Montag, 8. Juni 2020

Orban wird mit Hilfe der Antifa Verfassungsrichter in Ferguson - Vermischtes 08.06.2020

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Grundgesetz als Maßstab (Interview mit Barbara Borchardt)
SZ: Kann eine Verfassungsrichterin ein System schützen, das sie ablehnt?
Borchardt: Das Grundgesetz schreibt kein System vor, in dem wir leben. Insoweit sehe ich da keinen Widerspruch. Als Verfassungsrichterin sind die Grundlagen für mich das Grundgesetz und unsere Landesverfassung. Ich war ja schon Stellvertreterin im Landesverfassungsgericht und lange Zeit im Rechtsausschuss, in dem ich mich unter anderem besonders für die Stärkung der Demokratie eingesetzt habe. [...] 
In einem Papier schrieben Sie und andere AKL-Mitglieder 2011, die Mauer sei für DDR und Sowjetunion alternativlos gewesen. Stehen Sie noch zu dem Satz?
Ich stehe zu dem damaligen Standpunkt. Man muss sich emotionslos mit der Geschichte der DDR in einem Gesamtzusammenhang auseinandersetzen. Es war der Kalte Krieg. Damit sage ich ja nicht, dass es richtig ist, dass ein Volk eingesperrt ist. Ich möchte nur den gesellschaftlichen Prozess ordentlich bewerten. [...]
Sie schrieben auch, Menschen hätten an der Mauer "ihr Leben verloren". An der Mauer wurden aber Menschen erschossen.
Es gab Mauertote auf beiden Seiten, es sind auch Grenzsoldaten erschossen worden. [...]
War die DDR ein Unrechtsstaat?
Es gab Unrecht, keine Frage. Aber die DDR war kein Unrechtsstaat, Unrechtsstaat ist juristisch gar nicht definiert, somit wäre doch das ganze Leben in der DDR unrecht! (Peter Burghardt, SZ)
Ich möchte meine Gedanken zu diesem Thema zu Beginn in eine zurückhaltende, höfliche, überlegte Frage an die LINKE stellen: WHAT THE FUCK?! Sorry, aber das ist genau die Art von Blödsinn, weswegen sich die Partei ständig wegen ihres Verhältnisses zur DDR rechtfertigen muss und warum Teile immer noch vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Aufstellung einer solchen Kandidatin für ein Landesverfassungsgericht geht einfach gar nicht. Allein der Bothsiderismus, den Borchardt betreibt, ist eine ungeheure Frechheit. Ja, es sind auch Grenzsoldaten erschossen waren, einige an zwei Händen abzählbare sogar von Fluchthelfern. Daraus eine Äquivalenz konstruieren, ist atemberaubend. Und wenn man bedenkt, dass die meisten toten Grenzsoldaten von friendly fire stammen oder gar von ihren Kameraden bei eigenen Fluchtversuchen ermordet wurden, wird das ganze noch ekliger. What. The. Actual. Fuck. Und ich fange gar nicht bei der "alternativlosen" Mauer an. Spannend ist übrigens, dass auch die CDU der Ernennung Borchardts zugestimmt hat und deswegen gerade von ihren ParteifreundInnen aus anderen Bundesländern schwer unter Beschuss steht. Aber da hat sie sich schlicht an demokratische Normen gehalten, die ich auch von ihr erwarten würde. Wenig überraschend ist auch, dass Nikolaus Blome wenig begeistert ist. Aber das ist genau das Thema mit der ideologischen Nachbarschaft, über die ich jüngst gesprochen habe. Die Verantwortung, das zu kritisieren, liegt bei denjenigen, die der LINKEn sonst eher freundschaftlich verbunden sind, nicht bei ihren ideologischen Gegnern.

