Beginnen wir mit der SPD, das hat sie sich mit dem Scholz-Coup verdient. Warum Scholz, warum Coup? Der Mann war effektiv unvermeidbar. Die SPD hat gleich mehrere Probleme. Das erste ist die Frage, ob sie überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstellen will. Das ist keine selbstverständliche Frage; die Partei eiert in Umfragen unter 15%, während die Grünen - unverzichtbarer Partner für jede Kanzler-Option - bei über 25% rangieren. Will die Partei das Kanzleramt, muss sie dieses Mehrheitsverhältnis drehen.
Man hat sich also entschieden, den Führungsanspruch aufzustellen. Damit war Scholz gesetzt. Die SPD hat keine andere Wahl, egal wie wenig Scholz zum Führungs-Duo oder dem Anspruch, eine Politik links der Mitte in einer rot-rot-grünen Koalition (der einzigen, in der Scholz Kanzler werden könnte) zu bestreiten. Das liegt schlicht daran, dass die Partei keineN andereN PolitikerIn hat, der oder die über das Bekanntheitsprofil Scholz' verfügen würde. Fraktionschef Mützenich oder Familienministerin Giffey sind beide viel zu unbekannt; die Partei müsste massiv investieren, um das zu ändern - mit ungewissem Ausgang.
Dazu kommt, dass Scholz aktuell hohe Beliebtheitswerte hat. Wie auch die Zustimmungsraten zu Angela Merkel sind diese mit Sicherheit ein Effekt der Corona-Pandemie und daher überhöht und würden unter Wahlkampfbedingungen schnell zusammenschmelzen. Aber es gibt schlichtweg niemand anderen, der auch nur annähernd in Scholz' Bekanntheits- und Beliebtheitsregionen vorstößt, weswegen er der einzig mögliche Kandidat bleibt.
Seine Sprödheit und sein mangelndes Charisma allerdings könnten in dem Wahlkampf auch Vorteile werden. Ohne Angela Merkel an der Spitze der CDU ist es Scholz, der eine gewisse bodenständige Kontinuität ausstrahlen kann. Und die ist, das zeigen die Umfragewerte deutlich, aktuell sehr gefragt.
Das beißt sich auf den ersten Blick natürlich mit der Zielrichtung, ein rot-rot-grünes Bündnis anführen zu wollen. Aber tatsächlich besteht hier für die SPD eine Chance: mit einem Kanzlerkandidaten Scholz, der verlässlich-langweilige, bodenständige und halbwegs konservativ-mittige Positionen vertritt entsteht eine Art Anker, der Wählende, die sich nach diesen Merkmalen Merkel'scher Regierungspolitik sehnen, einen Fluchtpunkt gibt. Gleichzeitig kann das andere Personal, vor allem das Vorsitzendenduo Esken und Walter-Borjans, die linke Flanke abdecken.
Dieses Manöver ist extrem risikoreich, aber es ist gleichzeitig die einzige Chance, die die Partei hat. Das erfordert natürlich Geschlossenheit (sonst läuft es wie Peer Steinbrück 2013, und Esken und Walter-Borjans machen mit ihren Interviews hier gerade keine gute Figur) und die Bereitschaft Scholz', sich für diese Rolle herzugeben und nicht das eigene Kool Aid zu trinken, das gerade in den Medien in epischer Breite bereit gestellt wird. Er hat keine Chance, alleine das Blatt zu wenden und Kraft seiner Persönlichkeit die Wahl zu gewinnen. Dazu braucht er die Partei und das rot-rot-grüne Bündnis. Wenn er das versteht - und die anderen Beteiligten auch - hat die Partei eine kleine Chance, die CDU mit einer Flankenbewegung von links UND rechts zu attackieren.
Die Aussichten auf Erfolg sind gering - aber höher als mit den anderen Optionen, vermutlich. Viel hängt natürlich von den Partnern ab, an die sich die SPD damit kettet. Aber auch den Letzten dürfte klar geworden sein, dass eine Fortsetzung der Großen Koalition das Todesurteil der Partei wäre. Es gibt schlichtweg keine Alternative mehr zum Bekenntnis für Rot-Rot-Grün; die Schimäre einer Neuauflage von Rot-Grün ist nur noch lächerlich.
