Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
1) Schrodinger’s Military? Challenges for China’s Military Modernization Ambitions
So, ultimately, which is it? Is the PLA on the verge of regional (and eventually global) dominance based on advancing military effectiveness? Or is it still struggling to advance its most basic jointness goals and overplaying its reliance on technology? The answer is uncertain. Observing and measuring the progress of development for any military is a difficult proposition, but it is substantially more challenging due to the opacity of China’s Leninist one-party system. Understanding the future warfighting ability of the PLA requires parsing the often inconsistent, contradictory, and confusing environment that China offers to outside observers. These challenges are further multiplied by the fact that the Chinese army has no real-world options to truly test its advancing capabilities while still ensuring necessary battlefield successes. It is nonetheless clear that the PLA still lags in a couple of key metrics of warfighting capabilities. Its attempts to integrate jointness into the force are still nascent and largely without tangible successes to help accelerate further change. Chinese military theorists’ visions of intelligentization appear to overestimate the transformative potential of AI and could set the army up for failure in the long-term. Both jointness and intelligentization will be an albatross on the PLA as its responsibilities and mission sets widen to reflect the communist party’s rapidly expanding global ambitions. The persistent challenges and ambiguities in China’s military development illustrate the importance of understanding the oftentimes underrated, and more difficult to measure, aspects of military power. The PLA’s ability to manage these contradictions will be crucial as it continues its modernization efforts to achieve its future warfighting ambitions. Western analysts should closely watch the subtle measures of military power to see past the often-simplistic headlines of the PLA’s modernization. (Ben Noon/Chris Bassler, War on the Rocks)
Ich habe seit einiger Zeit den gleichen Gedanken. Wir hatten Gott sei Dank seit mittlerweile 70 Jahren keinen kriegerischen Konflikt zwischen industrialisierten Staaten mehr. Niemand hat auch nur die geringste Ahnung, wie das ganze Militärgerät im Ernstfall performen würde. Als der Erste Weltkrieg ausbrach lag ein ähnliches Problem nach "nur" 40 Jahren vor. Man denke etwa an die sündteuren amerikanischen Flugzeugträgergruppen: es gibt genug Militärexpert*innen, die bezweifeln, dass die Dinger im Ernstfall überhaupt mehr taugen als nur die teuersten Schiffswracks aller Zeiten zu sein. Diese Unsicherheit erhöht nicht eben die Sicherheit.
Ebenfalls interessant ist der im Gedanke angesprochene Problemfaktor der Doktrin. Die amerikanische Armee hat hier aus mehreren Gründen einen gewaltigen Vorteil. Einerseits ist ihr technologischer und wissenschaftlicher Vorsprung immer noch gewaltig. Andererseits ist sie permanent in echten Einsätzen und hat deswegen große Erfahrung, während die chinesische Armee zuletzt in den 1970er Jahren kurz gegen die vietnamesische und 1953 gegen die UN-Armee Kampferfahrung hatte - oder, anders ausgedrückt, keine relevanten Erfahrungen besitzt. Die chinesische Armee ist zudem im Gegensatz zur amerikanischen mit der Doppelfunktion als innenpolitisches Unterdrückungsinstrument und Patronagemaschine behindert.
2) Examining algorithmic amplification of political content on Twitter
Tweets about political content from elected officials, regardless of party or whether the party is in power, do see algorithmic amplification when compared to political content on the reverse chronological timeline.
Group effects did not translate to individual effects. In other words, since party affiliation or ideology is not a factor our systems consider when recommending content, two individuals in the same political party would not necessarily see the same amplification.
In six out of seven countries — all but Germany — Tweets posted by accounts from the political right receive more algorithmic amplification than the political left when studied as a group.
