Ich muss diesem Artikel einen Kommentar voranstellen. Es geht um das Lachen. Als Armin Laschet durch das Katastrophengebiet tourte, lachte er über irgendetwas, das irgendjemand gesagt hatte. Das wurde fotografiert. Es wurde zu einem der vielen Mini-Skandale, die in einem Wahlkampf so aufkommen. Laschet wurde fehlende Ernsthaftigkeit im Auge der Katastrophe vorgeworfen. Wie konnte er angesichts dieses Desasters lachen? Was erlaube Laschet? - Mir ist das völlig egal. Laschet ist ein Mensch. Kein Mensch sollte dauerhaft mit einer Maske unterwegs sein. Laschet lachte nicht über die Opfer. Es gibt keinen Anlass zu glauben, dass er die Katastrophe nicht ernst nimmt. Diese Debatten sind super nervig. Sie ersetzen völlig jede ernsthafte Beschäftigung mit dem Wahlkampf, mit den Kandidat*innen, mit ihren Positionen, mit der Zukunft dieses Landes. Laschet lacht. Amthor bemerkt beim Selfie nicht, dass er neben Rechtsradikalen steht. Baerbock schönt ihren Lebenslauf. So the fuck what? Die Frage ist, was diese Leute an der Regierung tun werden, nicht solcher performativer Unfug. Das Niveau dieses Wahlkampfs ist praktisch unerträglich, und es ist medial. Ich möchte das im Vornherein klarmachen. Nicht die Parteien pushen diesen Scheiß. Es sind die Medien. - Hier möchte ich mich mit dem Kandidaten Laschet befassen, und warum die CDU die Bundestagswahl verlieren muss. Nichts davon hat mit seinem Lachen zu tun.
Soweit ich das im Überblick habe, sind alle Lesenden dieses Blogs sich darüber einig, dass Deutschland in einer Art Reformstau steckt, ein Reformstau, der dringend aufgelöst und abgearbeitet werden muss. Es besteht wenig Einigkeit darüber, worin er genau besteht und mit welchen Lösungen er beseitigt werden soll, aber dass der Status Quo unbefriedigend ist, darüber besteht Konsens.
Armin Laschet ist der Kandidat des Status Quo. Wer möchte, dass sich nichts verändert, dass es so weitergeht wie die letzten 16 Jahre, der oder die wählt CDU. Diese Gruppe mag hier im Blog deutlich unterrepräsentiert sein, aber in der Gesellschaft ist sie das sicher nicht. Vier Wahlsiege durch Angela Merkel und ihre nach wie vor geradezu absurd hohen Beliebtheitswerte sprechen eine deutliche Sprache.
Man muss sich hierzu nur die Sprache ansehen, derer sich Laschet bedient. So teilt er etwa die beliebte Rhetorik besonders derjenigen Querdenker*innen, die als seriös gelten wollen, dass man "mit dem Virus leben müsse". Auch mit dem Klimawandel müssen wir "leben lernen". Diese "Kunst, damit zu leben" und der tiefe Bezug zum Konservatismus passen zu Laschets katholischer Prägung. Sei bescheiden, füge dich, akzeptiere deinen Platz, akzeptiere dein Schicksal, höre auf die Autoritäten, vertraue auf Gott.
Auch Plastikphrasen beherrscht Laschet wie die amtierende Kanzlerin, so sehr, dass einige FDP-nahe Programmierer einen Lasch-o-Mat programmiert haben, der mit amüsanter Treffsicherheit zu jedem beliebigen Thema eine Wortwolke produziert, wie sie vom Kandidaten selbst kommen könnte. Auch eine andere Merkel-Sprechweise hat Laschet in seinem Repertoire: etwas ablehnen, indem er zustimmt. "Das Ja-Aber Prinzip" nennt Lukas Eberle das. Oder man denke an Laschets Forderung, für die Impfquote "alles tun was nötig ist", gefolgt von einer Liste aller Maßnahmen, die man auf keinen Fall machen darf und die tatsächlich etwas bringen könnten. Auch Merkel war in diesen beiden Disziplinen großartig. Es verärgert niemanden und bleibt so ungefähr, dass sich noch fast jede Person darin wiederfinden kann.
