Freitag, 1. Juli 2022

Bücherliste Juni 2022

 

Anmerkung: Dies ist einer in einer monatlichen Serie von Posts, in denen ich die Bücher und Zeitschriften bespreche, die ich in diesem Monat gelesen habe. Darüber hinaus höre ich eine Menge Podcasts, die ich hier zentral bespreche, und lese viele Artikel, die ich ausschnittsweise im Vermischten kommentiere. Ich erhebe weder Anspruch auf vollständige Inhaltsangaben noch darauf, vollwertige Rezensionen zu schreiben, sondern lege Schwerpunkte nach eigenem Gutdünken. Wenn bei einem Titel sowohl die englische als auch die deutsche Version angegeben sind, habe ich die jeweils erstgenannte gelesen und beziehe mich darauf. In vielen Fällen wurden die Bücher als Hörbücher konsumiert; dies ist nicht extra vermerkt. Viele Rezensionen sind bereits als Einzel-Artikel erschienen und werden hier zusammengefasst.

Diesen Monat in Büchern: 33 (fast) perfekte Popsongs; Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit; Hitlers' American Gamble; Losing Earth; Zugang verwehrt; Im Sog der Säkularisierung

Außerdem diesen Monat in Zeitschriften: -

Rezension: Uwe Ebbinghaus/Jan Wiele (Hrsg.) – Drop it like it’s hot. 33 (fast) perfekte Popsongs

Popkultur hat keinen sonderlich guten Ruf. Zu seicht, zu beliebig, zu kommerziell ist sie oft, und Intellektuellen ist ihr Wesensmerkmal – die Popularität – ohnehin suspekt, gilt doch allzuoft nur das der Beschäftigung wert, was eben nicht populär ist. Per aspera ad astra, sozusagen. Ich habe von dieser Sichtweise noch nie viel gehalten (und sie hat mir wie nichts sonst das Germanistik-Studium vergällt), weswegen es mich froh macht, ausgerechnet vom Reclam-Verlag (den Gralshütern der Hochkultur!) eine Sammlung von in der FAZ (den Gralshütern des Bürgertums!) erschienenen Essays zu Popsongs in Händen halten zu können (herzlichen Dank an den Reclam-Verlag für das Rezensionsexemplar übrigens). Die verschiedensten Autor*innen kommen hier mit völlig individuellen Zugängen zu den größten Popsongs aller Zeiten zu Wort, die nie ganz perfekt sind – denn sonst wären es ja keine Popsongs. Zumindest ist das eine Kernthese von Wiele und Ebbinghaus, die ich an der Stelle einfach mal so stehen lasse. In dem Band kommen zahlreiche Autor*innen zu Wort, die anhand eines Songs eine vertiefte Untersuchung durchführen. Dadurch lernt man jede Menge neuer Popsongs kennen. Mein Echo gehörte jedenfalls zur Rezension dieses Buches dazu, und Alexa dürfte sich über meine plötzlichen Geschmackssprünge wundern. Es ist allerdings schwierig, irgendeine Struktur herausarbeiten zu wollen, die darüber hinausgeht; der essayistisch-individuelle Ansatz ist ja gerade, was den Band ausmacht.

So befasst sich Kai Sina anhand Fiona Apples „Container“ mit der schon fast esoterischen Kombination des Auf und Ab, das Ton und Text im Lied eingehen und damit die Wellen und Meeresrauschen, die Apple besingt, untermalen. Dieses Zusammenwirken von Text und Form bereitet meinen Schüler*innen bei Lyrik schon immer Kopfzerbrechen, aber es gehört zu den schönsten Dingen, die man mit Sprache machen kann – auch wenn mir, wie ich zugeben muss, das Resultat nicht sonderlich zusagt.

Anette Humpe erschließt sich „Sympathy with the Devil“ dagegen aus ihrer eigenen Biografie. Im Aufbegehren gegen die Elterngeneration der 1960er waren die Rolling Stones besser geeignet; der Song drückte ein Lebensgefühl aus, ein Protestieren, ein sich Wehren, ein etwas anderes sein. Mir haben die Stones noch nie etwas gegeben (ich war immer eher der brave Beatles-Typ), aber das ist einer der Songs der Band, den ich auch kenne und auch laufen lassen kann.

