Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
1) Wieso im deutschen Regional-TV chinesische Propaganda läuft
Das Magazin entsteht in einer Kooperation mit der Guang Hua Media (Deutschland) GmbH. Die Firma ist keine Unbekannte. China versucht seit Jahren systematisch, ausländische Medien zu unterwandern, indem es diese aufkauft oder Anteile erwirbt. Mithilfe von Kooperationen, die für die Partner sehr lukrativ sind, mit Beilagen in renommierten Blättern und Dialogforen, versucht die Regierung, die Debatte über China im Ausland zu steuern. Auch chinesischsprachige Medien, die früher unabhängig berichtet haben, stehen inzwischen weltweit fast alle unter direktem Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas. Durch globale und regionale Organisationen sind die chinesischsprachigen Medien miteinander verbunden, wie die Chinawissenschaftlerin Mareike Ohlberg in ihrem aktuellen Buch über Chinas Versuche schreibt, westliche Demokratien zu unterwandern. [...] Ob die Kennzeichnung ausreicht, um die Zuschauer auf den Hintergrund der Produktion aufmerksam zu machen, erscheint zumindest fragwürdig. In Peking dürfte man hochzufrieden sein. Chinas Staats-und Parteichef Xi fordert eine neue globale Medienordnung, die im Sinne Pekings tickt. Boote leihen, um zur See zu fahren, nennt man solche Kooperationen in China. In Urbar scheint man dafür gerne bereitzustehen. (Lea Deuber, Süddeutsche Zeitung)
Es bleibt eine Herausforderung der westlichen Gesellschaften, von autokratischer Propaganda unterwandert zu werden. In den letzten Jahren wurde immer wieder die russische Tätigkeit thematisiert, vor allem, wenn es um die Trollfabriken geht (wo sowohl bezahlte MitarbeiterInnen als auch programmierte Bots die sozialen Netzwerke mit Fake News und anderem zersetzendem Material überschwemmen) als auch um offizielle Outlets wie Russia Today. Es sollte eigentlich wenig überraschend sein, dass auch China entsprechende Beeinflussungsversuche unternimmt.
Es wäre spannend, genauer zu untersuchen, in welche Richtung China geht. Die russischen Unterwanderungsversuche zielen ja eher auf den Rand der Verschwörungsmystiker und sonstwie abweichenden Meinungen ab, die sie zu festigen und vergrößern versuchen. Von dem, was Deuber im obigen Artikel beschreibt, scheint es eher, als ob China es klassischer angeht und vor allem ein positives Bild zeichnen möchte. Dies wäre konsistent mit der formulierten außenpolitischen Strategie, als gutes Mitglied der internationalen Gemeinschaft wahrgenommen zu werden, um in einem potenziellen Konflikt etwa mit den USA als "die Guten" dastehen zu können, wo Russland mit geradezu frivoler Lust seine Identität als Bad Boy pflegt.
2) Tweets
#corona: 88% kluge, solidarische, rücksichtsvolle deutsche.
warum kommen die 12% dann gefühlt unentwegt zu wort bzw. warum wird über die 12% so viel geredet & berichtet? #fail pic.twitter.com/PoRGMn0f0F— Sabine Maur (@SabineMaur) October 9, 2020
FDP: Niemand hat noch Verständnis für die Anti-Corona-Maßnahmen
Deutschland im August 2020: https://t.co/AaY61JeNBA pic.twitter.com/TvuCWlUPLF— jfkr_ (@jfkr_) September 25, 2020
Auf der einen Seite decken die Meinungsumfragen deutlich meine hier schon öfter geäußerte These, dass die MaskengegnerInnen und VerschwörungsmystikerInnen eine deutliche Minderheit in der deutschen Bevölkerung sind und viel zu viel Aufmerksamkeit erhalten. Zu den gerade einmal 12% gehören ja auch die rationaleren MaskengegnerInnen, die nicht völlig abgespaced sind und etwa vor allem bürgerrechtliche Bedenken haben. Es wäre vielleicht mal an der Zeit, den vernünftigen 88% mehr Platz einzuräumen. Über angebliche Zensur und mangelnde Meinungsfreiheit beklagt sich dieser Rand ja offensichtlich eh, selbst wenn sie krass überrepräsentiert sind. Damit sollte dringend aufgehört werden. Die Strategie, mit den SpinnerInnen am Rand zu sprechen und sie in die Mitte der Debatte zu heben, war schon in der Flüchtlingskrise verheerend. Der Diskurs, den gerade die rationaleren KritikerInnen sich wünschen, kommt so nicht zustande. Sie landen nur im selben Topf wie der SpinnerInnenkreis.
