Donnerstag, 27. September 2012

Zurück an die Politik

Von Stefan Sasse

Seit der Großen Koalition hat sich in die bundesdeutsche Politik die Tendenz eingeschlichen, das Bundesverfassungsgericht zu einem dauernden Körper des Politikbetriebs zu machen. War es damals von allem das Feld der Sicherheitspolitik, auf dem man sich darauf zu verlassen schien, dass das BVerfG schon die ultimative Form der durch den Bundestag gebrachten Gesetze beschließen würde, so ist es derzeit die Europapolitik. Beiden Feldern ist gemein, dass es eine Opposition im Bundestag eigentlich kaum wahrnehmbar gab. Vielmehr verlassen sich beide, Regierung und Opposition, auf den Spruch aus Karlsruhe. Auch die Öffentlichkeit verfällt bei der Nachricht, dass eine bestimmte Entscheidung in Karlsruhe zur Klage gebracht wurde in eine regelrechte Schockstarre. Es ist wie früher mit einem Monarchen, der das Veto-Recht besitzt: man schaut wahlweise oder ängstlich in sein Gesicht und versucht die Regungen zu lesen, stets in Erwartung vor dem Spruch, der über das Schicksal der jeweiligen Sache entscheidet. Das Bundesverfassungsgericht, das als letzte judikative Instanz angetreten wurde und dessen Aufgabe eigentlich eher ist, Gesetze auf Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, gerät so mehr und mehr zu einem Spieler im politischen Geschäft. Als im angesicht der letzten Entscheidung zum ESM-Rettungsschirm im Vorfeld die Frage gestellt wurde, ob sich das BVerfG überhaupt traue, eine negative Entscheidung zu treffen, hätte jedem klar sein müssen, dass hier etwas grob im Argen liegt. 

Ein Gericht sollte seine Entscheidungen nach der Gesetzeslage treffen, ohne die politischen Erwägungen, die das Spielfeld von Legislative und Exekutive bestimmen. Hier liegt im Falle des BVerfG wie bei jedem Verfassungsgericht der Hase im Pfeffer. Denn eine Verfassung ist kein normales Gesetz, dessen Bestimmungen so exakt wie möglich gehalten sind, aufgeschlüsselt in Paragraphen, Absätze und Abschnitte, ständig in Kontakt mit der Realität, weil es in Gerichten und Anwaltsstuben zur Anwendung kommt. Verfassungen sind oftmals offen geschriebene Kompromissergebnisse die nicht vielmehr als Wünsche und Zielideen formulieren, ohne dass klar würde, was der jeweilige Paragraph genau aussagt. Im Gegensatz zu "normalen" Gesetzen sind Verfassungen einer ständigen Interpretation unterworfen, und sie sind auch so gedacht. Im Normalfall wird dieser Interpretationsspielraum von der Politik ausgefüllt, und eine Verfassung zieht nur einige wenige absolute Schranken. In letzter Zeit aber entschied das BVerfG zunehmend über hochpolitische Fragen, die eigentlich überhaupt nicht in seinem Zuständigkeitsbereich liegen. Die Entscheidung über die Haushaltsführung ist schon immer das Königsrecht des Parlaments gewesen, doch plötzlich wirft man es den Richtern vor die Füße. 

Dadurch gefährdet das BVerfG selbst die Demokratie, zu deren Schutz es eigentlich gedacht ist. Es war bereits bei den Sicherheitsgesetzen der Großen Koalition problematisch, doch stand das BVerfG hier nach überwältigender Meinung auf Seite des "Guten". Es hatte den Anschein, als ob das von Schäuble geführte Innenministerium damals einfach stets seinen Wunschzettel in Gesetzesform gegossen hätte und es den "Eltern" vom BVerfG überlassen hätte, die vernünftigen Wünsche von den Unvernünftigen zu scheiden - Barbie ja, Pony nein. Durchsuchung mit richterlichem Vorbehalt ja, Flugzeuge abschießen nein. Entscheidungen, die die Politik eigentlich selbst treffen sollte, die dem Votum der Wähler unterworfen sein sollten, wurden einfach dem beinahe geheiligten BVerfG überantwortet, das von niemandem gewählt worden ist, so wie man gern monetäre Entscheidungen der Zentralbank überlässt anstatt sie im Parlament zu verhandeln.

