1) „No Way Out“ – Nuklearwaffen bleiben ein wichtiger Faktor in der internationalen Politik
Deutschland ist seit über 60 Jahren Nutznießer nuklearer Macht. Als Mitglied der NATO nimmt die Bundesrepublik den nuklearen Schutz durch die USA in Anspruch. Seit dem Ende des Kalten Krieges wird diese Rolle jedoch kaum noch problematisiert. Eine sicherheitspolitische Diskussion, die sich seit Jahren in Leerformeln („mehr Verantwortung übernehmen“) erschöpft, blendet die nukleare Frage weitgehend aus. Nach der selbstzerstörerischen Nachrüstungsdebatte der Achtzigerjahre erschöpft sich der politische Diskurs in allgemeinen Forderungen nach Abrüstung und in gelegentlicher Kritik an einer als widersprüchlich empfundenen Politik der Nuklearmächte. Herausforderungen wie etwa das iranische oder nordkoreanische Nuklearprogramm spielen in der deutschen Diskussion nur eine untergeordnete Rolle. Man denkt und handelt konventionell – im wahrsten Sinne des Wortes. [...] Eine nukleare Alternative gibt es für Deutschland vorerst nicht. Die von manchen immer wieder ins Spiel gebrachte „europäische nukleare Option“ bleibt eine Chimäre. Die Vorstellung, ein durch wirtschaftliche Krisen und populistische Versuchungen angeschlagenes Europa könne nun ausgerechnet die härteste Nuss einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik knacken, weil der amerikanische Präsident seinen Verbündeten angeblich den nuklearen Schutz entzieht, verkennt die aktuelle Lage gleich in mehrfacher Hinsicht. In der EU gibt es keinen nuklearen Konsens, sondern einen massiven Dissens über die Legitimität nuklearer Abschreckung. Die USA bleiben die einzige nukleare Schutzmacht für Deutschland. Dieser Schutz wird im Rahmen der NATO organisiert und nirgendwo sonst. Einen nuklearen Konsens, der sich auch in einer Strategie und den militärischen Fähigkeiten niederschlägt, gibt es nur in der NATO – und selbst dort muss er immer wieder aufs Neue mühsam errungen werden. Zwar entscheidet auch im Bündniskontext einzig der amerikanische Präsident über den Einsatz von Nuklearwaffen, doch die USA – und nur sie – haben den politischen Willen, die finanziellen Mittel und die militärischen Fähigkeiten, um ihre internationale Ordnungsrolle durch glaubwürdige nukleare Schutzversprechen zu untermauern. Diese Schutzversprechen sind zugleich ein wichtiges Instrument der nuklearen Nichtverbreitung, weil sie Anreize der Verbündeten dämpfen, sich selbst nuklear zu bewaffnen. Deshalb wird Amerika diese Rolle auch nicht aufgeben. (Michael Rühle, Ethik und Militär)
Ich wünschte es wäre anders, aber ich gebe dem Autor völlig Recht. Nuklearwaffen werden sicherlich auf absehbare Zeit ein Faktor in der Internationalen Politik bleiben und vermutlich an Bedeutung zunehmen, gerade anlässlich des "Rüstungskontrollwinters", in dem wir uns gerade befinden. Non-Proliferation als internationaler Konsens ist ja praktisch schon aufgehoben.