Auf der anderen Seite zeigt sich, dass der Versuch, sich zum elektoralen Flaggschiff der Maskengegnerschaft zu machen, für die FDP ein ziemlich schlechter Move ist. Nicht nur ist ein sehr großer Teil ihrer Parteibasis gegen diese Botschaft; sie konkurrieren damit zusammen mit der AfD (und teilweise auch der LINKEn und CDU) um dieselben 12% der WählerInnen, von denen ein Teil ohnehin so weit vom demokratischen Prozess entfernt steht, dass sie als WählerInnen der "etablierten Parteien" ausfallen. Der zunehmende Trend von Teilen der FDP, sich an dieses Segment anzutackern, könnte der Partei noch ziemliche Probleme verursachen, auch wenn es natürlich zu begrüßen wäre, wenn eine demokratische Partei statt der AfD diese Stimmen aufsaugt. Wir werden sehen. Es ist in jedem Fall ein risikoreiches Spiel und eine gefährliche Balance, und schaut man sich etwa an, wie rapide Wolfgang Kubicki gerade ins radikale Lager abdriftet (er veröffentlicht Gastbeiträge bei der Achse des Guten), so muss man sich wirklich Sorgen machen.
3) Hinter dir, ein dreißigjähriger Affe!
"Monkey Island" und sein Protagonist, der Möchtegern-Pirat Guybrush Threepwood, sind für Adventures das, was "Tony Hawk" für Skateboard-Simulationen und "Command & Conquer" für die Echtzeitstrategie sind: Klassiker, die synonym für ein Genre stehen, das seine goldenen Zeiten längst hinter sich hat. [...] Warum "Monkey Island" in der sonst so schnelllebigen Spielekultur noch immer präsent ist, kann sich auch sein Erfinder nicht genau erklären. "Das werde ich oft gefragt", sagt Gilbert, ohne selbst eine Antwort zu haben. "Es war einfach ein Spiel, das wir mit Mitte zwanzig gemacht haben und dabei viel Spaß hatten." Gedanken über das Jahr 2020 habe man sich damals nicht gemacht. [...] Der runde Geburtstag von 'Monkey Island' lässt Gilbert zwar nicht sentimental werden, "aber es bedeutet mir etwas", fügt er dann doch noch an, "dass wir etwas erschaffen haben, das vielen anderen Leuten noch immer etwas bedeutet." Solange die Serie für Disney nicht eine Menge Geld bedeutet, bleibt "Monkey Island" vorerst ein uraltes Kultspiel. Lustig bleibt es trotzdem. Selbst, wenn man die Pointen schon längst kennt. (Daniel Ziegener, SpiegelOnline)
Ich zitiere diesen Artikel einerseits aus Nostalgie; ich kann Monkey Island heute noch am Stück durchspielen, weil ich die Rätsel, ihre Lösungen und die Dialogpfade immer noch weitgehend auswendig kann. Dieses Spiel war absolut großartig, und ich habe es das erste Mal 1992 gespielt - das ist jetzt doch schon eine Ecke her. Ich bin Guybrush Threepwood, und ich möche Pirat werden!
Auf der anderen Seite zeigt der Artikel aber auch, wie untererforscht Videospiele als Literatur immer noch sind. Das Game ist mittlerweile 30 Jahre alt, ein absoluter Klassiker, dessen prägende Bedeutung allseits anerkannt wird - ohne dass sich je jemand ernsthaft mit der Frage beschäftigt zu haben scheint, warum das so ist. Gerade ein so textlastiges Spiel wie Monkey Island eignet sich doch hervorragend für literaturwissenschaftliche Untersuchungen.
