Mittwoch, 7. Oktober 2020

Rechtsfreier Raum Klassenzimmer, Teil 1: Das Formelle

 

Einem bekannten Bonmot zufolge haben Lehrer am Vormittag Recht und am Nachmittag frei. Gearbeitet werden ohnehin nur 38 Wochen im Jahr, der Rest sind ja Ferien. Dazu kommen bei verbeamteten Lehrkräften natürlich die Unkündbarkeit, die sagenhaft hohe Pension, die abschlagsfreie Frühpensionierung. Wenn ich diese Schlaraffenlandvision meines Berufsstands höre, habe ich eine von drei Reaktionen. Entweder ein genervtes Augenrollen. Oder eine erregtere Gegenreaktion. Oder ein sarkastisches "Augen auf bei der Berufswahl". Man fragt sich dann gerne, warum all die, die neiderfüllt auf unsere scheinbaren Pfründe starren, nicht Lehrkräfte wurden. Scheint ja ein ziemlich leichter Job zu sein. - Ich nehme mir an dieser Stelle des Artikels vor, die Ironie zurückzufahren. Denn mir geht es heute darum, einen Einblick zu geben in die tatsächlichen Arbeitsumstände für Lehrkräfte. Diese sind weitgehend unbekannt, selbst Denjenigen, die Lehrkräfte im Verwandtschafts- oder Bekanntenkreis haben. Das ist nur natürlich; ich habe diverse Freunde, die irgendwas mit IT machen, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie deren Arbeitsalltag aussieht. Von meiner Warte aus könnten die auch zaubern.

Aber ich würde nicht diese Überschrift wählen, wenn alles worum es mir geht nur wäre, einen Überblick über den Alltag einer Lehrkraft zu geben. So interessant das auch wäre, und so hilfreich beim Aufploppen einiger Klischee-Seifenblasen, so mache ich doch immer wieder die Erfahrung, dass Leute regelmäßig entsetzt sind wenn ihnen klar wird, unter welchen Bedingungen Lehrkräfte eigentlich tatsächlich arbeiten. Und mit dem herrschenden Arbeitsrecht haben diese häufig ziemlich wenig zu tun, und von den Standards, die in den meisten Unternehmen in Deutschland herrschen, ist man elend weit entfernt. Aber beginnen wir dort, wo man üblicherweise zu beginnen pflegt: am Anfang. Noch das übliche Wort zum Geleit: Meine Ausführungen beziehen sich auf das Gymnasium in Baden-Württemberg. In anderen Bundesländern mag sie in Details abweichen.

Der lange Weg zur Lehrkraft

Der erste Punkt, auf den ich im Rahmen dieses Artikels noch öfter zurückkommen werde, ist das hohe Ausbildungsniveau, das Lehrkräfte in Deutschland genossen haben. Unter den studierten Professionen gehört sie zu denen mit den längsten Ausbildungszeiten überhaupt; weitgehend unbezahlten Ausbildungszeiten, wie ich hinzufügen möchte.

Inzwischen startet das Lehramtsstudium in Baden-Württemberg mit einem zweiwöchigen Praktikum an der Schule, aus der nicht unbedingt falschen Erkenntnis heraus, dass manche Leute ihre zukünftige Berufswahl vielleicht überdenken, wenn sie früh Praxiskontakt haben. Zu meiner Zeit gab es das noch nicht, aber ich kam schon in den Genuss des so genannten Praxissemesters im Grundstudium, bei dem rund drei Monate (unbezahlt) an einer Schule gearbeitet wurde. Für das Land Baden-Württemberg diente das Praxissemester neben dem unbestrittenen Vorteil einer Praxiseinheit schon im Studium (in der Hoffnung, ungeeignete BewerberInnen sanft in eine andere Richtung stupsen zu können) auch dem Sparen: Gleichzeitig wurde nämlich das (bezahlte) Referendariat um ein halbes Jahr verkürzt. Das wurde in der damaligen Debatte auch hervorgehoben; es war die Hochzeit der Hartz-Reformen.

