Freitag, 18. Januar 2008

Kopfnoten in NRW wieder eingeführt

Es war einer der großen Erfolge der sozialliberalen Ära in der Reformierung des Bildungswesens, dass die lästigen und überflüssigen Kopfnoten abgeschafft wurden (Verhalten, Mitarbeit, häuslicher Fleiß). Diese Entwicklung ist an Baden-Württemberg (als einzigem Bundesland) vorübergegangen, aber das ist hierzulande auch nicht anders zu erwarten, wo man wahrscheinlich froh über die progressiven reformerischen Kräfte innerhalb der CDU sein muss, die die Prügelstrafe abgeschafft haben.
Nun hat die CDU-Bildungsministerin Barbara Sommer quasi als verspätetes Produkt der "geistig-moralischen Wende" von 1982 (zusammen mit der verkorksten Einigung und dem Privatfernsehen wohl das tödlichste Kuckucksei der Regierung Kohl) die Kopfnoten wieder eingeführt und damit etwas geschaffen, was selbst der konservative Philologenverband als "bürokratisches Monstrum" bezeichnet. Gleich sechs Noten sollen inzwischen von den Lehrern festgelegt werden (Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Konfliktverhalten und Kooperationsfähigkeit), zwei volle Unterrichtstage gehen pro Jahr nur dafür flöten. Aussagekraft: null. Aufwand: gigantisch.
Die Aussagekraft dieser Kopfnoten, die hier in BW "immerhin" nur in der Gestalt der beiden Noten "Verhalten" und "Mitarbeit" daher kommen, sollen sogar im Abi stehen (worauf man sogar hierzulande verzichtet). Das Problem ist, dass sie weder Aussagekraft haben noch haben können, man aber mit ihnen viel implizieren wird. Es ist bereits jetzt abzusehen, was laufen wird: 98% aller Schüler werden in allen Noten ein "gut" stehen haben. Etwa 0,5% aller Schüler werden in einer oder mehreren der Noten "sehr gut" sein, meist wegen außerschulischen Engagements oder weil sie sonst überall gut sind und irgendjemand es nicht ertragen kann, dass sie da nur ein "gut" haben. Und etwa 1,5% werden auch mal in der einen oder anderen Note nur "befriedigend" sein. So zumindest stellt sich die Lage in BW dar. Diese 1,5% werden in praktsich 100% der Fälle männlich sein und als Störer auffallen. Wie bei den mündlichen Noten auch wird latente Aufsässigkeit "bestraft", angepasstes Wohlverhalten belohnt - ohne jeden Blick darauf, wie die Leistung des betreffenden Schülers ist oder ob er sich kritische Gedanken zum Thema macht.

12 Kommentare:

  1. Es geht auch anders: Ich habe eben das Zeugnis meiner Tochter gesehen. "Unbefriedigend" sei ihr Konfliktverhalten. Sie erklärt sich das so, daß eine Lehrerin mit ihr nicht klar kommt. Kann ja sein, daß die Lütte eine große Klappe hat, aber das so zu berwerten, als bekäme jeder was auf die Fresse, der sich mit ihr anlegt, ist schon großes Kino. Die haben sie doch nicht alle!

    AntwortenLöschen
  2. Genau das ist ja meine Kritik an diesen blödsinnigen Noten.

    AntwortenLöschen
  3. Kopfnoten sind eine Schweinerei, da sie nicht nachvollziehbar sind. Die Kleinen sind somit der Willkür der Lehrerschaft ausgesetzt und werden zu Duckmäusern erzogen.

    AntwortenLöschen
  4. Im Prinzip - und ich weiß dass ich mich damit jetzt in die Kohlen setze - finde ich die Idee, das Sozialverhalten der Schüler in die Bewertung zu integrieren nicht verkehrt. Grundsätzlich sind nämlich die sozialen Kernkompetenzen einer der wichtigsten Lernbereiche im großen Bildungsunternehmen "Schule" und sollten daher auch eine entsprechende, für Schüler und Eltern greifbare Leistungsbewertung erfahren. ABER: Das, was hier in NRW eingeführt wurde, ist eigentlich nichts weiter als ein bürokratischer und bis ins Detail undurchdachter Popanz. De Facto wird dadurch, dass diese Notenvergabe enorm Aufwändig ist, die Endnoten allerdings aus dem Mittel aller Lehrerangaben besteht, aus einer Mischung von Faulheit und Meinungsdifferenz ein gewaltiger Einheitsbrei entstehen. Für die meisten Schüler heist das: Es ändert sich de facto gar nichts, denn die Aussagekraft der Kopfnote ist nicht existent. Für die wenigen, die Abweichen, kann das allerdings, insbesondere bei Abweichung nach unten, fatale Konsequenzen haben. Die offizielle Idee sieht schließlich vor, aus den Kopfnoten ein zentrales Einstellungskriterium für die Industrie zu machen - und wer stellt jemanden ein, wenn er zwar hochqualifiziert, aber sozial unbequem ist? Dazu kommt, dass Lehrer für die Bewertung von Leistung ausgebildet werden - für die Bewertung sozialer Kompetenzen bleibt dem durchschnittlichen Pädagogen im Wesentlichen nichts anderes übrig als der Rückgriff auf sein "Bauchgefühl". Und in diesem Sinne erscheint es mir doch Fragwürdig, Karrierepläne von Schülern frühzeitig zunichte zu machen, weil irgendein Pauker eine Darmverstimmung hatte...

