Montag, 2. Oktober 2023

Bill Clinton, Donald Trump und Elon Musk kritisieren auf Twitter die Letzte Generation - Vermischtes 02.10.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Was, wenn Trump es wieder wird?

Die derzeitige Diskussion in Deutschland dreht sich um die Unsicherheit in Bezug auf die transatlantische Partnerschaft, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus bei den nächsten US-Präsidentschaftswahlen im November 2024. Politiker wie Sigmar Gabriel und Annalena Baerbock betonen die Notwendigkeit, in die Partnerschaft zu investieren, da sie nicht selbstverständlich ist und die politischen Unterschiede zwischen den USA und Europa bestehen. Deutschland hat die Bedeutung der Unterstützung der Ukraine im Blick, da die Sicherheitslage in Osteuropa instabil bleibt. Es wird darauf hingewiesen, dass die Unterstützung für die Ukraine in den USA aufgrund des anstehenden Wahlkampfs möglicherweise unsicher ist, insbesondere bei den Republikanern. Einige schlagen vor, dass Europa, einschließlich Deutschlands, mehr Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen sollte, möglicherweise sogar im Zusammenhang mit Atomwaffen. Es wird jedoch betont, dass diese Ideen noch nicht öffentlich diskutiert werden. Insgesamt gibt es in Deutschland eine gewisse Unsicherheit und die Bereitschaft, auf Entwicklungen in den USA zu reagieren, wenn sie auftreten. Die Partnerschaft mit den USA bleibt wichtig, aber es gibt auch Bestrebungen, die europäische Sicherheit stärker zu fördern.(Eckart Lohse/Matthias Wyssuwa, FAZ)

Man kann der Bundesregierung sicherlich nicht vorwerfen, sich auf die Eventualität eines Trumpsiegs nicht vorzubereiten. Vor kurzem unternahm Außenministerin Annalena Baerbock eine ausgedehnte Reise durch die USA, auf der sie sich mit diversen republikanischen Playern traf und Kontakte knüpfte. Alle Eier im selben Korb zu haben ist schließlich nie eine gute Idee. Gleichwohl dürfte außer Frage stehen, das eine Amtszeit Trump aus europäischer und deutscher Sicht ein deutlicher Nachteil gegenüber einer weiteren Amtszeit Biden ist.

Ich habe dagegen keinerlei Geduld mit den üblichen Plattitüden über eine europäische Armee, eine Ausweitung des französischen Nuklearschirms auf Deutschland oder generell die Idee, dass Europa kurz- oder mittelfristig in der Lage wäre, seine eigene Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen und von den USA abzukoppeln. Auf der anderen Seite steht natürlich die Hoffnung, dass diese Kausalität letztlich dazu führt, dass Trump sich an die Realitäten gebunden fühlt. Bei dem Anteil an vollkommen Spinnern in der Partei und zunehmend auch in Entscheidungspositionen ist dies allerdings nicht garantiert.

2) A Very Important Post About.... Laughing in the Face of Absurdity

In einem kürzlichen Substack-Beitrag äußerte sich Matt Taibbi zu einem kleinen Medienaufruhr, in dem ich eine Nebenrolle spiele. Während einer Podcast-Diskussion mit Noah Dworman über eine Kolumne von David Brooks lachte ich, als Dworman behauptete, dass Donald Trump "nach objektiven Maßstäben kein schlechter Präsident war". Taibbi kommentierte mein Lachen und verteidigte Trump nicht als guten Präsidenten, sondern kritisierte stattdessen George W. Bush. Meine Meinung ist klar: Wenn jemand behauptet, Trump sei kein objektiv schlechter Präsident gewesen, werde ich darüber lachen. Dies bedeutet nicht, dass Trump überhaupt nichts Gutes getan hat, aber die Liste seiner Misserfolge ist umfangreicher. Trump hinterließ eine schlechtere Wirtschaftslage als bei Amtsantritt und handelte die COVID-19-Pandemie schlecht. Seine Außenpolitik war wenig erfolgreich, und seine abnormalen, illiberalen und illegalen Handlungen sind unbestritten. Selbst politisch gesehen verlor Trump die Volksabstimmung 2016 und 2020 und scheiterte mit seinen Unterstützungen bei den Midterm-Wahlen 2022. Donald Trump war objektiv ein schlechter Präsident, und ich habe keine Lust, darüber zu debattieren. Dies ist so offensichtlich wie die runde Form der Erde und jede Diskussion darüber ist Zeitverschwendung. Taibbi schließt mit der Bemerkung, dass viele Menschen in den Medien und der akademischen Welt ihre festgelegten Annahmen nicht hinterfragen. Drezners Meinung nach sind jedoch gerade er und seine Anhänger so überzeugt von ihrer Überlegenheit über den Mainstream, dass sie nicht erkennen können, wenn zwei plus zwei vier ergibt. Sie sind zu einer unreflektierten Fraktion der Gegendenker geworden. (Dan Drezner, Drezner's World)