Uwe Ebbinghaus analysiert Snoop Doggs „Drop it like it’s hot“, das dem Band auch den Namen gegeben hat. Er wirft sich für den gehobenen Rap, den er von Snoop Dogg repräsentiert sieht, in die Bresche, der es an lyrischer Qualität durchaus in den Deutschunterricht schaffen könnte. Das mag zwar durchaus sein, aber Rap ist und bleibt das Genre, das mir neben der Volksmusik wohl am fremdesten bleibt.

Meine eigene Biografie spiegelt sich vielmehr in Leonard Cohens „Halleluja“, das Rose-Maria Gropp analysiert und durchaus passend mit Klopstock vergleicht. Der Song war der Hintergrund zu meinem Antrag an meine Frau; klischeebeladen, sicherlich, aber er erschien mir in dem Moment passend. Gropp gelingt es in ihrem Essay, nicht nur verschiedene Bedeutungsebenen aus den religiösen Bezügen herauszukitzeln (die mir Plebejer seinerzeit völlig entgingen), sondern auch die verschiedenen Fassungen aus den Abschnitten künsterlischen Schaffens Cohens zu vergleichen.

Eher humoristisch zu verstehen ist dagegen Jürgen Kaubes „Analyse“ zu Miley Cyrus‘ „Wrecking Ball“. Im Kontrast zeigt sich für Kaube eindrücklich, wo Popkultur eben keine Kunst ist, nämlich dort, wo Texte mit der Subtilität einer sprichwörtlichen Abrissbirne in die Ohren der Zuhörenden gedrückt werden. In meinen Augen ist Reinhard May jetzt auch nicht eben hohe Kunst, aber da würde Tilman Sprecklsen widersprechen, der „Die Zeit des Gauklers ist vorbei“ analysiert; eine These, der ich unbenommen des eigentlichen Songs sofort zustimmen kann.

Christina Dongowski entführt die Lesenden wieder in die Bereiche hoher Kunst, wenn sie die Schichten von Kate Bushs „Wuthering Heights“ analysiert, das auf dem gleichnamigen Roman von Emily Brontë basiert. Dongowski schält den Song wie eine literarische Zwiebel, was angesichts der unerwarteten Popularität Bushs, die dank der Netflix-Serie „Stranger Things“ im Sommer 2022 auf Platz 1 der Charts sprang, mehr als zeitlich passend ist.

Auch deutsche Popsongs kommen nicht zu kurz. Die Ärzte sind mit „Ich, am Strand“ vertreten, einem eher kontemplativen Lied, das so gar nicht zu der eher frechen Oevre der Band passen will, während Udo Lindenberg „Bis ans Ende der Welt“ singt. Der Barde mag sich „Forever young“ fühlen, aber der Song ist von Alphaville. Ich muss zugeben, dass mir bisher nicht bekannt war, dass es sich dabei um eine deutsche Band handelte, noch kannte ich die Eigensinnigeiten in ihrem Auftreten. Peter Fox hat mich auch noch nie abholen können, aber vielleicht hat er genügend Fans, um doch seinen bürgerlichen Traum vom „Haus am See“ zu erfüllen, das er im gleichnamigen Song imaginiert.

Deutlich exotischer wird es mit Jürgen Kaubes anderem Aufsatz zu Adriano Celentanos „Svulation“, der sich mit der Wirtschaftskrise in Italien beschäftigt. Es ist der wohl einzige Inflationssong in dieser Liste. Musikalisch allerdings konnte mich Celentano nicht abholen. Das gilt im gleichen Maße für den Nazi-Schlager „Davon geht die Welt nicht unter“, dessen geradezu perverse Fröhlichkeit angesichts von Totalem Krieg und Bombenhagel Nicola Rost treffend herausarbeitet. Mein Historikerherz schlägt dafür umso lauter. Dass diesem Lied ein so langes Nachleben in der BRD beschieden war, sagt auch einiges über die Nachkriegsgesellschaft aus.

Ebenfalls aussagekräftig ist „America“, Simon and Garfunkels Ode an das Hippie-Lebensgefühl der 1968er. Hilfreich erklärt Cornelius Dieckmann, dass die „Immobilie in der Tasche“ eine Slang-Umschreibung für Marijuana war; auch eine Metapher, die ohne Fußnote für zeitgenössische Hörer*innen nicht mehr unbedingt einleuchtend klingt.