Wo wir von Partner sprechen, der unsicherste Kantonist in diesem Bündnis ist natürlich die LINKE. Seit 2005 ist es ein Mantra der SPD, dass die Partei nicht regierungsfähig sei. Im Weg stehen dabei vor allem ihre außenpolitischen Positionen, sprich: die Ablehnung von NATO und Westbindung und die ausgesprochene Diktatorenfreundlichkeit der Partei.
Weniger problematisch dürften die sozialpolitischen Positionen sein. Hier gibt es genügend Raum zum Kompromiss, und jedeR ArbeitsministerIn dieser Partei würde schnell genug durch die Kabinettsdisziplin eingerahmt werden.
Es besteht wenig Zweifel daran, dass die Partei hier Kompromisse eines Koalitionsvertrags mittragen würde. Zu sehr ist der Hunger nach einer Regierungsbeteiligung in der Partei nach nunmehr 15 Jahren angewachsen. Sie WILL regieren, und dazu müssen eben manche Kröten geschluckt werden.
Die Außenpolitik aber bleibt ein Problem. Zwar hat der regierungsorientierte Flügel der Partei zugesagt, hier bisher unvorstellbare Kompromisse eingehen zu wollen, aber der harte Kern ist weiterhin fundamental gegen den bundesrepublikanischen Konsens. Ich sehe das allerdings als kein so großes Problem, wie es auf den ersten Blick scheint.
Denn die LINKE wäre in einem rot-rot-grünen Bündnis der kleinste Partner. Das Außenministerium fiele also so oder so an entweder die SPD oder die Grünen. Das lässt das Problem der Abstimmungen im Bundestag, wo ein signifikanter Teil der Partei gegen die eigene Regierung stimmen würde. Jede rot-rot-grüne Koalition hätte aber eine schmale Mehrheit und könnte sich dies daher nicht leisten.
Aber: das erzwingt letztlich, die Außenpolitik mit den Stimmen der Opposition (sprich: der CDU) durchzuboxen. Es ist nicht so, als wäre das ein sonderlich neues Szenario. In der letzten schwarz-gelben Koalition sah sich Merkel mit genau diesem Problem konfrontiert, wo der radikale Flügel der FDP wie auch ihrer eigenen Partei gegen die eigene Außenpolitik stimmte - und nur die Stimmen der stets verantwortungsvollen SPD diese abstützten. Außer verletztem Stolz oder demokratischer Unverantwortlichkeit spricht nichts dagegen, dass die CDU die Fortsetzung ihrer eigenen Außenpolitik mit ihren Stimmen stützen könnte, so wie die SPD das 2009 bis 2013 tat. Das heißt, viel Vertrauen in die demokratische Reife der CDU zu setzen, die sich mit der Oppositionsrolle bekanntlich schwer tut. Aber es ist durchaus möglich.
Was ihre eigene Rolle im Wahlkampf angeht, so wird die LINKE vermutlich wenig Ungewöhnliches wagen. Die Partei ist seit Jahren in einem engen Band von +/- 8% der Wählerstimmen eingefangen und wird dieses auch weiterhin zu halten vermögen. Ihre Energien im Wahlkampf sind hauptsächlich nach innen gerichtet, auf den Richtungskampf derer, die eine Koalition befürworten, und derjenigen, die sie grundsätzlich ablehnen. Letztere allerdings haben in letzter Zeit mehrere Macht- und Richtungskämpfe verloren.
Die Regierungsfrage stellt sich dagegen für die Grünen überhaupt nicht. Bereits seit mehreren Jahren sehen sie sich als natürliche Regierungspartei, eine Rolle, die ihnen 2017 nur wegen der Flucht aus der Verantwortung durch die FDP verwehrt blieb. Schwarz-Grün ist die wahrscheinlichste Regierungskoalition, Grün-Schwarz eine zumindest vorstellbare. Rot-Rot-Grün ist eine Option, Grün-Rot-Rot ebenso. Für einen neuen Anlauf auf Jamaika steht die Partei ebenso bereit wie für die eher abwegige Ampel-Koalition. Keine Partei ist aktuell so offen wie die Grünen.
Und das ist offensichtlich Strategie. Mit bewundernswerter politischer Disziplin vermeidet die Partei seit Jahren jegliche programmatische Festlegung, die für die problematisch sein könnte. Das Veggie-Day-Trauma sitzt tief. Die Partei verweigert sich jeglicher Spekulationen über Kanzlerkandidaten, verweigert sich der Teilnahme an den Kulturkämpfen der Stunde (die sie AktivistInnen überlässt) und flüchtet sich in wohlige Allgemeinplätze, wo immer es um konkrete Politik geht.