Dasselbe Phänomen haben wir im Falle der Entscheidung über Bundeswehreinsätze im Inland. Es ist viel Kritik am BVerfG geübt worden, dass es in einem "unmittelbar bevorstehenden Schadensfall von katastrophischen Dimensionen" einen Einsatz im Inneren erlaubt hat. Es scheint bei vielen der Eindruck entstanden zu sein, dass nun ein Militärputsch unmittelbar bevorstehe, zumindest aber der Einsatz gegen Demonstranten. Diese Kritik aber ist so töricht wie überzogen. Würde die Regierung entschlossen sein, das Militär gegen polititsche Gegner einzusetzen, so wäre die Verfassung ohnehin bereits nicht mehr wert, und der entsprechende Paragraph hielte niemanden ab. Zu glauben, das BVerfG könnte im Zweifel mit einem Richtspruch einen Militärputsch aufhalten ist absurd. Eine solche Machtstellung besitzt nicht das Gericht, sondern nur das Volk selbst. Dessen Vertretern muss die Verantwortung zukommen, in einem solch außerordentlichen Katastrophenfall die Entscheidung zu fällen und die Konsequenzen zu tragen, anstatt nach Karlsruhe zu blicken und zu hoffen, dass dort die unangenehme Entscheidung abgenommen werden möge.

Das aber ist feige, denn es entzieht der Politik - dem demokratisch legitimierten Gremium der Entscheidungsfindung - nicht nur die Entscheidungsgewalt sondern auch die Verantwortung. Anstatt eine Entscheidung zu treffen und sich mit dieser im Parlament zu stellen, überlässt man die Detailentscheidungen einfach einem Gericht. Auch die Opposition macht bei dem Spiel mit; anstatt Gegenvorschläge zu formulieren, klagt sie und feiert jede Streichung durch das Gericht als Erfolg. Es entsteht eine Entpolitisierung der Politik, und die Entscheidung wird mehr und mehr einem Gremium aufgebürdet, das weder gewählt ist noch von seiner Natur her geeignet ist, solche Entscheidungen zu treffen. Aus dem ständigen Rekurs auf das BVerfG spricht ein zutiefst undemokratischer Geist, der Versuch, Entscheidungen an eine scheinneutrale, über den Dingen schwebende, kompetente Instanz auszulagern. So eine Instanz aber kann es nicht geben, und es ist an der Zeit, die Verantwortung an die Politik zurückzugeben, wohin sie gehört.

15 Kommentare:

  1. In diesem Zusammenhang fiel mir vor einigen Monaten einmal eine Formulierung von Linken-Chefin Katja Kipping auf, die eine Klage gegen den Fiskalpakt vor dem Bundesverfassungsgericht in der Tagesschau allen Ernstes mit der Begründung ankündigte, hier werde "der falsche Weg eingeschlagen".

    www.youtube.com/watch?v=qe1k9INAwHs#t=149s

    Das mag ja sein, aber zu entscheiden was der "richtige" Weg ist ist originär das Primat des Parlaments, die gerichte haben damit nichts zu tun. In diesem Halbsatz zeigt Kipping genau jene Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, die Sasse hier kritisiert, das Gericht nämlich als Instrument der tagespolitischen Auseinandersetzung.

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  2. Wenn man de Ansatz konsquent weiterdenkt, dann kommt man zu dem Schluß, dass doch alles in bester Ordnung ist.

    Die Parteien, die sich für die Politik - und damit auch für die verfassungswidrigen Gesetze - verantwortlich sind, werden in schöner regelmäßigkeit und großer Mehrheit gewählt. Es ist also der demokratische Wille der Bevölkerung hier und da das GG zu verbiegen oder zu brechen.

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  3. Kein Stück kommt man zu dem Schluss, dass alles in Ordnung ist. Der Schluss ist nur, dass das BVerfG der falsche Adressat für deine Sorgen ist, und dass eine falsch empfundene Politik nicht zwangsläufig das GG bricht und verbiegt.

