Montag, 15. Juni 2020

Die Bilderstürmer


In den USA ist eine Debatte entbrannt, die mit voller Wucht auch nach Europa herübergeschwappt ist: Wenn Statuen oder andere Monumente an Menschen erinnern, die aus heutiger Sicht eher zweifelhaften Leumund haben - Sklavenhalter, Sklavenhändler, Massenmörder, Killer - sollten diese Statuen dann im öffentlichen Raum stehen bleiben? Sollten Straßen, Schulen und Kasernen nach ihnen benannt sein? Sollten ihr Bilder und Büsten prominent die Zimmer von Amtsstuben schmücken? Wir kennen die Debatte hierzulande auch. Aber wie so Vieles haben die Ereignisse um George Floyds Ermordung und die seither wieder entbrannten Black-Lives-Matter-Proteste hier für eine neue und verstärkte Sichtbarkeit gesorgt. Sollten also Statuen fallen? Oder sind sie als historische Erinnerungsorte zu bewahren?

Eine kleine Geschichtsstunde

Zuerst ein wenig historischer Kontext. Angesichts der Tatsache, dass in den Argumenten immer vorkommt, dass die Statuen für die Bewahrung des historischen Erbes und das Erlernen vergangener Ereignisse wichtig waren, ist es sicherlich nicht verkehrt, die Geschichte von Statuen etwas anzuschauen, und die um die es geht im Besonderen.

Unsere westliche Tradition der Statuen kommt aus Ägypten. Die Griechen übernahmen deren Art und Zweck, und von den Griechen ging das Ganze dann auf uns über. Diese Statuen waren idealisiert und uniform, sie wurden quasi "am Fließband" produziert, weswegen auch die ganzen Pharaonen immer gleich aussehen (oder griechischen Helden, oder römischen Kaiser). Ihr Zweck war nicht so sehr, eine bestimmte Person weithin bekannt zu machen oder zu ehren, sondern ein Ideal. Die Erinnerung von Personen wurde dem Wort überlassen, ob in Grabinschriften oder historischen Abhandlungen. Die Statue repräsentierte die Idee.

Ironischerweise verstand Hitler diese Logik übrigens, weswegen es von ihm auch keine Statuen gibt (anders etwa als von so manchem sozialistischen Diktator). In der sowjetischen Erinnerungskultur dienten Statuen, ähnlich wie im Nationalsozialismus auch, der Entindividualisierung. Wer etwa sowjetische Ehrenmäler für die Gefallenen des "Großen Vaterländischen Krieges" ansieht, wird feststellen, dass diese ganz bewusst darauf verzichten, Individuen herauszustellen; in all diesen Monumenten verschwimmen die Einzelnen zu einer Masse, einer Idee, einer Sache - oftmals sogar sehr explizit. In der Sowjetunion war es praktisch durchgängig verboten, individuelles Gedenken abzuhalten.

Aber zurück zu den Griechen. Bereits der erste bekannte Historiker, Thukydides, beklagte in seinen Werken, dass der Pöbel die Statuen missverstehe, weil diese historisch unakkurat waren. Konkret ging es um die Statuen der "Tyrannenmörder", die den Schönheitsfehler hatten Leute darzustellen, die keinen Tyrannen getötet hatten. Das war aber auch egal, denn es ging um die Idee des Tyrannenmords. Die Darstellung in Statuenform signalisierte jedem Beobachter, dass Athen sich als Gegenpol zur tyrannis definierte. Die Vereinnahmung des öffentlichen Raums diente also der Anzeige dieser Idee.

Das bedeutet, dass Statuen keine pädagogischen Instrumente zum Vermitteln von Geschichte sind. Sie waren es nie. Sie kommunizieren Ideen, und dass diese Ideen von diesem Staat, dieser Gesellschaft für gut und nachahmenswert empfunden werden. Um Geschichte zu lehren, haben wir unter anderem Museen. Aber sicherlich nicht Statuen. Auch dann nicht, wenn jemand eine kleine Plakette an deren Sockel montiert.

Statuen zu stürzen ist daher lange Tradition. Die Ägypter zerstörten Statuen in Ungnade gefallener Pharaonen. Vor ihnen schleppten die Assyrer Statuen von Gottheiten besiegter Gegner in Ketten nach Ninive, um sie dort rituell zu vernichten. Jesus selbst war über das Zerstören von Ikonen nicht erhaben. Mohammeds Jünger taten es. Die Kreuzfahrer stürzten Bildnisse und in der Reformationen steigerte sich das gegenseitige Zerlegen von Monumenten zum Wettbewerb. Die Briten stürzten königliche Standbilder in der Glorious Revolution. Die Amerikaner stürzten in ihrer Revolution Statuen britischer Könige und schmolzen sie ein, um Kugeln daraus zu gießen, die sie dann auf die Soldaten dieser Könige feuerten. Das Zerstören und Stürzen von Statuen, um es kurz zu machen, war immer die Kehrseite des Errichtens von Statuen. Beides kommuniziert eine Idee, beides beansprucht öffentlichen Raum für das Propagieren dieser Idee.

