Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
1) The Largest Autocracy on Earth
To Zuckerberg, Facebook’s founder and CEO, they are citizens of Facebookland. Long ago he conspicuously started calling them “people” instead of “users,” but they are still cogs in an immense social matrix, fleshy morsels of data to satisfy the advertisers that poured $54 billion into Facebook in the first half of 2021 alone—a sum that surpasses the gross domestic products of most nations on Earth. GDP makes for a telling comparison, not just because it gestures at Facebook’s extraordinary power, but because it helps us see Facebook for what it really is. Facebook is not merely a website, or a platform, or a publisher, or a social network, or an online directory, or a corporation, or a utility. It is all of these things. But Facebook is also, effectively, a hostile foreign power. This is plain to see in its single-minded focus on its own expansion; its immunity to any sense of civic obligation; its record of facilitating the undermining of elections; its antipathy toward the free press; its rulers’ callousness and hubris; and its indifference to the endurance of American democracy. (Adrienne LeFrance, The Atlantic)
Ich hab das schon vor zehn Jahren gesagt. Die sozialen Medien sind öffentliche Räume, und sie müssten entsprechend betrachtet werden - und reguliert. Dass irgendwelche gesichtslosen Bürodrohnen oder, noch schlimmer, mies programmierte Algorithmen entscheiden, was in einem zunehmend wichtigeren Lebensbereich gesagt und geschrieben werden kann, dass Menschen dort kaum geschützt sind, ist eine Farce.
Ein weiterer Faktor, der in der Debatte oft vergessen wird: Facebook ist mittlerweile Boomerbook. Das Durchschnittsalter der User*innen ist näher an der 40 als an den 30; junge Menschen nutzen die Plattform kaum (wohl Instagram, Whatsapp etc., aber nicht das Kernprodukt). Auf Facebook radikalisiert sich nicht die Jugend, sondern deren Eltern und Großeltern. Aus irgendwelchen Gründen wird in der öffentlichen Debatte aber immer noch so getan, als ob soziale Medien irgendsowas für die Jugendliche wären. Das behindert das Verständnis massiv.
2) Consent Is About More Than Sex
But consent factors into every aspect of our social lives. It is not a transaction. It’s an honest, deliberate, ongoing dialogue about how everyone can have their needs met—a key element of healthy sexual and nonsexual relationships. It is, essentially, good communication. People have long had these conversations, whether asking if they can use someone’s restroom or requesting that a guest take off their shoes indoors. Violations of consent are unfortunately common too: someone touching a person’s hair or pregnant stomach, say, without permission. [...] Even before the pandemic necessitated mask wearing or six-foot distances, Feldman, Solot, and other sex educators advocated for earlier education about consent in all relationships, beyond the realm of sex. “I think when people hear, like, ‘Oh, you do consent education with kindergartners,’ they assume I’m doing sex education and I’m talking about sex. And I’m not,” Monica Rivera, the director of the Women and Gender Advocacy Center at Colorado State University who also consults on consent education in K–12 schools, told me. “What I’m attempting to do is to get us as a culture to disentangle the topic of consent from sex, so that it becomes a part of the air we breathe.” She noted that adults might create situations that “unintentionally undermine” consent in interactions with children; a common example is when adults expect kids to give hugs to family members or friends. (Kristine Guilleaume, The Atlantic)
In einem Vermischten vor drei Jahren habe ich einen Artikel von Tassilo Peters (Fundstück 9) besprochen, in dem er postuliert hat, dass viele verbreitete Erziehungsmethoden Gewalt darstellen. Wir haben das damals kontrovers diskutiert. Ich sehe diesen Artikel und seine Thesen in eine ähnliche Richtung gehen. Es ist der Versuch eines Paradigmenwechsels im sozialen Miteinander, vor allem aber in der Erziehung.
Wo bei Peters hauptsächlich die Gewalt neu und weiter als körperliche Gewalt definiert wurde, tut Guilleaume hier dasselbe mit "consent" (das mit "Zustimmung" nur unzureichend übersetzbar ist). Es ist eine neue, gesündere und positivere Art, miteinander (und mit Kindern) umzugehen. Ich lasse den Artikel hauptsächlich als Denkanstoß da, weil ich ihn gerade selbst im Kopf herumbewege und durchdenke. Bin gespannt auf eure ansichten.
