Wahnsinn. Da glaubt man, man hat alles gesehen, und dann das: Arbeitgeberpräsident Hundt warnt die Gewerkschaften vor dem "brutalsten Angriff auf die Tarifautonomie" seit, ja mindestens seit, Menschengedenken. Warum? Ist doch klar: die Mindestlöhne! Die unterhöhlen nämlich die Tarifautonomie der Gewerkschaften.
Wer aus einem sozialutopischen Reflex heraus nach gesetzlichen Mindestlöhnen ruft, tut so, als sei die Höhe von Löhnen eine Frage des guten Willens. Bezahlung kann sich aber immer nur an der Wertschöpfung des jeweiligen Arbeitsplatzes orientieren. Deshalb gefährden gesetzliche Mindestlöhne auch die Erfolge am Arbeitsmarkt beträchtlich. Sie ver-nichten Arbeitsplätze und verhindern, dass neue entstehen. Von einem gesetzlichen Mindestlohn, den einer nicht bekommt, weil es den Arbeitsplatz dazu nicht gibt, kann niemand leben. (Quelle)Dieter Hundt, Deutschlands begnadetster Kabarettist. Wer hat denn jahrelang gegen die Tarifautonomie gewettert, Flächentarifverträge als Teufelswerk gebrandmarkt, einen Spiegel-Titelaufmacher "Der Gewerkschaftsstaat" erhalten? Dieter Hundt und seine Bande. Und jetzt kommen sie wieder mit denselben abgedroschenen Phrasen daher wie seit je und machen plötzlich auf gute Freunde der Gewerkschaften:
Das bewährte deutsche System der Tarifautonomie zeichnet sich dadurch aus, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam, im gegenseitigen Interessenausgleich angemessene Arbeitsbedingungen vereinbaren. Die Tarifvertragsparteien können am besten einen fairen Ausgleich zwischen den Belangen der Unternehmen und den Interessen der Arbeitnehmer finden. Alle führenden Wirtschaftsinstitute bestätigen, dass gerade die verantwortungsvolle Tarifpolitik der letzten Jahre maßgeblich zum gegenwärtigen wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen hat. (Quelle)Das sind ja ganz neue Töne. Plötzlich sind die Gewerkschaften doch die Guten, nachdem man sie jahrelang an den Pranger gestellt hat als die, die jeden Aufschwung mit "total überzogenen" Lohnforderungen kaputt machen. Wenn sich die Gewerkschaften tatsächlich von Hundt so an der Nase herumführen lassen, verdienen sie es nicht anders. Hundts Vorstoß ist ein reichlich billiger Vesuch, selbige zu spalten - und sieht man sich die bisherige 150jährige Geschichte der Linken an, wird das wahrscheinlich auch gelingen. Es gibt bestimmt den einen oder anderen Schröderianer, der auf Hundts Verlockungen hereinfallen wird. Damit positionieren sich Teile der Gewerkschaften, die ohnehin völlig unverständlicherweise die Zusammenarbeit mit der LINKEn ablehnen, auch noch gegen die aktuelle SPD-Forderung nach Mindestlöhnen. Unglaublich, wie sich die an der Nase herumführen lassen.
Ich fürchte, die Gewerkschaften werden mitmachen. Allerdings wurden schon einige Mindestlöhne vereinbahrt. Hier ist eine Übersicht:
AntwortenLöschenhttp://www.hairweb.de/friseur-mindestlohn.htm
Heraussticht der Mindestlohn für Friseure in Brandenburg.
Die Tarifautonomie ist vor allem von der Schwäche der Gewerkschaften geprägt, welche diese selbst, aber auch die Arbeitgeberverbände und deren Lobbygruppen wie die INSM, zu vertreten haben. Da wäre ein gesetzlicher Mindestlohn natürlich das Ende dieser privilegierten Situation der Arbeitgeber. Sonst würde der dicke Hundt nicht auf einmal die Gewerkschaften und die Tarifautonomie entdecken.
AntwortenLöschenGruß
Alex
So ein Hundt! Mit welch dumm-dreisten Forderungen der in die Öffentlichkeit geht. Eigentlich verdient es dieser Dinosaurier der Arbeitgeber (zutreffender "Arbeitsvernichter" ) nicht, für Ernst genommen zu werden.
AntwortenLöschenNur als Ergänzung die Replik der IG Metall Bayern auf die Albernheiten von Herrn Hundt:
AntwortenLöschenDer Mindestlohn ist für die Tarifautonomie nichts anderes als andere gesetzliche Untergrenzen. Urlaub, Arbeitszeiten oder die Entgeltfortzahlung sind gesetzlich als Untergrenzen festgeschrieben; sie sind somit die Grenze, die auf keinen Fall unterschritten werden dürfen. Und die Praxis zeigt, dass diese Grenze anerkannt ist und tariflich deutlich bessere Regelungen verhandelt wurden.