Letzthin stellte 538 eine interessante Frage: "What makes a One-Term-President?" Tatsächlich sind Präsidenten, die nach einer Amtszeit abgewählt wurden, eine Seltenheit. Traten sie an, gewannen die Amtsinhaber bisher in der absoluten Mehrzahl der Fälle ihre Wahl. Ausnahmen sind George H.W. Bush, der aber immerhin die dritte republikanische Amtszeit in Folge absolvierte, und Gerald Ford, der, sagen wir, unter wenig vergleichbaren Umständen in Amt und Würden kam und die Wahl, was gerne vergessen wird, denkbar knapp verlor. Beschränkt man Präsidenten mit einer Amtszeit auf solche, denen nicht vorher eine Präsidentschaft derselben Partei vorausging, wird die Luft noch dünner. Trumps Fall ist im amerikanischen politischen System wie der amerikanischen politischen Geschichte die absolute Ausnahme. Statt die gerade häufigere Frage zu stellen, warum die Democrats nicht überzeugender gewonnen haben, ist die umgekehrte Frage viel relevanter: Warum zur Hölle hat Trump eigentlich nicht gewonnen?
Denn auch wenn das gerade aus deutscher Perspektive oft so aussieht: Unwahrscheinlich war Trumps Sieg 2020 nicht. Ich habe mich in den Jahren und Monaten vor der Wahl bewusst sehr zurückhaltend bezüglich der Chancen der Democrats, das Weiße Haus (oder gar den Senat!) zurückzuerobern gezeigt. Bis in den Frühsommer 2020 war meine grundsätzliche Überzeugung, dass die Chancen effektiv 50:50 standen. Und dass Joe Biden überhaupt eine 50%-Chance genoss, lag hauptsächlich an der einzigartigen Schwäche Trumps als Präsidentschaftskandidaten.
Ihr wisst, was kommt: ein historischer Vergleich
Der Vergleich mit George W. Bush ist hier instruktiv. Ich erinnere mich noch gut an das weit verbreitete Gefühl, der Mann müsse die Wahl 2004 doch eigentlich verlieren. Michael Moore hatte mit "Stupid White Men" (einem Buch, das mehr als schlecht gealtert ist, um es milde auszudrücken) die Beststellerlisten selbst hier in Deutschland erobert. Die Invasion im Irak wurde weitgehend als Schandtat betrachtet. Bushs mentale Fähigkeiten galten als, sagen wir, ausbaufähig. Das war, erneut, mehr der Schmähkritik seiner KritikerInnen zu verdanken als den Eigenschaften des Mannes, obgleich man sich hüten sollte, ihn zum Intellektuellen erheben zu wollen. Aber blöd war er sicher nicht.
Dann aber gelang Bush der einzige Sieg des popular vote eines Republican in den letzten 30 Jahren. Der Kater bei den Democrats war entsprechend groß, die Siegesstimmung der Republicans unermesslich. Karl Rove fabulierte von einer permanent Republican majority, die er tatsächlich auf demokratischem Wege zu erringen hoffte, eine Vorstellung, von der sich die GOP mittlerweile deutlich distanziert hat. Der Jubel hielt bis 2006, als eine blaue Welle den Democrats überwältigende Mehrheiten im Kongress bescherte und die umgekehrt nicht minder überzogene These einer emerging Democratic majority ins Leben rief. Bush verließ das Amt 2008 mit den niedrigsten Popularitätswerten seit Nixon, bescherte den Democrats eine filibuster-sichere Mehrheit im Senat und wird bis heute in weiten Teilen seiner Partei und der Öffentlichkeit als persona non grata betrachtet, ein Status, mit dem er wenig Probleme zu haben scheint, während er auf seiner Ranch in Texas den Lebensabend genießt. Das soll keine Kritik sein. Bush besitzt offensichtlich eine gesunde, stabile Persönlichkeit.