3) Covering climate change requires newsroom change
Amongst the more cultural obstacles that were mentioned to me, the journalists’ fear of being accused of activism if they start covering the climate crisis more frequently than before was the most prominent one. What struck me here was how this challenge of delineating between journalism and activism was a recurring theme in my conversations with journalists where I had promised them confidentiality. Later on, though, in the written survey to which about 70 international journalists replied, many of them in senior leadership positions, this challenge of not wanting to be accused of activism was only rated as a minor issue by them. [...] And when two German TV meteorologists started mentioning climate change in their weather updates, something that is common practice in Australian television, the conservative daily ‘BILD’ promptly accused them of activism in support of Germany’s Green party, simply by mentioning climate change. (Wolfgang Blau, World News Day)
Hierbei handelt es sich generell um ein Springer-Phänomen. Der Verlag bewegt sich derzeit mit großen Schritten in Richtung Klimawandelleugnung. Der Versuch, mit BILD TV eine eigene Medienblase ähnlich OAN oder FOX News aufzubauen, ist offensichtlich; eine Echo-Kammer, in der wild gewordene Identitätspolitik, Verschwörungsmythen und Hetze sich die Klinke in die Hand geben. Da finden wir dann auch eine unheilige Allianz mit der konstanten Unterminierung der Öffentlich-Rechtlichen durch große Teile des bürgerlichen Spektrums, die ich letzthin diskutiert habe. Genau diese Gefahr meinte ich.
4) "Viele fühlen sich immer noch als der letzte Dreck" (Interview mit Carsten Schneider)
ZEIT ONLINE: Woher kommen denn die 16,2 AfD-Zweitstimmen in Ihrem Wahlkreis?
Schneider: Die AfD wird eher von Männern als Frauen gewählt und das spiegelt eben auch den ländlichen Raum wider. Ich hab ja selbst die ersten Lebensjahre auf dem Dorf verbracht. Von den 80 Abiturientinnen und Abiturienten meines Jahrgangs da sind um die 60 weggegangen, vor allem die Frauen. Zurückgeblieben sind überwiegend Männer ohne Abitur.
ZEIT ONLINE: AfD-Kernklientel.
Schneider: Ja, aber es ist komplizierter. Die meisten sind nämlich keine armen Leute wie am Herrenberg. Und die AfD-Hochburgen sind auch keine Gegenden, in die sonst keiner will. Das kostet teilweise richtig was, da zu leben.
ZEIT ONLINE: Was treibt die dann?
Schneider: Ich glaube, AfD-Wähler haben unabhängig von ihrem tatsächlichen ökonomischen Status Angst, dass die Welt irgendwie kraus wird und sie das kleine Glück verlieren, das sie haben. Die empfinden Veränderungen als eine Bedrohung, gerade Veränderungen ihres Lebensstils. Und die möchten sich auch bewusst von etwas abgrenzen, das sie als Mainstream empfinden. [...]
ZEIT ONLINE: Wo liegt denn heute die Verhandlungsmacht der Ostdeutschen, wenn es um Arbeitsplätze geht?
Schneider: Ganz einfach: in der Demografie. Angebot und Nachfrage. Es fehlt einfach enorm an Arbeitskräften in Ostdeutschland. Und es wird noch schlimmer. (Christian Bangel, ZEIT)
Das Interview mit Carsten Schneider ist in seiner Gänze empfehlenswert; Schneider gibt sehr nuancierte Antworten und versucht sich an einer empathischen Analyse. Was mir sauer aufstößt ist diese implizite Annahme in Bangels Fragestellung, die Wählenden der AfD seien alle irgendwie blöd und arm. Wer nicht versteht, wie wichtig Identitätspolitik für die Wahl der AfD ist - ein Punkt, auf den Schneider auch ausführlich eingeht - wird nie eine richtige Analyse abgeben können, sondern immer beim Narrativ der "Wendeverlierer*innen" oder "Abgehängte" ankommen. Das hat schon den Erfolg der LINKEn im Osten nur unzureichend erklärt, und genauso erklärt es jetzt den Erfolg der AfD nicht.