Right-leaning news outlets, as defined by the independent organizations listed above, see greater algorithmic amplification on Twitter compared to left-leaning news outlets. However, as highlighted in the paper, these third-party ratings make their own, independent classifications and as such the results of analysis may vary depending on which source is used. (Rumman Chowdhury, Luca Belli)
Dass die sozialen Medien wesentlich größere Verstärker für rechtsextreme Inhalte als für linksextreme (oder andere extreme Gruppen) sind, ist keine Neuigkeit, aber dass es auch an den Algorithmen liegt, ist schwarz auf weiß bestätigt gut zu wissen, weil die entsprechende Kritik seit spätestens 2016 aus informierten Kreisen immer wieder geäußert wird. Ebenfalls auffällig ist, dass Deutschland diesem Trend als einziges widersteht. Der Grund dafür ist simpel: in Deutschland werden extreme Inhalte rechtlich wesentlich stärker beschränkt. Die Ergebnisse sprechen für sich.
3) Joe Biden’s real opponents are special interests
Voters could be forgiven for thinking otherwise. The US media has not helped matters. When there is a process battle to dramatise, political reporters have less interest in the content. They are doing their audience a disservice. Such dramas require two sides — in this case, centrists versus progressives. Yet, in reality, almost every Democrat in Congress supports both bills. The important exceptions are West Virginia’s Joe Manchin and Arizona’s Kyrsten Sinema, each of whose votes is essential in a 50:50 Senate. Manchin is funded by coal interests and has personal stakes in the industry. Sinema is a leading recipient of big pharma donations. That is the more instructive story. The other is that Republicans unanimously oppose the larger bill.Yet old habits die hard. It is easier to talk of “moderates” versus “leftists” than to point out the ease with which lobbyists can chip away at modest upgrades to America’s safety net and shifts to a clean energy economy. Most of the main items in Biden’s proposals are popular with both Republican and Democratic voters. This includes the child tax credit, parental leave, universal pre-school education and lower drugs prices. But US political wisdom is refracted through multiple lenses and what voters want is rarely visible on the other side. Washington is enmired in ritual agony about government over-reach and fiscal irresponsibility. Both sides are complicit in this. Biden’s supporters began by describing his reforms as the biggest since Lyndon Johnson’s Great Society and even Franklin Roosevelt’s New Deal. That made it easier for his opponents to warn of a socialist takeover. In reality we are witnessing a familiar tale: medium-sized proposals get watered down by big lobbyists. Is it any surprise voters are so cynical? (Edward Luce, Financial Times)
Partikularinteressen sind generell ein Problem jedes politischen Systems. Das Problem ist immer, dass sie grundsätzlich wertneutral sind: Lobbyisten haben ja eine Funktion, wenn sie Fachkenntnisse und ihre Sicht der Dinge in den politischen Prozess einbringen. Problematisch wird es wie bei allem, von Schokoladeneis bis Sonne, wenn man zu viel des Guten hat. Das ist unzweifelhaft der Fall, vor allem im US-System. Dieses bietet einerseits wegen seiner Dysfunktionalität und andererseits wegen der arkanen Strukturen des Kongresses noch mehr Ansatzpunkte als die meisten anderen Systeme.
Dass der verbreitete Politzynismus an den Partikularinteressen liegt, glaube ich aber nicht. Früher war das ja noch viel schlimmer als heute, es war nur nicht so sichtbar. Wie in so vielen Fällen in unserer Demokratie des 21. Jahrhunderts ist es gerade die hohe Transparenz und Partizipation, verbunden mit dem allgemeinen Vertrauensverlust, die diesen Effekt erzielt, weniger, dass diese existieren.