Doch ist diese demobilisierende Rhetorik nicht das Hauptproblem, sondern eher Symptom dessen, was Laschet und seine CDU zu so ungeeigneten Wahlmöglichkeiten in diesem September macht. Das Problem ist auch nicht, dass Laschet gerne lügt, ob bei der Steuerpolitik oder bei der Bilanz seiner Regierungszeit in NRW, wie etwa die Legende vom Klimamuster-Land NRW. Auch seine zahlreichen Skandale, die Baerbocks in jeder Hinsicht magere Bilanz bei weitem in den Schatten stellen, sind letztlich nichts Außergewöhnliches.
Das Problem von Armin Laschet geht wesentlich tiefer, und in diesem Problem ist er die perfekte Verkörperung sowohl der CDU als auch ihrer Wählerschaft und wohl einer Pluralität der Deutschen. Kein Wunder ist er der mit Abstand aussichtsreichste Kandidat auf das Kanzleramt im September. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist das allerdings fatal. Am deutlichsten wird es, wenn wir über den Klimawandel sprechen.
Dieses Problem geht weit über den CDU-Vorsitzenden hinaus. Es ist tief in die DNA einer Partei eingegraben, die sich selbst mit den Interessen der fossilen Energiebranche und den damit verbundenen Branchen (allen voran der Autoindustrie) identifiziert und unter der megalomanischen Verwirrung leidet, sich selbst mit Deutschland gleichzusetzen, getreu dem Motto dass das, was für die CDU gut ist, auch für das Land gut sein möge, und umgekehrt.
Nirgendwo wird die zerstörerische Verquertheit dieser Ansicht so deutlich wie in der bemerkenswert offenen Aussage der Sachsen-CDU "jedes zusätzliche Windrad schwächt die Position der Braunkohle". Das ist natürlich korrekt, denn genau das ist ja die Idee. Aber die CDU identifziert sich mit dem Land und den Interessen der Braunkohleindustrie, einer der schlimmsten Umwelt- und Klimaverpester überhaupt. Es ist ein Skandal, dass die überhaupt noch aktiv sind; dass die Sachsen-CDU sich brüstet, für ihre Interessen einzutreten, ist symptomatisch für das Problem. Aber es ist repräsentativ für die CDU. Man betrachte nur die generell katastrophale Bilanz der Merkel-Ära etwa beim Verhindern des Ausbaus der Erneuerbaren.
Aber auch Laschet selbst tritt mit Verteidigungen der Kohle hervor. Eine seiner ersten öffentlichen Äußerungen nach den katastrophalen Überschwemmungen war seine Weigerung, die Kohle-Politik zu ändern, etwa wenn es um neue Kohleausstiegsdaten geht, die er einfach nicht haben will. Dazu passt "Laschingers Kohleausstiegsplan", der das Kunststück fertig bringt, "vor dem Plan" fertig zu werden, obwohl er acht Jahre hinter dem geforderten Zeitpunkt liegt.
Auch für die Überschwemmungen trägt Laschet wesentlich mehr Mitschuld, als ihm lieb sein kann. So gehörte die noch unter der auch nicht unbedingt durch forsche Klimaschutzpolitik aufgefallenen Kraft-Regierung beschlossene Verhinderung der Renaturierung für Ablaufflächen zu den ersten politischen Projekten Laschets bei der Machtübernahme. Natürlich hätte das Land dadurch nicht überschwemmungssicher gemacht werden können, keine Frage, und schon gar nicht in einer Legislaturperiode. Aber Laschet ging bewusst in die entgegengesetzte Richtung und muss sich daher nicht wie etwa Kraft den Vorwurf des unzureichenden Handelns gefallen lassen, sondern des aktiven Verschlimmerns der Situation.