Wie soll da eine Regierung mit einem Strohmann, den der Pate nach Mafiaart im Kanzleramt installiert, arbeiten können? Wie soll der Staat überhaupt noch funktionieren, wenn ein als Kanzler Demontierter im Fraktionsvorsitz verbleibt und hier auf Revanche sinnt, nicht zuletzt gegenüber dem grünen Koalitionspartner? Die Korruptionsermittlungen gegen die mutmaßlich kriminellen Netzwerke gehen ja weiter, es wird wöchentlich etwas Neues herauskommen, das die ÖVP unter Druck und die Regierung lahmlegen wird. Es ist die Kernschmelze eines Systems. Noch hängt die ÖVP an ihrem gefallenen Ex-Strahlemann, es fällt ihr sichtlich schwer, in der Realität anzukommen. Dabei droht ihr damit ein Skandal ohne Ende und im Extremfall der Untergang, wenn sie nicht schnell mit dem Kurz-System aufräumt. Kurz spekuliert jetzt darauf, wie etwa sein großes Vorbild Benjamin Netanjahu jahrelange Korruptionsenthüllungen zu überstehen, das Land in Geiselhaft halten und mit „Unschuldiges Opfer“-Kampagnen an die Macht zurückkommen zu können. Der Schaden, den er damit anrichtet, ist ihm sichtbar egal. Er ist der böse Geist der österreichischen Politik. Und am Ende wird es doch nur ein Rücktritt auf Raten gewesen sein, denn längst ist Kurz der Haftanstalt mindestens ebenso nah wie dem Wiedereinzug ins Kanzleramt. (Robert Misik, taz)
Mich fasziniert, wie überrascht sich alle über diese Erkenntnisse geben. Kurz und die ÖVP sind bis ins Mark korrupt? Ach was. Kurz ist kein Saubermann? Wer hätte das gedacht. Ich habe über dieses Phänomen bereits im Podcast ausführlicher gesprochen, aber ich frage mich wirklich, ob das nur Berufsethos der Journalist*innen ist, da quasi zu kompartmentalisieren und so zu tun, als wäre das nicht völlig offenkundig, bis es zweifelsfrei bewiesen ist, oder ob da Autosuggestion am Werk ist. Ich verstehe ja, dass die Formulierungen nicht verwendet werden - erneut, ich hab's im Podcast selbst erklärt - aber das kann niemanden ernsthaft überraschen. Das erinnert mich an diesen unglaublich behämmerten Artikel im Spiegel über die Kühnert-Doku, in der Alexander Neubacher sich darüber echauffiert, dass bei der SPD Hinterzimmerpolitik betrieben wird. Ach was...?
6) David Shor Is Telling Democrats What They Don’t Want to Hear
But here’s the truly frightening thought for frustrated Democrats: This might be the high-water mark of power they’ll have for the next decade. [...] What’s changed the equation, Shor believes, are several interlocking forces. [...] First, educational polarization has risen sharply in recent years, particularly among white voters. [...] The second problem Democrats face is the sharp decline in ticket splitting — a byproduct of the nationalization of politics. [...] Put it all together, and the problem Democrats face is this: Educational polarization has made the Senate even more biased against Democrats than it was, and the decline in ticket splitting has made it harder for individual Democratic candidates to run ahead of their party. [...] All this comes down to a simple prescription: Democrats should do a lot of polling to figure out which of their views are popular and which are not popular, and then they should talk about the popular stuff and shut up about the unpopular stuff. “Traditional diversity and inclusion is super important, but polling is one of the only tools we have to step outside of ourselves and see what the median voter actually thinks,” Shor said. This theory is often short-handed as “popularism.” It doesn’t sound as if it would be particularly controversial. It is. [...] It’s a striking argument, and it fits Shor’s broader theory of the case: Liberal Democrats were either backing or cowering before a politically toxic slogan that had taken over Twitter but was alienating them from their working-class supporters. And even though Biden publicly and repeatedly repudiated the idea, it hurt him anyway, because voters don’t distinguish between different Democrats anymore. (Ezra Klein, New York Times)
Diese innerparteiliche Problematik ist übrigens kein klarer Links-Mitte-Split. Wie ich in meinem Artikel letzte Woche schon erklärt habe, sind gerade die Politiken der so genannten "Zentristen" furchtbar unpopulär. Auch Shor und Klein gehen darauf ein. Natürlich sind auch diverse Positionen der "Woken" alles andere als beliebt (ich sage nur "defund the police"). Aber diese strategische Dummheit, mit der die Democrats geradewegs auf die Opposition zusteuern, ist wirklich bemerkenswert.