Richtig politisch wird es dagegen im Song „Meat is Murder“ von The Smiths, der sich in der Analyse von Oliver Jungen durch seine absolute Kompromisslosigkeit auszeichnet – sowohl im Text als auch im Auftreten der Band selbst. Es sei schwierig, so Jungen, Kompromisse einzugehen, wenn man die Prämisse des Songtitels für sich akzeptiert habe. Das ist auf einem intellektuellen Level sicher richtig, aber als praktizierender Flexitarier kann ich attestieren, dass es im Alltag ganz gut funktioniert.

Ich breche meine Überblicksdarstellung ausgewählter Essays an dieser Stelle ab; die geneigten Lesenden werden erkannt haben, was der Band ist und wie er funktioniert – und ob er etwas für sie ist. Mir fällt die Beantwortung dieser Frage erstaunlich schwer. Einerseits bin ich schon qua Fach interessiert daran, zu analysieren und zu interpretieren. Gleichwohl fällt mir auf, dass ich bezüglich Musik einfach ein Barbar ohne jede Bildung bin. Wenn die Autor*innen von Akkorden reden, von Synthesizer-Stufen, von Genremischungen und vielem mehr ist das für mich allzu oft ein Buch mit Sieben Siegeln. Vereinfach gesagt: an mich ist der Band verschwendet, Perlen vor die Säue. Ich sehe das Potenzial, die intellektuelle Stimulierung, die einschlägig gebildetere Zeitgenoss*innen daraus ziehen können, aber für mich bleiben viele der Essays stumm, nicht, weil die Autor*innen ihr Handwerk nicht verstünden, sondern wegen meiner eigenen Wissenslücken.

Mai Thi Nguyen-Kim – Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit (Hörbuch)

Die Corona-Pandemie hat Streits über Wissenschaft, Standards, Studien und Statistiken auf eine Art in die Schlagzeilen gebracht, die sich viele Befürworter*innen von MINT-Fächern sicher schon eine Weile gewünscht haben, aber wie immer muss man vorsichtig sein, was man sich wünscht. Zwar wurde viel über Wissenschaft diskutiert, aber die Sachkenntnis der resultierenden Debatte ließ dann doch zu wünschen übrig. Mai Thi Nguyen-Kim hat ihr Buch zwar bereits vor der Pandemie zu schreiben begonnen, aber viel aktueller und passender kann es kaum sein (abgesehen vielleicht von einer Aktualisierung; es ist auf dem Stand des Frühjahrs 2021). Nguyen-Kim weiß sicherlich ein Liedchen davon zu singen: als eine von Deutschlands hervorgehobensten Wissenschafts-Erklärbären setzt sie sich bereits seit Langem für bessere Kenntnisse auf diesem Gebiet ein. Ihr Ziel: das Schaffen einer „kleinsten gemeinsamen Wirklichkeit“, ein Streit um die Dinge, um die sich tatsächlich gestritten werden kann. Etwas Objektivität in die Debatte, quasi. She’s got her work carved out for her.

Nguyen-Kim unternimmt es dabei, verschiedene Probleme wissenschaftsbasierter Diskurse anhand populärer Beispiele aufzuarbeiten und so den Blick auf die Fallstricke (scheinbar) wissenschaftlicher Argumente zu schärfen.

So befasst sie sich in Kapitel 1 mit der Legalisierung von Drogen. Unter dem Schlagwort „Keine Macht den Pauschalisierungen“ erläutert sie die Fallstricke der entsprechenden Forschung. So wurde etwa Brokkoli in allen möglichen Studien schon alle möglichen Wirkungen unterstellt, doch wenn man genau hinsieht zeigt sich, wie schwer es ist, bestimmte Effekte auf ein Lebensmittel zurückzuführen. Ähnlich ist das bei den Studien zu Drogen, die zudem von zahlreichen Detailproblemen und methodischen Verwicklungen gezeichnet sind. Die Frage, welche Droge denn nun schädlicher sei als eine andere, ist also gar nicht so leicht zu beantworten. Nguyen-Kim weist vor allem darauf hin, dass „alle Drogen schon da sind“ und daher immer in einem bestehenden Kontext untersucht werden. Ecstasy mag weniger Schäden hervorrufen als Alkohol, aber Alkohol wird von wesentlich breiteren Schichten in wesentlich größeren Quantitäten konsumiert. Es würden also oft Äpfel mit Birnen verglichen. Trotzdem erklärt Nguyen-Kim klar: „Fehlerhafte Wissenschaft ist besser als gar keine Wissenschaft.“ Auch unzureichende Studien geben mehr Informationen als keine Studien, man muss allerdings in der Lage sein, sie genau zu untersuchen.