Das gymnasiale Lehramtsstudium selbst hat üblicherweise eine Regelstudienzeit von zehn Semestern, vorausgesetzt man studiert die "normalen" zwei Fächer (entweder zwei Hauptfächer oder ein Haupt- und ein Nebenfach). Maximal erlaubt sind drei Fächer; in diesem Fall werden zwei Semester auf die Regelstudienzeit addiert. Ich habe zweieinhalb Fächer studiert (Deutsch und Geschichte, Politikwissenschaften habe ich als Beifach studiert, eine Art verkürztes Schmalspurstudium mit etwas weniger Inhalten, das aber auch im Staatsexamen mündet). Wer eine weitere Fremdsprache erlernen muss - in Geschichte ein Großteil der Studierenden, weil sowohl Latein als auch eine zweite moderne Fremdsprache benötigt werden - darf noch einmal zwei Semester addieren.

Zum Ende des Studiums steht das erste Staatsexamen, eine mit dem früheren Diplom gleichzustellende Prüfung, etwas härter als der mittlerweile auch nicht mehr existierende Magister und definitiv härter als der Master-Abschluss. Zu diesem Zeitpunkt haben Lehramtsstudierende ein komplettes Fachstudium absolviert, das an Umfang und Qualität völlig gleichwertig mit dem früheren Magister oder dem heutigen Master ist, aber noch zusätzlich Veranstaltungen in Pädagogik, Psychologie, Fachdidaktik und Ethik belegt sowie das Praxissemester absolviert. Die Examensprüfungen selbst sind ebenfalls nicht von schlechten Eltern.

Aber wie die Qualifizierung "erstes" vor dem "Staatsexamen" schon andeutet, kommt da noch ein zweites. Dieses steht am Ende des Referendariats, das noch so gut wie jede Lehrkraft zärtlich als "schlimmste Zeit meines Lebens" bezeichnet. In anderthalb Jahren (Januar bis Juli des Folgejahres) arbeiten die angehenden Lehrkräfte zwischen 50 und 70 Stunden die Woche für rund 1400 Euro Brutto. Bis nachts um zwei zu arbeiten, um am Morgen um 6.00 Uhr wieder in der Schule zu stehen, gehört ebenso zum Alltag von ReferendarInnen wie es jedem Arbeitsrecht Hohn lacht.

Das Referendariat wäre seinen eigenen Artikel wert; im Kontext dieses Textes konzentrieren wir uns auf die Aspekte, die aus formaler Sicht problematisch sind. Neben der teilweise absurden Arbeitsbelastung und dem ungeheuren Psycho-Druck gehört hier vor allem die Intransparenz der alles entscheidenden Noten für die zahlreichen Prüfungen dieser Ausbildungsphase besprochen. Die Lehrproben sind, was abstruse Begründungen und undurchsichtige Bewertungskriterien sowie Bewertungswillkür angeht, legendär. Aber auch die anderen Notenbestandteile, wie die Schulleitungsbewertung oder die Kolloqien, erfüllen zu keiner Sekunde die Standards, die später in der Schule an Leistungsfeststellungen und Abschlussprüfungen gelegt werden. Und wer jetzt denkt "Moment, das Abitur ist jetzt nicht eben transparent bewertet" hat den Kern des Problems erkannt.

Aus-gebildet

Ist dann auch das zweite Staatsexamen bestanden, befand sich die Junglehrkraft im Schnitt sieben bis acht Jahre in der Ausbildung. Worauf ich damit hinaus will: Das Qualifikationslevel ist sehr hoch. In der freien Wirtschaft sind das üblicherweise Anwärter für Trainee-Programme und ähnliche höhere Jobs. Wir reden hier von Einstiegsgehältern jenseits der 50.000 Euro im Jahr. Ich erwähne das deswegen, weil gerne auf den Bezügen/Gehältern von Lehrkräften herumgeritten wird, als seien diese obszön hoch. Im Vergleich mit der freien Wirtschaft verdienen gymnasiale Lehrkräfte allerdings bestenfalls durchschnittlich gut, wie wir gleich noch näher sehen werden. Bevor wir uns mit dem Gehalt beschäftigen, will ich noch auf den Einstellungsprozess eingehen. Denn der spottet jeder Beschreibung und steht idealerweise am Ende der Ausbildung.

Zumindest in Baden-Württemberg ist der "Normalfall" einer Lehrkraft die Verbeamtung. Um diese bewerben sich ausgehende ReferendarInnen üblicherweise. Hierzu wird die so genannte Leistungsziffer gebildet, die aus den verrechneten Noten des ersten und zweiten Staatsexamens besteht und zwischen 40 (1,0) und 160 (4,0) liegt. Man reicht seine Unterlagen dann beim Kultusministerium ein (mittlerweile online, man geht ja mit der Zeit) und kann einige Präferenzen bei der Ortsvergabe angeben.