4) Wenn die Eltern nicht studiert haben
Wir diskutieren dieses Problem seit mittlerweile über 20 Jahren, seit die erste PISA-Studie es mit Wucht aufs Tablett brachte, und diverse SoziologInnen haben die Existenz des Problems unzweifelhaft nachgewiesen. Deutlich zweifelhafter ist natürlich wie immer die Frage, was man dagegen unternehmen kann. Aber wie auf so vielen Feldern der Bildungspolitik besteht praktisch kein Handlungsdruck, und der Bildungsföderalismus wirkt leider meist als zusätzliche Bremse, auf einem Feld, das wahrlich keine Bremsen erfordert.
Was ich noch hervorhebenswert finde ist der mentale Aspekt. Denn während das Geld alleine schon Problem genug ist - schließlich ist Studieren teuer, und ArbeiterInnenkinder können üblicherweise nicht auf dieselben Ressourcen zurückgreifen wie AkademikerInnenkinder - so ist doch die mentale Hürde die eigentlich zu überkommende. Ohne psychologische Unterstützung, ein Unterstützungsnetzwerk etwa in der Familie, ist das alles deutlich schwieriger. Selbst wenn man das Geld völlig beiseite lässt, so ist allein der Faktor, dass bei den einen Kindern das Studium der natürliche Zustand ist, während es bei den anderen ein geradezu abartiger Karrierepfad ist, einen Hemmschuh dar, der sich nicht einfach mit einer Erhöhung des Bafög um 3% beseitigen lässt.
After spending the last four years trying to atone for its failures in the 2016 election, Washington media continues to show that their instincts are often about as solid as jello. That can be the only explanation why, for example, the cable networks and Sunday morning TV shows have administration officials—ones who openly and brazenly lie—on to feed some kind of narrative. [...] The political press is what it is because for decades it has chased the narrative of power, often pushed by the invisible hand of the horse race (who’s up, who’s down, etc) of politics. It serves no one any good. [...] Of course, we’re talking about this because a) the media is [hello Agenda Setting Theory], but also b) because there’s a Supreme Court confirmation starting today, as Amy Coney Barrett faces the Senate Judiciary committee. Even more fun: Amy Coney Barrett’s seat came up on the 7th Circuit February 18, 2015 when John Tinder stepped down. As McConnell had already put up the Red Wall in 2010, the seat sat empty for two years, with Senate Republicans stonewalling Obama’s pick Myra Selby. When Trump became president in 2017, the Republican senate quickly confirmed Barrett on Halloween 2017 (by a 55-43 count). The effect of the media talking about “court packing” can be seen in a Google chart. This is the last five years. Notice the recent jump. (Josh Sternberg, The Media Nut)
Auf der einen Seite bin ich sofort dabei, wenn es darum geht, den absurden Bothsiderismus der Medien zu geißeln. Und mich ärgert es, wie oft die Republicans mit ihrem Agenda-Setting durchkommen. Aber es gibt zwei Aspekte, die ich hier quasi als Advocatus Diablo einbringen will.
Erstens: Die Leute wollen das lesen. Horse-Race-Journalism ist nun einmal das, was sich verkauft; ausführliche Analysen über die strukturelle Dynamik des Wahlkampfs nicht. Ich sehe das ja selbst im Kontext dieses Nischenblogs an den Lese- und Kommentarzahlen bei den Artikeln.
Zweitens: Die Democrats sind halt auch echt zu blöd, selbst Agenda-Setting zu betreiben. Warum haben sie die Republicans nicht konsistent mit einem griffigen Wort wie court packing dafür attackiert, die Gerichte in ihrem Sinne umgeformt zu haben? Warum attackieren sie generell die GOP kaum für ihre Taktiken, und wenn, dann im typischen DC-Sprachgebrauch, der nun mal nicht sonderlich eingängig ist? That's on them.