Wo wir gerade beim Thema Donald Trump sind: ich glaube, die Unterscheidung, die Drezner hier aufmacht, ist durchaus eine wichtige. Kein Präsident und keine Regierung trifft nur schlechte Entscheidungen; irgendetwas Gutes lässt sich immer finden. Wer lange genug sucht, wird vermutlich selbst bei den Nationalsozialisten die eine oder andere gute Policy finden. Nur ist das für die Bewertung letztlich völlig egal. Die Waage neigt sich viel zu deutlich in die andere Richtung, und Trump ist schlicht unglaublich gefährlich. Ich stimme auch den Punkten zu den intellektuellen Dynamiken zu, die hier angesprochen werden: das Gefühl der eigenen Überlegenheit und der ideologische Grabenkampf versperren die Sicht auf die Realität.

3) Im Gefängnis der Erwartungen

Am vorvergangenen Sonntag besprühten Mitglieder der "Letzten Generation" das Brandenburger Tor in Berlin mit Farbe, um die Bundesregierung zu mehr Engagement im Bereich Klimapolitik zu bewegen. Die genaue Wirkung solcher Aktionen auf die Regierung bleibt jedoch rätselhaft. Die "Letzte Generation" suggeriert, dass ihre Aktionen politischen Druck erzeugen können und beruft sich dabei auf das Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1985, das zivilen Protest als Ausgleich für ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu den Medien ansieht. Die Frage ist jedoch, ob dieses Argument in Zeiten von sozialen Medien und erweiterter politischer Kommunikation noch gültig ist. Selbst wenn politische Ohnmacht nicht auf mangelnden Medienzugang, sondern auf Unzufriedenheit mit den Grünen und der Unfähigkeit, im Parlament Mehrheiten zu finden, basiert, rechtfertigt dies keine strafrechtlichen Ausnahmen für Sachbeschädigung. Das Argument, man müsse Druck ausüben, wenn die Politik nicht reagiert, kommt von den Protestierenden selbst. Die messbaren Effekte dieser Aktionen beschränken sich auf mediale Aufmerksamkeit und Unmut bei denen, die nicht von vornherein mit den Zielen sympathisieren. Die "Letzte Generation" argumentiert gesinnungsethisch, dass reine Zwecke nicht verhandelbar seien und der Einsatz illegaler Mittel gerechtfertigt sei. Die Debatte um die Aktionen spaltet die Öffentlichkeit, mit Befürwortern und Gegnern, die sich in hitzigen Diskussionen äußern. Sie zeigt, dass die Aktionen der "Letzten Generation" kontroverse Reaktionen hervorrufen und die gesellschaftlichen Diskurse aufbrechen. Dennoch sind die Vergleiche mit historischen Figuren wie Rosa Parks, die gegen rassistische Normen protestierte, fragwürdig, da das Brandenburger Tor keinen direkten Bezug zur Umweltproblematik hat. Die Legitimierung solcher Aktionen durch Bezüge zum Klimawandel ist müßig. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Aktionen der "Letzten Generation" eine breite Palette von Meinungen und Reaktionen hervorrufen, aber ihre Wirksamkeit in Bezug auf konkrete politische Veränderungen umstritten ist. (Jürgen Kaube, FAZ)