Gleichzeitig ist auch die Kritik an dem Mangel einer europäischen Politik auf diesem Feld absolut berechtigt. Große Teile Europas befinden sich aktuell unter dem Schutz des amerikanischen Nuklear-Schirms, aber mit der zunehmend erratischen US-Außenpolitik werden dessen Verlässlichkeit und Abschreckungspotenzial immer mehr in Frage gestellt. Französische Versuche, ähnliche Garantien abzugeben, sind bisher nicht eben mit einem großen Vertrauensvorschuss bedacht worden, und auf die Briten will ohnehin niemand bauen, schon gar nicht in dieser Frage.2) Justice Gorsuch fires a torpedo at Trump's re-election
When Trump critics accused social conservatives of having sold their souls to a president unworthy of their adoration, the stock response was now "But Gorsuch!" Translation: Trump might have flaws, but he promised to deliver us the judiciary, and on that he's made good! No matter what happened over the coming decades in the political arena, conservatives had captured the courts, and that would ensure victories on the issues that really matter to the religious right: protecting the unborn and religious freedom, and limiting gay and transgender rights. [...] It's even possible to understand the popularity on the right of Trump's singularly combative style of politics as an expression of maximal frustration at the utter failure of conservatives to stop the courts' onward march toward progressive outcomes on social issues. The right actually wants victories on these issues — which means it wants to see decisions it considers wrongly decided overturned and majority opinions push back in the opposite direction. What the right has gotten instead is ... not much at all. Three Republican appointees co-authored the lead plurality opinion in Casey. Kennedy, appointed to the court by Ronald Reagan, wrote the majority opinion in Obergefell v. Hodges, which declared same-sex marriage a constitutional right. And now Gorsuch himself has repeated the humiliation with Bostock. [...] This doesn't mean presumptive Democratic nominee Joe Biden should expect to receive a bump in support from disaffected conservative evangelicals and Catholics. But it does mean the Trump campaign needs to anticipate these voters are now far more likely to sit this one out, convinced that the outcome of the election will make little difference to them. Social conservatives are likely to feel like they've been played for suckers. And on that they may well be right. (Damon Linker, The Week)Ich halte das Urteil für generell überbewertet. Dass es seit ich es hier in meinen Entwurf eingestellt habe schon wieder völlig aus den Schlagzeilen verschwunden ist bestätigt mich in dieser Einschätzung. Zudem sind die Evangelikalen eine ungeheuer loyale Wählergruppe; ich sehe einfach nicht, dass die in relevanten Zahlen von der Wahlurne fern bleiben, weil das Urteil nicht in ihrem Sinne ausging. Ich mag mich natürlich irren. Ich will die Gelegenheit auch nutzen, um moderaten Liberalen zu widersprechen, die jetzt so tun als sei Gorsuch doch gar nicht so schlimm und man habe 2017 überreagiert. Der Mann ist 99% der Zeit schädlich. Dass er jetzt einmal von seiner erwartbaren Linie abweicht, ist natürlich gut, aber es ändert nichts daran, dass er auf einem gestohlenen Sitz sitzt und Merrick Garland mit Sicherheit um Längen besser gewesen wäre.
3) The Democratic establishment is getting desperate
The Democratic establishment views its primary task as managing and controlling its voters rather than trying to do what they want. They have convinced themselves that the country is unshakably conservative, and therefore the best they can do is hang on to power and occasionally pass milquetoast reforms. This attitude is extremely convenient for the establishment's fundraising and career prospects — by forestalling any egalitarian policies that might threaten the top 1 percent, they can rake in campaign contributions, plus cushy corporate consulting jobs and buckraking speech gigs after they leave office. That's how you get incumbents like Engel who can barely be bothered even to pretend they cater to the needs of their districts. The prospect of the slumbering Democratic base being awakened by candidates like Bowman, and demanding the party fight for progressive policies just as hard as Republicans fight for conservative ones, would blow up this comfortable arrangement. That strikes fear into the establishment. If Engel goes down, a whole slew of elderly Democratic bigwigs, previously comfortable in their deep-blue seats telling their voters what they can't have, might be next — especially since this is an open fight, not an under-the-radar upset as Alexandria Ocasio-Cortez pulled off. That is why all these party grandees are trying to save his skin. And as Alex Sammon argues at the The American Prospect, that also explains why the Congressional Black Caucus, which has consistently prioritized its insider connections, endorsed a white incumbent over a black progressive. (Ryan Cooper, The Week)Engel hat die Vorwahl mittlerweile verloren, während Alexandria Ocasio-Cortez ihre mit über 70% triumphal gewonnen hat. 2018 ist also keine Eintagesfliege, sondern konstituiert einen Trend, der dem demokratischen Establishment mit Sicherheit schlaflose Nächte bereitet. Was da heranwächst, so fürchten sie, könnte die demokratische Tea Party werden - ideologisch gefestigte und eher randständige Aktivisten, die der Partei ihren Willen aufzwingen und nach und nach in ihrem Bilde formen. Diese Furcht ist sicher nicht unbegründet, wenngleich ich nicht glaube, dass die Entwicklung analog zur Tea Party erfolgen kann, weder in der Breite noch in der Tiefe. Dazu fehlt es an den radikalisierten Basisstrukturen (noch), dazu fehlen die mächtigen Geldgeber, ohne die Tea Party nie hätte erfolgreich sein können, dazu fehlt auch der Ton der "den Sorgen und Nöten der Bürger zuhören" der Leitmedien, der die radikalen Forderungen normalisieren würde.