A Biden administration would demand greater and more substantial contributions from its Europeans allies than is probably widely known. Berlin, in particular, will be expected to contribute more to European and transatlantic security. It is not only Trump supporters in the US who believe that Germany has fallen short of its potential for years, that it is a security free-rider, and that it is not making a contribution proportionate to the economic and political weight of the most powerful country in Europe. [...] In times of scarce resources, any financial investment in Europe is an investment not made in Asia. There will be a clear limit to what the US is willing to invest in European security. Because the Americans’ military attention will be focused on the Asian theatre, Europeans will have to play a much greater role in NATO’s conventional deterrence against Russia. [...] Europeans will also have to get used to the fact that the Americans will be less present in Europe’s neighbourhood. In 2011, when the European allies in the NATO-led Libyan military intervention ran out of breath after a few days, the Americans came to their rescue. In future, that might no longer be the case. Europeans must be prepared to carry out crisis management operations in their neighbourhood themselves. This could pose major problems for the Germans in particular. In addition to the lack of European capabilities, the question arises as to the framework within which the Europeans would take action. (Jana Puglierin, European Council on Foreign Relations)
Die Realitätsverweigerung der deutschen Außenpolitik ist in der Tat bemerkenswert. Es ist ja noch verständlich, dass die Öffentlichkeit sich der Illusion hingibt, dass schon alles gut gehen werde und dass man sich weiterhin auf die USA verlassen kann, während man diese gleichzeitig in Bausch und Bogen verdammt. Die Kritik, die neben Trump auch schon Obama und Bush an Deutschland geäußert haben - sicherheitspolitische Trittbrettfahrer zu sein - entbehrt ja nicht einer gewissen Grundlage. Wie ich in Fundstück 10 auch noch einmal anspreche, ist das ein überparteilicher Konsens. Ich will auch gar nicht sagen, dass Deutschland auf eine interventionistische Außenpolitik umschwenken müsste, keinesfalls. Aber die aktuelle Illusion, einfach nichts tun zu können und damit auch noch die bessere Außenpolitik zu betreiben ist nicht nachhaltig. Es fehlt an echten Ideen auf diesem Feld, oder auch nur an der Formulierung einer strategischen Konzeption.
7) Teens Did Surprisingly Well in Quarantine
As the coronavirus pandemic took hold in the United States in March, work and school moved online, restaurants closed, and unemployment soared. The effects on mental health were immediate: U.S. adults in spring 2020 were three times more likely to experience mental distress, anxiety, or depression than adults in 2018 or 2019. [...] Surprisingly, teens’ mental health did not collectively suffer during the pandemic when the two surveys are compared. The percentage of teens who were depressed or lonely was actually lower in 2020 than in 2018, and the percentage who were unhappy or dissatisfied with life was only slightly higher. [...] Some of our most interesting findings had to do with teens’ use of technology. When the pandemic hit and quarantine began, teens were unable to spend time with friends or fellow students face-to-face. Electronic communication became the primary way teens could interact with people outside of their families. [...] However, none of these interpretations minimizes the happy fact that teens were also sleeping more and spending more time with siblings and parents (including playing family games, going outside more with family, and eating family dinners), which might have displaced some of the time they would have spent using media. (Jean M. Twenge, The Atlantic)
Weil popper hier in den Kommentaren sich so gerne zum Rächer der entrechteten Kinder aufschwingt, sei hier einmal auf diese Studie verwiesen. Wenig überraschend findet sich hier ziemlich stützendes Material dazu, dass die Erwachsenen hier Projektion betreiben und ihr eigenes Unwohlsein auf die Jugend übertragen. Wie so oft gilt, dass die kids alright sind.
Spannend finde ich die Gründe, die hier genannt werden. Dass die üblichen Schulzeiten für Jugendliche wahnsinnig ungesund sind, wurde schon durch zahlreiche Studien belegt - übrigens ohne, dass händewringende Maskengegner sich zu ihrer Verteidigung eingefunden hätten. Ich weiß nicht, wie belastbar die Korrelation hier ist (dazu scheint mit eine eigene Studie notwendig), aber der Verdacht liegt schon nahe, dass hier ein kausaler Zusammenhang zu suchen ist.