    AntwortenLöschen
  5. Puhhh!!! Gut , dass ich das nicht mehr erleben muss! Wenn ich bedenke wie oft ich mit diversen Lehrern aneinander gerasselt bin... .
    Ich halte ja schon so Noten für wenig aussagefähig, aber das ist echt alles doch nicht mehr nachvollziehbar.
    Die Noten sind wohl auch eher als eine Form der Disziplinierung zu sehen.

    AntwortenLöschen
  6. Richtig, und genau das ist das Problem. Leistung ist eine Sache, Konformität eine andere. Und die in Noten zu gießen ist Unfug.

    AntwortenLöschen
  7. Zwei Aspekte finde ich noch erwähnenswert:
    - Die Kopfnoten sind gerade in dem Bereich, wo sie als fruchtbar verkauft werden, kontraproduktiv: Anstatt nämlich den Erwerb sozialer Kompetenzen zu fördern, was Geld, Ideen und wirkliche Reformen benötigte, werden einfach "Resultate" geliefert, die nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt werden.
    - Ich stelle gelegentlich Mitarbeiter ein. Wenn ich mir die Bewerbungen und Zeugnisse anschaue, haben solche Bewerber keinen besonders guten Stand, die überall Einser haben. Das ist mir suspekt. Es spricht nämlich nicht wirklich für soziale Kompetenz, wenn jemand sich immer perfekt anpaßt und exakt das liefert, was die Schule erwartet. Andererseits ist es auch keine gute Basis, wenn durch Kopfnoten der Eindruck entsteht, daß jemandes Verhalten durchgängig defizitär ist. Also nur noch Durchschnitt einstellen?
    Nein, man schaut sich die Leute eben genau an, wenn man wert auf kompetente Mitarbeiter legt. Die Kopfnoten stehen dabei völlig auf /ig.
    Ich gehe aber ohnehin davon aus, daß die Kopfnoten in NRW nur die Legislaturperiode, maximal aber die Dauer einer CDU-Regierung überleben.

    AntwortenLöschen
  8. Zu hoffen wäre es, ich stimme dir jedenfalls zu.

    AntwortenLöschen
  9. Zum Glück sprechen mir die Meisten aus der Seele. Was denken sich unsere Politiker eigendlich? Das Geld für diese bescheuerten Kopfnoten könnte sinnvoller eingesetzt werden. z.B. in zusätzliche Schulbusse oder Lehrkräfte. Das ist es was unseren Kindern fehlt und nicht ein Druckmittel das aus unseren Kids willenlose Zombis macht. Mich würde es nicht wundern, wenn es auf Grund der Kopfnoten zu noch mehr Gewalt an unseren Schulen kommt. Noch weniger Perspektiven für unsere Schüler und jetzt bekommen einige auch noch schriftlich bestätigt das sie Verlierer sind. Wofür sollen sich unsere Kids denn noch bemühen, wenn sie von den Lehrern als minderwertigt abgestempelt werden. Zudem befinden sich die Kids sowieso schon in einem schwierigen Alter. Die meisten ändern sich grundlegend wenn sie den schwehren Weg des erwachsen werdens hinter sich haben, aber dann klebt der Stempel der Kopfnoten an Ihnen wie ein schlechtes Tatoo. Danke liebe CDU. Ich hoffe das die Wähler (im übrigen auch irgendwann unsere Kinder) niemals vergessen, wem sie das zu verdanken haben:-(((

    AntwortenLöschen
  10. "Bewerber keinen besonders guten Stand, die überall Einser haben. Das ist mir suspekt. Es spricht nämlich nicht wirklich für soziale Kompetenz, wenn jemand sich immer perfekt anpaßt und exakt das liefert, was die Schule erwartet."

    Juhu, es sehen das auch andere so ;). Das freut einen zu hören.

    Generell sind diese Noten natürlich Unsinn, das steht ausser Frage. Aber ich hatte auch nicht zu jedem Lehrer ein freundschaftliches Verhältnis und habe gute Noten in Verhalten und Mitarbeit bekommen. Ich persönlich fand meine Noten gut und angemessen, habe also selbst damit keine schlechten Erfahrungen gemacht.

    Aber das generelle Problem bleibt, das diejenigen die brav da sitzen und nicht auffallen selbst ein "gut" für Mitarbeit bekommen ohne etwas zu tun, und diejenigen welche auffallen, aber gleich viel (oder villeicht manchmal mehr) tun, eben nur ein "befriedigend" oder schlechter. Besonders da viele Lehrkräfte nicht mal in der Lage sind ordentliche mündliche Noten zu vergeben...

    AntwortenLöschen
  11. Sorry, aber ich habe das Gefühl, ir wißt nicht was wirklich so Sache ist.
    In NRW habe laut Statistischem Landesamt 2 223 400 Schüler Kopfnoten bekommen.
    Wenn nur 5% schlechter als gut sind , sind es 111170 Schüler
    gehen wir davon aus das 2% unbefriedigend haben sind es
    44468 Schiksale.

    Mein Sohn macht Hauptschule 10 Typ B und muß sich mit dem Zeugniss für Sommer 2008 bewerben.
    Notendurchscnitt = 2,5
    Kopfnoten 2x befriedigend
    4x unbefriedigend

    Damit ist seine Chance auf Zukunft und Beruf "Hingerichtet"

    AntwortenLöschen
  12. Wer weis nicht von was wer redet? Ich bin zur Schule gegangen und habe Noten in "Verhalten" und "Mitarbeit" bekommen, also weis ich durchaus von was ich rede!

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.