Und das bringt uns zu den Statuen von konföderierten Generälen, von Jefferson Davis und vom "unbekannten konföderierten Soldaten" in den USA. Diese Statuen ehren nicht die Personen, und sie dienen nicht dazu, die Erinnerung an den Bürgerkrieg wach zu halten. Sie dienten dazu, Angst und Schrecken in der schwarzen Bevölkerung zu verbreiten. Und wer jetzt denkt "Boah, der Stefan ist mal wieder woke und linksextrem" - das ist das, was die Leute, die diese Statuen aufstellten, explizit sagten.

Diese Statuen sind auch keine Kunstwerke. Sie wurden in industrieller Fertigung am Fließband produziert. Jede dieser Statuen steht in dutzendfacher Ausfertigung in den Südstaaten herum. Man kann heute noch die Werbekataloge der Hersteller lesen (überrascht es jemanden, dass die Fabriken im Norden standen?). Es ist auch nicht so, als würde man nur die großen Generäle ehren. Bei Lee kann man das ja wenigstens noch debattieren, aber Terroristen wie Bragg und Forrest waren miese Generäle. Sie werden in Statuen, Straßen- und Basennamen deswegen verehrt, weil sie Terroristen waren. Die Jim-Crow-Gesellschaft des Südens sandte ein klares Signal an die Schwarzen. Und die verstanden dieses Signal, weswegen in diesen Jahrzehnten Millionen von ihnen den Süden verließen und in den Norden abwanderten.

Der Präzedenzfall

Wir sollten auch nicht denken, die Amerikaner würden diesen Zusammenhang nicht verstehen. Als 1945 das Nazi-Regime endgültig fiel, wurden keine Plaketten unter den Nazi-Monumenten angebracht. Sie wurden gesprengt oder abgerissen. Adolf-Hitler-Straßen bekamen keine kleinen Ergänzungstafeln, die erklärten, dass er ein schlechter Mensch war, sie wurden umbenannt. Schlageter-Kasernen und Horst-Wessel-Schulen wurden nicht mit Hinweisen auf die Natur ihrer Namensgeber versehen, sie erhielten neue Patrone.

Dabei könnte man problemlos auch hier argumentieren, dass dies "die Geschichte auslöscht", dass man durch das Hinzufügen solcher Plaketten den Leuten, die daran vorbeigehen oder in den Gebäuden arbeiten, die Gelegenheit geben würde, mehr über diese Personen zu lernen. Wäre das nicht viel besser als die Bilderstürmerei?

Das Argument ist natürlich Unsinn. Die Umbenennungen und das Vernichten der Nazi-Monumente war ein Akt der Reinigung, ein Signal. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg, als Alliierte wie Revolutionäre die Monumente der Kaiserzeit haben bestehen lassen (weswegen sie weitgehend auch heute noch existieren) würden weder Alliierte noch die deutschen Demokraten nach 1945 irgendwelche Widmungen des öffentlichen Raums an Nazi-Mörder bestehen lassen.

Nun sind natürlich Hitler-Vergleiche immer etwas problematisch, und geneigte Lesende mögen bereits abwinken: Klar, aber da reden wir von den Akteuren des Holocaust. Das ist was ganz Anderes. Dazu habe ich die unschuldige Frage: Fahren wir heute nach Chemnitz oder nach Karl-Marx-Stadt? Geht man heute über die Dammstraße in die Lübbenauer Altstadt oder über die Maxim-Gorki-Straße? Verlässt man sie über die Poststraße oder die Clara-Zetkin-Straße? Und die beiden Letztgenannten waren Dichter und Frauenrechtlerin, nicht Massenmörder!

Niemand kann mir erzählen, dass die DDR schlimmer war als die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwest-Afrika. Aber während die sozialistischen und nationalsozialistischen Heroen zuverlässig aus dem Straßenbild getilgt wurden, sind in Deutschland weiterhin Straßen nach Trotha oder Lettow-Vorbeck benannt, von Allüren auf die ehemaligen Kolonien ganz zu schweigen (oder die kaum revisionistische Angewohnheit, in fast jeder Stadt die Straßen eines Viertels nach den verlorenen deutschen Ostgebieten zu benennen).