Ein nicht minder umstrittenes Thema wird in Kapitel 2 untersucht: Videospiele und Gewalt. Die Hochzeit dieser Debatte ist zwar dankenswerterweise vorbei (ich erinnere mich noch sehr gut an den FAZ-Artikel, laut dem man in Counterstrike Bonuspunkte für das Schießen auf Kinderwägen bekommt). Aber noch immer gibt es „Viel „Noiseblast“ um Nichts“, womit Nguyen-Kim auf eine berühmte Studie anspielt, mit der das Aggressionspotenzial von Videospielen untersucht wurde: Versuchspersonen wurde ein schmerzhafter „Noiseblast“ gegeben, der sie dann aggressiver machte. Allein, die Aggressionsforschung steht vor ernsthaften Problemen. An ihrem Beispiel thematisiert Nguyen-Kim das generelle Reproduktionsproblem der Psychologie, die ihre Studienergebnisse oftmals nicht reproduzieren kann. Ethische Probleme machen es zudem kaum möglich, Studien aufzustellen, die unter „echten „Bedingungen Aggressionsforschung ermöglichten. Doch relevanter scheint Nguyen-Kim das Thema des „p-Hacking“, dem „Meta-Krieg um einen Hauch von Nichts“. Denn die meisten Studien ergeben, unabhängig von methodischen Problemen, ohnehin nur sehr kleine Variationen. Die Wissenschaft streitet um winzige Abweichungen, die in den Medien gerne als riesige Auswirkungen dargestellt werden. Das ist ein Schicksal, das auch der Brokkoli aus Kapitel 1 gut kennt, und ließe sich auf die „verlockende Suche nach leichten Antworten“ zurückführen.

Ein wohl noch umstritteneres Thema bildet den Rahmen für Kapitel 3: der Gender-Pay-Gap. Nguyen-Kim nähert sich den „unerklärlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen“ und erklärt zuerst, warum es verschiedene Zahlen gibt (den Lesenden dieses Blogs sicher hinreichend bekannt). Sie erklärt, warum der Pay-Gap nicht zwingend eine Diskriminierungslücke darstellen muss und dass es einen unerklärten Rest von rund 4% gibt, der sich nicht auf unterschiedliche Präferenzen von Männern und Frauen bei der Berufswahl etc. zurückführen lässt und daher reale Diskriminierung darstellen muss. Soweit kennt man die Argumentation von Gegner*innen der Frauenförderungspolitik: unterschiedliche Präferenzen, etc. Nguyen-Kim geht dann aber auf die Bloglesenden ebenfalls sattsam bekannte Thematik ein, dass diese Unterschiede etwa bei der Teilzeit zwar den Pay-Gap erklären, aber ihrerseits bei weitem nicht so freiwillig sind, wie das auf den ersten Blick den Anschein hat.

Etwas überraschende Pfade beschreitet Nguyen-Kim in Kapitel 4, „Big Pharma vs. Alternative Medizin: Ein ungesunder Doppelstandard“. Wenig überraschend ist sie kein besonderer Freund der „alternativen Medizin“, die einfach nur unwissenschaftlicher Quatsch ist, aber sie nutzt die Debatte um Homöopathie, um einige grundsätzliche Konzepte wie den Placebo- und Nocebo-Effekt zu erklären und Wirksamkeitsmechanismen herauszuarbeiten. Zudem zerstört sie diverse Mythen, etwa die Unterdrückung funktionierender Heilmittel durch Big Pharma. Aber der überraschendere Teil ist ihre klare Parteinahme für die Pharmaindustrie, trotz aller berechtigten Kritik. Umgekehrt erklärt sie auch den schon öfter thematisierten Effekt, dass Homöopathie vor allem deswegen funktioniert, wie die Heilpraktiker*innen sich die Zeit nehmen, mit ihren Patient*innen zu reden.

