschätzung will ich so nicht teilen. Charlotte Lerg zeichnet ein positives Bild der Emanzipation der Frau durch die amerikanische Revolution. Sie weist dabei vor allem auf ihre zentrale Stellung als Herrin des Haushalts hin, innerhalb derer sie entscheidend für die Umsetzung der Boykott-Maßnahmen gegen die britische Handelsmacht war. Gleichzeitig betont sie die Teilnahme an den Protesten etwa zum Stamp-Act.
Dies ist natürlich unbestreitbar wahr, ist aber zugleich eine arge Überinterpretation. Die Frau als Herrin des Haushalts, die Konsumentscheidungen für den Haushalt trifft, ist kein Phänomen der Revolution, sondern entspricht dem Frauenbild der englischen Gesellschaft, wie es einer Ehefrau in Manchester oder York auch nicht fremd wäre.
Zwar erlaubte die amerikanische Revolution den Frauen so ein positiveres, an das Revolutionsgeschehen gekoppeltes Selbstbild. Damit errangen amerikanische Frauen ein Ausmaß an politischer Identität und positiv politischen Selbstbilds. Gleichzeitig ist es schwierig, dieses Selbstbild als Emanzipation zu begreifen. Das Frauenwahlrecht blieb weiterhin, ungeachtet Abigail Adams‘ Zwischenruf, ausgeschlossen. Hier waren andere Länder wie Frankreich (etwa in Olympe de Gouges) und Großbritannien (mit der Suffragettenbewegung) progressiver, wenngleich nicht zwingend erfolgreicher.
Der Mythos von der „Republican Motherhood“ begrenzte die Sphäre, in der Frauen sich politisch engagieren konnten, auch klar auf die Rolle, die bürgerliche Frauen bereits seit längerem auch in anderen westlichen Ländern innegehabt hatten. Dies ist deutlich im weiteren Verlauf weiblicher politischer Betätigung im 19. Jahrhundert zu sehen, wo Frauen vor allem in der Temperance-Bewegung aktiv wurden, und in der Verknüpfung von Temperance und Frauenwahlrecht. Die Idee der Tugendwächterinnen wies ihnen eine klar umschränkte Rolle zu, innerhalb derer sie dann allerdings – das muss auch gesagt sein – größere Akzeptanz als politische Akteurinnen genossen, als dies für ihre Geschlechtsgenossinnen der Alten Welt vorstellbar gewesen wäre.
Gleichzeitig aber sorgte das Leitbild der „Republican Motherhood“ für einen Ausschluss weiter Gruppen von Frauen von politischer Partizipation. Die Identifikation der Republik als weiß und protestantisch, die bis weit ins 20. Jahrhundert vorherrschte, erlaubte es etwa den Frauen irischer oder italienischer Einwanderer überhaupt nicht, an diesem Selbstbild teilzuhaben; sie blieben von der politischen Teilhabe völlig ausgeschlossen. Dasselbe galt natürlich für schwarze oder indigene Frauen.
Die Idee der „Republican Motherhood“ hat außerdem eine stark klassistische Komponente. Konsumentscheidungen im eigenen Haushalt und das Wachen über die Tugend der aufgeklärten Männer war die Domäne der bürgerlichen Frau. Bereits zu Zeiten der Revolution dürfte das für weite Teile der armen, von Subsistenzwirtschaft lebenden Bevölkerung keine Rolle gespielt haben (ein Schicksal, das die Männer teilten). Während aber die Männer im Verlauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Jacksonian Revolution als politische Akteure aufgewertet und formal gleichgestellt wurden, fand eine ähnliche Aufwertung der Frau nicht statt.
Lergs positive Einschätzung ist daher nur zu halten, wenn man den Blick auf die Schicht jener Frauen verengt, die in der Revolution tatsächlich aktiv waren, also die wohl situierten Frauen der protestantischen Mittel- und Oberschicht. Wer dazu nicht gehörte, war implizit vom Ideal der Republican Motherhood ausgeschlossen und konnte daher auch keinen noch so kleinen Emanzipationsgewinn für sich verbuchen.
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