Das sieht Baerbock klar. Leider fehlt diese Klarheit bei den Koalitionspartnern in der geplanten Ampel-Koalition. Bei den Sozialdemokraten ist der Einfluss der großen Energiekonzerne einerseits, der linken Anhänger einer Äquidistanz zwischen Moskau und Washington andererseits erheblich, vom Netzwerk des Ex-Bundeskanzlers und heutigen Gasverkäufers Gerhard Schröder ganz abgesehen. Bei der FDP ist der Genscherismus noch virulent, die freidemokratische Variante der sozialdemokratischen Illusion vom "Wandel durch Annäherung". FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki, der enge Beziehungen zum Gazprom-Lobbyisten und Ex-Diplomaten Frank Elbe unterhält, setzt sich vehement für Nord Stream2 ein. Genau darum sollten die Grünen ihren Anspruch auf das Auswärtige Amt geltend machen. Soll doch Christian Lindner das Finanzministerium übernehmen und sich mit der Quadratur des Kreises herumschlagen, die sozial- und klimapolitischen Versprechen der Ampel ohne zusätzliche Schulden und Steuererhöhungen zu finanzieren. Die Außenpolitik ist zu wichtig, um sie unsicheren Kantonisten zu überlassen. Und so merkwürdig es angesichts ihrer politischen Herkunft aus der außerparlamentarischen Opposition klingen mag: Heute sind die Grünen die zuverlässigsten Transatlantiker und die härtesten Gegner Putinscher Aggression, Erpressung und Spaltung. (Alan Posener, ZEIT)
Ich habe an dieser Stelle schon öfter über die Ironie der Geschichte geschrieben, dass ausgerechnet die aus der scharf anti-amerikanischen und sowjetisch unterwanderten Friedensbewegung der 1980er Jahre entstandenen Grünen heute die am meisten dem Transatlantizismus zugewandte Partei sind und am schärfsten gegen Russland und China schießen. Das Problem innerhalb der Grünen ist, dass die Basis immer noch starke pazifistische Instinkte hat, die eben aus dieser Zeit herrühren, während die eigentliche Funktionärsschicht, die die praktische Politik der Partei macht, außenpolitisch längst mehr mit der CDU gemein hat als etwa mit der SPD oder der LINKEn. Bisher scheint es, als ob die Partei genug Disziplin hat, als dass dieser Bruch nicht auf die Praxis durchschlägt.
5) I hate the fact that shoddy reporting makes me feel sorry for Facebook
One of the reasons I remain on the fence about Facebook is the shoddiness of the reporting about them. Today in the New York Times, for example, the company is taken to task over their response to users who spread conspiracy theories about the 2020 election being stolen by Democrats. But if you read the whole thing, there's almost no meat here. Facebook, it turns out, tried pretty hard to clamp down on this stuff but underestimated what it would take to stop it. [...] However, there was one part of the piece that I found amusing. One of Facebook's researchers set up a fake account in order to study polarization and made a "startling discovery": "The internal research, titled “Carol’s Journey to QAnon,” detailed how the Facebook account for an imaginary woman named Carol Smith had followed pages for Fox News and Sinclair Broadcasting. Within days, Facebook had recommended pages and groups related to QAnon, the conspiracy theory that falsely claimed Mr. Trump was facing down a shadowy cabal of Democratic pedophiles." In other words, the real villain isn't Facebook at all. It's Fox News and Sinclair Broadcasting. Without them to kick things off, Facebook would probably be about 99% less offensive. (Kevin Drum, Jabberwocky)
Wie in Fundstück 2 beschrieben ist weniger das Problem, dass Facebook per se rechtsradikale Inhalte verbreitet, sondern dass seine Algorithmen deren Verbreitung besonders befördern. Gleiches gilt ja für die Schwurbler-Szene. Aber es ist völlig korrekt, dass die eigentlichen Inhalte die der "traditionellen" Medien sind, vor allem FOX News und Sinclair, die diesen Mist produzieren. Das ist ein großer Vorteil in Deutschland, wo es (bislang...) an einem Medienkonglomerat fehlt, das eine solche Jauchegrube für Hass und Desinformation ist wie diese amerikanischen.