Diese eigenwillige Prioritätensetzung findet sich auch in dem von Konservativen und Liberalen gerne vorgeschobenen Argument, die wenig wohlhabende Bevölkerungsschicht schützen zu wollen. Christian Stöcker nimmt diese heuchlerische Ausrede in seinem Artikel "Reden wir doch mal über Armin Laschet" auseinander:
Zum Thema Billigflüge sagt Laschet: »Ich finde es falsch, wenn nur die Reichen fliegen und die anderen sich den jährlichen Mallorca-Flug nicht mehr leisten können. Das ist eine soziale Frage.« Direkt im Anschluss kommt die Frage nach dem von der Union blockierten Vorschlag, Mieter und Vermieter gleichermaßen am CO₂-Preis fürs Heizen zu beteiligen, also noch eine »soziale Frage«. Laschet: »Letztlich müssen die Kosten für den Verbrauch von Energie auch von dem getragen werden, der diese Energie nutzt.« Also von den Mietern allein. [...] Die Mindermeinungen von Einzelnen, die Laschet hier beschwört, sind seit den späten Achtzigern das sehr erfolgreich eingesetzte bevorzugte Propagandamittel derjenigen, die gerne weiter mit der CO₂-Produktion Geld verdienen wollen. [...] Ziele, Maßnahmen, Ergebnisse, alles im Prinzip okay für Armin Laschet, solange man sich nicht ausgerechnet jetzt auf irgendetwas festlegen muss. Es könnte ja sein, dass doch noch eine »Mindermeinung« dazwischenkommt. Oder eine »soziale Frage«. Schönes Beispiel: Armin Laschet will CO₂-Kosten nicht mit einem Klimageld für alle ausgleichen, sondern mit »der Pendlerpauschale«. Ausgleich ja, aber nur für Leute mit Auto in der Garage. [...]
Die CDU versteht sich auf Wahlkampf, das steht wohl außer Frage. Eine ähnliche unehrliche Laviererei findet sich auch bezüglich der CDU-Steuersenkungspläne. Nachdem ein Wahlprogramm verabschiedet worden war, das Steuersenkungen vorsah, behauptete Laschet, dass es die mit ihm nicht gäbe (Steuererhöhungen auch nicht; der Kandidat der Stagnation präsentiert sich auch hier in Reinform). Markus Söder, der Verlierer des internen Machtkampfs, widersprach ihm sofort: die CSU sei für Steuersenkungen. Was Laschet tut, wenn er Kanzler wird? Das weiß er wahrscheinlich selbst nicht. Auch darin ist er ein würdiger Nachfolger Angela Merkels.
Klima- und Steuerpolitik sind nur zwei Felder, die ich hierfür herausgegriffen habe. Das Vorgehen hat bei Laschet Methode. Er ist nicht bereit, auch nur die geringsten Widerstände zu überwinden, sondern erfüllt den der CDU verpflichteten Interessengruppen jeden Wunsch. Das allerdings wäre bei einem Kanzler Merz oder Söder vermutlich nicht viel anders gewesen.
Was Laschet einzigartig macht, ist sein völliger Mangel an Gestaltungswillen, wie er selbst in der taz beklagt wird. Nicht, dass mir den Gestaltungswillen nicht eben mangelnden Merz lieber wäre, aber dieses Land hat nun 16 Jahre Stagnation hinter sich. Klar können wir uns nochmal vier davon leisten, das ist nicht die Frage. Aber der Preis dafür ist extrem hoch. Man hat nicht das Gefühl, dass Laschet klar wäre, wie hoch dieser Preis ist. Liane Bednarz drückte es in brillanter Schärfe als "defizitäres Gefühl für die Ernsthaftigkeit von Situationen" aus. Oder auch: "Laschet ist immer wieder überrascht von den Dingen, die er schon lange wusste" (Christian Stöcker).
Wird Laschet kurz vor der Ziellinie doch noch scheitern? Laschet ist kein Schicksal. Die Unwetterkatastrophen in NRW jedenfalls brachten zumindest das "Ende des Teflonkandidaten". Er wird zudem die Bilder nicht mehr los werden, die ihn im Unwetterchaos von NRW zeigen und auf denen er keine gute Figur macht. Laschet hat zudem sehr schlechte Kompetenzwerte bei Krisenmanagment und Bekämpfung der Klimakrise, die je nach dem Schwerpunkt der letzten Wahlkampfwochen ein Mühlstein um seinen Hals sein könnten.
Aber insgesamt ist sehr unwahrscheinlich, dass ihm das Kanzleramt noch zu nehmen sein wird. Dafür ist die Phalanx seiner Gegner zu unernsthaft und uneins. Solange Grüne und FDP sich nicht einigen können, wird Laschet nicht kraft eigener Stärke Kanzler werden, sondern wegen der Schwäche seiner potenziellen Konkurrenten. Auch darin ist er Merkel nicht unähnlich. Das Land wird das bitter bezahlen müssen.
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