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  4. Die Beobachtung ist zu kurz, seit der Wiedervereinigung verlagert die Politik unangenehme Entscheidungen auf Karlsruhe. Zuerst ging es um out-of-area-Einsätze unter der Kohl-Regierung, danach um Maastricht und die Folgen, später um konkrete Entscheidungen zur Steuer- und Sozialpolitik. So gab das Bundesverfassungsgericht Politik vor, beim berühmten Halbteilungsgrundsatz oder der steuerlichen Gleichstellung von unehelichen Kindern unter Berücksichtigung der besonderen Lebensumstände von Alleinerziehenden (November 1998).

    Es ist zu einer demokratischen Unart geworden, dass wer im politischen Entscheidungsprozess unterliegt, dies nicht respektiert, sondern anschließend noch die Verfassungshüter um ein Urteil zum eigenen Gunsten bittet. Die F.A.Z. schrieb vor kurzem dazu in der Rubrik "Staat und Recht":
    Ein Schiedsrichter interveniert nur, wenn ein Team einen unfairen Vorteil erreicht, aber nicht, wenn das „falsche“ Team gewinnt. Mit diesem Bild vergleicht der amerikanische Verfassungsrechtler John Ely (Democracy and Distrust, 1982) die Aufgaben eines Verfassungsgerichts in einem demokratischen Staat.

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  5. Ich stimme dir zu, meiner Meinung nach ist das ganze sogar noch viel dramatischer.
    Ich finde es auch bedenklich, gerade weil es so ein Konsens ist. Die Koalition macht es, die Opposition macht es und der Großteil der Bürger findet das supi (und die Mainstreampresse meistens auch). Der Verfassungsblog hatte dazu neulich auch einen guten Artikel, denn eigentlich fängt das "Verantwortung abschieben" nicht erst bei den Politikern sondern schon bei den Bürgern an, weil viele der Meinung sind, es reicht, wenn das Bundesverfassungsgericht zu irgendetwas ja oder nein sagt und dann ist gut. Das ganze gipfelt dann in Absurditäten wie der Schuldenbremse, die man auch gleich noch mit ins Grundgesetz schreibt irgendwo zwischen Menschenwürde und Meinungsfreiheit (und eine riesengroße Mehrheit findet das gut). Das ist ja gleich auf mehreren Ebenen eine Bankrotterklärung, von der Politik, die meint sie kriegt die Haushaltspolitik anders nicht geregelt und von den Bürgern, die das ganze mit ihrer Zustimmung noch bestätigen.
    Das ganze ist für mich aber nur ein Ausdruck des grundlegenden Problems, die Politik macht sich Das ganze ist für mich aber hauptsächlich Ausdruck des grundsätzlichen Problems, dass die Politik eine Form von Arbeitsverweigerung an den Tag legt. Das betrifft ja nicht nur das Verfassungsgericht, in anderen Dingen hat man das Gefühl, die Lobbies schreiben Gesetze, die die Politik nur noch abnickt oder wie jetzt mit dem Betreuungsgeld, wo zig unterschiedliche Sachen in einen Topf kommen, die eigentlich niemand mehr will. Alles in allem hatte ich in letzter Zeit das Gefühl, dass die Politik mehr und mehr damit beschäftigt ist, sich selbst quasi überflüssig zu machen.

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  6. @Dubio: Danke für den Link.
    @Ariane: Absolute Zustimmung.

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  7. @Ariane

    Die Schuldenbremse ist doch nun ein außerordentlich positives Beispiel. Eine verfassungsrechtliche Regel, die in einer langen Tradition nicht im Sinne der Verfassungsväter funktioniert hat, wird nach längerem politischen Streit anhand eines erprobten Modells (Schweiz) für die Politik klarer gefasst. Die neue Regel steht im Einklang mit dem Willen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung. Die Aufgabe von Politik ist ja nicht, bis in unendlich Entscheidungen für Enkel und Urenkel zu treffen und diese rechtlich zu binden, sondern das Zusammenleben der heutigen Generationen zu regeln.

    Merke: Schon Odysseus musste sich binden lassen um den Klang der Sirenen ohne Reue und Spätfolgen genießen zu können.

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  8. Genau die Entscheidung hat die Politik aber getroffen - Regeln für Haushaltspolitik, die noch Enkel und Urenkel binden.