6) Grünen-Politiker wünscht sich Habeck als Finanzminister // FDP-Spitzenpolitiker wollen Lindner als Finanzminister
Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz hat sich für seinen Parteikollegen und Grünen-Parteichef Robert Habeck als Bundesfinanzminister in der angestrebten Ampel-Koalition mit SPD und FDP ausgesprochen. Er könne sich niemand besseren in diesem Amt vorstellen, schrieb Bayaz am Samstag bei Twitter. (dpa, T-Online)
Nach Abschluss der Ampel-Sondierungen erhebt die FDP den Anspruch, dass der Partei- und Fraktionsvorsitzende Christian Lindner Finanzminister in einer möglichen Regierung mit SPD und Grünen wird. "Ich kann mir niemand besseren für diese Aufgabe vorstellen", sagte der Erste Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Marco Buschmann am Samstag dem Magazin "Spiegel". Er habe "in den letzten Wochen und Monaten gesehen, wie gründlich sich Christian Lindner auf diese Aufgabe vorbereitet hat". (dpa, T-Online)
In anderen Worten: In China ist ein Sack Reis umgefallen. Es sind Artikel wie diese, die mich völlig am Mediensystem verzweifeln lassen. Ein Grünen-Politiker findet Habeck am geeignetsten? Potzblitz! Ein FDP-Politiker denkt, dass Lindner geeignet ist? Nein, sag an! Das ist doch echt nur Hintergrundlärm. Am Ende bringt die dpa noch eine Meldung, dass der Daimler-Vorstandschef denkt, dass Mercedes die beste Automarke ist. Was genau ist der Sinn von diesen Artikeln? Und dann noch dazu die Quelle: ein Tweet. Da werden Leute ernsthaft dafür bezahlt, einen Artikel darüber zu schreiben, dass jemand banale Selbstverständlichkeiten getweeted hat. Wahnsinn.
7) 'Meet the Press,' like the other Sunday shows, is a relic of a lazy, low-stakes era
The problem with Meet the Press is the problem with all political journalism: It shouldn’t exist. It’s lazy. It’s cheap, hackish, phone-it-in programming cobbled together because doing journalism is hard but talking about the “political implications” of any news story is easy. Ask how the ongoing mostly Republican-state COVID-19 crisis is affecting social programs and you’ll have to do research to find out. Ask whether the stance of anti-mask politicians like Ron DeSantis is morally defensible and you’ll have to expose your own moral convictions. [...] Anyone can opine about politics. It requires no expertise. It requires little thought. On television, where nobody in front of or behind the cameras gives a particular damn whether or not a guest just lies outright to the nation because they’ll already be three lies beyond that one before anyone else can get a word in edgewise, there is absolutely no penalty for being wrong. Or lying. Or undermining democracy. Or egging on violence. Or anything else. The Sunday shows are the worst thing politics can be: no-stakes. It is all just a game, a little game among the wealthy professional class to fill time while questions of morality and decency are pooh-poohed as the naive domain of the common rabble. True political journalism covers democracy and fascism as neutral ideological combatants; considers death ancillary to poll numbers; judges economic policy based on the analysis of whoever has the most money to spend on analysis; considers false propaganda to be Reasonable, if it can be made Effective; and, above all, dodges all policy considerations in favor of meta-debate about which political figures will most have their images buffed or tarnished from the policy’s defeat or acceptance. (Hunter, The Daily Kos)
Ich weiß gar nicht, was ich dazu noch hinzufügen soll, außer: Das Problem ist, dass ein 24/7-Newscycle nicht anders zu machen ist. Das Nachrichtengeschäft ist ein Geschäft, es lebt von Quote und Werbeeinnahmen. Die meisten Leute wollen seichte News, die sie zur Unterhaltung konsumieren. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. So sehr wir Nachrichtenjunkies uns bessere Programme wünschen, nachgefrügt wird Markus Lanz, nicht Günter Gaus. Wir haben quasi den Nachrichtenmarkt, den wir verdienen.
8) Tweet
»2035 CO₂-neutral… Was nicht machbar ist, wie wir alle hier wissen.« behauptet #Lanz einfach mal so frei raus vor seinem Millionenpublikum. Zum Glück ist @carla_reemtsma auf Zack und stellt klar, was auch das @Wupperinst herausfand: Natürlich geht das!pic.twitter.com/cCloMHHhHa
— Michael Flammer 🌍🌡#KlimaVor8 (@Jumpsteady) October 27, 2021
Wo wir es gerade von Markus Lanz haben, nur dass dieses miese Niveau der Nachfrage entspricht entschuldigt den Mist nicht und macht es nicht besser. Dieses unglaublich beiläufig-faule "wie wir wissen", ein simples Hochkotzen eines Klischees, das in der Blase der "very serious people" als Konsens gilt, ungeachtet jeglicher Lage. Wir hatten dieselbe intellektuelle Faulheit auch mit der schwäbischen Hausfrau, und jetzt ruinieren diese Leute mit ihrer arroganten Bräsigkeit dringend notwendigen Klimaschutz.