Das Loblied auf die Pharma-Industrie ist auch ein Roter Faden in Kapitel 5, das sich – sehr aktuell – mit der Frage „Wie sicher sind Impfungen?“ beschäftigt. Lesenden dieses Blogs ist der Leitspruch „There’s no glory in prevention“ sicherlich ein Begriff; etwas überraschender dürfte da die klare Forderung Nguyen-Kims „Lasst die Impfgegner in Ruhe!“ anmuten. Sie fordert dies nicht, weil diese Recht hätten, sondern weil sie eine winzige Minderheit sei, die am besten ignoriert würde. Stattdessen solle man sich auf diejenigen konzentrieren, die einfach nur verunsichert sind. An diese Aufgabe macht sie sich denn auch, indem sie die Mechanismen der Medikamentzulassung erläutert und vor allem aufzeigt, warum seltene Nebenwirkungen hier oft nicht erkannt werden. Es ist eigentlich völlig logisch, aber manchmal muss man sich solche Sachverhalte ausbuchstabieren lassen: Nebenwirkungen, die selten sind, könnten nur in Tests gefunden werden, die hunderttausende von Nutzer*innen beinhalten – und die ließen sich von einer Freigabe ohnehin nicht mehr unterscheiden.

Ein ganz heißes Eisen fasst Ngyuen-Kim in Kapitel 6 an: „Die Erblichkeit von Intelligenz“. Mit dem Schlagwort „Warum die Anzahl unserer Finger erblicher ist als unser IQ“ klärt sie das „doppelte Missverständnis“ auf, das mit dieser Frage einhergeht. Es ist das komplizierteste Kapitel, zumindest für mich, weil hier etwa „Drei Gesetze für die Genetik komplexer Persönlichkeitseigenschaften“ erklärt werden und das Konzept der Erblichkeit deutlich wird, das bei weitem nicht so eingängig ist wie man das aus populären Debatten kennt. Die „Nature or Nurture“-Debatte führt daher bei ihr auch zu keinem klaren Ergebnis; sie fasst das in charakteristischer Schnoddrikgeit als „Die große Matschepampe aus Genen und Umwelt“ zusammen. Auch die Frage, ob IQ-Tests sinnvoll sind oder nicht (eigentlich nur wenn man sich mit sich selbst vergleiche), wird von ihr in diesem Zusammenhang diskutiert.

Ein ähnliches Thema bespricht Nguyen-Kim in Kapitel 7: „Warum denken Frauen und Männer unterschiedlich?“ Die Überschrift „Achtung, dieses Kapitel verändert dein Gehirn!“ deutet bereits darauf hin, dass wir hier keine Neuauflage des Bullshits von Allan und Barbara Pease bekommen werden, sondern eine wesentlich belastbarere Grundlage. Wie bereits in mehreren vorangegangenen Kapiteln zeigt Nguyen-Kim, dass die Frage der Ähnlichkeit männlicher und weiblicher Hirne letztlich in die Irre führt, weil das Gehirn sich permanent verändert; die Unterschiede meines eigenen Hirns im Verlauf meines erwachsenen Lebens sind wesentlich signifikanter als die zwischen generisch männlichen und weiblichen Hirnen.

Dass Nguyen-Kim keine Angst vor kontroversen Themen hat, zeigt sie denn auch in Kapitel 8: „Sind Tierversuche ethisch vertretbar?“ Natürlich ist Ethik per se nichts, was ihren Anforderungen an Wissenschaft genügen könnte, weswegen sie sich damit auch gar nicht großartig aufhält; sie will vielmehr aufzeigen, warum Tierversuche überhaupt durchgeführt werden, wie das geschieht und welche Alternativen bestehen. Ihre These: „Der Zug bleibt nicht stehen“; die Fragestellungen, die durch Tierversuche beantwortet werden sollen, bleiben uns so oder so erhalten und verlangen eine Antwort. Und diese lässt sich oftmals nur durch die entsprechenden Versuche erlangen. Nguyen-Kim zeigt, dass die Zahl der Tierversuche bereits drastisch abgenommen hat, aber dass für manche Forschungsfelder keine andere Möglichkeit besteht – auch nicht die, die von radikalen Tierschützer*innen oft gefordert wird, Menschen zu nutzen – schlicht, weil es nicht genug Menschen gibt. Nguyen-Kim erklärt auch, dass die Studien oftmals missverstanden werden, weil Ergebnisse zwar in Mäusen auftreten, aber das nicht zwingend heißt, dass sie sich in Menschen reproduzieren lassen.

In Kapitel 9 unternimmt sie dann den Versuch eines Fazits, der titelgebenden „kleinsten gemeinsamen Wirklichkeit“. Nguyen-Kims Forderung ist nicht, weniger zu streiten, sondern dies besser zu tun. Sie wendet sich klar gegen den oft vorgebrachten Vorwurf der „Wissenschaftsreligion“ (wie er besonders unter Klimakrisen- und Covid-Leugner*innen zu finden ist) und singt ein Loblied auf die „Kunst des wissenschaftlichen Konsens“. Statt einer Religion feiert sie den „wissenschaftlichen Spirit“.