Das Beispiel zeigt aber, dass selbst kontroverse Präsidenten bislang sehr gute Chancen hatten, die Wiederwahl zu gewinnen. Ihre GegnerInnen vergaßen das gerne. Man denke nur an Karl Roves öffentlichen Zusammenbruch, als Obama seine Wiederwahl 2012 eindeutig gewann. Die Republicans hatten sich hier in eine Illusion manövriert, die der der Democrats 2004 in nichts nachstand.
So, what makes a One-Term-President?
In meinem Artikel zu den fundamentals habe ich bereits auf die Bedeutung von Wirtschaftskrisen hingewiesen. Ich halte es für keine allzu steile These festzustellen, dass ohne die Covid-19-Pandemie Trumps Wahlsieg das wesentlich wahrscheinlichere Ereignis als seine Niederlage war. Wirtschaftskrisen sind per se kein Grund, die Wahl zu verlieren. Wie der eingangs verlinkte 538-Artikel ausführt:
The importance of the economy to a president’s reelection bid also hinges on timing. When a crisis or a recession hits in a reelection year, that tends to spell trouble. In contrast, Ronald Reagan and Dwight Eisenhower both weathered recessions during their time in office, but those downturns hit a few years before they faced reelection.
Das war im Übrigen auch bei Obama der Fall. Er trat sein Amt in der katastrophalsten Wirtschaftskrise seit 1929 an, aber zum Zeitpunkt seiner Wiederwahl 2012 war diese überwunden. Entsprechend konnte er siegen (während das erneute Absacken der Wirtschaft um 2014 herum den Republicans den Senat und zu einem Teil auch Trump die Präsidentschaft bescherte). Aber Obama hatte einen entscheidenden Nachteil in seiner Krisenbekämpfung, den kein Präsident außer ihm jemals hatte, und den auch Trump nicht besaß: eine Opposition, die lieber das Land zerstören als ihm auch nur einen winzigen politischen Sieg gönnen wollte.
Die Überlegung Mitch McConnells hierzu war, politisch gesehen, völlig einleuchtend. Er argumentierte - völlig offen übrigens, ich unterstelle ihm das nicht aus Bösartigkeit - dass die WählerInnen üblicherweise keinen Überblick über die Mehrheitsverhältnisse haben (rund die Hälfte der Bevölkerung der USA hat keine Ahnung, wer die Mehrheit im Kongress hat!) und die Schuld für alles, was schief läuft, der Regierung geben - genauso wie sie alles, was gut läuft, der Regierung zuschreiben. Es gibt deswegen für die Opposition keinerlei elektorale Anreize, mit der Regierung zusammenzuarbeiten - dies würde ihr nur als Sieg gut geschrieben werden.
Der weitere Verlauf der politischen Entwicklung bewies die Richtigkeit dieser Annahme. Während Millionen AmerikanerInnen in Armut stürzten und viele weitere davon bedroht waren, eroberte die GOP in einem der größten Wechsel aller Zeiten das Repräsentantenhaus zurück. Politisch funktioniert diese Strategie, so menschenverachtend sie auch ist, tadellos.
Verquerte Welt
Nur, Trump hatte dieses Problem nicht. Stattdessen bettelten ihn die oppositionellen Democrats, die 2018 in einer blauen Welle das Repräsentantenhaus ihrerseits zurückgewonnen hatten, Trump und McConnell geradezu an, ihnen zu erlauben, Trump ein Wahlgeschenk auf dem Silbertablett zu servieren. Ich hatte bereits im Frühjahr mehrfach bemerkt, dass die Democrats, wenn sie die Wahl im November gewinnen wollen würden, einfach nur McConnell kopieren und die Regierung blockieren müssten. Sie würden dafür nicht bestraft, das Land würde in Chaos und Elend stürzen und sie gewählt werden. Nur, sie sind eben die Guten - niemand auf der progressiven Seite brachte das auch nur für eine Sekunde ins Spiel. Stattdessen versuchten sie mit aller Kraft, so vielen Menschen zu helfen wie möglich.