Je mehr solcher Präferenzen man angibt (sagen wir, weil man Familie hat und örtlich nicht ganz so flexibel ist), desto geringer sind logischerweise die Chancen. Aber die Vergabeprozeduren sind in höchstem Maße intransparent. In der Theorie entscheidet einzig und allein die Leistungsziffer, aber die Sachbearbeitenden im Regierungspräsidium haben genügend Möglichkeiten, auf den Prozess Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls Favoriten zu bevorzugen. Das passiert auch permanent. Die Schulen selbst haben auf diesen Auswahlprozess praktisch keinen Einfluss. Sie dürfen dem Regierungspräsidium Bedarfe melden, die dieses dann in unterschiedlichem Maß berücksichtig (nur weil Schule X jemand für Englisch und Geschichte braucht heißt das nicht, dass sie nicht unter Umständen jemand für Englisch und Erdkunde bekommt).

Problematisch ist das alles vor allem, weil Bevorzugungen und Benachteiligungen kaum nachvollziehbar sind. Bei einem System, das ostentativ alleine auf der Note beruht und keine Chance für persönliche Eindrücke oder andere Qualifikationen lässt, ist das ein Problem.

Die ideellen Werte

Reden wir kurz über das Geld und andere geldwerte Vorteile des LehrerInnenberufs. Das Einstiegsgehalt für verbeamtete Lehrkräfte (A13) in Baden-Württemberg beträgt aktuell 4623,89€ brutto. Das entspricht 3467,79€ netto. Davon geht noch die Krankenversicherung ab (üblicherweise privat), was sich mit rund 500€ zu Buche schlägt. Eine frisch verbeamtete Lehrkraft verdient daher rund 2900€ netto im Monat - eine durchaus stattliche Summe, wenngleich angesichts des Qualifikationsniveaus durchaus angemessen. Diese Bezüge steigen mit dem Dienstalter automatisch auf aktuell maximal 5687,24€ brutto beziehungsweise 4063,78€ netto (jeweils wieder abzüglich der Krankenversicherung). Olaf Scholz würde das wohl Sehrgutverdienen dienen.

Da sind die Vorteile des Beamtenstatus aber noch nicht am Ende. Beamte können sich privat krankenversichern und bekommen 50% der Krankenversicherung von der Beihilfe bezahlt, sprich, vom Staat. Bei Kindern beträgt dieser Anteil sogar 80%. Dieses absurde System sorgt dafür, dass der Staat eine große Gruppe sehr gut verdienender Familien direkt aus dem gesetzlichen Krankenversicherungssystem zieht und dies sogar großzügig subventioniert.

Zuletzt genannt werden muss die Pension, die deutlich über der Rente liegt. Aktuell werden maximal 71,75% des letzten Grundgehalts als Pension ausbezahlt (wobei in der Realität die wenigsten Lehrkräfte diesen Wert erreichen). Das ist natürlich meilenweit über den rund 45%, die aktuell in der gesetzlichen Rente winken - ohne, dass dafür irgendwelche Abzüge beim Lohn existieren würden.

Deutlich schlechter sieht die Lage für die exakt gleich qualifizierten Lehrkräfte aus, die nicht verbeamtet, sondern angestellt werden. Sie leisten die selbe Arbeit wie ihre verbeamteten KollegInnen, werden aber wesentlich schlechter bezahlt. Das Einstiegsgehalt liegt hier bei 4002,26€ und steigt nach Dienstalter auf maximal 5798,14€ an. Darauf entfallen jedoch die kompletten Sozialabgaben, zudem besteht kein Beihilfeanspruch. De facto sind das mehrere hundert Euro netto im Monat Unterschied - für denselben Job. Man fragt sich wirklich, warum Sachsen und Berlin sich so schwer tun, Lehrkräfte für ihre Schulen zu finden, wo sie doch nicht verbeamten und zudem ihre Angestellten noch schlechter bezahlen als Baden-Württemberg dies tut. Ein Mysterium, das vermutlich nie aufgelöst werden wird.

