Dienstag, 30. Januar 2024

Die SPD rückt in Geheimplänen aus der Ukraine vom Kanzler ab, weil Wagenknecht eine Studie über Journalismus leakt - Vermischtes 30.01.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Beyond the counter-offensive: Attrition, stalemate, and the future of the war in Ukraine

In der Ukraine hat sich der Krieg zu einem Abnutzungskrieg entwickelt. Drohnen spielen eine entscheidende Rolle, da beide Seiten sie massiv einsetzen, was zu hohen Verlusten führt. Die Ukraine verliert monatlich bis zu 10.000 Drohnen. Der Westen hat bisher eine beträchtliche Menge an Ausrüstung geliefert, hauptsächlich aus Überschussbeständen. Wichtig ist, dass die Ukraine mehr westliche Kampffahrzeuge und 155-mm-Artilleriemunition benötigt, um die russischen Streitkräfte effektiv zu bekämpfen. Die westliche Verteidigungsindustrie muss ihre Produktionskapazitäten erhöhen, um die Ukraine ausreichend zu unterstützen. (Gustav Gressel, ECFR)

Die SPD bekommt in meinen Augen viel, viel zu wenig Kritik für ihre obstinente Haltung in der Drohnenfrage über die letzten Jahre. Die Verhinderung einer vernünftigen deutschen Drohnenpolitik ist angesichts der Entwicklungen um russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch dämlicher, als sie es im relativen Frieden vor 2022 bereits war. Dass das effektiv immer noch nicht angegangen wird - mir wäre jedenfalls weder ein neues Programm für Drohnen noch für Luftbekämpfung in der Bundeswehr bekannt - ist wieder mal so typisch für alles, was gerade schief läuft, es ist zum Haare Raufen.

Ich bin mit meinem beschränkten Sachverstand d'accord mit Gressels Ausführungen; die Lage ist nicht überragend. Die russische Strategie, darauf zu hoffen, dass der Westen die Ukraine nicht ausreichend unterstützen wird, ist bedauerlicherweise sehr realistisch. Die Republicans in den USA kündigen das ja bereits offen an, und Deutschland (und wenn ich es richtig weiß auch Frankreich) sind jetzt nicht eben in der Lage oder Willens, da mehr zu tun. Düsteres Bild.

2) Die Ersten rücken vom Kanzler ab

In diesem Artikel wird die tiefe Krise der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) thematisiert, die sich in sinkenden Umfragewerten und wachsender Unzufriedenheit innerhalb der Partei manifestiert. Eine Gruppe hochrangiger Sozialdemokraten, darunter die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich, Generalsekretär Kevin Kühnert sowie Kanzler Olaf Scholz, treffen sich regelmäßig, um Lösungswege zu diskutieren. Scholz, der 2021 zum Wahlsieg führte, wird mittlerweile als Teil des Problems angesehen. Es wird über radikale Lösungen wie Kabinettsumbildungen, Neuwahlen oder gar einen Wechsel im Kanzleramt spekuliert, wobei Verteidigungsminister Boris Pistorius als möglicher Nachfolger gehandelt wird. Die Partei leidet unter Scholz’ Unbeliebtheit und der negativen Wahrnehmung der Ampelkoalition. Trotz der Erfolge der SPD, wie der Einführung des Mindestlohns und des Bürgergeldes, gibt es ein Kommunikationsproblem, das die Wähler nicht erreicht. Lokale Parteimitglieder berichten von Frustration im Wahlkampf und der Notwendigkeit, die Politik der SPD besser zu vermitteln. Die Partei ist besorgt, bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen aus den Landtagen zu fliegen. Die SPD steht vor der Herausforderung, ihre Politik effektiver zu kommunizieren und sich mit den Bedürfnissen der Wähler besser zu verbinden. Trotz der Diskussionen über personelle Veränderungen ist unklar, ob dies die grundlegenden Probleme der Partei lösen würde. Inmitten dieser Krise bleibt der Kampf gegen den Rechtsextremismus ein zentraler Fokus der SPD, um ihre Anhängerschaft zu mobilisieren und den demokratischen Werten treu zu bleiben. (Lukas Eberle, Markus Feldenkirchen, Sophie Garbe, Christoph Hickmann, Marina Kormbaki, Ansgar Siemens und Christian Teevs, Spiegel)