Ich habe wirklich überhaupt keine Geduld mit der Letzten Generation. So sehr ich die Grundprämisse teile, dass dringend mehr Aktivität für den Klimaschutz geboten ist und dass die Regierung viel zu wenig unternimmt, so wenig halte ich einerseits von dem Absolutismus der Bewegung und andererseits von ihren Protestmethoden. Sie scheinen mir komplett kontraproduktiv. Ich halte aber eine Hintertür offen, falls sich das mittelfristig als falsch herausstellt. Was mich hier zur Vorsicht gemahnt, ist das historische Beispiel der Bürgerrechtsbewegung. Sie und ihre Protestmethoden wurden exakt auf dieselbe Art und Weise kritisiert und gelten heute als common sense und Sternstunde von Zivilcourage und gewaltlosen Widerstand. Es ist grundsätzlich möglich, dass in zwei oder drei Jahrzehnten die letzte Generation eine ähnliche Rolle einnehmen wird. Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich.

4) Elon Musk’s Antisemitism Problem Isn’t About Free Speech

Elon Musk wird als der schlechteste Botschafter für Meinungsfreiheit in Amerika kritisiert, trotz seiner häufigen Beteuerungen. Dies wird vor allem am Beispiel von X, der früheren Twitter-Plattform, die er besitzt und kontrolliert, deutlich. In den letzten Tagen hat sich ein Ansturm von antisemitischer Hetze auf der Website entwickelt. Dies könnte durch ein Treffen zwischen dem Chef der Anti-Defamation League und dem neuen X-CEO ausgelöst worden sein. Musk unterstützte eine Kampagne mit dem Hashtag #BanTheADL, die sich gegen die Anti-Defamation League richtete. Er beschuldigte die ADL für den Verlust von Werbeeinnahmen und bedrohte sie mit Klagen. Musk bezeichnet sich zwar als "gegen Antisemitismus jeglicher Art" und als Verfechter der Meinungsfreiheit, doch seine Handlungen deuten darauf hin, dass er eher seine eigene Macht ausübt. Er suspendierte Konten, begünstigte zahlende Nutzer und förderte rechte Stimmen auf Kosten anderer Meinungen. Musk lenkt auch Aufmerksamkeit auf bestimmte Accounts, was zu massiver Popularität führt. Insgesamt wird X unter Musks Führung nicht als Plattform der Meinungsfreiheit, sondern als sein persönlicher Spielplatz wahrgenommen, der von seinen Werten geprägt ist. Diese Kritik unterstreicht, dass Meinungsfreiheit nicht bedeutet, Meinungen zu unterstützen oder zu verstärken, und dass Zensur und Drohungen gegen Andersdenkende nicht mit Meinungsfreiheit vereinbar sind. Musk nutzt seine Macht, um problematische Stimmen zu privilegieren, anstatt Freiheit zu fördern. (David French, New York Times)

Elon Musk zeigt gerade in Echtzeit, warum - sagt es mit mir - Demokratie und Milliardäre nicht vereinbar sind. Es ist einfach zu viel macht in den Händen eines Individuums, noch dazu eines solchen megalomanischen und erratischen wie Musk. Natürlich ist Twitter nicht entscheidend für das Aufrechterhalten von Meinungsfreiheit; es gibt auch andere Portale und große Teile der Menschheit Bevölkerung waren noch nicht einmal in der Nähe eines Tweetknopfs. Aber der Einfluss geht ja weit darüber hinaus, wie French in dem Artikel ja auch gut beschreibt. Generell finde ich immer wieder auffällig, wie unglaublich anfällig und sensibel Mediensysteme sind und wie schnell sie aus dem Gleichgewicht geraten können.