4) Imagining the nonviolent state
Dieses lange, lesenswerte Essay stellt eine grundsätzliche Frage: Schafft eine gewalttätige Gesellschaft einen gewalttätigen Staat oder umgekehrt? Erklärt sich also die mörderische Gewalt der US-Polizei aus einer besonderen Gewaltbereitschaft seiner Bevölkerung, oder ist diese Gewaltbereitschaft Resultat langer institutionalisierter Gewaltausübung? Was diese Debatte erschwert ist in meinen Augen die Sonderstellung der USA. Denn egal, was das Ergebnis der obigen Deliberation ist, kann weder die besondere Gewalttätigkeit der US-Gesellschaft noch ihrer Institutionen geleugnet werden. Die Leute, die angesichts der #BlackLivesMatter Demos darauf hinweisen, dass USA und Deutschland zwei Paar Stiefel sind, haben ja Recht. Das stellt, wenn man die Überlegungen durchgeführt hat, die Frage nach der Vergleichbarkeit. Ich gehe aber grundsätzlich davon aus, dass es sicherlich nicht schadet, die Institutionen zu reformieren, so oder so. Und das Szenario einer gewaltlosen Polizei ist auch nicht absurd, wie Beispiele einiger anderer Länder belegen. Hier ist noch viel Luft nach oben.The question nonviolence asks is what if the state put, at the least, equal energy and effort into developing tools of nonviolence and training agents in their use? What if it was more willing to absorb harm to itself than to inflict harm on others, precisely because that strategy would lead to more security, safety, and harmony for all? And what if it replaced its emphasis on punishment and reprisal with a courageous pursuit of forgiveness and change? This question does not need to start with the hardest cases — say, when the police are called to intervene in a live shootout. The vast majority of police calls are to nonviolent incidents. What if the agents who responded to those calls were, themselves, trained in the tools of nonviolence: mediators, crisis counselors, accident report writers, or even police without guns, batons, or tear gas? We have successful pilots, like the Cahoots program in Eugene, Oregon, and other cities are beginning to follow suit. San Francisco Mayor London Breed, for instance, has announced a police reform road map in which police will no longer respond to non-criminal complaints. And even in the cases where violence is ongoing, there may be space for nonviolent approaches. What if cities convened respected elders in the community who were prepared to answers calls for intervention — is it possible that deploying a beloved local priest, or teacher, might calm a violent situation that badges, guns, and shouted demands for compliance would escalate? (Ezra Klein, vox.com)
5) A Tale of Two Ordos: German Nationalism in Brown and Red
The AfD’s connections to ordoliberalism are many and well-known. The expert commission of the AfD at its origins included Mont Pelerin Society members and ordoliberals Roland Vaubel, Joachim Starbatty and Charles Blankart, and the party program articulated traditional demands for balanced budgets and global economic competitiveness. While these particular intellectuals have since left the party, the leadership and party program remains a fusion of opposition to inflation and state spending with ethnonationalist pronatalism and Islamophobia, the so-called “blue” and “brown” wings of the party. Aufstehen’s links to ordoliberalism are more surprising. Wagenknecht, the most important thinker and leader in Aufstehen, began appealing to ordoliberalism in the wake of the global financial crisis, when she was elected to the Linke leadership in 2011[...] Described by the center-left newsmagazine Der Spiegel as an “archliberal manifesto” that at times plays loose with ordoliberal policy commitments, Wagenknecht argued in her book that “Erhard’s promise” of “prosperity for all” had been broken, thus requiring what she called an “Erhard Reloaded” and a new economic order. [...] A new economic constitution is needed to “reform capitalism,” Wagenknecht argued. Framed by new principles, it would foster “real competition” through aggressive anti-monopoly regulation, incentivize new business creation with minimum quotas for bank lending to small and medium-sized enterprises, reel in the power of speculative financial markets, establish a progressive wealth inheritance tax, require worker representation on corporate boards, and raise the minimum wage. With her earlier language of class antagonism largely absent, Wagenknecht now prescribed welfare-state capitalism with a human face. [...] While one would think the renewed turn to the nation in the “corona crisis” would benefit the two Ordos, it seems to have stolen their momentum instead. In a time when the EU seems more riven with divisions than ever — particularly over the uneven burden of funding recovery from the pandemic and the lockdowns — it no longer comes off as bold or taboo-breaking to criticize Brussels. The world converging with the nationalists blunts the urgency of their demands (William Callison/Quinn Slobodian, Roar Magazine)Für alle Freunde der Hufeisentheorie dürfte dieser Artikel ein wahrer Genuss sein. Die ideologischen Überlappungen zwischen Teilen der LINKEn (vor allem was sich um Lafoknecht herum organisiert hat) und der AfD sind aber kaum zu leugnen. Dass die jeweiligen Argumentationsmuster, Begründungen und Schlussfolgerungen sich radikal unterscheiden - geschenkt, das ist klar. Aber im Ergebnis sprechen die beiden Seiten doch eine erstaunlich ähnliche Sprache, die gemeinsame Feinde kennt. Nebenbei bemerkt fand ich die Erhard-Aneignung von Wagenknecht schon immer albern. Der Mann war alles, aber kein Linker, auch nicht aus der Perspektive der 2010er Jahre und den abgenudelten Spitzensteuersatz-Vergleichen. Aber sie hält es offensichtlich für eine Gewinnerstrategie.