Gleichzeitig fungiert Habeck als eine Art Thermometer und Blitzableiter. Er geriert sich als Kanzlerkandidat, ohne es zu sein, aber nicht so offensiv, wie Scholz das tat (dessen brennender Wunsch in jeder seiner Bewegungen sichtbar war), weswegen die Partei auch jederzeit Baerbock als Führungsfigur hervornehmen könnte, wenn dies notwendig wäre.
Diese Offenheit ist natürlich typisch Merkel. Sie hält die Möglichkeit aufrecht, in jeder beliebigen Koalition Schwerpunkte zu setzen. Gibt es aktuell irgendeine rote Linie, die die Grünen aufgestellt hätten und die eine der obigen Koalitionsoptionen ausschließen würde? Greifen sie irgendeinen ihrer möglichen Koalitionspartner an? Nicht einmal die FDP, die nur zu gerne mit Maximal-Brachialität nach allen Seiten fordert, bekommt mehr als ein mildes Kopfschütteln. Nur die AfD darf sich der Ablehnung der Grünen gewiss sein.
Die Gefahren für den Wahlkampf sind deutlich. Die Umfragewerte der Partei sind eine wilde Achterbahn. Zwar befindet man sich inzwischen stabil jenseits der 20%, aber die Position ist stets prekär; allzu fest ist der Grund (noch) nicht, auf dem die Partei wandelt. Dessen ist sie sich wohl bewusst, daher auch die Vorsicht. Aber der Regierungshunger ist, ähnlich wie bei der LINKEn, groß, und er wirkt wie ein Disziplinierungsinstrument.
Letztlich bleibt die Partei abhängig von den Launen des politischen Tagesgeschäfts. Wenn, wie 2019, eines ihrer Profilthemen wieder auf die Tagesordnung kommt - vor allem natürlich der Klimawandel - dann wird die Partei wieder aufsteigen. Geschieht das nicht, spielt sie defensiv, versucht, aktuelle Gewinne zu halten und eine solide Basis zu schaffen. Die Partei muss nehmen was kommt - und sie ist perfekt dafür aufgestellt.
Das Gleiche kann man von der FDP nicht behaupten. Nach ihrer triumphalen Rückkehr in den Bundestag 2017 ist sie erneut in einer tiefen Krise, kommt seit Monaten über die 5-6% in den Umfragen nicht hinaus und ist damit schwer gefährdet, erneut aus dem Bundestag zu fliegen. Angelastet wird das vor allem ihrem Vorsitzenden Lindner. In der Sache sicherlich zu Unrecht; so viel Einfluss hat eine Einzelperson nicht. In der politischen Dimension aber zu Recht.
Lindner hat die Partei auf sich zugeschnitten, führt sie als Figur, die alles überstrahlt. Das war eine Weile erfolgreich. Doch seit die geheime Suppe nicht mehr munden mag, fällt dies auch auf die Partei zurück. Die taktische Entscheidung, 2017 nicht in die Regierung zu gehen, hat sich als Fehler herausgestellt. In der Opposition konnte die Partei nicht das Profil halten, das sie sich 2017 erkämpfte, und Corona gab ihr den Rest.
Zudem stürzte die Partei mit dem Desaster von Thüringen 2019 in die Negativ-Schlagzeilen, das ihr bis heute anhängt. Das Irrlichtern von Lindner vornweg, aber auch von Figuren wie Kubicki, hat der Partei zwar neue Fans im Lager der VerschwörungsmythologInnen und Pegida-DemonstrantInnen eingebracht, aber nicht bei der eigentlich angestrebten Kernwählerschaft der Bürgerlichen, die sich nach stabil-konservativer Regierung sehnen. Diese sind in der Corona-Krise alle wieder zur CDU zurückgeströmt und haben die Partei in ungeahnte Höhen zurückgebracht.
Gleichzeitig ist die Botschaft der FDP inkonsequent. Lindner hat mehrfach angekündigt, 2021 für einen neuen Versuch mit Jamaika bereit zu stehen; gleichzeitig greift er aber permanent die Grünen massiv an und nur unwesentlich schwächer die Unionsparteien, von den ebenso langweilig-berechenbaren wie wirkungslosen Ausfällen gegen den "Sozialismus" von SPD und LINKEn ganz zu schweigen. Vergleichsweise sanft geht man mit der AfD um, deren WählerInnen man nur allzu gerne abschöpfen würde - ein Spagat, den Lindner seit 2017 versucht, der aber von wenig Erfolg gekrönt ist.
