Dienstag, 20. Dezember 2011

Die Euro-Krise als Glaubensfrage

Von Stefan Sasse

Ein Leser machte mich letzthin auf die Bogenberger Erklärung einiger Ökonomen aufmerksam, in der diese ihre Sicht der Euro-Krise und der daraus für sie resultierenden Handlungsnotwendigkeiten aufzeigten. Wir wollen an dieser Stelle gar nicht ins Detail gehen - wen die Argumentation interessiert, der kann sich gerne das verlinkte .pdf runterladen und sie durchlesen, interessant ist sie allemal. Was mir viel mehr auffällt ist, dass die Euro-Krise letztlich eine einzige Glaubensfrage geworden ist. Es gibt Zahlen von Haushalten, Schuldenquoten, Inflationsraten und Zinsen, und wenn man all diese Zahlen nimmt und sie analysiert kommt man zu Schlussfolgerungen über die Ursachen der Krise und kann daraus Handlungsanweisungen entwickeln. Genau das tun die meisten Beobachter und Akteure ja auch permanent, und sie kommen dabei zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Die einen wollen die Notenbanken als "lender of last ressort", die anderen erachten darin den Untergang des Abendlandes. Die einen wollen einen Austeritätsplan "fiskalischer Verantwortung" für alle, die anderen wollen Abgaben erhöhen und notfalls mit Konjunkturprogrammen die Wirtschaft stützen. Für die einen ist der Euro schon tot, weil Maastricht nicht hart genug war, für die anderen ist er tot, weil die Ideen von Maastricht von vornherein Unfug waren. Alle arbeiten mit demselben Zahlenmaterial, und alle behaupten die ökonomische Wahrheit auf ihrer Seite zu haben. 

Als Laie, der nie Wirtschaft studiert hat, kann ich allenfalls unter denjenigen, die sich die Mühe machen ihre Positionen und Analysen allgemeinverständlich zu schreiben diejenige auswählen, die mich am meisten überzeugt. Wirklich verstehen kann ich sie nicht, das merke ich jedes Mal, wenn Krugman auf seinem Blog etwa ökonomisch-spezifischer wird. Obwohl ich seit Beginn der Krise versuche, sie zu verstehen, bin ich keinen Schritt weitergekommen. Ich weiß heute noch nicht, woher die Euro-Krise eigentlich kommt. Ist es Griechenland? Ist es Maastricht? Ist es die deutsche Exportweltmeisterei? Ist es die fehlende "fiskalische Verantwortung"? Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass der Weg der Austerität eine Sackgasse ist, dass die Inflationsfurcht eine Schimäre ist, aber habe ich tatsächlich belastbare Argumente, kann ich tatsächlich mehr als "glauben", dass dem so ist? Nein. Die Euro-Krise ist zu einer reinen Glaubensfrage geworden, in der widerstreitende Weltanschauungen in einem Kampf sind, einen quasi-religiösen Streit austragen. Austerität gegen Expansion, Konjunkturstütze gegen Schuldenbremse. 

Vermutlich liegt in der Natur dieser Auseinandersetzung auch das Demokratiedefizit begraben, das gerade so drückend wahrgenommen wird. Egal wie kompliziert internationale Verträge waren, so ließen sie sich doch meistens halbwegs so herabbrechen, dass man ihren Sinn verstand. Über die Ostpolitik konnte man diskutieren, ohne die jeweiligen Details zu kennen, und auch Abrüstungsverträge lassen sich grundlegend debattieren. Aber diese ökonomischen Fragen entziehen sich mehr und mehr dem Verständnis, weil niemand vollständig versteht, verstehen kann, was eigentlich vor sich geht. Selbst Experten und Entscheidungsträger können nur "glauben", das zeigen allein die völlig divergierenden Einschätzungen von ausgezeichneten Ökonomen beider Lager. Sie unterfüttern ihre Meinungen und ihren Glauben mit mehr Zahlen und Fachbegriffen, aber so etwas wie allgemein anerkannte Fakten scheinen überhaupt nicht mehr zu existieren. Das daraus resultierende Unbehagen, das Gefühl des Ausgeliefertseins, ist sehr real. Es ist gefährlich für uns alle. Und ich sehe keinen Ausweg daraus.

