Montag, 7. Juni 2021

Die Unernsthaftigkeit bei der Bekämpfung des Klimawandels

 

Unfreiwillig hat Armin Laschet im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie das ganze Dilemma der Politik aufgezeigt: "aus einer reinen Prognose heraus" könne man nicht handeln, was es brauche  sei "eine konkrete Gefahr". Was in der Pandemie den Tod von Tausenden zur Folge hatte, wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel den Tod und das Elend von Millionen bewirken. Mit dem Klimawandel steht die Menschheit vor einer der größten Herausforderungen, wenn nicht der allergrößten, der sie je gegenüberstand - aber in der Politik wird er behandelt, als ginge es um eine Reform des Rentenbeitrags oder die Reperatur eines Teilstücks der A8.

Gleiches gilt für die gesellschaftliche Betrachtung, wo man vor allem ein Lifestyle-Thema darin erkennen möchte, irgendwo zwischen einer schicken Ausrede zum Schule-Schwänzen und dem ostentativen Kauf von Bioprodukten. Die mediale Beareitung ist nicht besser; die "Welt" etwa argumentiert gegen Solarpanele auf Wohnhäusern - aus ästhethischen Gründen ("Unser Dorf soll hässlicher werden"). Solche Artikel werden von künftigen Generationen wohl mit der gleichen Fassungslosigkeit betrachtet werden wie heute die Glückwünsche des Neuen Deutschlands zum 40. Jahrestag der DDR.

Natürlich kann man jetzt wieder reflexartig den Vorwurf erheben, es werde nur eine Apokalypse beschworen, das Problem sei gar nicht so groß, man sollte nicht übertreiben und was der Relativierungen nicht noch mehr ist. Mir ist unklar, wie man bei Meldungen wie der, dass wir mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 40% in den nächsten fünf Jahren punktuell eine 1,5°-Erwärmung der Erde erleben werden - das Szenario also, das auf Klimakonferenzen als Ziel für das Jahr 2100 gilt und bereits heute praktisch völlig unerreichbar ist, Jahrzehnten des Abwiegelns, Bremsens und der CO2-Produktion sei Dank.

Auch das Lieblingsargument der Abwiegler, dass die Kosten und Belastungen für die Wirtschaft zu hoch seien, kann nur noch ein Kopfschütteln auslösen. Das Handelsblatt berichtet über eine Studie, derzufolge der Klimawandel bereits heute Folgekosten in Höhe von 13% des BIP verursacht. Zwar schützt der Staat die Privatwirtschaft aktuell noch und externalisiert die Kosten des Klimawandels, indem er sie den Steuerzahlenden aufbürdet, aber das wird in Zukunft immer weniger möglich sein - nicht, weil die Lobbymacht der Konzerne sinken würde, sondern einfach, weil die Kosten viel zu hoch und zu umfassend werden, als dass das möglich bleiben könnte. Die Kosten des Nicht-Handelns sind bereits heute höher, als es die Kosten des Handelns wären.

Aber halt, mag mancher einwenden, reden wir nicht ständig über den Klimawandel und was man dagegen tun könnte? Ist nicht eine Debatte um die CO2-Bepreisung in Gang? Oh, sicher, das ist sie. Nur ist sie leider eher der Beweis für die geäußerte These als dass sie sie widerlegen würde. Die unsägliche "Debatte" - die kaum mehr als Krach in Debattenform ist - um die CO2-Steuer offenbart vielmehr die Frivolität, die das ganze Thema umgibt. So fordern im Endeffekt alle ernstzunehmenden Parteien eine CO2-Steuer. In der Ausgestaltung unterscheiden sie sich allenfalls in Details.

Derweil wird im Wahlkampf aus der korrekten Umrechnung der CO2-Steuer auf den Spritpreis ein Mini-Skandal geschmiedet, als hätten nicht vorher alle Parteien sich emphatisch für eben diese CO2-Steuer ausgesprochen. Auch die Pläne der SPD, FDP und Grünen für eine Entlastung der Geringverdienenden sind effektiv dieselben; alles andere ist Wahlkampfgetöse.  Aber die Illusion, dass eine CO2-Steuer das Problem lösen könnte, zeigt einmal mehr die Grenzen der Vorstellungskraft. Denn in der illusionären Variante, in der diese Besteuerung (genauso wie der Emissionshandel im Übrigen) diskutiert wird, entsteht nicht viel mehr als das nächste Bürokratiemonster zur lobbyverträglichen Umverteilung von Beträgen.

Was meine ich? Die CO2-Steuer ist ein Konzept, das auf dem Papier hervorragend funktioniert. Nur rennt es in der Praxis in dieselben Dynamiken, denen auch alles andere politische und wirtschaftliche Handeln unterliegt. Natürlich, in wirtschaftswissenschaftlichen Modellen verteuert die CO2-Steuer all jene Waren und Dienstleistungen, bei denen viel Treibhausgas ausgestoßen wird, so dass die Mechanismen von Angebot und Nachfrage dafür sorgen, dass CO2 eingespart und Alternativen attraktiver werden.

In der realen Welt aber fordert etwa die FDP Ausnahmen bei der CO2-Steuer für Spediteure - zur "Sicherung des Logistikstandorts Deutschland". Nur, welchen Sinn hat eine CO2-Steuer, wenn man dann genau die Branchen davon ausnimmt, die am meisten CO2 verursachen, weil diese danach - man halte sich fest - höhere Kosten tragen müssen? Die zentrale Idee hinter der Steuer wird dann plötzlich als Nachteil verkauft. Wie kann man in seinem Programm eine Steuer fordern und sich dann umdrehen und erklären, dass diese zu höheren Kosten führe und deswegen ausgesetzt werden müsse?

Das ist übrigens kein FDP-spezifisches Problem, ich nutze es nur, weil hier die Begeisterung für dieses Instrument am größten ist und ein aktuelles Beispiel vorlag. Die Grünen werden genauso schnell dabei sein, ihren jeweiligen Klientelgruppen irgendwelche Ausnahmeregeln zuzuschanzen. Das ist Politik. Die Vorstellung, man könnte sich diesen Anreizen und Mechanismen entziehen, ist in höchstem Maße naiv.

Das spricht übrigens nicht gegen eine CO2-Steuer, die ein durchaus gutes und vergleichsweise unbürokratisches Element sein kann. Es spricht gegen die Akteure und zeigt die Unernsthaftigkeit auf, mit der diese das Thema angehen. Wir stehen vor einer Transformationsaufgabe völlig neuen Ausmaßes, und es wird über Maßnahmen diskutiert, als gehe es um das Abarbeiten von Seite 17 des Koalitionsvertrags.

 


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