Die FDP kämpft daher 2021 einmal mehr um das politische Überleben. Ich glaube nicht, dass sie tatsächlich aus dem Bundestag fliegen werden - die aktuellen Umfragewerte scheinen mir dafür zu corona-spezifisch, zu unsicher und wenig substanziell - aber wenigstens für Lindner selbst steht viel auf dem Spiel. Die Zerrissenheit der Partei, die einerseits in Thüringen, andererseits in seinem Konflikt mit seiner Generalsekretärin Teuteberg deutlich wurde, ist da auch keine große Hilfe.
Innerliche Zerrissenheit, sonst doch eine Provenienz der linken Parteien, ist auch der CDU nicht fremd. Der Versuch des Befreiungsschlags, mit einer Urabstimmung die Nachfolge Angela Merkels klären und so gestärkt in die kommende Bundestagswahl ziehen zu können, schlug gründlich fehl. Das knappe Ergebnis zwischen dem Kandidaten von vorgestern, Friedrich Merz, und der Kandidatin von Merkels Gnaden, Annegret Kramp-Karrenbauer, ließ die Partei zerrissen.
Kramp-Karrenbauers Scheitern schuf ein Vakuum, das nur wegen Corona und der Ersatz-Vorsitzenden Merkel bisher nicht zum Schaden der Partei aufgetreten ist. Aktuell verschleppt die Union die Frage um Vorsitz und Kanzlerkandidatur, die, wie die SPD einmal mehr beweist, keineswegs als Einheit begriffen werden muss. Das ist wenig verwunderlich, denn der Kampf um die Seele der Partei und ihre zukünftige Ausrichtung tobt hinter den Kulissen mit unverminderter Wucht.
Es ist das Glück der Union, dass Angela Merkel nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung steht und nicht mehr Vorsitzende ist, weswegen die Regierung funktioniert und arbeitet und die Partei selbst für die Intrigantenkämpfe genug Energie übrig hat. Nicht, dass deren Personaltableau sonderlich erklecklich wäre.
Jens Spahn ist als Gesundheitsminister an die Kabinettsdisziplin gefesselt und hat schlicht alle Hände voll zu tun. Zudem hat er immer noch keine Hausmacht in der Partei. Norbert Röttgen hat zwar erklärt, kandidieren zu wollen, tut sich aber schwer damit, irgendwelche Menschen zu finden, die das für eine gute Idee halten. Friedrich Merz will unbedingt weiterhin Vorsitzender und Kanzlerkandidat werden, aber er ist Kandidat des rechten Teils der Partei, ist wegen Corona völlig in der Versenkung verschwunden und spürt gerade den Mangel an einer eigenen Hausmacht. Armin Laschet mangelt es ebenfalls nicht an Ambition, aber seine Fehlschläge in der Corona-Krise empfehlen ihn nicht eben für höhere Würden; dieses Schicksal teilt er mit seiner Amtsvorgängerin Hannelore Kraft. Bleibt CSU-Chef Markus Söder, der vor allem mangels Konkurrenz als verantwortungsvolles Staatsoberhaupt erscheint, aber als Bajuvare mit zweifelhaftem Ruf einen eigenen Sack Hypotheken auf dem Rücken schleppt.
Ich bin ziemlich sicher, dass die aktuellen Höhenflüge in den Umfragen von 40%+ eine Schimäre sind, die in einer Art Merkel-Nostalgie und Unterstützung einer im Großen und Ganzen kompetent agierenden Regierung in Krisenzeiten zu verdanken ist. Wenn der hässliche Kampf um die CDU-Spitze erst einmal voll beginnt - und irgendwann muss er das - wird dieses Bild verblassen, und die CDU wird wieder absinken - möglicherweise in die Regionen mit 2X%, in denen Kramp-Karrenbauer sich befand.