25 Kommentare:

  1. Diese Links hier sollten etwas zur Aufklärung beitragen.

    Warum die Notwendigkeit, die Staatsschulden zu reduzieren, nur die halbe Wahrheit ist - Denn wer Schuldenbremse sagt, muss auch Vermögensbremse sagen

    http://derstandard.at/1323916683867/Staatsschulden-Der-Rechenfehler-der-

    http://www.heise.de/tp/artikel/36/36097/1.html

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  2. Schöner Artikel. Ich habe mir das Papier einmal angeschaut und zum Inhalt des Papiers mal etwas aufgeschrieben; da es etwas länger wurde, habe ich es auf mein Blog gestellt.

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  3. Ich bin zu jung um die Diskussion um Abrüstung und Ostverträge bewusst miterlebt zu haben. Aber ich kann mir vorstellen, dass uns das nur heute als faktenbasiert vorkommt. Damals war es vielleicht auch eine Glaubensfrage, in der argumentiert wurde, dass morgen der Russe vor der Tür stünde, wenn wir nur eine Rakete weniger stationieren würden, oder? Und niemand hätte das damals faktenbasiert widerlegen können.

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  4. Ich bin auch zu jung ^^ Aber davon rede ich gar nicht. Mir geht es darum, dass du da mit was argumentieren konntest - Gefahr X auf der einen, Chance Y auf der anderen Seite. Was sind denn heute die Alternativen?

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  5. Ich bin für eine EZB als LENDER OF LAST RESSORT.

    Ohne starke Bankenaufsicht funktioniert das nicht.

    Es macht wenig Sinn, wenn die Merkelbank Staatsanleihen eines Landes kauft, dass das Auslandskapital für Konsum verschwendet.
    Und sich das Risiko vom Steuerzahler tragen läßt.

    EINE ERHÖHUNG DES EIGENKAPITALS ÄNDERT NICHTS AN DEN RISIKEN DURCH EINE MANGELNDDE BNANENAUFSICHT und -REGULIERUNG.


    Es soll weiter gespielt und gezockt werden dürfen ohne Aufsicht.

    Im Gegenteil es ist eine fade Entschuldigung derjenigen die uns dies alles eingebrockt haben.

    Es gibt sehr gute Gründe für ein Leistungsbilanzdefizit: Ernteausfälle, Naturkatastrophen, Aufbau von Produktionssektoren, usw.

    Es ist nicht nachhaltig, wenn Länder die mangelnde Bankenaufsicht ausnutzen um sich in Absatzmärkte einzukaufen und Marktanteile zu erobern.

    Es muß den Staaten weiter erlaubt sein Defizite zu haben um ihre Wirtschaft ´produktiver zu machen oder in Notfällen sogar unumgänglich.

    AUCH INNERHALB EINER WÄHRUNGSUNION SOLLTE ES MÖGLICH SEIN SICH GEGEN LOHNDUMPING, SOZIALDUMPING, UMWELTDUMPING, ... ZU WEHREN.

    Nichts davon ist in den neuen Maastrichtkriterien zu finden.

    http://acemaxx-analytics-dispinar.blogspot.com/2011/12/wie-schlimm-sind-anhaltende.html

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  6. Ja lieber Stefan, du hast vollkommen recht.
    Wirtschaftspolitik ist zu einer Glaubensfrage verkommen.Es scheint so gewollt, dass Alternativen überhaupt nicht hinlänglich diskutiert , geschweige denn umgesetzt werden. Die WP wurde doch seit 20-25 Jahren ausschließlich neoliberal
    umgesetzt. D.h.: Umverteilung von "unten" nach "oben". Das ist Fakt. Das BIP ist während dieser Zeit enorm gewachsen. Nur ist dieses Wachstum bei 1% der Menschen hängen geblieben und das ist auch Fakt, das geben die Zahlen und Statstiken auch her. Nun wissen diese 1% o. 2% dieser Welt nicht mehr wohin mit ihrem Vermögen und verzocken es aus Gier. Und das ist auch Fakt.
    Gerade stehen dafür sollen die 99% der Weltenbürger. So einfach ist das und so geht das !