Zuerst einmal die Stilkritik: dieser Artikel ist wieder mal so typischer Berliner Blasenjournalismus, da tut das Lesen weh. Völlig sinnloses Geraune und Spekuliere, das nur auf dem Mist der Journalist*innen selbst gewachsen ist, wird irgendwie als Report verkauft - als ob es eine Debatte zur Ersetzung von Scholz durch Pistorius gäbe! Klar, der Kerl hat große Beliebtheitswerte, aber wie viele Deutsche wissen überhaupt, dass er existiert?! Anstelle von vernünftigen Analysen kriegt man Allgemeinplätze à la "die SPD muss besser kommunizieren". Und klar, die FDP kommuniziert besser, aber mir wäre neu, dass es denen gerade super geht in den Umfragen. Diejenigen, die mit Abstand am schlechtesten kommunizieren, die Grünen, stehen AM BESTEN da. Solche grundsätzlichen Logikprobleme müssen einem doch auffallen! Das kann echt weg.

Zur Sache: die SPD steckt gerade definitiv in einer Krise, aber ich weiß auch nicht, was diese Krise groß von der um 2019 unterscheidet, da hatten die auch Umfragewerte von rund 14%. Also, ich zweifle ja nicht daran, dass die hier bedrohlicher ist (ich sag nur Landtage!), aber es gibt eine Grundlage dafür, dass Scholz und Schmidt Ruhe bewahren, und in dem vermaledeiten Artikel steht nichts, das ein guter Grund wäre, dass es anders ist, außer, dass es JETZT ist. Auf eine neue Runde "warum ist die SPD in der Krise" habe ich gerade aber ehrlich gesagt wenig Lust.

3) Wie blicken Journalistinnen und Journalisten auf die Welt?

Die Studie befasst sich mit empirischen Studien zur Sozialstruktur und den Einstellungen von Journalistinnen und Journalisten in Deutschland. Soziodemografisch zeigt sich, dass das Durchschnittsalter der Journalisten in Deutschland bei etwa 45 Jahren liegt und Frauen mit 44% (2022/23) leicht unterrepräsentiert sind, besonders in höheren Positionen. Der Frauenanteil in Führungspositionen variiert stark zwischen verschiedenen Medien. Journalisten erzielen häufig Einkommen im mittleren Bereich, wobei insbesondere Frauen und Freiberufler ökonomisch prekäreren Verhältnissen ausgesetzt sind. Die Mehrheit der Journalisten verfügt über einen Studienabschluss, und viele stammen aus Familien mit akademischem Hintergrund. Der Anteil von Journalisten mit Migrationshintergrund ist unklar, scheint aber gering zu sein. Hinsichtlich der Persönlichkeitsmerkmale gibt es wenige systematische Daten, aber es werden Eigenschaften wie Wissbegierde, Flexibilität und Kommunikationskompetenz zugeschrieben. Das Vertrauen der Journalisten in politische Institutionen ist gering, ihre Arbeitsbelastung wird oft als hoch wahrgenommen. Politisch tendieren Journalisten leicht links der Mitte. Die Parteipräferenz variiert, wobei eine Tendenz zu den Grünen besteht, während CDU/CSU weniger bevorzugt wird. Die berufliche Zufriedenheit ist gemischt, wobei insbesondere jüngere Journalisten häufiger überlegen, den Beruf zu wechseln. Die Studie des SOEP bestätigt einige dieser Ergebnisse und zeigt, dass Journalisten in Deutschland aus einem überwiegend akademischen Milieu stammen, politisch leicht nach links geneigt sind und sich besonders um Umwelt und Klima sorgen. Sie sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zufrieden mit ihrem Leben, auch wenn sie mit ihrem Einkommen weniger zufrieden sind. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Journalisten eine vergleichsweise zufriedene und erfüllte Berufsgruppe darstellen. (Katja Schmidt/Tanjev Schultz/Gert G. Wagner, Journalistik Online)