Generell fällt auf, mit welchem didaktischen Anspruch das Buch geschrieben ist. Jedes Kapitel beginnt mit einer Fangfrage, die Lesenden werden geradezu sokratisch durch den Text geleitet und zur eigenen Erkenntnis gebracht. Nguyen-Kim erfüllt ihre eigenen Ansprüche und erklärt die Wissenschaft. Wertungen bringt sie nur dort vor, wo diese sich klar aus der Wissenschaft ableiten (etwa bei der Wirksamkeit von Homöopathie), während bei anderen üblicherweise beide Seiten ihre Existenzberechtigung bekommen (sie kann etwa mit Videospielen nichts anfangen). Ihr großartiger Stil und überragende Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte leicht verständlich zu erklären, sind da quasi die Kirsche auf dem Kuchen.

Ein letztes Wort zu ihren Videos: ich kenne diese nicht, weiß aber aus anderen Rezensionen, dass für regelmäßige Zuschauer*innen vermutlich wenig Neues in dem Buch ist, weil Nguyen-Kim die Themen alle schon auf die eine oder andere Art in ihren Videos angesprochen hat.

Nathaniel Rich – Losing Earth

Wissenschaftler*innen warnen: Die Erde erhitzt sich, und der Klimawandel ist menschengemacht. Es ist das Verbrennen von CO2, und die Aussichten sind düster. Politiker von Democrats und Republicans tun sich zusammen, um Lösungen zu finden. Exxon Mobile erkennt die Zeichen der Zeit und gründet eine Abteilung mit Millionenbudget, um den Konzern auf eine Zukunft nach fossilen Energien vorzubereiten und an die Spitze des technologischen Wandels zu setzen. Das Thema „globale Erwärmung“ ist das der Zukunft; es wird die kommenden Dekaden maßgeblich bestimmen. Großer politischer und wirtschaftlicher Wandel stehen ins Haus. – Das Jahr ist 1979, und der „Coal Report“ wurde gerade veröffentlicht. Informationen, die einschlägig gebildeten Wissenschaftler*innen bereits seit 1880 (!), spätestens seit 1939 bewusst sind, haben erstmals höhere Ebenen der Politik erreicht. In den kommenden Jahren wird die Zukunft, in der entscheidende Handlungen zur Rettung des Planeten unternommen werden, verlorengehen. Nathaniel Richs Buch ist die Geschichte hinter diesem Verlust.

Das Narrativ beginnt mit einem Bericht, der die Zusammenhänge zum ersten Mal klar zur Sprache bringt – vorausgesetzt, man ist bereit, mehrere hundert Seiten eines wissenschaftlichen Berichts zu lesen. Wie so oft spielte der Zufall eine große Rolle und brachte eine Person ins Scheinwerferlicht, die eher unwahrscheinlich wäre. In diesem Fall ist es Rafe Pomerance, ein Aktivist ohne besonderen Fokus und bar jeder wissenschaftlichen Ausbildung, aber mit viel natürlichem Charisma und magischen familiären Verbindungen in den US-Politikbetrieb. Pomerance ist eine der zwei Hauptfiguren – man kann vermutlich auch „Helden“ sagen -, anhand derer Rich die Geschichte erzählt.

Pomerance war im Zentrum der ersten wissenschaftlichen Konferenz zum Thema Klimawandel – und erkannte schnell, dass mit den Wissenschaftler*innen kein Staat zu machen war. Zu vorsichtig und voll traditioneller Zurückhaltung, sich bloß nicht in die Politik einzumischen, konnte sich die Konferenz nicht einmal dazu durchringen, das Ausmaß der Gefahr klar zu benennen, aus Furcht, als parteiisch oder gar politisch zu gelten. Die wenig öffentlichkeitsaffinen Wissenschaftler*innen waren zudem wenig dazu angetan, Schlagzeilen zu generieren. Pomerance suchte einen Helden, der PR-wirksam war – und fand ihn in James Hansen. Der Klimawissenschaftler besaß einen spröden Charme mit dem Geruch von Dinern des Mittleren Westens, was ihn für praktisch alle Politiker*innen wie Medienschaffenden attraktiv machte. Und er war bereit, Klartext zu sprechen.

