Mittwoch, 27. Oktober 2021

Wie Fridays For Future sich selbst marginalisiert

 

Fridays For Future ist, obwohl sie weiterhin beachtlich große Demonstrationen zusammenbekommen und ihre Proteste (coronakonform) selbst durch die Pandemie aufrechterhalten konnten, weitgehend aus den Nachrichten verschwunden. Das ist keine Überraschung. Wenn man genau hinsieht, demonstriert vermutlich auch Pegida noch. Aber es ist eben keine Neuigkeit mehr, die albernen "Generation Greta"-Geschichten sind auserzählt (zugunsten der genauso albernen "Generation FDP"-Artikel) und alles wartet auf den nächsten Zyklus, den man durchnudeln kann. In dieser Lage rutschte mir dieser Tweet in die Timeline:

Für mich ist das ein Zeichen der zunehmenden Marginalisierung, ja, Selbst-Marginalisierung der Bewegung.

Das Genie von Greta Thunberg und eine Grundlage ihres Erfolgs bestand darin, dass sie sich Lösungsvorschlägen konsequent verweigerte. Sie war der Prophet, die Botschaft. "How dare you" war an alle gerichtet, es war eine Aufforderung an alle, zu handeln, mehr zu tun als bislang. Was zu tun war, wer es tun musste, wie genau, das alles überließ Thunberg (weise) stets anderen. Auch ihr deutsches Pendant Luisa Neubauer hielt sich weitgehend an dieses Erfolgsrezept, als sie etwa Vorstandsposten oder parteipolitisches Engagement ablehnte.

Wenn Fridays For Future Deutschland nun gemeinsame Sache mit dem linken Rand der radikalen Kapitalismuskritiker*innen macht, ist das absehbar das Ende der Bewegung als wirkmächtige Kraft, genauso wie die Assoziation mit AfD, Neonazis und dem rechten Rand das Ende von Pegida war. Die Macht solcher Bewegungen beruht auf ihrer parteiübergreifenden Anziehungskraft, ihrer Fähigkeit, Kristallisationspunkt eines Mankos zu sein. Pegida war interessant und wirkmächtig, als es die "Wutbürger*innen", die enttäuschte Mitte, symbolisierte oder zumindest zu symbolisieren schien. FFF war interessant und wirkmächtig, als es "die Jugend" symbolisierte oder zu symbolisieren schien.

Es ist möglich, die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass "die Jugend" sich für Maßnahmen gegen die Klimakrise engagiert, aber es ist nicht möglich, eine Fiktion aufzubauen, in der "die Jugend" den Kapitalismus abschaffen will. Das ist eine politische Position, die in Deutschland, sehr großzügig gerechnet, 5-10% der Menschen erreicht. Gleiches gilt für Botschaften der "Grenzen des Wachstums" und eines Endes von kapitalistischem Wachstum insgesamt, wie sie am linken Rand der Klimaschutzbewegung periodisch an die Oberfläche blubbern. Wenn FFF sich mit diesen Forderungen gemein macht, verdammen sie sich zur Existenz als einer weiteren Splittergruppe im am Splittergruppen nicht eben armen linken Protestspektrum.

Die Klimakrise ist ein Thema, das sich parteipolitischen Zuordnungen entzieht, oder besser: entziehen sollte. In Deutschland ist es glücklicherweise noch so, dass außer der AfD keine Klimakrisenleugner existieren. Zwar besitzen CDU und FDP genug von diesen Leuten in ihren Reihen, aber sie spielen in der Parteihierarchie bislang eine genauso große Rolle wie Sozialismusbefürworter in der SPD, nämlich keine.  In den USA etwa ist das anders; hier leugnet die eine, undemokratische Hälfte des Parteispektrums aktiv die Existenz der Klimakrise und sabotiert jeden Versuch, etwas dagegen zu tun. Wohl nicht zufällig leugnet sie auch Covid und sabotiert Pandemiebekämpfungsmaßnahmen, was übrigens auch auf die AfD zutrifft. Ein Schelm, wer an Zufall denkt.

Aber wir brauchen Lösungsansätze aus allen Lagern, um die Klimakrise zu bekämpfen. Wir brauchen, vor allem, den "Buy-In" aller Lager. Ungeachtet jeweiliger persönlicher Präferenzen ist das Wichtigste, dass Grüne UND FDP, CDU UND SPD, die Klimakrise als zentrales Problem begreifen und angehen wollen. Wenn aber die Klimakrise zu einem parteiischen Thema wird, noch dazu eines einer Partei, die nur eine klein Splittergruppe darstellt (und nicht wie etwa die Democrats in den USA die Mehrheit der Bevölkerung), dann steht uns ein Desaster ins Haus.

Bereits bei der Covid-Pandemie zeigte sich auf Besorgnis erregende Weise, wie die Parteiisierung eines Themas rationale Debatten verhindert. Ich hatte mich direkt zu Beginn der Covid-Pandemie für die Bildung eines Untersuchungsausschusses NACH der Pandemie ausgesprochen, und für ihren Verlauf eine weitgehende "loyale Opposition", um diese Problematik so gut es geht zu vermeiden. Auf diese Art hätte man den maximalen Lerneffekt haben können, ohne dass man Streeck und Drosten in Stellvertreter einer parteipolitischen Auseinandersetzung verzerren muss.

Dasselbe Schicksal droht uns für die Klimakrise ebenfalls. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis jede Seite ihre eigenen Expert*innen auffährt, deren Rat sich jeweils diametral unterscheidet, die Unterschiede zu Fragen von Leben und Tod (und der Wahrung der Bürgerrechte...) hochjazzt und jegliche Möglichkeit, irgendwelche Maßnahmen tatsächlich zu ergreifen, in einer endlosen Kakophonie parteiischen Gebrülls untergeht.

FFF ist ohnehin schon eine Bewegung, deren politische Freunde bei CDU und FDP überschaubar sein dürften. Was genau die Aktivist*innen sich davon erhoffen, mit Botschaften zu einer Revolution gegen den Kapitalismus die Parteizentralen ihrer besten potenziellen Verbündeten zu blockieren, die gerade in Koalitionsverhandlungen mit der FDP stehen, bleibt deren Geheimnis. Sie zwingen die SPD und Grünen dazu, sich gegen FFF zu positionieren.

Noch 2019 sahen es alle Parteien, inklusive CDU und FPD, als notwendig an, warme Worte für die engagierten Jugendlichen zu finden, irgendetwas von pragmatischen Zwängen zu nuscheln und mehr Taten für die Zukunft zu versprechen. Wenn FFF so weitermacht, werden spätestens 2022 alle nur noch abwinken, von "Radikalen" oder "Linksextremist*innen" sprechen und nicht einmal Unrecht damit haben. Vielleicht tut sich FFF dann offiziell mit Extinction Rebellion zusammen, oder mit dem Schwarzen Block, wo sie gerade dabei sind. Ihrem Anliegen jedenfalls erweisen sie so einen Bärendienst, und den können wir uns im Angesicht dieser Menschheitskrise kaum erlauben.

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