Freitag, 4. Juli 2008

Merkel, die Sachpolitikerin

Es gibt Leute, die haben einen Ruf wie Donnerhall. Viele zu Unrecht. Merkel gehört definitiv dazu. Sagenhafte Beliebtheitswerte korrespondieren bei ihr nahtlos mit einer politischen Beliebigkeit, die ihresgleichen sucht. Wer versucht herauszufinden, wo Merkel politisch steht, für was sie einsteht, läuft gegen eine Wand - eine meterdicke, seidenweiche Wand, in der man versinkt und nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Aber die Hofberichterstatter weißen nur selten auf diesen Missstand hin, und wenn, dann meist mit einem Ton der Begeisterung. Wahnsinn, wie die Merkel das macht! Gerade jetzt wieder schreibt die Süddeutsche, dass Beckstein Merkel mangelnde Volksnähe vorgeworfen habe. In dem Artikel stehen neben dieser auch noch andere dümmliche Einlassungen von CDU-Granden, aber besonders ein Satz fällt auf:
Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein warf Bundeskanzlerin Angela Merkel indirekt vor, mit ihrer kühlen, sachlichen Politik die Herzen der Menschen nicht zu erreichen. (Quelle)
Kühl und sachlich? Kühl ganz bestimmt, aber wo bitte ist das, was Merkel tut, sachlich, sofern man nicht den eigenen Machterhalt als sachliche Politik auslegt? Das Phänomen Merkel ist wirklich erstaunlich. Es ist eine Schande für den deutschen Journalismus, ebenso wie die Hatz gegen Kurt Beck. Was auf der einen Seite aus dem Ruder läuft, tut es auch auf der anderen. Von Neutralität und Objektivität - ja, Sachlichkeit - ist keine Spur. Viel zu häufig werden nur die hohlen Phrasen wiedergekäut und wird bestraft, was nicht hohle Phrase ist - nur um nachher Leuten wie Herbert von Arnim Platz für das Phrasendreschen über den Politikerunmut zu lassen. Leute, das System habt ihr selbst mindestens mitgeschaffen. Tut was dagegen und werdet wieder seriös.

10 Kommentare:

  1. Das unterschreibe ich so. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein Spitzenpolitiker von allen Medien derart niedergemacht wie Kurt Beck. Die Beliebigkeit der Angela Merkel ist ebenfalls außergewöhnlich. Aber eigentlich ist es logisch: Wenn man für nichts steht, kann man auch für nichts kritisiert werden. Über Gerhard Schröder und seine Leistung werden sich Historiker einmal herzhaft streiten, Angela Merkel hingegen wird als völlig unpolitisch in Erinnerung bleiben.

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  2. Stimmt, aber soll man Merkel, die ich keineswegs mag, vorwerfen, dass sie mit ihrer Art, Politik zu machen, auch noch Erfolg hat? Soll sie sich lieber auf bestimmte Punkte festlegen und dafür womöglich die Macht verlieren? Die Wähler sind schuld, weil sie diese Haltung unterstützen. Immerhin ist sie trotz allem die beliebteste Politikerin Deutschlands.

    Leider ist Kurt Beck kein Lafontaine - weder vom Inhalt her noch vom Charisma. Ich habe ihn schon selbst erlebt, seine Rede war einfach zum Einschlafen. Naja, selbst wenn er es wollte, die SPD zu ändern, ist wohl fast unmöglich.

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  3. Merkel und Beck - die mitreißenden Politiker mit Einschlafwirkung! Sie aber ist "beliebt" und er "unbeliebt". Die entpolitisierte Bevölkerung sollte bald aufwachen!

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  4. Das Generalargument der "Beliebtheit" von Politikern ist genau genommen überhaupt nicht aussagekräftig, sondern ist nur dazu da, instrumentalisiert zu werden. Man denke bitte an unseren Superneoliberalen und ach so unparteiischen Bundespräsidenten Horst Köhler. Da wird auch immer mit seiner Beliebtheit argumentiert.

    Wer einmal bei Emnid und co gearbeitet hat, der weiß wie solche Beliebtheitswerte zustandekommen. Deshalb: an der Politik, am Erfolg sollen sie gemessen werden und nicht an ominösen Umfragen.

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  5. Von dem Gedanken eines "unabhängigen Journalismus" sollten wir uns doch langsam verabschieden - bei der Konzentration der Medien. Es wird doch nur noch das ventiliert, was gewisse Machtzirkel in die Feder diktieren. Und damit werden dann willfährige Politiker kreiert, die nicht mehr anders können, selbst wenn sie es wollten, weil sie sonst mittels einer "Enthüllungspresse" abserviert würden.

    Und apropos Frau Merkel, sie hat sehr wohl Erfolg, aber leider nicht beim Souverän, dessen Meinung ist doch längst beliebig, sondern bei denen, die diese Politik zur Durchsetzung ihrer eigenen Ziele verlangen.

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  6. Ob beliebt oder nicht, die einzig richtige (und wichtige) Umfrage dazu ist die Bundestagswahl. Nun, wir werden sehen.

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  7. Verstärkt gewinne ich den Eindruck, daß die Politiker am erfolgreichsten sind, die von nix eine Ahnung haben...

    Köhler und Merkel sind da nur die herausragendsten Galionsfiguren.

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  8. Abgesprochene Fragen und einstudierte Antworten, die Journalisten und die Politiker kommen gut miteinander aus. Die eine Krähe hackt der anderen eben kein Auge aus und "Beliebtheit" wird nach Belieben gemacht.

    In der "Volksherrschaft" aber sollte der Souverän an der Wahlurne ein Machtwort sprechen.

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  9. Das "Phänomen Merkel" scheint auf einer ganz einfachen Basis zu funktionieren: zeige dich indifferent und verbuche nur die "Erfolge" deiner Politik auf dein Konto.
    Du schreibst: "Wer versucht herauszufinden, wo Merkel politisch steht, für was sie einsteht, läuft gegen eine Wand - eine meterdicke, seidenweiche Wand, in der man versinkt und nicht mehr weiß, wo oben und unten ist." Wenn man versucht, sie selbst zu fragen oder versucht, aus ihren Reden ihre persönliche Meinung zu ergrünen, dann fällt man in diese seidenweiche Wand. Da ist nichts substantielles, nichts was man greifen kann. Man muss einen Umweg gehen, um zu sehen, wofür diese Frau steht. Weil sie die Bundeskanzlerin ist und die Weisungsbefugnis hat, kann man ihre Meinung an den Ergebnissen ihrer Politik erkennen.
    Und da ergibt sich ein eindeutiges Bild. Sie steht in einer Reihe mit Kohl und Schröder. Auch Kohls "Mädchen" ist Bundeskanzlerin der Bosse. Die Umverteilung von unten nach oben geht ungebremst weiter. Sie schreibt sich den "Aufschwung" und die "sinkende" Arbeitslosigkeit auf ihr Konto, die Kollateralschäden können ja ihre Minister - vor Allem die von der SPD - auf ihre Schultern laden.

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  10. "Bravo!" - Wenn Merkel keinen eigenen Standpunkt hätte, wäre die Sache ja fast schon wieder gut; aber sie hat eine eigene Meinung: nämlich immer die der ökonomischen Machteliten.

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