2) Cops Kill Because We Gave Them The Legal Framework To Do It
But in a series of decisions beginning in 1967, the Supreme Court gutted that law by permitting police and other government agents to claim they acted in “good faith” when violating citizens’ rights. In 1982, the Supreme Court granted government officials immunity unless they violated “clearly established statutory or constitutional rights of which a reasonable person would have known.” Regardless of centuries of court rulings that clearly demarcated citizens’ constitutional rights, the Supreme Court decided government officials deserved “qualified immunity” unless a prior court case had condemned almost exactly the same abusive behavior. Federal judge Don Willett declared in 2018 that “qualified immunity smacks of unqualified impunity, letting public officials duck consequences for bad behavior—no matter how palpably unreasonable—as long as they were the first to behave badly.” The Supreme Court effectively added an asterisk to the Constitution that expunged much of the Bill of Rights. In a 2018 case absolving a reckless shooting that killed a motorist, Justice Sonia Sotomayor angrily dissented that the court’s decision “tells [police] officers that they can shoot first and think later, and it tells the public that palpably unreasonable conduct will go unpunished.” (Jim Bovard, The American Conservative) 
Es ist angesichts der Unruhen in den USA wichtig darauf hinzuweisen, dass die Polizeigewalt und ihre Förderung durch die Politik eine bipartisan affair sind: zur Abwechslung ist der Bothsidermismus mal angebracht. Zwar entwickeln sich die Parteien mittlerweile auseinander, und sind die Republicans deutlich schlimmer, was das Thema angeht. Aber wenn man sich die Reaktion eines Bill de Blasio, Bürgermeister New Yorks, und seine rückhaltlose Deckung der außer Kontrolle geratenen, gewalttätigen Polizei ansieht, dann muss man klar sagen: hier wird eine amerikanische Traditionslinie fortgeführt. Das war ja 2014 in Ferguson schon nicht anders.

3) What happens when the police lose all legitimacy
Finally, when it comes to carrying out its most important duties, the Minneapolis police department itself is patently incompetent. As of late November 2019, they had solved just 56 percent of that year's homicides — down from 79 percent in 2006. In the 3rd precinct, which includes one of the city's biggest black neighborhoods, they had solved only a third. Moreover, controlling disturbances like mass protests is supposed to be the police's job. Even the Army Field Manual emphasizes that non-confrontation, deescalation, and clear communication with protest leaders are key to keeping things from getting out of hand, in part because any large protest can easily outnumber police forces by a gigantic margin. Instead, area police have been spitefully instigating more fury by doing things like driving through a peaceful protest group spraying chemical weapons out the windowarresting a black CNN journalist who was reporting live on the air (and according to CNN, lied about it afterwards), and immediately opening fire with tear gas, stun grenades, and rubber bullets (one of the latter hit another journalist) at the slightest provocation. [...] All this is practically the dictionary definition of how to inflame a riot — constantly abuse the population, let egregious state violence go unpunished for year after year, fail to solve violent crime, let poverty and segregation fester, and react to any resulting discontent with enraged force. It also makes for a stark contrast with the recent behavior of Michigan police towards mostly white, heavily-armed, right-wing protesters, who were calmly allowed to shut down the state legislature with what amounted to terrorist threats. In short, Minneapolis cops are more akin to a surly occupying militia than they are to a functional community police force. Indeed, about 90 percent of Minneapolis police reside outside the city. Perhaps it shouldn't be surprising that they tend to behave like imperial gendarmes. And when the police have well earned the utter contempt of the citizenry, disorder tends to follow. (Ryan Cooper, The Week)
Die Polizei in den USA ist eine völlig außer Kontrolle geratene Institution. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Für die Unterschicht des Landes, vor allem die mit jüngerem Migrationshintergrund oder generell nicht-weißer Hautfarbe, ist ihre Erfahrung die eines kolonisierten Volkes mit den Unterdrückungsorganen der Kolonisatoren. Chris Hayes hat darüber ein beeindruckendes Buch geschrieben, das ich auch rezensiert habe. Bereits bei Ferguson wurde etwa Thema, dass die Polizei in den USA als bewaffnete Plünderbande agiert. Beschlagnahmungen in Höhe von über 36 Milliarden Dollar sind nicht eben ein Pappenstiehl. Generell habe ich aber überhaupt keine große Lust, über dieses Thema zu schreiben. Meine beiden Artikel von 2014 anlässlich Ferguson sind leider immer noch topaktuell und müssen eigentlich nur durch den Zusatz ergänzt werden, dass unter Trump alles viel schlimmer geworden ist.

4) Germany’s Future Participation in Nuclear Sharing – a Challenge for NATO?