    Aber wir alle sollten es uns nicht mehr gefallen lassen.
    Wake up, stand up !!!

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  7. @Polyt: Es sind eher 0.1% der Bevölkerung, um die es hier geht.

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  8. Ich würde weder von Euro-, Banken-, Wirtschafts-, noch Finanzkrise sprechen. Das alles ist Etikettenschwindel und soll suggerieren, als wäre jede Krise allein für sich und einzigartig. Uns sollen "Einzelfälle" verkauft werden, um von der einen großen Krise abzulenken. Dabei gehören alle Krisen zusammen, beeinflussen und bedingen einander. Der Kapitalismus hat eine Krise!

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  9. Eigentlich nicht. Niemand spricht über eine Krise für Angebots- und Nachfragemechanismen realer Güter. Ich kann heute noch so Essen und einen neuen PC kaufen wie gestern.

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  10. Die Bogenberger Erkl. ist eine Offenbarung und entlarvt die Unzulänglichkeiten sowohl der einseitigen linken vulgär-keynesianischen Sichtweise a la Flassbeck als auch des Mainstreams a la Hüther + Bundesreg. Die eine einzige Ursache gibt es nicht, und die Frage nach richtig/falsch kann sich nur in bezug auf eine bestimmte Prämisse stellen - und die auch nur innerhalb des praktizierten Systems. Wer ein anderes System will wie spiegelfechter, nhaehnle & co - eine Abkehr von der Staatsfinanzierung über Finanzmärkte - kann seriöserweise nicht ständig behaupten die Ursache der Krise liege im alten System (und eine generelle Abkehr sei alternativlos). Natürlich liegt sie dann da, wenn man so einen weiten abstrakten Blickwinkel hat. Dass die Misere durch das praktizierte System entstand, ist eine Binsenweisheit - es is ja wie es is.

    Prämissen wie Ungleichheit, Deregulierung, Entwicklung der Geldmenge, Löhne und Zinsen, Inflationsraten sind weder gleichwertig noch isoliert von einander. Natürlich wär die Chose nicht passiert, wenn es dazu nicht das (konzentr.) Kapital gegeben hätte und manche Produkte eben verboten/reguliert gewesen wären ... ja sicher, nur ist das doch nicht die Ursache, wenn man das Ganze betrachtet. Per se ist Ungleichheit und Regulierung weder gut noch schlecht. Entscheidend ist, wie es sich im Gesamtsystem auspendelt und wie man es hervorruft und beeinflusst. Eine Glaubensfrage an sich ist lediglich die Frage nach Angebots- oder Nachfrageorientierung. Die Antwort hat Einfluss auf welche Prämisse man sich stürzt, und wie in welche Reihenfolge man die Variablen setzt.

    Die herkömml. linke Argumentation setzt isoliert an Leistungsbilanzunterschieden, Lohnentwicklung an und will diese planwirtschaftl beeinflussen, im Glauben durch verordneten deutschen Lohnsteigerngn würden die Saldenunterschiede abgebaut - das glauben sie, weil sie Nachfragejünger sind. Linke Laien springen natürlich gern auf diesen Zug auf. Wenn man Kapitalisten mehr Geld abknöpfen kann, könne das ja nur gut sein, und zwar immer. Ein Irrglaube.