Allerdings: Wie David Roberts richtig bemerkt, ist der letzte Punkt wenn nicht falsch, so doch zumindest unvollständig. Denn kein einziger demokratischer Politiker von Bedeutung setzte sich je für "defund the police" ein, das war ein reiner Aktivist*innenslogan. Das macht aber keinen Unterschied, weil die republikanische Propagandapresse einerseits und die im Bothsiderismus verhafteten Mainstreammedien andererseits genau diesen Eindruck erwecken.
Ergänzend zum obigen Artikel hat Nate Cohn hat noch einige empirische Anmerkungen zu Shors Ansichten, indem er Obamas Wahlkampf 2012 als Folie bemüht und aufzeigt, was der richtig gemacht hat und fragt, ob das heute noch einmal möglich wäre (Kurzversion: nein). Ebenfalls ergänzend seien diese Daten angebracht, die noch einmal aufzeigen, wie unglaublich verzerrend und undemokratisch das Wahlsystem für den Senat ist.
7) Angela Merkel. Eine andere Art der Autorität
Symptomatisch für die geschickte Authentizitätsinszenierung ist ihr Spruch „Sie kennen mich.“ aus dem Wahlkampf 2013, der insgesamt stark auf ihre Person zugeschnitten war. Ein kurzer Satz, der so viel suggeriert: Eine Vertraulichkeit und Vertrautheit zwischen ihr und den Bürger:innen, die keinerlei Erklärungen bedarf. Eine Verlässlichkeit, die keiner großen Worte benötigt. Was so simpel daherkommt, entfacht enorme Sogkraft und beruht auf einer durchdachten Medienstrategie. Für Barbara Hans, die zu Authentizität in der Politik arbeitet, ist Merkel „eben kein Gegenbeispiel politischer Inszenierungen, sondern der Inbegriff politischer Inszenierung. Sie hat die Inszenierung perfektioniert.“ Wie Merkels Biograph Gerd Langguth so treffend feststellt, besteht in der vermeintlichen Nichtinszenierung ihre Inszenierung. Eben darin liegt die hohe Kunst des authentischen Auftretens in der Politik: die Inszenierung muss als solche verschleiert werden. Und Angela Merkel ist eine Meisterin dieser Kunst. Gerade indem Ihr Auftreten ein Weniger anstatt ein Mehr an Machtgesten anbietet, verschiebt es die gängigen Vorstellungen von politischer Autorität. [...] In Angela Merkels Anfangszeiten unterschätzte man sie als ‚Kohls Mädchen‘, man machte sich über ihre Frisur lustig, brüskierte sich über ihr Dekolleté, amüsierte sich über ihr Äußeres. All diese Zuschreibungen zeigen, wie stark in der Politik Autorität und Authentizität mit männlichen Merkmalen assoziiert werden. Die Körper der anzugtragenden Berufspolitiker bilden die unsichtbare Norm, von der sich Angela Merkels Körper unweigerlich abhob. Sogleich wurde er mit sämtlichen sexistischen Stereotypen überhäuft, vor denen selbst eine so gnadenlos autoritäre Politikerin wie einst Margaret Thatcher nicht gefeit war, vielfach wurde die ‚Helmfrisur‘ der Iron Lady kommentiert. Merkel und ihr Stab bemühten sich zu Beginn ihrer Amtszeit, ein möglichst neutrales Outfit zu entwerfen, das in jeden Rahmen passt und den Körper der Kanzlerin der öffentlichen Aufmerksamkeit entzieht. Derweilen beharrte sie auf ihrem unprätentiösen Auftreten, das zunächst als Schwäche wahrgenommen, jedoch schnell als Stärke gewertschätzt wurde. (Jule Govrin, Geschichte der Gegenwart)
Es ist sicherlich richtig, dass Personen wie Thatcher, Merkel und Clinton eine andere Form der Autorität entwickeln mussten. Es ist beachtlich, dass Thatcher und Clinton noch wesentlich mehr als Merkel versuchten, männliche Formen nachzuahmen - was sich unter anderem in ihrer Falken-Haltung in außenpolitischen Fragen abbildete, in der sie versuchten, dem Bild der "typisch weiblichen" Schwäche zu entgehen. Merkel war eine der ersten, die einen genuin anderen Stil entwickelten, als dieser von männlichen Staatsoberhäuptern abhebt.