Das gelang auch. Noch 1979 entstand ein einzigartiger „bipartisan moment„, wie die Amerikaner*innen sagen. Es schien offenkundig, wohin die Reise ging. Klimawandel war eine gewaltige Herausforderung, sie betraf alle und war daher so überparteilich wie noch irgendetwas. Einige besonders Visionäre sprachen bereits von der Notwendigkeit, die Sowjetunion mit einzubinden. Die Verantwortlichen von Exxon Mobile zeigten großes Interesse und waren sich darüber im Klaren, was der Klimawandel für ihr Geschäftsmodell bedeutete. Sie gründeten eine Abteilung mit einem Budget von 600.000 Dollar im Jahr – mehr, als die Klimaforschenden insgesamt vom Staat bekamen – und begannen eine Kommunikationsoffensive mit Selbstverpflichtungen, sich innerhalb der kommenden Dekade von fossilen Energien zu verabschieden und der erste CO2-freie Konzern der USA zu werden.

Dann kam die Wahl 1981. Ronald Reagan löste Jimmy Carter ab und nominierte Extremisten an die Spitze der relevanten Institutionen. Der Versuch, die EPA (Environmental Protection Agency), von Richard Nixon gegründet, abzuschaffen, scheiterte zwar glücklicherweise. Aber William Ruckelshaus, der den Posten übernahm und die klimaengatierte Anne Gorsuch ablöste, hatte vor allem ein Mantra: die Abschaffung so vieler Regulierungen wie möglich und die Förderung des Abbaus fossiler Energien wo immer möglich. Naturschutzgebiete, Nationalparks, nichts war vor der Zerstörungswut der Reagan’schen Ideologen sicher.

Gleichzeitig schaufelten die Klimawissenschaftler*innen eifrig am Grab der Sache mit. Auf der großen Konferenz „Changing Climate“ von 1983 zerstritten sich die Wissenschaftler*innen heillos in Detailfragen. Aus Furcht, in politische Auseinandersetzungen gezogen zu werden, ließen sie sich nicht auf konkrete Aussagen festnageln, blieben im wissenschaftlichen Jargon und weigerten sich, ein gemeinsames Statement mit Aufforderung zum Handeln zu unterschreiben.

Dies führte zu dem fatalen Anschein, dass die Lage nicht dramatisch wäre und Zeit bestünde. Exxon strich seine Abteilung und erklärte, nun doch bei fossilen Energien bleiben zu wollen, die von der Reagan-Regierung politisch massiv unterstützt wurden. Das Geld lag auf der Straße. Stattdessen etablierte sich ein Narrativ, das wir bis heute kennen: der Klimawandel ist ein Problem der Zukunft, und bis dahin werden irgendwelche tollen Technologien erfunden, die es für uns lösen werden.

In den folgenden 1980er Jahren gab es praktisch keine Fortschritte. Reagan blockierte jeden Versuch, irgendwelche Regulierungen zu schaffen. Man muss dankbar sein, dass es ihm nicht gelang, die wenigen bestehenden Regelungen nicht vollständig zu zerstören. Das Ausmaß aber, in dem diese Regierung die Sache letztlich weltweit zurückwarf, ist kaum zu überschätzen. Unter Reagan wurde das Leugnen des Klimawandels zur Kernidentität der Konservativen. Der bipartisan moment war vorbei und würde nicht wieder kommen.

Neue Hoffnung kam 1987/88. Hier begann die Geschichte des „Ozonlochs“. Diese ist insofern bemerkenswert, als dass es weder eine Ozonschicht noch ein Loch in derselben gibt. Trotzdem machte das Narrativ vom Ozonloch eine beeindruckende Karriere, weil es, im Gegensatz zu den abstrakten Szenarien des Klimawandels, greifbar war. Journalist*innen und Politiker*innen fachten nachgerade eine Ozonloch-Panik an, mit Angst vor Erblindung und allen möglichen Krebsarten. Wissenschaftlich war das alles großer Quatsch, aber innerhalb kürzester Zeit war das massiv schädliche Treibhausgas FCKW, das seit den 1930er Jahren in die Atmosphäre geblasen wurde und für die Hälfte (!) der Erderwärmung verantwortlich war, verboten. Für Pomerance und Hansen war das ein Hoffnungsschimmer. Es brauchte ein ähnlich greifbares Narrativ, das den Mittelweg zwischen Größe der Herausforderung einerseits und Eindruck von Handlungsfähigkeit andererseits ebenso wie die Ozonlochgeschichte schaffte (ich habe das als Sandwichproblem der Politik beschrieben).

