Montag, 7. Juli 2008

Fundstücke 7.7.2008

Öffentliche Haushalte: Oberste Richter fordern Schuldenverbot
NachDenkSeiten - Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sieht wegen der riesigen Staatsverschuldung die Leistungsfähigkeit des Rechts- und Sozialstaats in Gefahr. Er hält striktere Vorschriften und eine umfassende Übertragung von Staatsaufgaben in private Hände für nötig.
Hier greift der oberste Verfassungsrichter in eine aktuelle politische und wirtschaftspolitische Debatte ein. Das ist nicht seine Aufgabe. Dieses Interview mit Bild am Sonntag ist in mehrerer Hinsicht „beachtlich“.

----
Angela Merkel: "Mit mir werden keine Reformen zurückgedreht!"
NachDenkSeiten - „Während meiner Kanzlerschaft werden sinnvolle Reformen an keiner Stelle zurückgedreht. Das sage ich ausdrücklich beispielsweise mit Blick auf Bestrebungen, die Rente mit 67 auszuhöhlen, einen einheitlichen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, die Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit wieder auszubauen oder das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium auszuweiten…
Wir werden weiter auf unserem Kurs notwendiger Veränderungen gehen. Die von meinem Vorgänger Bundeskanzler Schröder begonnenen und von der Union – das wollen wir nicht vergessen – damals mitgetragenen Reformen haben wesentlich zum jetzigen Aufschwung beigetragen“, so die Kanzlerin in der Wirtschaftswoche. Beschönigung, Unwissen oder gezielte Gehirnwäsche durch permanente Wiederholung derselben unbelegten und von der Wirklichkeit längst widerlegte Behauptungen?

----
Abschied aus Wunderland
Financial Times Deutschland - Die Europäische Zentralbank wird ihr Inflationsziel allem Knurren zum Trotz auf Dauer nicht mehr erreichen. Es wäre für die Glaubwürdigkeit der Währungshüter besser, den Ehrgeiz bald zurückzuschrauben. Vor einem Monat hat sich Jean-Claude Trichet noch dafür feiern lassen, dass die Inflation in den ersten zehn Euro-Jahren niedriger lag als früher in Deutschland. Könnte sein, dass es die letzte Gelegenheit war - egal wie laut Europas Notenbanker jetzt schimpfen und mit Leitzinserhöhungen das Böse zu bekämpfen versuchen. Mancher globale Trend spricht derzeit dafür, dass es die Preiswächter vorerst nicht mehr schaffen, die Inflation galant wieder unter zwei Prozent zu senken - selbst wenn Öl- und Nahrungsmittelpreise wieder sinken. Es sei denn zum Preis enormer Depressionen. Das will vielleicht selbst der deutsch-orthodoxe EZB-Chefökonom Jürgen Stark nicht. Für die angeschlagene Glaubwürdigkeit der Euro-Hüter wäre es besser, den Ehrgeiz zurückzuschrauben - statt künftig noch öfter erklären zu müssen, dass die Inflation wieder höher ausfällt als versprochen.
----
Linke fordert Mindestrente für alle
Handelsblatt - Mit der Forderung nach einer Mindestrente von 800 Euro für alle will die Linke in die kommenden Wahlkämpfe ziehen. Ein entsprechendes Rentenkonzept beschloss der Parteivorstand am Wochenende auf seiner Klausurtagung, wie Linke-Chef Lothar Bisky am Sonntag nach dem Treffen in Berlin sagte. Dabei setze die Linke bewusst auf umsetzbare Alternativen zur großen Koalition, die bei der Armutsbekämpfung "versagt" habe, fügte Bisky hinzu.
----
Iraks schwarzes Gold
Spiegelfechter - Seit nunmehr zwei Jahren üben Washington und die internationalen Ölmultis spürbaren Druck auf die Regierung al-Maliki aus, PSAs an internationale Unternehmen zu vergeben, die in einem Ölgesetz festgeschrieben werden sollen. Eine Vergabe von PSAs an ausländische Ölfirmen ist momentan im Irak innenpolitisch allerdings nicht durchsetzbar. Dies musste auch der irakische Ölminister Hussain al-Shahristani einsehen, als er auf den internationalen Druck, Irak solle angesichts der Lieferengpässe auf dem Weltölmarkt schnellstens in seine Ölförderung investieren, mit einem Kompromissangebot antwortete, das „Big-Oil“ zwar ins Geschäft rund um das irakische Öl bringt, aber keinesfalls in der Form, die man sich in den Konzernzentralen der Ölgiganten gewünscht hätte.
----
Schnüffelchips in Einzelhandels-Kassen
Fefe - Und noch ein Tentakel für den Schnüffelstaat: Fiscus will Schnüffelchips in den Einzelhandels-Ladenkassen. Begründung: gegen Umsatzsteuerbetrug. Äh, wie meinen? Umsatzsteuerbetrug? Hallo?!? Geschäfte machen doppelte Buchführung, die kaufen die Waren und verkaufen sie wieder. Warenein- und Ausgänge werden in der Buchhaltung aufgezeichnet. Wenn jemand eine Waren verkauft, muß er sie vorher woanders eingekauft haben. Es müßte also in der gesamten Wertschöpfungskette betrogen werden, damit eine Ware nicht in den Büchern auftaucht und man dann die Umsatzsteuer dafür hinterziehen kann. Totale Luftnummer also mal wieder, und natürlich mal wieder die SPD. Ein Glück, daß die so gut wie weg vom Fenster sind.
----
Steinmeier muss weg
Feynsinn - Es ist schon zum Schmunzeln: Kurt Beck, der Provinztrödel aus der Pfalz, macht nicht nur immer noch seinen Job, sondern den der SPD-Fraktion im Bundestag gleich mit. So kritisiert er den Umgang der Kanzlerin mit gemeinsam gefassten Beschlüssen, während die Stones zu jedem Schuß lächeln, den die CDU ihr ihrer Partei in den Bug ballert.
Der allseits beliebte Herr Steinmeier soll ja das Ruder übernehmen, schauen wir doch mal, was er so leistet.