Noch einmal wesentlich schlechter ist die Lage für alle Lehrkräfte, die bei der immer noch gleichen Qualifikation nicht im öffentlichen Dienst unterkommen, sondern an eine der vielen Privatschulen des Landes gehen (rund 10% der SchülerInnen besuchen mittlerweile eine Privatschule). Je nach Schulträger liegen die Einstiegsgehälter zwischen rund 3100€ und 3700€ im Monat, brutto, ohne irgendwelchen Vorteile. Für die privaten Träger häufig nicht nachvollziehbar tun sich die Privatschulen schwer, qualifiziertes Personal zu finden. Auch das ist ein Mysterium, dessen Klärung trotz zahlreicher studierter (und wesentlich besser bezahlter) BetriebswirtschaftlerInnen in den Leitungsebenen dieser Institutionen aktuell als ungeklärt betrachtet werden muss.

Deputierung

Soweit klingt das alles erst einmal solide, vorausgesetzt, man wurde verbeamtet. Auch sonst nagt man nicht am Hungertuch, wird aber angesichts der Gehälter, die die freie Wirtschaft für Ingenieursberufe oder BWL-benachbarte Professionen zahlt, sicherlich keine Freudensprünge machen - und das Qualifikationslevel ist, man verzeihe mir das Totreiten dieses speziellen Pferdes, absolut vergleichbar, wenn nicht sogar höher. Was aber muss eine Lehrkraft denn für diese Bezüge beziehungsweise Gehälter leisten?

Aktuell beträgt das Volldeputat in Baden-Württemberg für das Gymnasium 25 Wochenstunden Unterricht (Realschule: 27 Stunden, Grundschule: 28 Stunden, Berufsschule: 30 Stunden). Die vertragliche Arbeitszeit für eineN BeamtIn beträgt 41 Wochenstunden und liegt damit deutlich über dem Schnitt der freien Wirtschaft. Für Lehrkräfte allerdings ist sie in vielen Fällen ein unerreichbarer Traum.

Gleich vorweg: Natürlich gibt es eine Reihe fauler Lehrkräfte, die im Endeffekt ihre 25 Stunden runter unterrichten und ansonsten so wenig wie nur irgend möglich arbeiten. Aber Leute, die in ihrer jeweiligen Abteilung ihre 38 Wochenstunden absitzen und wenig zur Produktivität der Firma beitragen, gibt es ebenso. Diese Leute können aber nicht der Maßstab sein, und die Vorstellung, dass sie in der Privatwirtschaft effizienter identifiziert und ausgesiebt würden als beim Staat darf getrost ins Reich der Legenden verwiesen werden. Karriere machen sie in beiden Zweigen üblicherweise nicht. Ich will diesen Punkt daher nicht weiter besprechen und von denjenigen Leuten ausgehen, die ihren Job so machen, wie das vorgesehen ist.

Was bedeuten 25 Deputatstunden Unterricht? Jede Unterrichtsstunde will vorbereitet sein. Mache ich das vernünftig, brauche ich pro Stunde Unterricht irgendwo zwischen einer und vier Stunden Vorbereitung. Dass das für 25 Wochenstunden nicht funktionieren kann, ist klar. Daher Recyclen Lehrkräfte ihren Unterricht aus den Vorjahren und bereiten vor, was sie noch nie gemacht haben und updaten ihr Material aus den Vorjahren. Der übliche Zyklus eines Lehrkraftsarbeitsjahrs ist es, den Unterricht einiger Klassen intensiv vorzubereiten, den einiger anderer anzupassen und wieder einiger anderer zu übernehmen - das heißt, wenn man etwas zum Übernehmen hat.

Fängt man im Beruf neu an, steht man - mit Ausnahme dessen, was man vom Referendariat ausschlachten kann, und das ist nicht viel - vor dem Nichts und muss alles neu aufbauen. Die ersten zwei, drei Jahre als Lehrkraft sind ein Höllentrip, schon alleine, weil man noch in der Probezeit (die dauert regulär drei Jahre) und deswegen permanent gefährdet ist. Die spätere Arbeitsbelastung schwankt dann stark mit der jeweiligen Deputierung: Habe ich Parallelklassen, sinkt mein Aufwand beträchtlich. Manche Fächer sind wesentlich aufwändiger als andere (Deutsch etwa im Vergleich zu Sport). Oberstufe ist aufwändiger in der Vorbereitung als Unterstufe. Und so weiter.

