Donnerstag, 10. Januar 2008

Vernünftige Debatte

Man sollte es kaum glauben: CDU-Politiker haben eine vernünftige und längst überfällige Debatte losgetreten. Noch viel ungaublicher ist, dass es Günter Oettinger war. Nicht, dass er das beabsichtigt hatte; nachgedacht hat er über seine Aussage wahrscheinlich ähnlich lange wie bei seiner Filbinger-Rede.
Die Aussage, von der die Rede ist ist, dass das "Scheiß-Privatfernsehen" mit Schuld sei an der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Jugendlichen; von der Leyen deckelte gleich drauf und sagte es mache "dich, dumm, traurig und gewalttätig".
Sicherlich haben sie Recht; das Privatfernsehen ist eine Vergewaltigung jeden Anspruchs, eine hohnlachende Verspottung jeglichen Intellekts. Ob die Zusammenhänge wirklich so einfach sind, wie die CDU-Politiker sie darstellen, darf ebenso bezweifelt werden (und wird beispielsweise von Heribert Prantl auch bezweifelt). Interessant ist etwas anderes.
Es waren CDU-Politiker, ihnen allen voran Helmut Kohl, die im Rahmen ihrer geistig-moralischen Wende von 1982 die sozialliberale Bildungsoffensive der 1960er und 1970er Jahre beendeten und stattdessen das Privatfernsehen zuließen. Helmut Schmidt und seine SPD hatten, wie ihre Vorgänger, sich mit Händen und Füßen gegen die Zulassung des Privatfernsehens gewehrt. Auch Albrecht Müller von den NachDenkSeiten hat oft genug beschrieben, dass die Folgen schon damals in diversen Studien prophezeit wurden. In der CDU verantwortlich war damals Postminister Schwarz-Schilling, der einen kurzen "narkotischen Effekt" prophezeite und später mit "größerer Überlegung" bei den Leuten rechnete.
Heute wird man die Geister, die man gerufen hat, nicht mehr los. Gerhard Schröder behauptete in folgenschwerem Irrtum, er brauche "für's Regieren nicht mehr als BILD, BamS und Glotze". Die völlige Verwahrlosung des Programms, das inzwischen zu einem wahrhaftem Klassenprogramm geführt hat - RTL und Konsorten für die Unterschicht, Arte für die Oberschicht - hat die konservativen Wertehüter gegen die Verbündeten von einst auf den Plan gerufen. Selbst die heilige Kuh Sat.1 ist davor seit der Nachrichtenkürzungen nicht mehr verschont; außerdem bezahlt Leo Kirch nicht mehr Helmut Kohl, und letzterer ist sowieso nicht mehr Kanzler.

1 Kommentar:

  1. Nun ja. Der Kritik am Niveau des privaten TVs schließe ich mich zwar an. Wer allerdings so tut, als wäre das öffentlich-rechtliche Fernsehen vor Einführung des Privatfernsehens überwiegend ein niveauvolles Bildungsprogramm gewesen, der muss an Alzheimer leiden. Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich als junger Mensch auch deswegen abends in die Kneipe oder Disco geflohen bin, weil ich zuhause nur vor der Wahl zwischen der ZDF-Hitparade, dem Festival der Volksmusik und der zigsten Tatort-Wiederholung stand. Zwar wenig gewalttätig, dafür nicht minder grauenvoll als heute - vor Langeweile.

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