Ob dieser Stil besser, schlechter oder einfach nur anders ist, sei einmal dahingestellt. Genauso wie in der Gesellschaft aber auch neue Rollenmodelle ausprobiert werden, passiert das auch in Führungsfunktionen. Bisher hatten wir nur weibliche Führungspersonen, die so weit wie möglich vergessen machten, dass sie Frauen sind. Aber auch hier wird über Kurz oder Lang eine neue Form gefunden werden. Welche auch immer das sein wird.
8) Tweet
Wenn Sie sich zwischen Christian Lindner und Robert Habeck als nächsten Bundesfinanzminister entscheiden müssten, wen hätten Sie lieber?
Lindner (FDP): 48%
Habeck (GRÜNE): 27%via @BILD / INSA, 1004 online Befragte (08.10.2021)
— Deutschland Wählt (@Wahlen_DE) October 10, 2021
Mich überrascht dieses Ergebnis nicht. Die FDP nimmt wieder genau die Rolle ein, die sie in der sozialliberalen Koalition 1969-1982 auch hatte und die, wenn wir ehrlich sind, auch die einzige ist, die sie in so einer Koalition haben kann: die selbst erklärte Hüterin der Vernunft und der Haushaltsdisziplin. Genauso wie die FDP seinerzeit die Reformen der Sozialdemokraten entschärfte - ob beim Sozialstaat oder beim Betriebsverfassungsgesetz -, genauso wird Lindner derjenige sein, der (je nach Standpunkt) als Stimme der Vernunft oder Bremse auftritt. Aber dass das für die Wählenden attraktiv ist, steht außer Zweifel; so attraktiv offensichtlich, dass vor die Wahl gestellt, einen aus dem eigenen Lager oder Lindner als Finanzminister zu haben FAST DIE HÄLFTE des progressiven Lagers sich für Lindner entscheidet. Aus meiner Sicht natürlich bedauerlich, aber überraschend ist das nicht.
9) Did Communism Smash the Patriarchy?
Socialist central planners needed women because Five Year Plans typically set high production targets. In order to supplement their low wages, women were enticed with generous maternity leave and childcare. The work book, trudovaia knizhka, was their passport to apartments, holidays and even medical care. Therefore employment diminished reliance on husbands not only financially but in terms of state benefits. [...] But if communism was so egalitarian when it came to employment, education, and state benefits, how come they’re still so sexist? In World Values Surveys, men in post-communist societies give much more patriarchal answers than men in never-communist societies when asked such questions as whether men are better political leaders; if boys are more entitled to university education; and if scarce jobs should be reserved for men. [...] ‘Economic empowerment’ is no guard against male violence or misogyny. A woman may still be abused at home, harassed on city streets and locked out of politics. Rather than battle it out, women reluctantly hoover men’s mess. If victims cannot secure accountability, abuse persists with impunity. Despondency deters resistance, inhibiting social change.[...] Feminist activism challenges patriarchal privileges. In secular democracies it can spread like wildfire, igniting dissent and deviation. Urbanisation and untrammelled media are like tinder to the flame. [...] Decades of dictatorships may have stunted associational networks. Civil society membership is systematically lower in post-communist countries. Anti-democratic attitudes are highest among those who lived under communism. Stalin silenced all talk of sexuality, which thereafter remained taboo. In Russia, Hungary, Poland, Serbia and China, rulers have entrenched authoritarianism. Women’s movements are weak, unorganised, and despondent. Given the costs of speaking out, resistance is rare. (Alice Evans)
Ich bin sehr froh, dass das Thema "Emanzipation im Ostblock" in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung rückt, denn da gibt es dermaßen viele lang unhinterfragt wiedergegebene Mythen - von der Gleichberechtigung der Geschlechter zu den ach so tollen Kitas - dass da dringend Revisionismus gefragt ist. Denn Evans hat vollkommen Recht mit ihrer Kritik.