Germany’s decision to withdraw from the nuclear sharing arrangements would negatively affect European security, including NATO’s eastern flank. From a military point of view, according to some experts, NATO’s nuclear sharing programme in its present form is losing importance due to the operational advantages of other (US) nuclear weapons delivery systems. From the political perspective, however, nuclear sharing is still important for the credibility of nuclear deterrence in Europe and for NATO’s cohesion. Berlin’s withdrawal from the programme, together with the withdrawal of US nuclear weapons from Germany, would be perceived by Russia as a sign of a serious US–European disengagement. Furthermore, it would be detrimental to the US–German political–military cooperation that is vital for European security and the defence of NATO’s eastern flank. Germany’s withdrawal might lead to similar reactions from other European allies participating in the nuclear sharing arrangements, such as Belgium or the Netherlands, whose societies are equally opposed to nuclear weapons. The end of NATO’s nuclear sharing programme would end the risk and responsibility sharing between the US and its European allies in nuclear deterrence, deepen US–European and intra-European rifts over security policy, and decrease the level of nuclear deterrence in Europe. However, opening a discussion about a reform of NATO’s nuclear sharing by including new allies into the arrangements, or deploying new US systems in Europe might deepen the already existing divides among the allies. But, if Germany withdraws from nuclear sharing arrangements, NATO will need to face up to difficult discussions. To prevent such a scenario, the German SPD and the Green Party need to be more aware of the fact that Germany’s security policy choices are closely linked to the security of Europe, and especially its eastern allies. (Justyna Gotkowska, RUSI)
Ein Aspekt, der in sämtlichen deutschen verteidigungspolitischen Debatten praktisch nicht vorkommt, ist die Perspektive der osteuropäischen Länder. Die Partizipation Deutschlands an der Nuklearen Teilhabe etwa ist ein absolutes Fundament in der Aufrechterhaltung der NATO-Russland-Grundakte von 1997. Sie ist ein Baustein des VERMEIDENS eines Rüstungswettlaufs taktischer Nuklearwaffen. Aber erkläre das mal einem rot-roten Außenpolitiker. Was derzeit aus Willy-Brandt- und Karl-Liebknecht-Haus in diese Richtung zu vernehmen ist ist eine wahre Allianz des Schreckens.

5) Virologen auf dem Schlachtfeld der Medien
Der Verdienst des Virologen Christian Drosten ist es nicht allein, einer breiten Öffentlichkeit Wissen über die Epidemie zu vermitteln. Drosten lebt im Gesprächspodcast des NDR einen Modus des Denkens vor, der auch da, wo das Wissen des Virologen endet, einen Schlüssel zum Umgang mit den Ungewissheiten, offenen Fragen und Entscheidungsnöten dieser Zeit liefert. Eine Millionen-Hörerschaft verfolgt seit Wochen, wie sich Drosten forschend, lesend und lernend in der Krise vorantastet.  Der regelmäßige Verweis auf Grenzen der eigenen Kompetenz, die Bereitschaft, eigene Forschungsergebnisse in Frage zu stellen und Widerlegung nicht als Niederlage, sondern als Gewinn für das eigene Wissen zu betrachten, liegen quer zu den Eigengesetzlichkeiten der Kommunikation in den Massenmedien. Umso erstaunlicher ist der Erfolg des Podcasts, der eigentlich als Folge kurzer, vermeintlich hörergerechter Erklärsequenzen geplant war. Die Macher in der NDR Redaktion hatten sowohl Drosten als auch ihr eigenes Publikum unterschätzt. Der Virologe und seine Hörerschaft nahmen sich mehr Zeit, wollten es genauer wissen und widerlegten damit eine publizistische Formatideologie, die den Glauben daran aufgegeben hat, dass es auch in Massenmedien ernsthaft (und erfolgreich) um Wissen gehen könnte. Das konnte so nicht nur gut gehen. Drostens Erfolg musste eine Provokation vor allem für Medien und Journalisten sein, die Öffentlichkeit nur als Schlachtfeld verstehen, auf dem permanent Polarisierung