Während die Trump und seine Riege versuchte, die Hilfen für Staaten, in denen mehrheitlich Clinton-WählerInnen lebten so weit wie möglich zu kürzen und damit jeden Amtseid verriet, den sie geschworen hatten, bekniete Nancy Pelosi ihn und McConnell, sie doch bitte, bitte im November die Wahl gewinnen zu lassen - und dafür Leben zu retten. Das Resultat war, dass die Democrats der Regierung eine Rettungspolitik aufzwangen, die elektorales Gift für sie war - aber die Rettung für Millionen Menschen.
Ich halte es genauso wenig für eine steile These anzunehmen, dass eine noch tiefere ökonomische und gesundheitliche Katastrophe den Democrats im November jenen Sieg gegeben hätte, den sie nun vermutlich knapp verpassen werden. Stattdessen aber erhielten Millionen Amerikaner Schecks über 1200 Dollar im Monat; mehr Geld, als in dieser zutiefst ungleichen Gesellschaft für viele mit ihrer normalen Vollzeittätigkeit herausspringt. Und den Regeln der Politik gehorchend richteten sie ihre Dankbarkeit dafür an den aktuellen Bewohner des Weißen Hauses.
Der erfolgreichste Stimulus aller Zeiten
Mir ist völlig unklar, warum dieses Fakt in den Analysen eine so geringe Rolle spielt. In seiner Analyse bezeichnet Ryan Cooper das Corona-Hilfspaket als "beste amerikanische policy der letzten 50 Jahre". Es spricht Bände über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft, aber während der Corona-Pandemie SANK die Armutsrate in der Bevölkerung von 10,9% auf 8,6% - wegen der Hilfen, die die Regierung (dank der Democrats) gewährte. Ebenso Bände spricht es, dass der eine Faktor, in dem Mitch McConnell seine ideologischen Zielsetzungen über politische Macht stellt - den Armen Geld nehmen und den Reichen geben - ausgerechnet von Steve Mnuchin gebrochen wurde, Trumps Finanzminister. Wenn das nicht die im letzten Vermischten angesprochene Bedeutung der Personalauswahl unterstreicht, weiß ich auch nicht. Hätte Trump mehr Leute wie Mnuchin in seinem Kabinett und sonstigen UnterstützerInnenkreis gehabt und weniger Leute wie Bolton, McConnell oder Carson - er wäre heute noch Präsident.
Dass die Republicans sich aus einerseits ideologischen und nun, nach dem Sieg Bidens, auch politischen Gründen mit Händen und Füßen wehren, auf diesem Erfolg aufzubauen, ist verständlich. Eine Verlängerung, so Lindsey Graham, geschehe nur "over our dead bodies," Rob Portman befürchtet dass "it makes it very difficult for many small businesses in Ohio and around the country to bring their employees back," was angesichts von 4,6 Arbeitssuchenden pro offener Stelle eine reichlich akademische Überlegung sein dürfte. Grundsätzlicher wird John Cornyn, wenn er das ewige Mantra wiederholt: "We should never pay people not to work," Angesichts der größten Rezession seit Menschengedenken ist das eine mehr als merkwürdige Prioritätensetzung. Man stelle sich vor, statt solcher Ideologen säßen Leute im Kongress, die Trumps Wahlkampfslogans tatsächlich ernst nehmen und umsetzen. Der Mann würde in einem Erdrutsch gewinnen, und zwar in einem echten.
Umso unverständlicher sind die Reaktionen der Democrats. Es ist schließlich ihr Mann, der jetzt im Weißen Haus sitzt, aber die moderaten ParteivertreterInnen sind bestenfalls lauwarm begeistert von einer Verlängerung, ein Problem, das wir ebenfalls im letzten Vermischten angeschnitten haben. Exemplarisch dafür ist Kevin Drum.