Gleiches gilt für die in Kreisen älterer Mitmenschen verbreitete Verteufelung sozialer Medien und ihrer Nutzung durch Jugendliche. Anders als etwa professionelle Reaktionäre wie Manfred Spitzer gerne glauben zu machen versuchen ist der Umgang mit den sozialen Medien wie jedes andere Werkzeug: Es ist, was man daraus macht. Und in der Pandemie erwies sich wenig überraschend die junge Generation als flexibel, die ihr zur Verfügung stehenden Werkzeuge zur Krisenbewältigung und Anpassung zu nutzen, während es die Älteren sind, die sich hier schwer tun - und dann gegen die Veränderungen Sturm laufen. Das ist eine Dynamik, die so alt ist wie Adam und Eva.
8) Mitgemeint
In der Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache ist nur eines beständig: ihr Wandel. Sie teilt damit das Schicksal von Sprache allgemein, auch der deutschen Sprache. [...] Das Beispiel der Entstehung des BGB zeigt, dass außerrechtliche Gründe – konkret: die Entstehung der deutschen Nation und des politischen Nationalbewusstseins – Einfluss auf die sprachliche Gestaltung des Gesetzestextes gewannen. Die politisch motivierte Sprachkritik führte zur Schaffung einer gänzlich neuen, nunmehr eingedeutschten Rechtssprache. Diese Rechtssprache war Ende des 19. Jahrhunderts brandneu. Heute, 120 Jahre später, erscheinen uns die damals neu geschaffenen Worte ganz selbstverständlich, sie sind üblich und gebräuchlich. [...] Rechtstexte sind also Gegenstand politischen Gestaltungswillens, gestalten aber auch ihrerseits die gesellschaftliche und politische Wirklichkeit, nicht zuletzt sprachlich. Wie wenig Texte vermögen Rechtstexte wegen ihrer normativen Qualität Einfluss auf den allgemeinen Sprachgebrauch zu gewinnen, diesen zu prägen und zu wandeln. Politische Einflussnahme auf die Sprache von Rechtstexten ist mithin kein unbekanntes Phänomen, sondern vielmehr Ausdruck der öffentlichen Deliberation über Form und Inhalte neu zu schaffenden Rechts. Da Rechtstexte das lebendige Kennzeichen und Resultat demokratischer Selbstregierung sind, kann es nicht überraschen, dass auch außerrechtliche politische Anliegen Eingang finden in die Gestaltung ebendieser Rechtstexte. Das gilt besonders für grundlegende Rechtstexte wie das Bürgerliche Gesetzbuch, das Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – oder Verfassungen. (Prof. Anna Katarina Mangold, Verfassungsblog)
Wie Professorin Mangold in ihrem Artikel auch eingangs schreibt, ist das generische Femininum nicht unbedingt die beste Idee. Aber sie dekonstruiert die üblichen konservativen Angriffslinien sehr gut. Sprache ist beständig im Wandel, und oft genug sind es ideologische beziehungsweise politische Gründe, die Sprachänderungen maßgeblich vorantreiben. Man denke nur an das plötzliche Wegfallen französischer Fremdworte wie dem trottoir oder au revoir 1914, der massiven Zunahme an englischem Vokabular seit den 1990er Jahren oder dem zunehmenden Verzicht auf rassistische Überbleibsel. Die Vorstellung, wie einige Konservative und alle Reaktionäre sie haben, dass Sprache unveränderbar sei, ist eine Illusion. Das gilt natürlich auch und gerade im normensetzenden Recht.