als Selbstzweck erzeugt werden muss. Es geht dabei nicht mehr um den Gewinn von Erkenntnis, sondern nur noch darum, Stoff zu produzieren, aus dem Geschichten von Sieg und Niederlagen zusammengeschneidert werden. Die BILD Zeitung ist die Meisterin dieses Fachs, andere eifern ihr nach, auch solche, die es nicht nötig haben. Sie brauchen dafür Protagonisten, die gegeneinander in Stellung gebracht werden können. Der erfolglose Versuch von BILD-Journalisten, internationale Wissenschaftler mit hanebüchenen Methoden gegen Drosten in Stellung zu bringen, öffnete in dieser Woche einen denkwürdigen Einblick in diese Methode. Andere Wissenschaftler haben sich freiwillig zu Puppen auf einer Bühne gemacht, auf der immer ein Krokodil gesucht wird, das den Kasperl beißt. Die Epidemie wird auf diese Weise zum Spektakel. Das kann in diesem Fall lebensgefährlich werden. (Stephan Detjen, Deutschlandfunk)
Der Schlüssel ist nicht, welcheR VirologIn Recht hat. Der Schlüssel ist, das Ganze als Medienproblem, nicht als Wissenschaftsproblem zu begreifen. Drosten hat völlig Recht damit wenn er erklärt, dass der medialen Debatte jede Sachkenntnis fehlt, in den virologischen Debatten irgendwelche Urteile treffen zu können. Die Zuspitzung auf Duelle, wo in Wahrheit kleinere methodische Meinungsverschiedenheiten das Feld beherrschen, schafft ein völlig falsches Bild von Wissenschaft. Dass manche Wissenschaftler wie Kekulé in dieses Spiel einsteigen und sich quasi als "Gegenspieler" aufbauen lassen überrascht leider nicht. Ich kannte Kekulé vor dieser Krise vor allem als Kolumnisten, der einen Artikel gegen ein allgemeines Rauchverbot im Tagesspiegel geschrieben hatte - und diesen mit der Autorität seines Doktortitels unterfütterte, als ob seine politische Privatmeinung dadurch veredelt werde. Allein das disqualifiziert ihn für mich als Debattenteilnehmer.
6) Danke, liebe Antifa!
Ich bin trotzdem sehr froh, dass es sie gibt. Denn wäre die Antifa nicht da, gäbe es viel mehr Nazis in meinem Leben. Dass sie im Zentrum Berlins nicht ständig mit Infotischen, Fackelläufen und Aufmärschen präsent sind, ist im Wesentlichen ein Verdienst der Antifa und ihrer Unterstützer. Wollen Nazis heute durch Straßen ziehen, werden sie von einem riesigen Polizeiaufgebot abgeschirmt. Die gesamte Wegstrecke ist von Hundertschaften abgesperrt, es gibt Gitter und Polizeiketten – Passanten sind weit weg, Hetzparolen verhallen ungehört. Das alles passiert nur, weil der Staat genau weiß, dass militante Linke sonst Radau machen. [...] Unter diesen Bedingungen einen Nazi-Aufmarsch zu veranstalten, bedeutet nicht nur für die Polizisten einen gewaltigen logistischen Akt, sondern auch für die Rechtsextremen selbst. Das können sie bloß ein paar Mal im Jahr leisten, und dann müssen sie durch eine Geisterstadt laufen. Wie frustrierend. [...] Gäbe es den Widerstand nicht, hätten Rechtsextreme bald keine Hemmschwelle mehr, in der Öffentlichkeit zu agieren. Sie könnten ungestört Flugblätter verteilen: vor Supermärkten, vor Schulen, in Fußgängerzonen. Sie könnten Druck ausüben und anderen ihre Werte aufzwingen. Mich stört es schon, dass ich zu Hause in der Bergmannstraße ständig von Umweltschützern angesprochen werde, die mich zu einer Mitgliedschaft überreden wollen. Ich bin dankbar, dass es keine Rechtsextremen sind, die über den Holocaust diskutieren möchten. Wer sagt, man müsse sich mit Nazis argumentativ auseinandersetzen, hat keine Ahnung von der Realität in ostdeutschen Provinzen. (Sebastian Leber, Tagesspiegel)