Werden wir grundsätzlich

Bilderstürmerei ist ein revolutionärer Vorgang. Das Umstürzen von Statuen verbinden wir mit dem Ende diktatorischer Regime, von Hitler zu Stalin, von Saddam Hussein zu Haile Selassi. Es ist daher verständlich, dass besonders die gutbürgerliche Gesellschaft eher mit Entsetzen reagiert, wenn plötzlich Monumente in westlichen Großstädten fallen oder Churchills Statue mit der Aufschrift "Racist" beschmiert wird. Wo Statuen stürzen, ist die Guillotine gefühlt nicht weit.

Ich denke, diese Furcht ist übertrieben. Schließlich regiert nicht Robert E. Lee im Weißen Haus oder Edward Colston in der Downing Street 10. Der Protest richtet sich gegen die Ideen, die diese Statuen repräsentieren, ihre Besitznahme des öffentlichen Raums. Die Furcht, dass hier quasi eine Art Reichstagsbrand 2.0 vor der Tür steht, kann sicher beiseite gewischt werden.

Das Errichten wie auch das Stürzen von Denkmälern ist ein performativer Akt. Im einen Fall wird einem Ideal ein Standbild errichtet; der Staat kommuniziert, dass die Werte, für die die Person oder das Abbild stehen, nachahmenswert sind, dass sie für die Mehrheitsgesellschaft sinnstiftend sein sollen, ausdrücken, "wer wir sind". Daher etwa die 146 Bismarcksäulen, die in Deutschland um die Jahrhundertwende errichtet wurden. Sie signalisierten ein Reichsverständnis, eine nationale Idee, die weit über Bismarck hinausging, der im Grunde seines Herzens stets Preuße blieb und nie Deutscher wurde. Aber diese Säulen ehrten auch nicht Bismarck, die Person, sie ehrten Bismarck, die Idee.

Genauso wie also die Aufstellung von Monumenten performativ verstanden werden muss, gilt dies auch für ihre Beseitigung. Es ist hier nicht mit einem fließenden Übergang von "Gewalt gegen Sachen" zur "Gewalt gegen Personen" zu rechnen. Das ist selbstverständlich nicht immer wahr; der Bücherverbrennung folgte schließlich auch der Holocaust. Wir müssen jeden performativen Akt des Statuensturzes ebenso individuell bewerten wie den Akt des Statuenerrichtens, oder den Akt des Statuenerhalts.

Das heißt: Kommt Kritik an einem bestimmten Standbild oder Ehrung auf, gibt es keine Musterlösung, die immer  richtig angewandt werden könnte. Grundsätzlich gibt es folgende Möglichkeiten, wie mit dem Problem umgegangen werden kann:

Erhalt. In diesem Fall wird die Benennung oder Monumentalisierung als unproblematisch eingestuft. Straßen, Kasernen und Schulen behalten ihre Namen, Statuen und Monumente bleiben unverändert stehen.

Kontextualisierung. Zwar bleiben das Monument oder die Benennung bestehen, sie werden aber durch eine üblicherweise dezente Kontextualisierung entproblematisiert. So kann am Fuß der Hermannsstatue eine Infotafel angebracht werden, in der sowohl auf den problematischen Kontext des Nationalismus' als auch auf das historisch eher zweifelhafte Narrativ hinweist. Unter einem Straßenschild kann eine kleine Plakette informieren, dass die entsprechende Person Gutes und Schlechtes getan hat. Und so weiter.

Spiegelung. Dem Monument oder der Benennung wird ein brechendes oder ergänzendes Monument beziehungsweise eine solche Benennung zur Seite gestellt. So könnte eine Rosa-Luxemburg-Straße auf eine Hugo-Haase stoßen, oder gegenüber einer Reiterstatue Wilhelm II. könnte ein Denkmal für die toten Herero aufgestellt werden. Auf diese Art und Weise wird ein Kontrast geschaffen, der eine einseitige Identifikation verhindert.

Versetzung in einen musealen Kontext. Kunstwerke, die gleichwohl problematische Ideen propagieren, können abgebaut und in einem musealen Kontext neu ausgestellt und dort kontextualisiert werden. Ganz typisch geschieht dies etwa bei den Konzentrationslager-Gedenkstätten (die natürlich nicht räumlich verlegt wurden), aber auch Nazi-Devotionalien oder Ähnliches finden hier gerne eine Ruhestätte. Für Benennungen steht diese Variante nicht zur Verfügung.