6) Eins, zwei, Polizei
Die Kritik der FAZ ist absolut berechtigt. Der Reflex, jede Kritik an der Institution Polizei sofort als "Generalverdacht" zu begreifen, dem man sich schützend in den Weg stellen muss, ist ungeheuer schädlich. Auf diese Art setzt man ganz, ganz schlechte Anreize für die Institution als Ganzes. Wir machen das auch bei keiner anderen Institution! Wo schließlich war die Warnung vor dem "Generalverdacht" am Bildungssystem, als berechtigte Kritik in der Coronakrise vorgebracht wurde (oder sonst)? Wo werden die fleißigen Verwaltungsangestellten vor dem "Generalverdacht" in Schutz genommen, ineffizient zu arbeiten? Die Polizei ist einer besonders hervorgehobenen Verantwortungsrolle. Sie sollte daher auch besonders sensibel im Umgang mit Kritik sein und nicht versuchen, sich abzuschotten.Im öffentlichen Diskurs um die Polizei funktioniert das Rechts-links-Schema wie nur noch auf wenigen Politikfeldern. Kritik an Polizeiarbeit ist eine linke Domäne, ihre Verteidigung eine Prärogative der Konservativen. Diese Politisierung führt zu Blockaden und vereitelt institutionelle Lernchancen. [...] Die Erwartungen an die Polizei sind in mehreren Hinsichten gestiegen. Als Teil der öffentlichen Gewalt muss die Polizei sich in einem Rechtsstaat an vielfältige juristische Normen halten, deren Dichte und Regulierungstiefe zunehmen: Gesetze, Erlässe, Dienstvorschriften normieren zugunsten vielfältiger Zwecke alle möglichen Tätigkeiten. Politische Erwartungen kommen hinzu, die manchmal die Priorisierung von Verfolgungen fordern und manchmal geringeren Kontrolldruck implizieren. Schließlich aber sollen auch zivilgesellschaftliche Normen erfüllt werden: Die Polizei agiert im öffentlichen Raum, sie soll mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren, teils hoheitlich, teils auf Augenhöhe, aber immer schnelle, klare und richtige Entscheidungen im Sinne von „Eins, Zwei, Polizei“ treffen. Die Folge: Statt Fehler, die in jeder Organisation vorkommen, als normale Vorgänge zu begreifen und als Lernchance für künftiges Handeln auszuwerten, pflegt man das Selbstbild, dass „keine Fehler“ vorkommen „dürfen“. Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Polizei im Namen des Staates handelt, der ein Gewaltmonopol besitzt, und insofern eine ganz besondere Organisation ist, da die Ausübung körperlichen Zwangs durch andere Akteure in langen historischen Prozessen delegitimiert wurde. Die hohen Erwartungen infolge dieser Besonderheiten führen intern sogar zu einer „negativen Fehlerkultur“, weil die Beteiligten einen diffusen Druck verspüren. Sie entwickeln Strategien zur Vertuschung und Verschleierung von Fehlern. Abgewehrt werden unabhängige Kontrollinstanzen und Kennzeichnungspflichten, und zwar nicht nur durch die professionellen Interessenvertretungen dieser Berufsgruppe. Das Bild von staatlich verkörperter, männlich konnotierter Autorität erzeugt eine falsche Schuldkultur und Immunisierung. Ansätze zu organisierter Fehlersuche und institutionalisierter Abhilfe (Stichworte: Feedback, Supervision, Reporting System) stoßen auf Widerstand. Formelhafte Argumente wie die Abwehr eines „Generalverdachts“ zeigen an, dass auch punktuelle Kritik als ein Frontalangriff interpretiert wird, den es zurückzuschlagen gilt. (Milos Vec, FAZ)
7) In Israel rollt die zweite Welle an