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  9. Nein, die Politik hat sich begrenzt auf das heute. Der Staat hat sich oft weiter verschuldet, als dies überhaupt die Verfassung erlaubte, wonach höchstens die Schuldaufnahme so hoch sein durfte wie die(Netto-) Investitionen. Schulden sind eine Verpflichtung auf die Zukunft, der Staat verpfändet Steuereinahmen, die andere erwirtschaften müssen.

    Unsere Enkel können natürlich diese Regel ändern, schließlich hat die Schuldenbremse keine Ewigkeitsgarantie. Nur sollte über so etwas Grundsätzliches ein Grundkonsens in der Gesellschaft vorhanden sein und die langfristige Schuldenpolitik nicht zufälligen Spiel der Tagesaktualität ausgeliefert werden.

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  10. Völlig unerwartet bin ich gänzlich anderer Meinung^^
    Es würde mich auch stark wundern, wenn sich die Verfassungsväter (und eine Mutter) damals hätten träumen lassen, dass man die Verfassung mal für haushaltspolitischen Alltag gebrauchen könnte.
    Das Budgetrecht ist ja nicht umsonst das Königsrecht des Parlaments, denn da gehören alle diesbezüglichen Entscheidungen hin und nirgends sonst (weil das Parlament nun mal der Ort mit der größten demokratisch legitimierten Autorität ist)
    Mal ganz davon abgesehen, dass es ja durchaus nützlich (und wichtig) sein kann, wenn ein Staat sich zeitweise verschuldet - aber wenn man der Meinung ist, dass Schulden so schrecklich sind, dann sollte man nicht losrennen und das in die Verfassung kritzeln, sondern eben im Parlament Steuern erhöhen oder Abgaben kürzen oder alles gleichzeitig. Dafür haben wir ja Politiker.
    Mal abgesehen davon, dass ich die Möglichkeit auch einfach immanent wichtig finde, um auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Nicht zu vergessen: ohne die Finanzkrise wäre der Haushalt heute wahrscheinlich ausgeglichen, was machen wir nächstes Mal? Pech gehabt, lassen wir die Banken alle gleichzeitig abschmieren und die Wirtschaft ins Bodenlose stürzen? Hören wir auf, Renten oder Gehälter auszuzahlen? Oder rennen wir zu den Verfassungsrichtern und erwarten, dass die auch noch die praktische Gestaltung übernehmen, wenns schon mal im Grundgesetz steht?

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  11. @Ariane

    Warum stand denn ursprünglich im Grundgesetz, die Schulden dürften die Investitionen nicht übersteigen? Doch wohl, weil die Verfassungsväter den sattsam bekannten Drang zur Verschuldung des Staates begrenzen wollten. Trickreich wurde dieser Artikel von der Politik umgangen, das Ergebnis waren Verfassungsklagen, wo die Verfassungswidrigkeit von Haushalten folgenlos festgestellt wurde und Lügenausschüsse des Bundestages. Eine würdelose Situation.

    Erstens: die Schuldenbremse ist nicht in Stein gemeißelt und sie lässt eine zeitweise Verschuldung zu. Zweitens: Generationen von Finanzministern haben in ihrer Mittelfristplanung einen ausglichenen Haushalt versprochen. Niemand konnte das erfüllen, immer kam etwas dazwischen. Wenn das Spiel 40 Jahre geht, steht dahinter System. Drittens: Budgetrecht bedeutet, Einnahmen und Ausgaben zur Deckung zu bringen - durch reguläre Einnahmen. Es wurde geschaffen, damit die gewählten Parlamentarier den Königen auf die Finger hauen konnten, wenn diese sich zum Zwecke der Kriegführung oder anderer Maßnahmen verschuldeten. Die deutsche Situation ist ziemlich unique, wo eine Mehrheit von Bürgern und Oppositionspolitikern seit Jahren mehr Einnahmen für die Regierung fordert. Das gibt es selbst in Italien nicht. Sie drehen also auch hier das "Königsrecht" um und wenden es gegen die eigentliche Absicht.