Er wundert sich in der Zwischenzeit, warum Trump auf einem so "offensichtlich" schlechten Mittel wie pauschal ausgestellten Schecks als Krisenbekämpfungsmittel besteht; schließlich seien alle Maßnahmen, die direkt bei den Betroffenen ankommen, wesentlich besser, billiger und effizienter als 600$-Schecks für jeden. Drum offenbart dabei das Grundproblem der Progressiven: Er will tatsächlich Menschen helfen und wundert sich, wie jemand eine offensichtlich doofe policy wählen kann. Was Republicans aber verstehen - wie im Übrigen rechte und konservative Parteien auf Gottes ganzem, weitem Erdball, im Gegensatz zu den meisten linken und progressiven Parteien - ist, dass es zwar schlechte policy, aber gute politics ist. Der letzte Democrat, der clever genug war, dem ganzen Land Schecks mit seinem Namen drauf zu schicken, war Bill Clinton. Gute policy? Nein, aber der Mann weckt heute noch nostalgische Erinnerungen, die Obama mit seinen wesentlich besseren policies nicht zu wecken vermag.
Die Pandemie
Natürlich war die Wirtschaftskrise nicht das einzige Hemmnis, das Trumps Wahlsieg 2020 im Weg stand. Diese war ja nur der Ausfluss einer weltweiten Pandemie, ohne die Trump durch seine vierjährige ungestörte Fortsetzung der unter Obama begonnenen Erholung der US-Wirtschaft, beflügelt von vergleichsweise populären Steuersenkungen (ein Rezept, das auch George W. Bush 2004 sehr gelegen kam), die Wahl wohl gewonnen hätte. Aber die Corona-Politik der Trump-Regierung war nicht nur schlecht; sie war praktisch nicht existent. Hauptsächlich verlegte man sich auf das komplette Leugnen der Pandemie.
Das Problem in der Strategie des Trump-Teams war, dass das Leugnen einer weltweiten Pandemie unter den informationstechnischen Bedingungen des 21. Jahrhunderts nur schwer möglich ist und, davon einmal abgesehen, generell gegen den Selbsterhaltungstrieb des Menschen geht. Es liegt aber sicher nicht daran, dass es nicht versucht worden wäre. So hat etwa in Florida das Gesundheitsministerium im September seitens des republikanischen Gouverneurs deSantis die Anweisung bekommen, bis zum Wahltag am 3. November keinerlei Meldungen bezüglich Covid-19 mehr herauszugeben. Diese Maßnahme hat sicher einige hundert Menschenleben gekostet. Generell aber blieben die Versuche der GOP, die Pandemie sozusagen durch einen kollektiven Willensakt zu bezwingen, bemerkenswert erfolglos. Selbst in tiefroten Bundesstaaten half es wenig, dass die Gouverneure im Frühjahr partout keinen Lockdown einführen wollten - die Leute isolierten sich trotzdem.
Wenig hilfreich musste angesichts des mehrheitlich offensichtlich vorhandenen (wenngleich nicht überwältigend verbreiteten) Bewusstseins für die Dramatik der Situation sein, wie unglaublich unernst mit der Krankheit umgegangen wurde. Todeszahlen wurden erst geleugnet, dann mit unfassbarer Gleichgültigkeit für unvermeidlich erklärt. Veranstaltung um Veranstaltung wurde ohne Maske abgehalten. Und so weiter. Der Eindruck, den das hinterließ, war nicht eben positiv - zumindest bei jenem Teil der Bevölkerung, der nicht in einer rechten Medienblase gefangen war.
Entwicklung einer Blase
Wenn sich die Republicans nämlich seit den 1990er Jahren auf etwas verlassen können, dann die Wirkmacht ihrer eigenen Mediennetzwerke. Trotz gelegentlicher Gesten journalistischer Integrität, die vor allem die Anschlussfähigkeit des Netzwerks an den respektablen Teil der Branche sichern sollten, versuchte FOX News sein Möglichstes, die Wiederwahl Trumps zu stützen. Die Legende, man habe sich von ihm distanziert, kann zu den Akten gelegt werden, verdient aber trotzdem vorher noch eine kurze Betrachtung.