    H.W. Sinn preist weder per se (!) die deutsche Lohnzurückhaltung noch Exportweltmeisterschaften noch rät er anderen auf Exporte zu setzen und dergleichen. Darum geht's nicht. Die Misere begann nicht bei der deutschen Lohnzurückhaltung. Sinn sieht die Lohnentwicklung aber nicht als isolierte Stellschraube, an der man von außen rumwerkeln kann und muss, um irgendwas ins Lot zu bringen. Die deutsche Lohnentwicklg wurde primär durch den Euro-Mechanismus indiziert. Der Euro brachte eklatante Kapitalabflüsse aus Deutschland, die Investitionen und Löhne drückten. Während sie andernorts zu Inflationsexzessen führten. Die Lohnsteigerngen und Wirtschaftsblasen der PIGS kamen mit dem Euro und keiner kann ernsthaft behaupten diese Lohnentwicklg sei in dieser Form zu begrüßen. Boom ist eben nicht gleich Boom. Wenn ein Boom zusammenbrechen muss, hat man nichts gekonnt. Diese Situation hat man nun seit 2007. Der Boom wurde in/direkt durch dt Ersparnisse finanziert, durch Kredite, die einen VerschuldungsSTAND (denn der Grad unten gehalten durch aufgeblähte BIPs) verursachten, der zwangsweise! zu höheren Zinsen führen musste. Eine Kreditexpansion kann man nicht ins Unendliche treiben. Und jetzt zeigt sich, dass der Boom nicht nachhaltig war und von Schulden abhing, indiziert von fremden Ersparnissen, die nicht ewig fließen. Jetzt aber fließt Kapital wieder zurück nach Deutschland und deutsches bleibt hier, Investitionen ziehen wieder, Löhne können und werden steigen, Leistungsbilanzsalden bauen sich ganz von alleine ab. Das wollen Linke nicht zulassen, sie wollen die Kapitalstöme verhindern und preisen ihr perpetuum mobile: die überzogenen Verhältnisse der Defizitländer (relativ! überzogen, denn natürl. kamen sie schon nicht von einem hohen Wohlstandsgrad) sollen nicht gesundschrumpfen, und das soll erreicht werden, indem man Unternehmern was wegnimmt und schnell Löhne und Konsum antreibt, eben im Nachfrage-Dogma das würde helfen. Dabei hilft das nur kurzfristig und ist zum Scheitern verurteilt.

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  11. @ Fuentes

    ich bin absoluter Laie was WP angeht und dazu noch links, aber so viel Ignoranz und Arroganz von einem vermeintlichen Witschaftsexperten habe ich selten erlebt.
    Und nun zum Inhalt:
    Von aussen herumgewerkelt wurde übrigens jede Menge in der letzten Zeit. Deshalb ist die Lohnentwicklung abgekoppelt von der gesamwirtschaftlichen so gering ausgefallen.
    Diese Gefälle verursachte unverhältnsmässig große Gewinne auf der Unternehmerseite und diese wollen gelichzeitig permanent Steuersenkung oder Lohnsubventionierung durch
    Hartz 4 Gesetzgebung und Steuervergünstigung.
    Hätte ein Staat wie Deutschland nur die Steuerquote von 1998 gäbe es so gut wie keine erhöhten Defizite. Außerdem wurden relativ sichere Arbeitsplätze in prekäre umgewandelt.
    Die Angst in unseren Arbeiterkreisen ist groß, das ein normales, einigermassen unbeschwertes Leben kaum mehr möglich ist. Davor verschliessen sie offenbar auch die Augen.
    Diese Entwicklung ist nicht Gott gegeben und muß dringend umgekehrt werden.

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  12. @ Fuentes
    und geh mir weg mit Hans Werner Sinn

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  13. Dieser Fuentes ist wohl Milton Freedmann Jünger, scheint mir .

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  14. Per se ist Ungleichheit und Regulierung weder gut noch schlecht.

    Würde ich so nicht unterschreiben. Übertriebene Gleichmacherei und übertriebene Ungleichheit sind beide (!) per se schlecht. Zumindest bezogen auf meine eigene "Zielfunktion". Letztlich ist das natürlich auch eine Frage der zugrundeliegenden Werte, die man hat (im moralischen oder ethischen Sinn).