Stefan Pietsch hat mir diesen Link zugesandt, zusammen mit der Einordnung, dass von Steuergeldern finanzierte Institutionen keinen solchen parteipolitischen Drall haben sollten. Ich habe das Gefühl, das Thema ist grundsätzlich eine vertiefte Auseinandersetzung wert, daher an der Stelle eher in Kürze: die Studie zeigt ziemlich deutlich, dass die parteipolitischen Präferenzen bei weitem nicht so stark sind, wie das oft behauptet wird; was ich aber noch viel wichtiger finde: der Berufsethos der Journalist*innen ist eindeutig einer von Überparteilichkeit. Dies teilen sie mit anderen Berufsfeldern wie Polizei, Militär, Bildung und Wissenschaft, die alle ebenfalls staatlich finanziert werden. Wenn aber die offensichtlich konservativen bis rechteren Präferenzen von Polizist*innen und Soldat*innen keine Problem darstellen (und das tun sie nicht), warum sollte das dann hier anders sein? Die Klage ist vielmehr, dass die Mehrheitspräferenz nicht der eigenen entspricht.

4) Wer fürchtet sich vor Sahra Wagenknecht?

Die neun Abgeordneten der neu gegründeten Wagenknecht-Partei "Vernunft und Gerechtigkeit" müssen den Bundestag verlassen, da sie weder die Fünf-Prozent-Hürde noch die Grundmandatsregel erfüllen. Sie sind ursprünglich über die Landesliste der LINKEN in den Bundestag eingezogen und haben sich später abgespalten. Da sie keine Direktmandate gewonnen haben und für eine Partei sitzen, die formal nicht an der letzten Bundestagswahl teilgenommen hat, erfüllen sie nicht die rechtlichen Voraussetzungen, um im Parlament zu bleiben. Die Regelung des Bundeswahlgesetzes sieht vor, dass nur Parteien berücksichtigt werden, die entweder fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Da die Wagenknecht-Partei bei der Wahl keine Stimmen erhalten hat und als Splitter-Partei gilt, missachtet ihre Präsenz im Bundestag den Wählerwillen. Nach ihrem Ausscheiden rücken gemäß der Listennachfolge neun Listenanwärter der Partei DIE LINKE nach. (Manfred C. Hettlage, Tichys Einblick)

Ich verstehe nicht, wie sich diese Missverständnisse so hartnäckig halten können. Es gibt keine "Mandate zweiter Klasse" oder sonstirgendetwas in diese Richtung. Man kann das als moralischen Appell formulieren, aber so zu tun, als geschehe hier etwas Unrechtmäßiges, ist schlicht falsch. Ob über Liste oder Direktmandat, Abgeordnete werden als Abgeordnete in den Bundestag gewählt. Das ist zwar eine Fiktion, weil 99,9% der Wählenden nach Parteipräferenz wählen, aber diese Fiktion ist die Grundlage unseres Wahlrechts. Selbstverständlich können Wagenknecht und Co ihre Mandate behalten, und selbstverständlich werden sie das auch. Ohne die haben sie ein echtes Problem. Diese Forderung, wie sie Hettlage hier formuliert, kommt alle naselang auf, wenn mal wieder Leute die Partei wechseln, und sie ist und bleibt Unfug. Wer das ändern möchte, müsste das passive Wahlrecht ändern, und das ist eine größere Operation. Ich halte sie auch für genauso verfehlt wie die Debatten um Listen- und Direktmandate.

5) Was ein Präsident Trump für die Sicherheit Europas bedeuten würde

Der Artikel der ZEIT thematisiert die Besorgnis über eine mögliche Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus und dessen Auswirkungen auf die Demokratie in Amerika sowie die Sicherheit Europas. Trotz Trumps Erfolg bei der ersten Vorwahl der Republikaner und günstigen Umfragen gibt es in Berlin keine systematische Vorbereitung auf eine transatlantische Eiszeit unter Trump. Es fehlt an ressortübergreifenden What if?-Arbeitsgruppen, obwohl einzelne Ministerien und das Metis Institut für Strategie und Vorausschau über das Thema nachdenken. Die Zurückhaltung wird mit der Unvorhersehbarkeit von Trumps Politik, der engen Beziehung zwischen dem aktuellen Kanzleramt und dem Weißen Haus sowie den potenziell gravierenden politischen Konsequenzen solcher Überlegungen begründet. Es besteht die Befürchtung, dass Trumps Rückkehr einen Zusammenbruch der Ukraine und den Zerfall der NATO bedeuten könnte, wobei seine Haltung zur NATO besonders besorgniserregend ist. Die möglichen Konsequenzen für Europa wären erheblich, einschließlich der Notwendigkeit, die Verteidigungsbudgets massiv zu erhöhen und möglicherweise eine eigene europäische Atomstreitmacht aufzubauen. Der Artikel unterstreicht die Dringlichkeit und das Dilemma, mit dem Europa konfrontiert wäre, sollte Trump erneut Präsident werden. und , ZEIT)