Denn tatsächlich war die rechtsextreme Medienblase weniger erfolgreich als 2016, wenn es darum geht, die Agenda zu setzen. Das liegt aber nicht an einem Absetzungsprozess dort, der zu mehr journalistischer Integrität führte. Vielmehr ist es die Immunisierung der anderen Medien, die dazu führte, dass, anders als 2016, die ganzen künstlichen Skandale keinen Boden gewannen. Erneut, es lag nicht an einem Mangel an Versuchen. In einem längeren Artikel über den harten Konkurrenzkampf der rechtsextremen Medien ("Right-wing media’s civil war is setting off a race to the bottom") schreibt Parker Molloy:
Between October 14 and November 1, Fox News spent 36 hours and 34 minutes spread across 596 segments covering dubious stories about Biden’s son Hunter. [...] But questionable or not, Fox couldn’t get enough of the nonscandal, spreading its coverage across both opinion (21 hours, 56 minutes) and “straight news” (14 hours, 38 minutes) shows.
Der Hunter-Biden-Skandal fing trotz der massiven Unterstützung durch FOX deswegen kein Feuer, weil kein anderes Medium bereit war, anders als bei dem Zirkus um "Hillary's emails", den Blödsinn mitzumachen. Nur in der Boulevardpresse und eben den rechtsextremen Fernseh- und Radioshows beherrschten diese Themen die Funkwellen. Im faktenbasierten Amerika kam es dieses Mal nicht an.
FOX News erscheint auch deswegen im Jahr 2020 als weniger radikal als im Jahr 2016, weil der ständige Radikalisierungsprozess der Partei und ihrer Wählerschaft mittlerweile jakobinische Ausmaße erreicht hat. Die Revolution, die Rupert Murdoch einst losgetreten hat, frisst mittlerweile ihre eigenen Kinder:
If you want to hear that Trump was the real winner of the election, see stories about why police were justified in attacking an elderly protester, or watch an anchor call Democrats Nazis, you can tune into OAN. Newsmax is a one-stop shop for segments that blame the victims of police violence for their own deaths or feature altered videos meant to make Biden appear lost, hosted by people who tried to profit from phony COVID-19 cures and who sympathize with white nationalists.
Ein solches eigenes Propagandanetzwerk existiert auf der Linken nicht. Dafür gibt es viele Gründe, aber einer der entscheidenden, wie eine längere Reportage der New York Times aufzeigt, ist der Mangel an Geld. Um FOX, OAN und Newsmax groß zu machen brauchte es eine riesige Anschubfinanzierung durch rechtsextreme Milliardäre (deren Existenz, ich hatte das einmal bemerkt, inhärent demokratiegefährdend ist). Hier geht es auch nur eingeschränkt um Gewinne. Zwar sind FOX, OAN und Newsmax profitabel. Aber sie haben gleichzeitig eine ideologische Mission, sind keine reinen Nachrichtenorganisationen. Ihre Redaktionskonferenzen sind nicht frei wie die klassischer Medien von CNN oder New York Times. Sie gehorchen den Imperativen ihrer reichen Gönner.
Das Programm und der Kandidat
Über all die ständigen Aufreger - Lügen, Anstiftung von Gewalt, Putschversuche, Obstruktionspolitik - gerät gerne in Vergessenheit, dass Trump 2016 tatsächlich mit so etwas wie einem Programm angetreten ist, das eine große Popularität genoss. So absurd "build a wall and let Mexico pay for it" war, es war eine erfolgreiche politische Botschaft. Daneben machte er Stimmung gegen Freihandelsabkommen, ein Haltung, die quer durch die Parteien von breiten Bevölkerungsschichten getragen wird. Nicht zu vergessen auch seine öffentliche Wendung gegen die "forever wars", die ihn zuerst in den primaries zu versenken schienen, ehe sie sich als unerwarteter Wahlkampfschlager entpuppten (und diverse Kommentatoren auch in Deutschland sich nicht entblödeten, Trump als den Friedenskandidaten und Clinton als Kriegstreiberin zu betrachten).