5) What the Clinton Haters on the Left Get Wrong

In der aktuellen politischen Landschaft, die von der "Post-Wahrheit" geprägt ist, wird die Amtszeit von Ex-Präsident Bill Clinton oft unzureichend gewürdigt. Insbesondere in Podcasts und sozialen Medien hört man häufig linke Kritik, die Clinton als "Korporatist" brandmarkt und ihm vorwirft, die Armen kriminalisiert und den "neoliberalen Konsens" bedient zu haben. Tatsächlich verbesserten sich jedoch während Clintons Präsidentschaft viele sozioökonomische Indikatoren in den USA. Das BIP stieg, die Armut nahm ab, die Schulabbrecherquote sank, Löhne stiegen (insbesondere für Geringverdiener), Verbrechen und Teenagerschwangerschaften gingen zurück, und das Vertrauen in Regierungsinstitutionen wuchs. Die These, dass Clinton die Hauptursache für die aktuellen politischen Probleme in den USA ist, entlastet jedoch George W. Bush, Trump und anti-demokratische Kräfte. Die Autoren eines Buches namens "A Fabulous Failure" kritisieren Clinton scharf und minimieren, was unter seiner Präsidentschaft erreicht wurde. Sie werfen ihm vor, die Masseninhaftierung verantwortlich zu machen und werfen ihm vor, Masseninhaftierung zu unterstützen. Sie vernachlässigen jedoch wichtige Gesetze, wie das Waffengesetz und das Gewalt gegen Frauen-Gesetz, die Massenschießereien und häusliche Gewalt reduziert haben. Die Autoren kritisieren auch Clintons Wirtschaftspolitik, behaupten jedoch, dass seine Politik insgesamt positive Auswirkungen hatte. Sie vernachlässigen die Tatsache, dass Clintons Politik auch einige Schattenseiten hatte und hinterlassen den Eindruck einer einseitigen Darstellung. Die Autoren scheinen auch die Bedrohung durch rechte Kräfte und Verschwörungstheorien zu minimieren. Ihre Argumentation kann dazu beitragen, das Vertrauen in die amerikanische Demokratie zu untergraben, indem sie den Eindruck vermittelt, dass es keinen Unterschied zwischen den Parteien gibt und dass die Politik generell unaufrichtig ist. (David Masciotra, Washington Monthly)

Jonathan Chait hat einmal einen Grundlagenartikel darüber geschrieben, dass Linke grundsätzlich ihre vergangenen Politiker*innen hassen, weil sie ihnen unzureichend erscheinen. Dieses Muster findet sich bereits bei Jimmy Carter und macht natürlich auch vor Bill Clinton nicht Halt. Obama ist auch bereits ein Opfer dieses dämlichen Trends. Umgekehrt finde ich auffällig, dass die politische Rechte eher dazu neigt, vergangene Personen auf ein Podest zu stellen und völlig unrealistische Heiligengestalten daraus zu machen. Hier läuft die Tendenz eher darauf hinaus, aktuelle Politiker gegen einen völlig überzogenen Maßstab der Vergangenheit zu messen, an dem sie nur scheitern können, während die Linken dazu neigen, ihre Hoffnungen auf eine undefinierte Zukunftsperson (liberal Jesus) zu richten, die sich natürlich auch keinem Realitätscheck unterstellen muss, weswegen real existierende Politiker dagegen auch nur verlieren können.

Ansonsten ist die Rezension vor allem deswegen interessant, weil sie die Verantwortlichkeiten genauer benennt, die allzu gerne untergehen. Man muss natürlich bedenken, das Berglinden zwar nicht für all die negativen Entwicklungen seiner Amtszeit verantwortlich ist, umgekehrt aber natürlich auch nicht die Lorbeeren für sämtliche positiven Entwicklungen einheimsen kann. Üblicherweise bekommt die Person an der Spitze allerdings beides ab.

Resterampe

a) Sehr gutes Interview zur NATO-Osterweiterung.

b) Marriage has declined for exactly the reason you think.

c) Republicans are determined to protect their web of lies.

d) Unions provide great job benefits.

e) The Supreme Court’s World War II Battles

f) There are only two ways to rein in federal deficits.

g) Preise fallen: War's das mit der Teuerung?

h) So was hätte noch vor Kurzem eine gemeinsame Abwehrreaktion des bürgerlichen Lagers hervorgerufen. Völlige Verwahrlosung.

i) Kollateralschäden des Kapitalismus.

j) Zahl untergetauchter Linksextremisten steigt. Weil wir ja nicht genug Probleme haben.

k) Lehrstück für den Cancel-Culture-Diskurs.

l) Habeck mit sehr vernünftiger Haltung zur Migrations- und Asylproblematik.

m) Echt wild.

n) Der Guardian hat ein schönes Habeck-Profil.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.