Das Vermischte ist zu beschränkt, um ins Detail gehen zu können, aber dasselbe gilt auch für die DDR. Die Krippen waren katastrophal, die "Gleichberechtigung" zur Arbeit effektiv erzwungen. Im Politbüro gab es außer der Ehefrau des Generalsekretärs keine Frauen. In Betrieben und untergeordneten politischen Ebenen sah es ähnlich aus. Etwas zu sagen ist nicht dasselbe wie etwas zu tun. Das gilt für die Übererfüllung des Fünfjahrplans genauso wie für gesellschaftlichen Fortschritt. Der Realsozialismus war einfach scheiße, Punkt.
10) Tweet
Ziemlich gute Frage! #Rentnerrepublik https://t.co/gX9Z7fEc1c
— Stefan for Future 🪴 (@friiyo) October 2, 2021
Als Ergänzung zu Fundstück 4, dem Interview mit Carsten Schneider, hier diese Daten zur Demografie im Osten. Das Bild ist wirklich düster. Die Frage im Originaltweet - was kann die Politik tun? - würde ich mit einem ziemlichen Schulterzucken beantworten. Ich fürchte, es übersteigt die Möglichkeiten von Politik deutlich, zu glauben, das könnte irgendwie durch bewusstes Handeln (vor allem in einem überschaubaren Zeitrahmen) gelöst werden. Natürlich können Infrastrukturverbesserungen, Investitionsanreize etc. helfend wirken, aber die grundsätzlichen Trends sind viel zu tiefgreifend und Jahrzehnte alt, als dass da schnell Besserung in der Fläche erwirkt werden könnte.
11) The Cantillon Effect: Why Wall Street Gets a Bailout and You Don't
Today what Cantillon observed is far more extreme than it was in the 1960s; it is hedge funds, private equity, and bankers who have benefitted from the money printing, and the foreigners who benefit from our money printing are increasingly Chinese and foreign manufacturers. This theory doesn’t imply that money creation is always biased towards the powerful, only that how money travels matter. There is no inherent money neutrality, such neutrality must be constructed by institutional arrangements. Much of the New Deal in the 1930s and 1940s was designed to build alternative channels for lending so that small business, industry and individuals could have access to money as quickly as big banks. [...] In 2016, Federal Reserve Chair Janet Yellen gave an important speech on this topic. It turns out, she said, that who the Fed deals with matters. To paraphrase her speech, the bigger and powerful get money first, and the small and weak get money last. That’s the dynamic we’re seeing in this bailout, with small businesses and the unemployed having trouble accessing funds and the big guys getting what they need when they need it. (Matt Stoller)
Die Erkenntnis ist eigentlich nicht sonderlich überraschend, aber sie stellt einen Tabubruch in einem Umfeld dar, dem jahrzehntelang (fälschlich) eingeredet wurde, Geld sie irgendwie neutral und nur demokratisches Geld sei schlecht. In jedem Geldsystem profitiert jemand, weil in jedem System jemand profitiert. Es gibt keine Neutralität, nicht dort, wo Menschen am Werk sind. Und da wir sicher nicht einer KI das Geldsystem überlassen werden, wird das stets wahr sein und der Hinterfragung bedürfen.
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