The economic relationship alone is staggering. China purchased $165 billion in goods and services from the United States in 2015, such that China is the third-largest destination for American exports. China holds the most U.S. government debt of any foreign country. Much was made when one McDonald’s opened in Red Square during the Cold War. Yet the numbers for China represent a whole lot more of a relationship for two supposed enemies. [...] President Biden will need to cooperate with China as he returns to America’s traditional international agenda. Transnational issues like climate change demand active engagement between the world’s two biggest economies. [...] So, during the primaries Biden called President Xi a thug for having “a million Uyghurs in reconstruction camps meaning concentration camps.” After Beijing imposed new national security laws in Hong Kong, Biden vowed to “prohibit U.S. companies from abetting repression and supporting the Chinese Communist Party’s surveillance state.” At the same time Biden is respectful of how the great game is played. Expect fewer tariffs via Tweet, less nasty jabs against things like student visas and cell phone apps. There are well-known soft spots that the U.S. must be cautious of, and Biden has long been a champion of strategic ambiguity on Taiwan. Biden’s will be a pragmatic China policy compared to Trump’s emotive, populist one. [...] A significant danger will come from Obama alums like Susan Rice and Samantha Power, perhaps even Bloody Hillary as some sort of elder statesman/special envoy, who will try to press Biden into the kind of open conflict they bluntly championed across the Middle East. Biden will have to resist them, as well as the defense intellectuals who see war between the Dragon and the Eagle as inevitable. (Peter van Buren, The American Conservative)
Ich denke auch nicht, dass Bidens Wahl die US-Außenpolitik fundamental ändern würde; Trumps Wahl hat das ja für die amerikanische auch nicht getan. Er hat diverses Porzellan zerschlagen und sich generell sehr ungeschickt aufgeführt, aber die Grundlinien seiner Außenpolitik decken sich in der Grundkonzeption mit denen Obamas, und dessen mit Bushs. Nichts ändert sich am Erhalt des weltweiten Engagements mit seinen vielen Basen, nichts am pivot to Asia, am langsamen Rückzug aus Afghanistan und Irak, am Verringern der Truppenpräsenz in Europa. Drohnenschläge wurden von Trump deutlich ausgeweitet (ohne dass auch nur ein Piep von den harschen KritikerInnen zu hören wäre, die während der Obama-Jahre nicht müde wurden, die Drohnen zu kritisieren). Der Militärhaushalt steigt. Die Unterschiede sind graduell; aber graduelle Unterschiede machen eben auch schon viel aus. Dass es keine Alternativen gibt, wird im folgenden Fundstück auch noch einmal thematisiert, ist aber kein US-spezifisches Problem.
10) The Bankruptcy Of ‘Bipartisan Foreign Policy’
I bring up Coons’ history on Yemen because it is a good example of how centrist Democratic hawks have positioned themselves on this issue. Initially, they were supportive of the policy under Obama, and they continued to say nothing against it for the first two years of Trump’s presidency. It was only when it became politically dangerous for them to stay on Trump’s side that they switched. For decades, the bipartisan foreign policy consensus has been made up of Republican hawks that set the terms of the debate and the Democratic hawks that follow in their wake, and it is only after a terrible policy starts to get public attention that the latter discover that reflexive hawkishness isn’t such smart politics after all. The fetishization of bipartisan cooperation as something good in itself has enabled many of our worst foreign policy disasters, and so it has been with Yemen. [...] This is what usually happens when a politician or policymaker insists on maintaining U.S. “leadership”: preserving that “leadership” becomes an end in itself, and everything else has to be subordinated to it. In practice, foreign policy bipartisanship has meant consistent support for new and unwinnable wars, higher military spending, and an ever-growing list of foreign entanglements. America doesn’t need any more of that. If that is all that a bipartisan foreign policy consensus has to offer, Americans should look elsewhere. (Daniel Larison, The American Conservative)
Kritiker dieses "bipartisan consenus" beziehen sich häufig auf "the blob", wenn sie über das außenpolitische Establishment in Washington sprechen. Tatsächlich sind diese Experten in beiden Parteien extrem einflussreich. Wir haben dasselbe Phänomen aber auch hier in Deutschland; wie in Fundstück 6 angesprochen ist sich die deutsche Außenpolitik in ihrer Realitätsverweigerung ja auch ziemlich einig. Ob das Außenministerium nun von SPD, Grünen oder FDP besetzt ist, seit langer Zeit herrscht hier derselbe Grundton vor: Eine Leugnung des deutschen außenpolitischen Gewichts bei illusorischem Bestehen auf Verhandlungen ohne jedem Konzept dahinter. Wirkliche Alternativen gibt es hier nicht; das letzte Mal, dass in Deutschland ernsthaft zwei außenpolitische Konzeptionen miteinander konkurrierten, war im Streit um die Ostpolitik!