Israel galt als eines der Länder, die das Coronavirus vorbildlich bekämpft und so beinahe ausgerottet hatten. Schon im März schloss es seine Grenzen, fuhr die Wirtschaft herunter und schränkte die Bewegungsfreiheit ein. Zeitweise durften Israelis sich maximal 100 Meter von ihren Häusern entfernen. Die strikten Maßnahmen drückten die Corona-Infektionen: Im Mai steckten sich pro Tag nur noch fünf Menschen neu mit dem Virus an. Es galt quasi als besiegt, Netanyahu sprach von einer "großen Erfolgsgeschichte". [...] Doch dann öffnete sich das Land im Eiltempo. Schon bald war von Corona nichts mehr zu spüren. "Die Menschen hatten das Gefühl: Es ist vorbei", sagt Cohen. "Sie vergaßen, dass sie das Virus ja immer noch weitergeben können." Wochenlang hatten die Israelis zu Hause gesessen: Selbst an Pessach, einem Familienfest vergleichbar mit Weihnachten, waren Besuche verboten. Nun holten viele nach, was sie verpasst hatten. Die niedrigen Fallzahlen wiegten das Land in Sicherheit. Mundschutzpflicht, Abstandsregelungen - all das schien inzwischen nicht mehr nötig. "Was wir brauchen, ist mehr Disziplin", sagt Cohen. "Davon haben wir weniger als andere Länder." [...] Als Infektionsherde erwiesen sich außerdem Schulen, die zusammen mit der Wirtschaft wieder aufmachten. "Sie wurden schnell zu Clustern", sagt Cohen. Mehr als vierzig Prozent der neuen Corona-Fälle seien Kinder, die sich im Unterricht angesteckt hätten. Inzwischen sind etwa 200 von 5000 Schulen im Land wieder geschlossen, weil sich dort Hotspots gebildet hatten. (Alexandra Rojkov, SpiegelOnline)Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass es nichts gibt, was in Deutschland eine zweite Welle verhindern kann. Der politische Druck, jegliche Maßnahmen so weit wie möglich zurückzunehmen und der überwältigende Wunsch zur Rückkehr nach "Normalität" (was auch immer man darunter versteht) danach garantieren das. Das einzige was hilft ist Verantwortungsgefühl aller. Und gerade hier haben wir massive Probleme. Ich denke, was notwendig ist ist eine schnelle Identifizierung neuer Cluster (wo Deutschland ja recht gut ist) und ein lokaler Lockdown auf diese Cluster (wo Deutschland eher schlecht ist, siehe Armin Laschet). Aber ein kompletter Lockdown, eine Rückkehr zu den Maßnahmen - es muss einiges passieren, um die Leute im Herbst wieder zu überzeugen, "richtiges" social distancing zu machen - und dieses einige wollen wir echt nicht erleben.
8) Gier ist geil
Diese Argumentationsmuster klingen ungemein vertraut. Es ist das typische Kalter-Krieg-Mindset. Sowohl die USA als auch die Sowjetunion waren besessen von der Idee von "Glaubwürdigkeit", die nur durch "Stärke" von der Umwelt akzeptiert wird und dann entsprechend abschreckend wirkt. Diese Glaubwürdigkeitsspirale ist auch tief in die Logik der nuklearen Abschreckung eingebunden, sollte aber dennoch noch einmal als ein eigenes Element betrachtet werden.
Denn die Vorstellung, außenpolitisch "Kante zu zeigen", quasi besonders unnachgiebig zu sein und dadurch Respekt und Nachgeben des Gegenüber zu erreichen, ist ja auch anderen Staaten gemein, die nicht über Atomwaffen verfügen und spielte bereits vor Atomwaffen eine große Rolle. Trump ist quasi die auf die Spitze getriebene, jedem intellektuellen Anspruch entkleidete Kernvariante dieses Themas. Aber Xi und Modi spielen dieses Spiel genauso. Thatcher beherrschte es auch. Und so weiter.
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