Thorsten Beermann und ich hatten schon auf Twitter eine erhitzte Diskussion zum Thema. Und ja, sicher, es ist toll, Gegendemos gegen Neonazis zu organisieren. Unzweifelhaft hilft die Antifa auch Opfern rechtsradikaler Gewalt, die bei den auf dem rechten Auge blinden staatlichen Institutionen oftmals kein Gehör finden. Alles wahr. Aber ich kann die "gute" Antifa leider nicht von der "schlechten" Antifa trennen, die Gewalt gegen Sachen propagiert, zur Gewalt gegen Polizisten aufruft und leider beides auch gerne selbst durchführt. Von Gewalt gegen Nazis einmal ganz abgesehen. Klar haben es die Glatzen verdient, aber das macht die Gewalt nicht legitimer. Und ich werde nicht der Erosion rechtsstaatlicher Normen Vorschub leisten, indem ich die Antifa in Schutz nehme. Ideologische Nachbarn und so. Das ist ganz besonders relevant vor dem Hintergrund der Diskussion in den USA. Dort hat Trump in der Antifa ein potentes Gegnerbild ausgemacht, das er auszuschlachten versucht. Angesichts dessen, dass Trump rechtsradikale Milizen neben Polizei und Militär einsetzt, um Demonstranten zusammenschlagen und entführen (!) zu lassen, kann die Antwort kaum sein, eine eigene linksradikale Miliz zu instrumentalisieren. Dieser Ansatz ging schon einmal furchtbar schief. Wenn politische Konflikte sich in Gewalt auf die Straße entladen, wird die Linke immer gegen die Rechte verlieren. Das ist schlicht, neben all den oben genannten Gründen, eine saublöde Strategie. Und zudem ach so cleveren Kommentar, dass "Antifa" ja nur eine Abkürzung für "antifaschistisch" ist und ja wohl nur Nazis nicht antifaschistisch sind: Fuck this shit. Ich verweise auf den Salonkolumnisten-Artikel "Warum ich kein Antifa bin" und würde generell darum bitten, solche intelligenzbeleidenden Ausflüchte nicht mit noch mehr Aufmerksamkeit zu ehren. Das gehört ungefähr auf die gleiche intellektuelle Ebene wie das Argument, die NSDAP sei ja wohl links, weil sie "sozialistische Arbeiterpartei" im Namen führe.

7) Mark Zuckerberg Profits from Rage as Much as Donald Trump Does
It’s a neat, if utterly disingenuous, rhetorical trick on the part of Zuckerberg, who’s done more than perhaps any other individual to cripple the news industry over the last decade. But like Trump, Zuckerberg isn’t one to let the truth or even a basic sense of morality get in the way of turning a profit. [...] Then there are the times when their interests are directly aligned. Everyone has an opinion about Trump, and most of them are deeply held. And on Facebook, that means lots and lots of yelling. Yelling in posts. Yelling in the comments. Yelling on Facebook Live. More yelling means more opportunity to stoke anger, which for Trump means keeping his base of white supporters cranked up, a key part of his electoral strategy. So much so that his official campaign and the cottage industry of white nationalist and other far right troll farms supporting him have flooded the site with propaganda. For Zuckerberg, that anger and those posts mean more eyeballs on his site, which in turn means more ads. And that means more money for Mark. And it’s not as if Zuckerberg isn’t aware of it—he clearly is, if his own data collection service is to be believed. [..] It’s tempting to see some sort of nefarious, evil plotting and scheming behind Zuckerberg’s decisions. But Mark Zuckerberg isn’t the Devil. For all his faults, the Prince of Darkness (I mean the real one) remains rooted in a system of basic morality. And while his moral compass may point towards evil, he still has one. But Mark Zuckerberg doesn’t appear to adhere to any moral code, at least when it comes to Facebook. His only clear motivation is money. (John Stanton, Daily Beast)
Es ist ein guter Hinweis, auf die zerstörerische Wirkung von Facebook hinzuweisen. Meine Position ist ja seit Längerem, dass die Sozialen Netzwerke nicht als Privatunternehmen zu begreifen sind, sondern als öffentlicher Raum, und den entsprechenden Regelungen unterliegen sollten. Sie haben den Effekt, öffentlichen Raum darzustellen, und die damit einhergehende Verantwortung. Anders als der Staat nehmen sie diese Verantwortung aber nicht wahr, erkennen sie nicht einmal an. Und umgekehrt verbieten sie sich die Einmischung, wenn man ihnen die Verantwortung aufzwingen will. Twitter hat jetzt wenigstens einen ersten Schritt gemacht, seit es Trumps Tweets denselben (völlig unzureichenden) Regeln unterwirft wie alle anderen auch. Aber Facebook will die Welt einfach nur brennen sehen, solange Zuckerberg nur weitere Millionen macht.