    Die herkömml. linke Argumentation setzt isoliert an Leistungsbilanzunterschieden, Lohnentwicklung an und will diese planwirtschaftl beeinflussen, im Glauben durch verordneten deutschen Lohnsteigerngn würden die Saldenunterschiede abgebaut

    Wie heißt es so schön? Die Wirtschaft wird immer geplant, die Frage ist nur, von wem. Und die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre wurde ja auch de facto von oben verordnet. Etwas weniger Polemik wäre von daher schon hilfreich.

    Leistungsbilanzsalden bauen sich ganz von alleine ab.

    Sicher - aber um welchen Preis? Was meinst du, wie lange die Griechen eine brutale Deflationspolitik mitmachen werden, die für einen solchen Ausgleich notwendig wäre? Wie viele Jahre wird es wohl dauern, bis die Revolution losgeht? Ich würde dieses Experiment lieber nicht durchziehen.

    Übrigens gibt es genau eine Sache, die ich Prof. Sinn hoch anrechne, aber ausgerechnet diese übernimmst du nicht: Sinn spricht immer von den GIPS-Staaten.

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  15. Polyt. Hätten wir Steuer- und sonstige Quoten wie in den 90ern wäre die Lage heute noch schlimmer, noch mehr Kapital wäre aus Deutschland getrieben. Nachfragejünger sehen das natürlich anders, wider der Realität. Die deutsche Massenarbeitslosigkeit war ja gerade durch die Zustände der 90er und Anfang 00er ausgelöst, durch hohe Lohnstückkosten, hohe Steuersätze - wenn man das nicht in absoluten Größen akzeptiert, dann in relativen, denn darum gehts ja - auch heute ist D ein HOCHlohnland. Die Saldenunterschiede wurden MIT dem Euro aufgebaut, nicht durch die Agenda 2010. Die deutsche Überschüsse gab es in wenigen Jahren VOR der Agenda. Nach 2003/05 wuchsen die Exportüberschüsse nur gering (und auch nicht wegen der Agenda, eher im Gegenteil, komparative Kostenvorteile.) Den Trend zu atypischen Jobs, verändertes Arbeitszeitvolumen etc gab es VOR der Agenda, als Resultat der überzogenen dt. Verhältnisse. Die Agenda hat das letztlich nicht mal forciert, sondern umgekehrt. Dazu hatte ich im "Grundsätzliches"-Thread vor paar Monaten umfassend geschrieben. Atypische Jobs, niedrige Löhne, Exportüberschüsse sind kein Selbstzweck und kein Ziel - niemand will sie per se. Es dreht sich nur um das Auspendeln der Verhältnisse, und ausgehend von Massenarbeitslosigkeit liegt der Beginn einer Besserung nicht in fetten Vollzeitjobs. Dahin wollen alle, aber mit Planwirtschaft und Konsumexzessen schafft man sie nicht.

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  16. @nhaehnle
    zur 'Deflationspolitik' der Griechen ... das ist ja insofern richtig, die Frage ist nur wie man es macht, innerhalb des Euros oder nicht. Entgegen dem Mainstream von Politik, iwköln & co erklärt Sinn ja, dass es im Euro nicht gehen kann. Dass die Alternative, das Austreten aus dem Euro, nur wesentlich weniger hart wäre, ist ja unbenommen. Es gibt nur Pest und Cholera. Außer, man wechselt eben komplett das Finanzsystem. Oder man glaubt an Nachfrageimpulse, Inflationierung etc. Das ist letztlich immer wieder die Drehscheibe.

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  17. "Oder man glaubt an Nachfrageimpulse, Inflationierung etc. "

    Es geht nicht um Glauben.

    Sinn hat sich blamiert.

    Er hat behauptet dass es zu einem Crowding Out käme.
    Staatliche Investionen würden private Investitionen verdrängen.

    Die Zinsen ausserhalb der Eurozone blieben trotz massiver staatlicher Kreditaufnahme niedrig.