----
Deichmann am Pranger
Süddeutsche Zeitung - Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen: Kambodschanische Arbeiterinnen beklagen sich über unhaltbare Zustände in einer Schuh-Fabrik. Auch Europas größter Schuhhändler Deichmann gerät damit ins Visier - der bisher als Synonym für Ethik in der Wirtschaft stand. Weil sie Lösemitteldämpfen ohne Schutzmasken ausgesetzt sind, lassen die gesundheitlichen Folgen nicht lange auf sich warten: Kambodschanische Arbeiterinnen werden von Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen geplagt. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht.
----
"Er hat der Partei gezielt geschadet"
Süddeutsche Zeitung - Wolfgang Clement will durch alle Instanzen gehen, um seinen Rausschmiss aus der SPD zu verhindern. Doch jetzt droht sein Bochumer Ortsverein mit dem gleichen Mittel - allerdings mit dem Ziel, den ehemaligen Superminister endlich loszuwerden.,Von Thorsten Denkler, Berlin,,Erst poltert Ex-Innenminister Otto Schily, er werde nötigenfalls "durch alle Instanzen gehen" um einen Rauschmiss seines Mandanten und Ex-Wirtschaftsministers Wolfgang Clement aus der Partei zu verhindern. Jetzt poltert Clements Ortverein Bochum-Hamme auf sueddeutsche.de zurück: Es sei "überhaupt keine Frage", dass auch der Ortsverein zur Not alle Instanzen bemühen werde, damit Clement das Parteibuch entzogen werde, sagte Martin Rockel, Vorstandsmitglied und Sprecher des Ortsvereins.
Anmerkung: Ich denke, Clement wehrt sich vor allem deswegen so verbissen gegen den Rausschmiss, weil er sonst als korruptes Element in Lobbyarbeit nicht mehr zu gebrauchen ist. Gekaufte Abgeordnete gibt es bei CDU und FDP im Dutzend billiger, aber bei der SPD hat die Atomlobby den Fuß noch nicht in der Tür.

----

5 Kommentare:

  1. Natuerlich kann man bei der Umsatzsteuer bescheissen. Und man kann nicht nur, man tut es auch.

    AntwortenLöschen
  2. Warum sagt Roger so "böse Sachen"? -
    Vielleicht sollte er sich mal den "anständigen" Clement zum Vorbild nehmen. Der kämpft wenigstens um seinen Verbleib in der SPD, weil er nicht vergessen hat, daß er ohne seine Partei ein Niemand wäre.

    Okay, war ein Scherz.

    AntwortenLöschen
  3. Ich glaube, die Liste war zum Zeitpunkt meines Kommentars noch nicht vollstaendig und Clement stand noch nicht drauf - vielleicht lag er aber auch nur unterhalb meiner Wahrnehmungsschwelle.

    ;-)

    AntwortenLöschen
  4. Clement sollte man wirklich einfach ignorieren. Das dürfte für ihn die schlimmste Strafe sein.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.