Auch Trumps Inszenierung als erfolgreicher Geschäftsmann, gepaart mit dem Doppelschlag von der "drain the swamp"-Rhetorik und dem offenen Spiel mit seinen eigenen Bestechungen, das er erfolgreich in eine Inszenierung als Champion für die kleinen Leute zu wandeln wusste halfen ihm deutlich. Es war eine absurde Inszenierung, bedenkt man, wer das war, aber gerade diese Gegensätze erwiesen sich als potenter politischer Mix. Trumps Machismo und sein Flirten mit der Arbeiterschaft - man denke nur an sein imaginäres Kohleschaufeln in West Virginia, wo Clinton eine realistische Rede zum Thema Strukturwandel gehalten hatte - zogen unbestreitbar. Und zuletzt sollte man nicht vergessen, wie rassistisch kodiert die Wahl 2016 war. Auch das hat eine lange Tradition erfolgreicher WählerInnenmobilisierung in den USA.
Natürlich reichten all diese Faktoren nicht aus, um ihm einen gewaltigen Vorteil zu schaffen. Es brauchte immer noch die Intervention von außen, aber diese programmatischen und inszenatorischen Elemente waren stärker, als viele Beobachtende, mich eingeschlossen, 2016 erwartet hatten. In den Händen kompetenterer KandidatInnen kann da in Zukunft noch einiges bewegt werden, und die Spekulationen darüber, wer sich als ein auch für anständige Menschen wählbarer Rechtspopulist nach Trump inszenieren könnte (Tom Cotton wird oft genannt) laufen bereits heiß.
Aber Trump brachte neben diesem Mix an erfolgreichen Ideen eben auch eine Menge Ballast mit. Kein Präsident in der Geschichte der Meinungsumfragen war so unbeliebt wie er. Er mobilisierte quasi vom ersten Tag an eine gewaltige Opposition gegen sich. Es war schon damals untergegangen, aber es ist heute praktisch vergessen, dass die (vor allem von Frauen getragene) Protestbewegung 2017, die unter dem Hashtag #Resistance formierte, die größte Demonstration in den USA aller Zeiten war! Um eine dritte nicht sonderlich steile These aufzustellen: Die Wahl 2020 war eine Wahl gegen Donald Trump, nicht für Joe Biden. Letzteres schon alleine deswegen nicht, weil auch seinen eigenen Unterstützern schwer fallen dürfte zu definieren, wofür Joe Biden eigentlich steht - außer einem "zurück in den Status vor Trump". Diese persönliche Antipathie einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung ist einzigartig und der größte persönliche Belastungsfaktor der Trump-Präsidentschaft.
Es ist aktuell noch merkwürdig untererforscht, wie relevant das weitgehende Scheitern der obigen programmatischen Punkte eigentlich für die Trump-UnterstützerInnen war. Es ist zu Tode analysiert (und zu Recht!), inwieweit progressive AktivistInnen von Obama enttäuscht waren; ein zentraler Faktor in der massiven Niederlage 2010 mit ihrer asymmetrischen Wahlbeteiligung, und erneut 2014. Denn eine Mauer an der mexikanischen Grenze gibt es nicht, von einer Kostenübernahme durch das Land ganz zu schweigen. Trump hatte kaum das Oval Office von innen gesehen, als McConnell ihm ausrichten ließ, er möge doch nun endlich mit dieser "drain the swamp"-Rhetorik aufhören, das schade mit den Großspendern. Die Zahl der Drohnenangriffe vervierfachte sich unter Trump, die amerikanische Truppenpräsenz wurde erhöht. Störte das seine WählerInnen von 2016? Kam es überhaupt an? Da ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten.