In den Stoßzeiten für Klausuren (vor den Herbstferien, Weihnachtsferien, Osterferien und Pfingstferien) kommen zudem noch stapelweise Korrekturen hinzu. Hat man das Glück, eine Abschlussklasse zu unterrichten, stehen zudem zwischen April und Mai die Erst- und Zweitkorrekturen des schriftlichen Abiturs und im Juni die mündlichen Prüfungen an. Auch hier unterscheidet sich der Aufwand je nach Stufe, Fach und Gewissenhaftigkeit der Lehrkraft erheblich. Für Oberstufenaufsätze in Deutsch etwa kann als Richtwert eine Dreiviertelstunde je Aufsatz angenommen werden, wenn man es ordentlich macht - bei einem Klassenteiler von 33 und vier Klausuren pro Schuljahr eine ganz schöne Menge, die die Ferienzeiten deutlich relativiert.

Der Rattenschwanz

Aber die eigentliche Unterrichtsverpflichtung ist ja nur der sichtbare Teil der Lehrkraftsarbeitszeit. Dazu kommen zum einen Konferenzen. Diese sind deutlich ausufernder, als Außenstehende das üblicherweise auf der Pfanne haben. Pro Jahr sind mindestens sechs Gesamtlehrerkonferenzen abzuhalten, die gerne ihre drei bis vier Stunden dauern. Dazu kommen meist wöchentliche oder zweiwöchentliche kleinere Konferenzen. Die Fachschaften - also die Lehrkräfte, die ein bestimmtes Fach unterrichten, etwa die Geschichte-Fachschaft) treffen sich ebenfalls regelmäßig zu Konferenzen, um Schulcurricula (die Bildungspläne müssen von den Schulen noch individualisiert und bearbeitet werden, was üblicherweise im Rahmen der Fachschaften geschieht) zu erstellen oder überarbeiten, anstehende Themen zu besprechen, Studienfahrten zu planen, Bücherbeschaffungen zu diskutieren und so weiter. Dazu kommen Elternpflegschaften, Elternsprechzeiten, SchülerInnensprechzeiten, was auch immer die KollegInnen gerade von einem wollen und sonstige Termine.

Dazu kommen Aufsichten - die SchülerInnen müssen in den Pausen ja beaufsichtigt werden, Aufsichtspflicht und so weiter - sowie Vertretungen. Die stets künstlich angespannte Personaldecke der Schulen verkraftet Ausfälle durch Krankheit, Fortbildungen etc. kaum; fällt eine Lehrkraft einen Tag aus, müssen üblicherweise irgendwo zwischen vier und acht Stunden Unterricht vertreten werden, soll der Unterricht nicht ausfallen. Pro Monat müssen Lehrkräfte unentgeltlich vier Stunden Vertretungsunterricht ableisten. Nicht vergessen wollen wir an dieser Stelle Studienfahrten und sonstige Ausfahrten und Exkursionen; diese werden uns allerdings noch an anderer Stelle wieder begegnen und sollen hier nur erwähnt werden.

Lehrkräfte sind zudem wegen der Unterausstattung der Schulen durch ihre kommunalen oder privaten Träger immer auch noch Teilzeit-Verwaltungskräfte. Sie müssen SchülerInnenlisten pflegen, Geld einsammeln und verwalten, diverse Protokolle und sonstige Dokumentationen vorhalten, Adresslisten pflegen, Angebote einholen, Konten führen und vieles mehr. Einer durchschnittlichen Schule mit 700 SchülerInnen und 70-80 Lehrkräften stehen häufig nur rund anderthalb Sekretariatsstellen zur Verfügung. Dass das niemals für die gesamte Arbeit reichen kann, ist klar. Dementsprechend viel wird auf die Lehrkräfte abgewälzt.

All diese Aufgaben sorgen für eine permanente Nebenbelastung, die zudem - da niemand für diese Tätigkeiten ausgebildet ist - mit wahnsinnigen Reibungsverlusten einhergeht. Die große rechtliche Verantwortung, die Lehrkräften darüber hinaus aufgebürdet wird, übt einen großen persönlichen Druck aus (hier übrigens sind Privatschulen deutlich im Vorteil; als Unternehmen haben sie größere Verwaltungsapparate mit Rechtsabteilungen und Buchhaltungen, wie sie an öffentlichen Schulen schlicht nicht existieren).

Damit haben wir den formalen Teil soweit abgehandelt. Bis hierher ging es mir vor allem um die Grundlagen. Das hat mehr Raum in Anspruch genommen als ich erwartet hatte. Die eigentliche Betrachtung des rechtsfreien Raum Klassenzimmers wird daher im zweiten Teil des Artikels kommen. Ich werde am Ende wie üblich alles wieder in einen Gesamtartikel zusammenfassen, in einer überarbeiteten Version, die dann auch das Feedback der LeserInnen enthält.

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