Doch Japan ist nicht bereit, die historische Verantwortung anzuerkennen. In der so genannten „Kono-Erklärung“, der Rede des damaligen japanischen Chefkabinettsekretärs Yohei Kono, hatte die japanische Regierung am 4. August 1993 zwar zunächst eingeräumt, dass Frauen und Mädchen „gegen ihren Willen, durch falsche Versprechungen oder Nötigung“ angeworben worden waren, und „Reue“ zum Ausdruck gebracht. Eine Anerkennung der Betroffenen als Opfer von Kriegsverbrechen, eine angemessene Entschuldigung und Entschädigungszahlungen lehnte Japan jedoch ab. Nach der Regierungsbildung 2012 bestritten der neue Premierminister Shinzo Abe und seine Partei sogar die in der Kono-Erklärung bereits anerkannten Fakten und kündigten an, sie widerrufen zu lassen. Lediglich auf Druck aus Washington verzichtete Abe auf diesen Schritt. [...] Tatsächlich behandelt Japan das Thema als bilaterales Problem mit Südkorea, dabei kommen die Opfer aus allen japanisch besetzten Ländern. [...] Deutlich wird, dass es auch hierzulande notwendig ist, sich mit der Aussage der Statue auseinanderzusetzen. Denn deutsche Soldaten verübten während des Zweiten Weltkriegs in den vom Deutschen Reich besetzten Ländern sexuelle Folter und Vergewaltigung. [...] In KZ-Gedenkstätten ist das Thema ebenfalls gewärtig. Im KZ Ravensbrück wurden Frauen für den Dienst in Bordellen in zehn anderen Konzentrationslagern rekrutiert – nicht in Bordellen für Soldaten, sondern für männliche Häftlinge. [...] Die Prostituierten wurden später auch nicht als Zwangsarbeiter eingestuft, und die Überlebenden hatten keinen Anspruch auf Restitution – die sogenannte Wiedergutmachung – oder erhoben keinen solchen Anspruch. Noch weniger ihre Familien, die sich ihrer schämten. Der Respekt, den man den Überlebenden der Lager entgegenbrachte, wenn nicht immer, so doch oft, galt für sie nicht.“ (Regina Mühlhauser/Insa Eschenbach, Geschichte der Gegenwart)
Ein guter Teil des äußerst problematischen Umgangs mit diesem Teil unserer nicht minder problematischen Vergangenheit liegt sicherlich in der gesellschaftlichen Ächtung von Prostitution und überkommenen patriarchalischen Wertvorstellungen begründet. Nicht nur wurden diese Frauen zum Sex gezwungen und übelst misshandelt; danach wurden sie auch noch von ihrer eigenen Gesellschaft und oft genug auch ihren Familien ausgestoßen, als ob sie etwas dafür könnten, und litten jahrzehntelang an einem selbst auferlegtem Schamgefühl. Es ist der tief verwurzelte Sexismus, der dafür sorgt, dass diese Opfergruppen heute eine der letzten sind, denen die Anerkennung als solche noch weitgehend versagt wird.
Wie der Artikel schon richtig feststellt, geht das auch über die japanische Regierung hinaus, die hier nur ein besonders widerwärtiger Fall von Verantwortungsverweigerung und Leugnung ist. Auch in Deutschland wird das Thema gerne ausgespart. Den Mythos der sauberen Wehrmacht sind wir zwar gottseidank los, aber dass die Landser-Soldateska auch vergewaltigend durch Osteuropa zog, ist im Bewusstsein nicht wirklich präsent und dürfte vielen Familien genauso sauer aufstoßen wie ihre Beteiligung am Holocaust.
Spannend ist übrigens auch die Dynamik der japanisch-südkoreanischen Beziehungen in dieser Hinsicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass es im Interesse Südkoreas ist, die japanische Fiktion zu unterstützen, dies sei im Endeffekt ein bilaterales Problem. Es erinnert mich ein wenig an Polens in den letzten Jahren sehr aggressiv betriebene Erinnerungspolitik, in der versucht wird, den Opferstatus effektiv zu monopolisieren. Diese Versuche vermischen sich dann mit der eigentlich ja sehr begrüßenswerten Hervorhebung der Untaten zu einem unappetittlichen Cocktail.
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