9) Why Democrats Should Not Fight Like Republicans (and More)
Autocracy moves swiftly. It’s thrilling. Things happen and they happen fast. People on both sides live in a state of constant rage and anger. The Facebook whistleblower said, “It’s easier to inspire people to anger than it is to other emotions.” A hardball tactic that much of left-leaning social media currently is demanding is that we jettison the usual procedures and move swiftly to imprison Trump and anyone who had a part in planning the Jan. 6 insurrection. They want to see Trump in prison yesterday. Despite the fact that the DOJ is clearly working its way up the ladder in bringing insurrectionists to justice (as of now, 674 have already been charged) and the Trump Organization has been indicted, and these investigations are moving forward, people yell that the fact that Trump isn’t already in jail shows that the “system” is broken. [...] Democracy and due process are dull and slow-moving. Complex investigations take time. Consider how making it easier to imprison people would backfire. The whole point of due process is to slow things down. [...] In an autocracy, the autocrat decides. In the days of lynching, the mob decided. Now the prosecutor decides. Prosecutorial discretion and prosecutorial independence are pillars of democracy. They stand between us and autocracy or mob rule. If we act like autocrats, we guarantee that we will have an autocracy. Nobody will be defending rule of law. Both sides will be the same: autocratic. Then there will be no hope at all. [...] The magic bullet theory goes like this: If only X would happen, we could end the threat of fascism once and for all. The magic bullet theory always involves someone else doing something that will save democracy. Right now, the select committee investigating the Jan. 6 insurrection is seen by many as the magic bullet. If they fail, nobody will be punished and our descent into fascism will be unstoppable. (Teri Kanefield, Demcast)
Ich stimme dem Artikel völlig zu. So sehr ich mir auch immer wieder wünschen würde, dass wir als Progressive ähnlich effektiv vogehen können wie ihre Gegner - weder gouttiert es die Wählendenschaft, noch würde es funktionieren. Und wenn beide Seiten weg von demokratischen Normen eskalieren, ist am Ende nichts mehr übrig, nur dass die Rechten damit wenige Problem haben. Wir hatten das ja bezüglich des SCOTUS - ja, die Rechten haben hier völlig eskaliert, aber ob es irgendwie sinnvoll ist, mit ähnlichen Methoden zurückzuschlagen? Ich bin zumindest skeptisch. Auf der anderen Seite ist das permanente Hinhalten der anderen Wange auch nur dazu angetan, die Bande immer unverfrohrener zu machen.
Der Hinweis aus dem Artikel, dass demokratische und rechtsstaatliche Vorgänge ihre Zeit brauchen, ist da eine willkommene kalte Dusche. Hier liegt unsere größte Hoffnung: ein Vertrauen auf Demokratie und Rechtsstaat einerseits und eine Stärkung, nicht Schwächung, dieser Elemente andererseits. Erste Dividenden sind bereits sichtbar. Die AfD hat einen Dämpfer erhalten, Trump wurde abgewählt, die osteuropäischen Autokraten geraten unter Druck. Hoffen wir, dass der Höhepunkt hinter uns liegt.