Wie Christian Odendahl in einem lesenswerten Thread ausgebreitet hat, gewann die CDU unter Merkel massiv Stimmen unter Frauen und MigrantInnen hinzu. Diese Stimmen sind Merkel-Stimmen. Ein Merz oder Laschet oder Söder würden sich zumindest sehr schwer tun, sie zu halten, vermutlich aber sie verlieren. Die Partei müsste diese auf ihrer rechten Flanke gut machen, aber die aktuelle Schwäche von AfD und FDP machen das zu einer schwierigen Strategie. Verschöbe der kommende Kandidat der CDU die Partei wieder nach rechts ist das keine Garantie für elektorale Erfolge, wie die SPD aus eigener bitterer Erfahrung berichten kann. Vielleicht wäre es nur ein Doping für FDP und AfD.
Letztlich aber ist es gerade die Ungewissheit, die das Problem darstellt. Vielleicht kann Merz die CDU auch konsolidieren und eine solide schwarz-gelbe Mehrheit in die nächste Regierung führen. Das ist schlicht unklar. Für die CDU ist jede Entscheidung ein Sprung ins Dunkle, ins Ungewisse. Solche Phasen sind inhärent gefährlich.
Eher ungefährlich ist die Situation für die AfD. Sie teilt mit der LINKEn die relativ stabile, einstellige Komfortzone, in der sie sich bewegt. Es ist kaum vorstellbar, dass die Partei wieder aus dem Bundestag fliegt, aber genauso wenig vorstellbar ist, dass sie Ergebnisse jenseits der 15% erzielt. Die letzten beiden Jahre waren der hinreichende Beweis, dass die Partei davon abhängt, dass der öffentliche Diskurs - wie 2017 - ihre Prämissen und Themen teilt. Spricht man über Flüchtlinge und Migration, über Islam und Einwanderung, dann steigt die Partei in den Umfragen. Verweigert man ihr diesen Gefallen, sinkt sie ab.
Die AfD leidet zudem unter einem Flügel- und Führungskampf. Offen rechtsextremistisches Personal zwang das Bundesamt für Verfassungsschutz endgültig dazu, entgegen seiner Präferenzen eine Beobachtung der Partei zu starten. Es erzwang auch einen Parteiausschluss, der die ganze, chaotische Unprofessionalität der Partei offen legt.
Die AfD ist die eindeutigste Protestpartei im aktuellen Spektrum. Es ist unvorstellbar, dass sie 2021 in eine Regierung geht, selbst wenn manche Kräfte in CDU und FDP sich durchaus eine Koalition vorstellen könnten. Wie auch die LINKE richtet die AfD daher ihre Energien nach innen, auf die Befriedung ihrer Flügel, auf die Festigung der Parteistrukturen, kurz: auf die Defensive. Die Partei wird im Bundestag bleiben, sie hat eine verlässliche Basis (einen Luxus, den die FDP nicht hat). Ihr muss es darum gehen, eine gute Ausgangsstellung für die Legislaturperiode 2021-2025 zu bekommen, vielleicht im ersten Bundesland an die Regierung zu kommen und eine Balance zwischen ihren rechtsextremistischen Positionen und ihrem öffentlichen Auftreten zu finden, der den bürgerlichen Parteien genug Selbsttäuschung erlaubt, um die Nasen zuzuhalten und die Koalition einzugehen.
Das lässt uns mit vielen Aussichten auf mögliche Koalitionen. Ein großer Teil davon hängt entscheidend davon ab, wie sich die Richtungskämpfe innerhalb der CDU und der LINKEn (und, zu einem geringeren Teil, der FDP) entwickeln und wie dumm sich die SPD anstellen wird.
Mein Grundvertrauen darin, dass die Genossen schlechte taktische Entscheidungen treffen, unnötige Fehler begehen und glorreiche Eigentore schießen werden, ist quasi grenzenlos. Umgekehrt bin ich recht zuversichtlich, dass die Grünen einen disziplinierten Wahlkampf fahren werden, dessen Ausgang aber mehr oder weniger aus ihren Händen genommen ist und zu sehr von der Aufmerksamkeit und der Themenwahl der breiten Öffentlichkeit abhängt.
So oder so dürfte damit zu rechnen sein, dass 2021 die Ära Merkel endgültig endet - und damit auch die lange Phase schwarz-roter Koalitionen. Es dürfte spannend werden, und auch, wenn die obige Schilderung und das Verhalten vieler Parteien es nicht nahelegt, so werden doch Richtungsentscheidungen getroffen. Wie Deutschland künftig aussehen soll und welche Mehrheiten es prägen, wird 2021 deutlich werden - und wenigstens die nächsten Jahre bestimmen.
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