8) Was taugt das Corona-Konjunkturpaket?
Wie eingangs erwähnt bleibt abzuwarten, ob und wie die Details des Konjunkturpakets im weiteren Gesetzgebungsverfahren verändert werden. Und offenbar brauchte es einen gewissen öffentlichen Druck, um schlechte und lobbygetriebene Ideen wie die ursprünglich angedachte Auto-Kaufprämie  zu verhindern. Es gilt auch weiter zu beobachten, ob die angekündigten Investitionsvorhaben tatsächlich in Gänze und konsequent umgesetzt werden,  sollten  die alten Debatten über die Notwendigkeit fiskalischer Disziplin (Schwarze Null, Schuldenbremse)  wieder aufleben.  ; das Gesamtpaket ist immer noch mehr ein Konjunkturprogramm keynesianischer Art als ein transformatives Zukunftsprogramm. Trotz dieser Einschränkungen spricht einiges dafür, dass die Bundesregierung mit ihrem Konjunkturpaket mehr richtig als falsch macht und eine angemessene zweite wirtschaftspolitische Antwort auf die Corona-Krise gibt. Doch die wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa und der Welt sprechen ebenso dafür, dass dieses Konjunkturpaket nicht das letzte Paket sein wird, dass die Bundesregierung schnüren muss. (Tom Krebs, Makroökonom)
Ich bin ehrlich gesagt sehr positiv überrascht vom Konjunkturpaket. Nicht nur dass man auf die völlig behämmerte Abwrackprämie 2.0 verzichtet hat (hatte ich nicht erwartet!), auch die restlichen Maßnahmen sind insgesamt sehr sinnvoll. Klar gibt es noch viel zu mäkeln, aber das solide Regierungshandeln von Schwarz-Rot zeigt einmal mehr, dass in einer Krise wichtig ist, kompetente und verantwortungsbewusste Leute an der Macht zu haben, selbst wenn sie nicht genau das machen, was man selbst für richtig hält. Damit zur Kritik. Für mich ist natürlich zu wenig Blick auf Klimaschutzmaßnahmen drin. In der taz findet sich eine Kritik am Gender-Gap des Konjunkturpakets. Dazu kommt, dass auch wenn die familienpolitischen Maßnahmen ein guter Anfang sind, sie immer noch unzureichend sind und die Krisenpolitik zu wenig Aufmerksamkeit auf die Probleme auf diesem Feld legt; der Spiegel hat dazu noch was: "Wer etwa mehrere Kinder in unterschiedlichen Schulen oder Kitas hat, steht mitunter vor dem Problem, dass das eine Kind einmal die Woche oder nur jede zweite Woche in die Schule darf, das andere aber täglich, dafür jedoch nur wenige Stunden. Und das gilt auch nur, solange die Infektionszahlen nicht wieder nach oben schnellen. In Göttingen haben die Schulen gerade wegen eines erneuten Corona-Ausbruchs wieder dicht gemacht. Jeder Kinderschnupfen, dem Kinder wie Eltern früher kaum Beachtung schenkten, führt außerdem bis auf Weiteres zu einer mehrtägigen Auszeit." Erneut sei hier der Hinweis auf einen patriarchalischen Rückschritt angebracht.

9) Tweet
Wo wir es gerade noch von der Verantwortung von Facebook und seinem Profit an der Wut und Empörung hatten, die traditionellen Medien sind da auch kein Kind von Traurigkeit. Gerade im Online-Teil des Geschäfts zählen allein Klicks, und Klicks werden emotional erzeugt. Dadurch wird zugespitzt, pointiert und Hass erzeugt, wo immer möglich. Ein schmutziges Geschäft. Und der Grund, warum Deliberation Daily so geringe Besucherzahlen hat. Der EINZIGE Grund.

10) Can You Buy A Presidential Election?