Davon abgesehen aber brachte Trump unzweifelhaft "Qualitäten" mit ins Amt, die ihm und seiner Wiederwahlkampagne geschadet haben. Seine große persönliche Faulheit, von so vielen Quellen inklusive ihm selbst bestätigt, dass sie als gegeben angenommen werden kann, ist eine davon. Von der Vorbereitung auf die TV-Debatten zum Lesen der täglichen Memos gibt es praktisch nichts, wo Trump nicht aus schlichter Faulheit weniger getan hätte als notwendig.
Dazu kommt seine unglaubliche Inkohärenz. Diese erlaubte ihm zwar auf der anderen Seite, mit ziemlich viel Blödsinn durchzukommen - schließlich erwartete niemand mehr, dass seine Aussagen irgendwelchen Sinn ergeben - aber sie schlug eben auch auf das Programm und dessen Kommunikation durch. So konnte nie ein klareres Programm aus der Hitliste seiner Wahlkampfreden entstehen, konnte nie policy folgen. Trumps erratische Schwerpunktsetzungen, die allzu oft aus dem Konsum von FOX News entstanden, ließen kaum zu, dass dieses an und für sich nicht unattraktive Programm nachhaltig WählerInnen überzeugen und binden konnte. Diese Inkohärenz sorgte auch dafür, dass die Versuche, die Wahl als eine Entscheidung zwischen zwei Versionen von Amerika - und damit gegen den "Sozialismus" der Democrats - zu framen scheiterten.
Nicht vergessen werden sollte seine absolut abstoßende Persönlichkeit. Ich habe bereits erwähnt, dass seine Beliebtheitswerte ohne jeden Vergleich sind. Nicht ein einziges Mal in seiner Präsidentschaft gelang es ihm, positive Beliebtheitswerte zu bekommen. Er mobilisierte breite Schichten in der Bevölkerung gegen sich. Zwar gelang ihm auch die Mobilisierung einer gigantisch, ihm loyal ergebenen Fangemeinde. Aber diese war eben immer deutlich kleiner als die Zahl derer, die er gegen sich aufbrachte, und zwar in einem Maß gegen sich aufbrachte, dass sie unter keinen Umständen zu ihm zurückkehren würden.
Die unwahrscheinliche Niederlage
Angesichts all dieser Vorteile, zu denen die in meinem Artikel über die fundamentals bereits Genannten kommen - incumbency, gute Wirtschaftslage, etc. - , muss nicht erklärt werden, warum die Democrats keine Erdrutschsieg hinlegten. Vielmehr muss erklärt werden, warum Trump verloren hat.
Letztlich verengt sich das Feld auf zwei Faktoren. Der eine ist seine einzigartige Fähigkeit, Menschen gegen sich aufzubringen. Eine bessere Wahlwerbung als ihn selbst hätten sich die Democrats kaum wünschen können. Und auf der anderen Seite brach die unterirdische Krisenstrategie - nicht die Krise selbst! - in der Covid-19-Pandemie ihm das Genick.
Ich habe in einem Artikel im Sommer 2019 die grundsätzliche Dynamik des Wahlkampfs beschrieben und erklärt, dass Wahlen entweder eine Entscheidung oder ein Referenderum darstellten. Ich analysierte, dass Trump darauf angewiesen war, die Wahl in eine Entscheidungs-Wahl zu verwandeln, weil er ein Referendum über seine Person verlieren würde. Ich glaube, es ist eindeutig, in welche Richtung sich diese Wahl entwickelt hat.
Für die meisten Beobachtenden kam überraschend, wie viele Trump-Anhänger sich in diesem Referendum würden motivieren lassen. Aber letztlich reichte es nicht. Über sechs Millionen mehr Menschen stimmten gegen als für Trump. Die politische Schwerkraft, sie hatte ihn am Ende.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.