Ersatzlose Beseitigung. Bei Monumenten oder Benennungen, die nicht mehr aufrecht zu erhalten sind, kommt nur der Abbau oder die Umwidmung in Frage. Dies gilt vor allem dann, wenn die Objekte keinen historischen oder künstlerischen Wert haben (andernfalls transferiert man sie in einen musealen Kontext) und die Idee, die sie propagieren, besonders viel Anstoß erregt.

Ich will im Folgenden anhand einiger Beispiele diskutieren, wie diese Abwägungen konkret aussehen.

Beispiele

Bismarck. In Deutschland stehen 146 Bismarcksäulen aus Serienfertigung. Sie wurden errichtet, um den Nationalgedanken des neuen deutschen Reichs zu propagieren. Bismarck steht hier für einen Obrigkeitsstaat und für die kriegerische Gründung im Krieg gegen Frankreich. Der Gedanke der deutschen Nation per se ist unproblematisch. Dazu kommt, dass selbst eingefleischtetste Neonazis heute üblicherweise keinen Vergeltungsdrang gegen den "Erbfeind" Frankreich mehr haben. Die erfolgreiche Rekontextualisierung der Epoche in der Schulbildung sorgte dafür, dass ein Bismarck-Kult heute nicht mehr existiert. Die Säulen sind daher ein gutes Beispiel für etwas, das einfach erhalten werden kann (aber nicht muss, weil der künstlerisch-historische Wert eher gering ist).

Voltaire. Ich nehme Voltaire hier aus aktuellem Anlass als Beispiel für Intellektuelle, denn auf Twitter wieß Otmar S. darauf hin, dass Voltaire ein ziemlicher Rassist war. Das ist unzweifelhaft korrekt, aber Voltaire ist weder für seinen Rassismus bekannt noch, und das ist entscheidend, hatte er damit irgendwelchen Einfluss auf Regierungshandeln oder Ähnliches. Auch hier ist allenfalls eine dezente Kontextualisierung relevant, dürfte aber überwiegend egal sein. Niemand beruft sich auf Voltaire, wenn es um Rassismus geht, weswegen wir das getrost ignorieren und als Zeitgeist abstempeln können.

Churchill. Anders als bei Voltaire ist der Rassismus Churchills wesentlich problematischer. Das heißt nicht, dass man seine Statue vor der Westminster Abbey abbauen sollte, aber ihre Beschmierung mit "Racist", die dann zu der lächerlichen identitätspolitischen Gegenreaktion der Konservativen führte, weist auf einen wahren Kern hin. Churchills tiefgreifender Rassismus führte zu millionenfachem Tod, schlicht weil der Premier die Versorgung der weißen britischen Bevölkerung als wesentlich höherwertiger betrachete als das Überleben Millionen von Indern. Churchill ist aber auch eine monumentale Figur im Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus. Aspekte seiner Person verdienen Bewunderung, andere Verdammung. Hier wäre Kontextualisierung unbedingt nötig, besser sogar Spiegelung. Ein ihm beiseite gestelltes Monument für die Toten Bengalen etwa wäre hier eine gute Option. Es würde auch den Glanz der imperialen Größe brechen, den Churchill-Monumente signalisieren und der eine toxische Obsession der Briten ist.

Konföderierte. Die Dauerdiskussion zum Thema in den USA ist die Frage, wie mit den hunderten von um die Jahrhundertwende errichteten Monumenten für die Konföderierten umgegangen werden soll. In meinen Augen müssen diese eindeutig entfernt werden, in den meisten Fällen ersatzlos. Den Grund beschreibt ausgerechnet der Neo-Konföderierte Jeff Sessions in seiner Kritik an Doug Jones:


Charakter und Anstand der Soldaten des Südens wurden nicht durch Doug Jones verraten, sondern durch die Sache, für die sie kämpften. Sessions ist genauso fehlgeleitet wie die Kritiker der Wehrmachtsausstellung in den 1990er Jahren. Niemand kann sauber bleiben, der für eine schmutzige Sache kämpfte. Dazu ist nirgendwo deutlicher, warum die Monumente überhaupt errichtet wurden: Sie sind Terrordenkmäler, gebaut um die schwarze Bevölkerung einzuschüchtern und die Rassentrennung aufrecht zu erhalten, in einer Zeit, in der die Zahl der Lynchmorde an Schwarzen auf einem traurigen Höhepunkt waren. Dies ist hinreichend durch die Aussagen jener belegt, die die Monumente erbauten und die Straßen, Kasernen und Schulen benannten. Aber wer noch weitere Beweise braucht: Zwar gibt es Dutzende von Monumenten und Benennungen für Terroristen wie Bragg und Forrest, aber im gesamten Süden keine einzige für den sehr erfolgreichen Südstaatengeneral Longstreet - weil dieser sich nach dem Krieg an der Reconstruction beteiligte und für die Gleichberechtigung der Schwarzen eintrat. Diese Monumente dienen heute noch demselben Zweck wie damals. Sie müssen weg.