Zitat aus dem Artikel: "Der wohl wichtigste Grund aber, der ein öffentliches Nachdenken der Regierung verbietet: Die möglichen Folgen einer neuerlichen Amtsübernahme von Donald Trump sind derart fundamental, dass schon das halbamtliche Spekulieren darüber unkalkulierbare politische Konsequenzen haben könnte. Wenn also überhaupt geplant wird, dann darf das nur streng vertraulich geschehen. "Möglichst wenig aufschreiben!", sagt ein hochrangiger Diplomat. Denn was verschriftlicht ist, könnte geleakt werden. Das alles ist nachvollziehbar. Es ändert aber nichts daran, dass es bis zum 5. November, dem Wahltag, nur noch zehn Monate sind – und die Welt, sollte Trump siegen, schon am 6. November eine völlig andere wäre." Mich überzeugt das ehrlich gesagt. Eine deutsche Planung für den Fall eines Trumpsiegs ist ohnehin borderline nutzlos, denn was außer "wir sind verloren!" sollte da drinstehen? Wie genau ersetzen wir den amerikanischen nuklearen Schutzschirm? Nicht, dass ich die deutsche Fähigkeit in Frage stellen möchte, mit einigen Planfeststellungsverfahren in nur 37 Jahren eine eigene Atombombe zu entwickeln. Oder auch: was hilft es, in einen Plan zu schreiben, dass wir im Falle des Abzugs der US Army aus Europa innerhalb einiger Monate die bestehenden Kapazitäten der Bundeswehr verfielfachen und dazu mehrere neue aufbauen müssen?

Resterampe

a) Ich sag's immer wieder, diese Bürger*innenbeteiligung ist ein Riesenproblem und verhindert überall Lösungen.

b) Irrsinn.

c) Sehr guter Artikel zur historischen Entwicklung der deutschen Staatsfinanzierung.

d) Ganz guter Artikel zur Sprachverrohung.

e) Super Podcast zum Programm der AfD. Ich sag es ja, auf der Ebene müsste mehr passieren.

f) Angesichts der berechtigten Kritik an Bullys Komödien der 2000er bin ich etwas beunruhigt bezüglich "Der Schuh des Manitu 2", mal davon abgesehen dass der Winnetou-Stoff doch echt sooooo nen Bart hat mittlerweile...? Aber vielleicht aktualisiert er den Stoff ja.

g) Überraschung in 3...2...1...Energiewende: Windkraftausbau hängt deutlich hinter Zielen der Ampel zurück.

h) Übersicht zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Klingt sinnvoll für mich. Go Ampel! Dafür seid ihr gewählt. Und wen's interessiert der neue Test.

i) Recht schreiben.

j) Im Griff der libertären Krake. Für Cimourdain besonders.

k) Kids learn better on paper? Don’t be so sure…. Bin ich auch nicht.

l) Ausführliche Kritik an Wilkersons "Caste", das ich im März 2022 rezensiert hatte. Auf Bluesky hat Jamelle Bouie auch viel Kritik und diskutiert das mit diversen Leuten.

m) Peak linke Basis. Diese Leute... (Mein Kommentar.)

n) Super lesenswertes Interview zum Zustand der Bahn.

o) "Für eine Stimme bei der AfD gibt es keine Entschuldigung. Man überträgt damit Macht an eine politische Kraft, die diese Republik beenden wird. Das ist ein folgenreicher Akt, für den mündige Erwachsene volle Verantwortung tragen."

p) Elon "Keinerlei Sensibilität für irgendwas" Musk hat in Auschwitz eine Präsentation gegeben, wie der Holocaust live auf Twitter aussehen würde. Und...er hat nen Punkt.

q) Guter Punkt zur Wissenschaftsförderung. Der leider auch.

r) Mal was zum Schmunzeln zwischendurch.

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