    Er beantwortet gar nicht die Frage, warum innerhalb der Währungsunion jetzt die Zinsen für die GIPS durch die Decke schießen.

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  18. Anonym, das ist Unfug. Staat und Private haben sich gleichermaßen verschuldet, ausgehend vom Euro, der eine Spirale von sinkenden Zinsen und Kapitalwanderung in Gang setzte. Und natürlich sieht und beantwortet dir Sinn gern auch deine Frage: http://www.youtube.com/watch?v=VKfcj2sE8rE bei 11:20.

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  19. @ Fuentes
    du glaubst wohl der MARKT wird alles richten ?
    Doch der Markt ist nicht irgend etwas, der Markt und seine Lehre ist keine Wissenschaft für sich, sondern er besteht aus Ca.6,5 Mrd. Menschen.
    Und nach deiner Meinung wird sich nur der Stärkere durchsetzen. Das ist Faschistisch und unmenschlich weil es Menschen zu Produktionsfaktoren degradiert.
    Es ist war, manche leben über unsere Verhältnisse. Ich bin es aber nicht
    Ich aber seit 35 Jahren und zwar erfolgreich in deinen Augen. Aber von Leuten wie dir und Sinn habe ich ehrlich gesagt die Schnautze gestrichen voll wie wohl die Meisten in Deutschland. Sonst läge die FDP in Umfragen derzeit nicht bei unter 3%. in einer Demokratie kommt es nicht nur auf Markt an sondern eben auf Menschen.
    Geh doch zu Broder der hört die vielleicht zu

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  20. "Ich aber seit 35 Jahren" soll heissen: ich arbeite seit 35 Jahren

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  21. @ Tobias Fuentes:
    Interessanter Post (geh ich richtig in der Annahme, dass er aus eher österreichischer Perspektive stammt?), allerdings hätte ich ein paar Fragen. Du schreibst:
    "Jetzt aber fließt Kapital wieder zurück nach Deutschland und deutsches bleibt hier, Investitionen ziehen wieder, Löhne können und werden steigen, Leistungsbilanzsalden bauen sich ganz von alleine ab. Das wollen Linke nicht zulassen, sie wollen die Kapitalstöme verhindern und preisen ihr perpetuum mobile: die überzogenen Verhältnisse der Defizitländer (relativ! überzogen, denn natürl. kamen sie schon nicht von einem hohen Wohlstandsgrad) sollen nicht gesundschrumpfen"

    Zunächst einmal: Fließt wirklich Kapital zurück nach Deutschland? Soweit ich das sehe sind es eher Gelder der EZB, die den Staaten zur Bedienung von Krediten gegeben werden, oder um es etwas einfacher und plumper (und vlt polemischer) auszudrücken: Das, was nach Deutschland "zurück"fließt, ist doch selbst nur auf Pump aufgenommen?
    Als Zweites schreibst du, dass die Löhne wieder steigen können und werden. Allerdings schreibst du selbst, dass Linke das befürworten - wie kommst du also zu deiner Aussage, dass sie Kapitalrückflüsse (und damit den Abbau der Leistungsbilanzdefizite) nicht gutheißen? Zudem: Wenn die Löhne durch Abbau der LBDefizite steigen werden, wo ist das Problem, wenn sie jetzt steigen? Quasi ein unterstützender Mechanismus zum Abbau der Defizite.
    Als Drittes noch eine Frage: Wenn du dem Abbau der LBDefizite durch Kapitalrückfluss nach Deutschland befürwortest, würdest du dann auch eine höhere deutsche Inflation befürworten, die die interne Abwertung in den Peripheriestaaten und damit den Rückfluss des Kapitals erleichtern würde

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  22. Hallo Lada, danke.