The logic of Bloomberg’s media blitz was that it would generate enough support in the Super Tuesday states for him to easily clear states’ 15 percent pledged delegate thresholds and allow him to command a sizable share of delegates in a fragmented field. But when Bloomberg ran into trouble after the debate, his support among those in markets with his advertising proved soft and more easily reversible. Bloomberg’s support from TV advertising also seemed to have its limits. For instance, we found a minimal effect on his Nationscape polling numbers in markets where he spent more money. Grouping markets on a per-household measure of spending, Bloomberg’s support is just 1 point higher in markets where he spent more (10 percent) than in markets where he spent less (9 percent). On its own, Bloomberg’s experiment shows TV advertising can’t swing an entire election. It could not overcome Bloomberg’s lack of charisma or skill as a debater. Bloomberg’s campaign did show, however, that advertising can have a measurable, double-digit impact on the polls and vault a candidate into the top tier. That’s not nothing. (Patrick Ruffini, 538)
Ich finde diese Erkenntnis ziemlich beängstigend. Kaum ein Kandidat seit Donald Trump war so ungeeignet für das Amt wie Bloomberg, gleichzeitig aber so arrogant und von sich selbst überzeugt wie er. Dass er in der Lage ist, zwischen 6 und 10% Stimmenunterstützung einfach zu kaufen, ist extrem gefährlich. Und dass er über die finanziellen Mittel verfügt, das überhaupt zu tun, sowieso. Ich sehe das einfach mal als weiteren Beleg dafür, dass Milliardäre und Demokratie einfach unvereinbar sind.

11) How Viktor Orbán turned the Treaty of Trianon into a dangerous political weapon
“In short, the Jews and they alone were responsible for Trianon and the Hungarian tragedy”, wrote the historian and journalist Paul Lendvai. Soon there were anti-Jewish laws and quotas. And when Hitler’s Germany presented the opportunity to get territory back, Hungary took it, joining the Axis Powers. This is not unique to Hungary. There were many across Europe who thought Hitler made an attractive offer. And the Treaty of Trianon was indeed a tragedy and a trauma for millions of people. I do not mean to make light of this, particularly not on its 100 year anniversary. However, the Hungarian line on this, in the present day, has become that they joined the Axis Powers because they had to. They had no choice. This was the only way they could recover from the loss of the Treaty of Trianon. When I went to interview Hungarian government spokesperson Zoltan Kovacs for my book last summer, he said that claims of present day Hungarian anti-Semitism go back to the interwar period, when Hungary couldn't pick a different side. But he is not alone in saying so. I saw similar information hanging on the wall of Budapest’s Hungarian National Museum: Hungary’s alliance with Germany was the only hope it had of reclaiming the territory lost to the Treaty of Trianon. We all have choices, always. They are often all we have. And Hungary, too, had a choice. It chose to privilege reclamation of territory over Jewish lives. [...] If you have read this far into this piece on the Treaty of Trianon, you likely already know that Hungarian prime minister Viktor Orbán has set about rewriting Hungarian history. The House of Terror in Budapest is directed by Maria Schmidt, a sometime Orbán ally whose work consistently presents Hungarians as historical victims, not perpetrators. Orbán’s government has passed legislation to grant citizenship to those whose ancestors were subjects of pre-Trianon Hungary. By 2014, they could vote. As the New York Review of Books notes, in elections that year, 95 per cent of the 200,000 new Hungarians voted for Fidesz, Orbán’s party. There is a monument in Budapest to German occupation; it does not mention that, before suspecting Hungary of betrayal, Nazi Germany and Hungary were allied. Orbán’s government has largely pushed out Central European University, the institute founded by Hungarian-born billionaire philanthropist George Soros in the early 1990s. So, too, has it essentially taken over the Hungarian Academy of Sciences and the 1956 Institute, dedicated to the memory of the Hungarian Revolution of 1956. This history does not exist in the past. It is used to inform present policy. (Emmily Tamkin, The New Statesman)
Geschichtspolitik ist bedeutsam, in jedem Staat. Nur, weil hierzulande der Vertrag von Trianon im öffentlichen Gedächtnis nicht unbedingt eine hervorgehobene Rolle spielt (um es einmal milde auszudrücken) heißt nicht, dass das in den betroffenen Ländern anders wäre. Ungarn hat seine Gebietsverluste nach dem Ersten Weltkrieg bis heute nicht anerkannt und strebt danach, diese rückgängig zu machen. Die rechtsextremistische Regierung unter Viktor Orban versucht, ihre Nachbarn wo immer möglich zu destabilisieren. Die antisemitische Hetze ist da quasi nur noch die Glasur auf einem extrem unappetitlichen Kuchen. Und noch immer ist Fidesz Mitglied in der EVP.

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