    Wie lässt es sich denn rechtfertigen, dass wir im Jahre 2012 Schuldtitel der Brandt-Ära dadurch tilgen, dass wir auf die gleiche Summe eine neue Anleihe begehen? Und wie lässt es sich rechtfertigen, dass wir auf diese Alt-Anleihe Zinsen zahlen, obwohl damit die Brandtregierung die Neueinstellung von Lehrern bezahlt hat, die heute in den Ruhestand gehen und für deren Pensionen keine Rückstellungen in Form von Spareinlagen des Staates getätigt wurden? Das ist Leben auf Kosten zukünftiger Generationen. Müsste der Staat keine Zinsen zahlen, so könnte der heutige ESt-Steuertarif 10%-Punkte niedriger sein als er ist. Das bedeutet für jeden, der Steuern zahlt, eine enorme Einkommensersparnis.

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  12. Überinterpretierst du nicht die "eigentliche Absicht"? Und das Budgetrecht ist einfach nur die Hoheit über den Haushalt. Woher nimmst du die Definition "Budgetrecht bedeutet, Einnahmen und Ausgaben zur Deckung zu bringen - durch reguläre Einnahmen."?
    Deine letzte Anmerkung würde ich außerdem ebenfalls entschieden als Milchmädchenrechnung zurückweisen. Das Geld der Schulden wurde ja schließlich für etwas verwendet, das andernfalls anders hätte finanziert werden müssen - privat vermutlich, mit all den negativen Nebeneffekten. Einfach nur den Schuldendienst auszurechnen und daraus potentielle Mehreinnahmen zu konstruieren halte ich für zumindest gewagt.

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  13. Woher nimmst du die Definition "Budgetrecht bedeutet, Einnahmen und Ausgaben zur Deckung zu bringen - durch reguläre Einnahmen."?

    Weil ich ein bisschen geschichtsfest bin. Das Budgetrecht tauchte erstmals in der Magna Charta auf. Normalerweise besteht ja ein Interessengegensatz zwischen den Herrschenden (Exekutive) und den Regierten gibt, deren Vertretung die Parlamentarier sind. In Deutschland haben wir diesen Gegensatz kurzerhand eingeebnet. Angeblich. Jedenfalls sind die Regierten in der Geschichte den Herrschenden noch immer in den Arm gefallen, wenn diese sich zur Ausweitung ihrer Macht verschulden oder die Steuern erhöhen wollten.

    Ansonsten: Ihr überdehnt den Begriff Milchmädchen. Tatsächlich hat die Regierung Brandt die Verschuldung zu zweierlei genutzt (und Schmidt hat es fortgesetzt): erstens wurde die Zahl der öffentlich Beschäftigten deutlich ausgeweitet (nie wieder gab es solche Steigerungsraten) und Schulen und Universitäten gebaut. Es wäre in Ordnung gewesen, dies teilweise durch Kredit zu finanzieren, aber dann auch zu tilgen. Das vergisst der Staat immer. Tatsächlich gehen die damals eingestellten Beamten derzeit in Pension, für die der heutige Steuerzahler aufkommen muss. Und die Schulen und Unis sind verfallen, weil eben der Staat nicht getilgt hat, um neue Mittel für die Instandhaltung freizubekommen.

    Du kannst die Zinszahlungen, die wir dafür immer noch erbringen, verwenden wie Du magst: unsere Eltern haben uns damit gebunden, ohne dass wir heute Vorteile daraus genießen. Deswegen ist es sehr wohl berechtigt zu fragen, was könnten wir mit dem Geld heute anfangen, hätten unsere Eltern ordentlich die Anleihen getilgt und dafür eben weniger verfügbare Einkommen gehabt. 10%-Punkte weniger Einkommensteuer - hast Du mal ausgerechnet, was das für Dich bedeuten würde? Dafür hätten Deine Eltern damals weniger gehabt. Nun ist Dein Einkommen niedriger. Die Sensibilität für diese Art der Umverteilung zwischen den Generationen geht leider verloren. Stattdessen wird "Milchmädchen" gerufen. Wobei die meisten doch gar nicht zu komplexen mathematischen Operationen fähig sind.

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  14. Ich glaube, ich werde nochmal drüber nachdenken müssen - spontan kann ich das Argument jedenfalls nicht widerlegen. Nur eines: die Lehrergeneration, die durch Brandt etc. ins Amt kam, ist bereits pensioniert. Aktuell gehen Lehrer in Pension, die in den 1980er Jahren eingestellt wurden. Die letzten Verabschiedungen waren alle im Bereich 1979, 1980, 1981 als Eintritt.

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