    1) Das Kapital, das durch die Maßnahmen der EZB an Banken geht (Aufkäufe von Staatsanleihen + sog. Target-Kredite) und dann im Interbankenverkehr umhergeht, ist das eine. Was ich meine ist das vorhandene Kapital/Vermögen der Privaten (angelegt bei/über Banken, Versicherungen etwa). 2/3 der deutschen Ersparnisse floss zu Euro-Zeiten (vor der Krise) aus Deutschland raus. In die PIGS oder die USA und womit die ganzen Verbriefungen und die Immobilienblase gefüttert wurde, siehe/google zb 'Bernanke and the stupid Germans'. Nach der Krise sind die Verbriefungen weggefallen und die PIGS sind nicht mehr rentabel und zu riskant. Jetzt wird wieder hier investiert, und ausländisches Vermögen sucht bei uns eine sichere Anlage (Italien, Griechenland...). Die Verzweiflung ist so groß, dass Kapital selbst in (deutsche) Anleihen zu viel zu geringen Zinsen fließt, dass am Ende gar kein Gewinn mehr rausspringt.

    2) Die Löhne und Investitionen steigen bei uns automatisch durch das vorhandene und nicht mehr abfließende Kapital. Das steht nun nicht mehr den PIGS zur Verfügung. Dort werden Kredite teurer, es herrscht Arbeitslosigkeit durch das Platzen Immobilien/Baublase (direkt und indirekt durch all das, was damit zusammenbrach wie der Konsum) usw. Überspitzt gesagt gibt es für Linke keine Blasen, sie sehen diese Probleme nicht ... gar im Gegenteil, Krugman etwa: "Alan Greenspan needs to create a housing bubble to replace the Nasdaq bubble" (2002). Housing bubble schafft Jobs in der Baubranche und durch die Refinanzierung der Hauskredite können Immobilienbesitzer Wertsteigerungen flüssig machen und verkonsumieren ... das geschah dann auch. Die Krise war eine gewaltige Konsumtionskrise. Austrians haben deshalb ja gewarnt und den Zusammenbruch vorhergsagt. Nachfrage-Ökonomen glauben aber, dass mit Konsum/Nachfrage nachhaltige Investitionen angeregt werden und sich das alles dauerhaft von allein finanziert, oder so ... es ist schwer zu begreifen. Ja, und Linke sehen/begreifen die Kapitalströme nicht und denken, dass wenn sie deutsche Unternehmen zu Lohnerhöhungen zwingen, sich die deutschen Importe steigern lassen (anscheinend auch dauerhaft, wenn sie an Nachfragepolitik glauben), ohne dass der Lebensstandard der PIGS leidet. Denn gleichzeitig wollen sie ja weiter Geld dorthin pumpen, über die EZB, Eurobonds, Rettungsschirme etc, was das Wettbewerbs-/Lohnniveau oben hält.

    Wenn man ein Bild zeigen solle, das die Krise erklärt, würde die Nachfrageökonomen die Entwicklung der Lohnkosten nehmen, während andere wie Sinn etwa auf Kapitalflüsse verweisen. In Sinns Casino-Buch, 2. Aufl 2009, S. 37 ist das Bild, ein Augenöffner. Kapitalflüsse haben alles weitere verursacht, direkt und indirekt, sinkende relative Wettbewerbsfähigkeit von D, Massenarbeitslosigkeit, erzwungene Reformen, Lohnzurückhaltung. Unsere (bewahrte) Exportstärke war eine Folge davon.

    Ich hab das Zeichenlimit schon wieder überzogen ... ich splitte den Comment jetzt.

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  23. Und Teil 2 ...