Palast der Republik und das Hohenzollernschloss. Nach dem Zweiten Weltkrieg sprengten die Sowjets das Hohenzollernschloss. An seiner Stelle wurde der Palast der Republik errichtet, das hässliche Prunkgebäude der SED-Diktatur. Nach der Wende wurde dieses wiederum abgerissen (unter anderem aus gesundheitlichen Gründen) und beschlossen, das Hohenzollernschloss wieder aufzubauen - inklusive dem Kreuz auf der Kuppel, das seinerzeit die blutigen Kolonialkriege symbolisierte. Ich finde beide Maßnahmen reichlich albern. Die Sieger versuchten jeweils, mit martialischer Geste und kleinlich ausgestrecktem Mittelfinger den jeweiligen ideologischen Gegner ins Herz zu treffen. In beiden Fällen hätte die Umwidmung zum musealen Kontext sehr viel mehr Gutes bewirken können. Und da reden wir noch nicht einmal über die problematische Hohenzollern-Restauration.

Edward Compton. In Europa wurde die Statuendebatte durch den Sturz des Denkmals für Edward Compton in Bristol entzündet. Compton war ein Sklavenhändler, unter dessen Ägide mindestens 17.000 von rund 83.000 aus Afrika entführten Schwarzen bei der Überfahrt über den Atlantik zu Tode kamen. Wie aber im Falle der "Räuberbarone" der amerikanischen Gilded Age verstand es Compton, durch philantropische Stiftungen am Ende seines Lebens seinen Ruf reinzuwaschen. Das Bristoler Denkmal gehörte zu dieser Geschichtsklitterung. Ich hätte es bevorzugt, eine Spiegelung vorzunehmen und eine Statue ertrinkender Sklaven direkt gegenüber Comptons Standbild aufzubauen. Es wäre intellektuell reizvoller gewesen als die Versenkung im Hafen. Diese hatte jedoch auch Symbolcharakter. Die Statue ähnlich dem Unterwasserstandbild von Grenada vor der afrikanischen Küste unter Wasser zu platzieren wäre ebenfalls eine Möglichkeit gewesen.

Lent-Kaserne. Jahrelang gab es einen erbitterten Streit um die Umbenennung der Lent-Kaserne in Wümmern. Lent war ein Jagdflieger der Luftwaffe gewesen. In einer problematischen Auslegung des Traditionserlasses der Bundeswehr vertrat diese den Standpunkt, er sei "unpolitisch" gewesen, weswegen die fliegerische Qualität als Vorbild tauge. Das ist aber ein Bundeswehr-typisches Verständnisproblem des Traditionserlasses. Ein "unpolitischer" Soldat des Dritten Reichs ist politisch. Wer sich in den Dienst dieses Regimes stellte und als Held feiern ließ, kann gar nicht unpolitisch sein. Die Umbenennung in Von-Düring-Kaserne (nach einem Befehlshaber der Befreiungskriege) ist daher nur folgerichtig. Der Fall gilt exemplarisch für alle nach irgendwelchen Nazi-Helden benannten Straßen oder Kasernen.

Fazit

Ich hoffe, mit diesem Artikel aufgezeigt zu haben, dass Monumente immer eine performative Funktion haben und niemals in Isolation betrachtet werden können. Die Denkmäler kommunizieren Werte und Ideen, und wenn diese Werte und Ideen mit den Auffassungen einer freien, demokratischen und offenen Gesellschaft nicht mehr kompatibel sind, müssen Maßnahmen ergriffen werden.

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, auf die zu diesem Zweck zurückgegriffen werden kann. Manchmal ist die Bilderstürmerei angebracht. Manchmal schießt sie über das Ziel hinaus. Es gilt hier, einen differenzierten Blick zu wahren. Dem Urteil der Historiker sollte hier mehr Bedeutung beigemessen werden, als dies bisher der Fall ist. Sie sind am besten in der Lage, den Kontext abzuschätzen, zu deuten und die angemessene Maßnahme zu ergreifen. Besser jedenfalls als identitätspolitisch getrieben PolitikerInnen, aufmerksamkeitsökonomisch gebundene JournalistInnen oder in der Hitze des Augenblicks gefangene AktivistInnen.

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