10) Corona-Pandemie: Auf wen die Kultusminister hörten und auf wen nicht
Beide SPD-Politikerinnen, Malu Dreyer und Stefanie Hubig, wurden – so berichtet Weise weiter – frühzeitig und dezidiert von Leopoldina-Chef Haug und weiteren Experten über die Gefahrenlage für Kinder und Schulpersonal aufgeklärt. In der Rückschau stellt sich die Frage: haben sie und die KMK die frühen Warnungen der ausgewiesenen Expert*innen Ernst genommen und handelten sie im Sinne ihrer Amtspflicht? [...] Versuchten die Kultusminister*innen unter der damaligen Präsidentin Hubig das Infektionsgeschehen in Schulen klein zu reden und klein zu rechnen? Dieser Eindruck drängt sich auf. [...] Kein einziges der damaligen 16 KMK-Mitglieder räumt bis heute ein, „dass es Warnungen aus der Wissenschaft vor einem Schulbetrieb ohne wirksamen Corona-Schutz gibt“, schreibt news4teacheers.de am 5.August 2021. Der Vorwurf an die KMK: die Infektionsgefahr durch den Schulbetrieb wurde systematisch verharmlost. [...] Bis heute gibt es von der KMK weder ein Eingeständnis des eigenen Scheiterns noch ein Eingeständnis der prekären Situation von Schulen in der Pandemie. „Es gab nie einen mir bekannten Krisenplan, ob und wie man die Schulen sicherer machen wollte. Dies hätte eine Menge Geld gekostet und viel flexible und unbürokratische Organisationsarbeit bedeutet“, so Weise. Wie es scheint, waren die Kinder den Minister*innen diesen Aufwand nicht wert. (Anette Bulut)
Ich finde es absolut faszinierend, wie spiegelbildlich sich beide Seiten in der Debatte verhalten. Wenn ich etwa an diverse Artikel von Stefan Pietsch denke, in denen er sich darüber beklagt hat, wie politisch die wissenschaftliche Debatte geführt wird, um das zu große Ausmaß der Maßnahmen zu kritisieren, dann ist das hier exakt das Spiegelbild: die Kritik, dass die Wissenschaft politisiert wird, um zu geringe Ausmaß der Maßnahmen zu kritisieren.
Was man daraus in meinen Augen vor allem ablesen kann ist, dass Wissenschaft und ihre Ergebnisse kein KO-Kriterium darstellen. Bis auf die abwegigsten Fälle wird jede Position ihre Wissenschaftler*innen finden, die mit Studien, Thesen und Zahlen die eigene Position stützen. Das heißt nicht, dass man das alles ignorieren sollte, aber ich denke, man sollte sich immer klar machen, dass das Zitieren von Wissenschaftler*innen nicht der KO-Hieb in einer Debatte ist, als den sich viele Leute das gerne vorstellen, sondern nur ein (möglicherweise auch sehr gutes!) Argument unter vielen.
Eine Spitzfindigkeit am Rande: Diesen Amtseidblödsinn kann ich genausowenig ausstehen wie Verweise auf angebliche Grundgesetzwidrigkeiten. Es ist in beiden Fällen fast immer Blödsinn. Ja, der Amtseid ist "Schaden vom deutschen Volke abzuwenden", aber die Auslegung dieses Eides ist so breit, dass nicht jeder Verstoß gegen die eigenen Vorstellungen gleich ein Verstoß gegen das Grundgesetz oder den Amtseid ist. Das darf man gerne für Fälle aufbewahren, die wir glücklicherweise in der bundesdeutschen Geschichte noch nie hatten.
11) If bosses want workers, they have to actually try
A class of Americans has become lazy and entitled. Too used to a government that caters to their every whim, they're facing a difficult situation not with grit and determination, but by throwing tantrums and demanding special treatment. That's right, I'm talking about business owners. Complaints about a labor shortage abound, but it's time these coddled snowflakes learned some discipline. Employers need to put in the work to staff their own businesses instead of relying on the government do it for them. The plain fact is we've had an employer's economy for a decade. After the Great Recession, unemployment was chronically high — only touching something like full employment in 2019, 11 years after the crash. Bosses got used to having the pick of the litter. With so many credentialed people thrown out of work, hiring managers were able to demand extravagant experience and over-qualification for low-level jobs. Many employers came to believe they were owed workers who would take any position and mutely absorb any abuse. This sense of entitlement is a major reason both state and federal governments were so eager to end the boost to pandemic unemployment benefits. Without people lining up around the block to take crummy, low-wage positions, employers ran crying to the government for help. (Ryan Cooper, The Week)
Ein weiterer Artikel, dem ich einfach nur aus vollem Herzen zustimmen möchte. Es ist so unglaublich positiv, dass sich endlich die Gewichte etwas zugunsten der Arbeitnehmendenschaft verschieben. Über 20 Jahre lang war das Ungleichgewicht massiv, und die Folgen davon badet eine komplette Generation aus. Es ist zu hoffen, dass das längerfristig anders wird, wenngleich ich eher pessimistisch bin - Partikularinteressen mit viel Macht, wir sprachen darüber in Fundstück 3.
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