    3) Eine deutsche Inflation ist mir insoweit eher gleich, da man sie nehmen muss wie sie nun kommt. Gezielt inflationieren wollen, wenn es gehen sollte, nein. Was man in einer tiefen Rezession tun sollte - nichts tun, um sich schnell alles bereinigen zu lassen - oder ob man sich angesichts großer Arbeitslosigkeit verpflichtet fühlt einzugreifen (egal, ob man diese Impulse als kurzfristig ansieht zum Jumpstart der economy, oder eben glaubt nur so funktioniert Wirtschaften überhaupt) ... das ist letztlich gar keine wirtschaftliche Frage, eher eine gesellschaftliche. Eine richtige Antwort gibt es wohl nicht, und ich hab die Frage für mich auch noch nicht völlig beantwortet. Ich stehe seit 2008 zwischen Friedman und den Austrians und kann mich nicht entscheiden. Ich glaube aber was Konjunkturpakete und Gelddrucken/QE angeht ... da gewinnen die Austrians. Wenn ich noch am 19.12.2011 lese "The economy badly needs stimulus" ... kann ich darüber echt nur lachen. Der reale US-Konsum liegt seit einem Jahr ÜBER dem Vorkrisenniveau, was eh schon ein Rekordniveau war, vor dem gewarnt wurde ... wir konsumieren uns zu Tode. Die Rezession liegt nicht an mangelndem Konsum, bei weitem nicht. Und schon bevor sich der Konsum wieder erholt hatte, hatte A. Schwartz gewarnt, dass die FED-Maßnahmen weit überzogen waren und von Friedman nicht gutgeheißen worden wären. Bernanke aber macht weiter ... es ist eine Tragödie.

    Aber da ich jetzt wieder Zeichen frei hab ... entscheidend bei all diesem Dschungel durchzublicken, ist die Grundfrage, auf die alles zurückläuft ... wie funktioniert Wirtschaften: Angebots- oder Nachfragepolitik. Say's Law oder nicht. Hier zweigt sich der Weg. Wie diese Grundfrage beantwortet wird, bestimmt alles weitere. Wer hier auf den falschen Trichter kommt, ist hoffnungslos verloren. Kompromisse mit Gegenspielern sind dann unmöglich.

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  24. P.S. zu 2) Um es verständlicher auszudrücken ... die Saldenunterschiede werden automatisch abgebaut, indem unsere Löhne steigen, während das Lohnniveau der PIGS zurecht gestutzt wird durch nicht mehr zufließendes ausländisches Kapital. deren Export-Wettbewerbsfähigkeit nimmt wieder relativ zu. a) Über große Rettungspakete fließt aber wieder Kapital zu, so dass sich nichts ändert ... man sichert zwar den Lebensstandard, aber hält die Wettbewerbsfähigkeit schwach / die Löhne hoch. Saldenunterschiede bauen sich nicht oder nur ganz schwach ab. Rettungspakete sind daher kontraproduktiv. b) Variante Eurobonds. Bei Eurobonds hat man gar nichts gekonnt. Man hält die Kapitalströme und damit die Saldenunterschiede aufrecht. Alles bleibt beim alten. Wer Eurobonds will und gleichzeitig glaubt, Saldenunterschiede abbauen zu können, muss ein Hardcore-Nachfrageökonom sein: man erzwingt eine deutliche deutsche Lohnerhöhung per Tarifabschlüsse etc., weil man glaubt Nachfrage treibt die Wirtschaft an, es führe nicht zu Investitionsstreiks und Arbeitslosigkeit.

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  25. Lieber Fuentes,

    warum nur vergessen sie jedes mal in ihrer Argumentation die Menschen und ihre Psyche.
    Zustände wie sie derzeit herrschen führen automatisch zu Umverteilungsmechanismen von
    von unten nach oben. Es werden sich immer feudalere Strukturen durchsetzen und letzlich
    mindestens so kontraproduktiv sein wie eine gewollte Erhöhung der Nachfrageimpulse. Nur, und das ist der springende Punkt, die Armen dieser Welt müssen immer für die Folgen dieser Wirtschaftspolitik aufkommen, wie ein Fuentes sie sich herbeiwünscht.(Gewinne privat, Verluste sozial). Sie werden es sich dauerhaft aber nicht gefallen lassen. Das bedeutet Zerstörung bisher geschaffener menschlicher Strukturen, die ein friedliches Zusammenleben erst ermöglichten. In einer rein angebots orientierten Welt wäre diese Entwicklung wohl nicht möglich gewesen.

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