Daraus entstand 1989 der Versuch, mit Emissionszielen etwas Ähnliches wie die Bekämpfung des Ozonlochs zu erreichen. Anders als die vielen Szenarien waren Emissionsziele konkret. Pomerance hatte gelernt, die Wissenschaft komplett zu ignorieren und die Zahl von 20% Reduktion bis 2000 in den Raum geworfen – wissenschaftlich null belegt, aber greifbar, leicht verständlich und in einem absehbaren Zeitraum. Die Lösung, davon war Pomerance überzeugt, konnte nicht aus der Wissenschaft kommen. Der Klimawandel war ein politisches Problem, und die Lösung musste politisch gefunden werden.

An dieser Stelle ist es vielleicht interessant, die Rolle von Al Gore zu beleuchten. Der Senator aus Tennessee taucht in Richs Narrativ immer wieder auf. Er gehört zu den ersten Politikern, die Anfang der 1980er Jahre das Klimawandelthema ernstnehmen und Gesetzesvorschläge einbringen, und er schuf quasi im Alleingang einen neuen Ausschuss, der sich mit Zukunftsfragen auf wissenschaftlicher Basis auseinandersetzte. 1988 kandidierte er bei den primaries, um das Klimawandelthema zu promoten. Nur, zum Helden taugt er nicht. Rich kann seine Enttäuschung kaum verbergen, wenn er beschreibt, wie Gore das Klimawandelthema sowohl 1983 als auch 1988 fallenlässt, als es an Wirksamkeit verlor. Den Wahlkampf 1988 bestritt er – erfolglos – mit rechten Kulturkampfthemen wie dem Adoptionsverbot für Homosexuelle oder der Wiedereinführung des Gebets in öffentlichen Schulen. Auch die Politik ist, soviel wird deutlich, sicherlich kein Erfolgsgarant für die größte Aufgabe der Menschheit.

Trotzdem war das Jahr 1989 der Höhepunkt der Hoffnungen auf ein Angehen der beginnenden Klimakrise. Die niederländische Regierung war Gastgeber des ersten diplomatischen Gipfeltreffens zur Bewältigung der Krise und hatte einen Plan vorgelegt, der deutliche Emissionsbeschränkungen vorsah. Zwar blieben diese hinter Pomerances Wert von 20% bis 2000 zurück, aber es wäre ein Vertragswerk, auf dem aufgebaut werden konnte. Zahlreiche Nationen hatten ihre Bereitschaft erklärt, das Papier zu unterzeichnen.

Es war an dieser Stelle, dass die Politik erneut ihr Haupt erhob. Dieses Mal bewies sie, wie viel Einfluss eine einzelne Person besitzen konnte – um Guten wie im Schlechten. George H. W. Bush hatte rhetorisch seine Bereitschaft zur Unterzeichnung erklärt und ließ sich bereits als „Klimapräsident“ feiern. Aber wo Al Gore unermessliche Verdienste bei der ersten Welle der Öffentlichkeitsarbeit zu Beginn der 1980er Jahre erworben hatte, so zeigte nun Bushs Stabschef John Sununu das Gegenteil.

Er glaubte nicht an den Konsens der Wissenschaft und erklärte rundheraus, dass es sich um „technischen Firlefanz“ handle; in Wahrheit sei die Kapazität der Ozeane, überschüssige Wärme aufzunehmen, viel höher, als die Klimawissenschaftler*innen behaupteten. Der Wirtschaft seien daher schwerwiegende Einbußen zu ersparen. Praktisch im Alleingang blockierte Sununu die Arbeit der US-Wissenschaftler*innen (die als Bundesangstellte der direkten Weisungshoheit des Weißen Hauses unterlagen) und schwor die US-Diplomaten auf eine Blockadelinie ein. Die finale Verhandlungs-Sitzung in Den Hag, die eigentlich vor allem formellen Charakter hatte – das Papier war ja monatelang diskutiert worden und harrte nur der Unterschriften – dauerte über 15 Stunden und endete mit einem Formelkompromiss ohne jede Durchsetzungskraft, einer Absichtserklärung ohne konkrete Absichten. Die USA hatten, im Verein mit Japan, Großbritannien und der Sowjetunion, denen ein eigener Anteil an dieser Schande gebührt, ein weltweites Abkommen blockiert. Es war das erste und sollte nicht das letzte sein. In einer Ironie der Geschichte würde der nächste derartige Versuch von Al Gore betrieben und vom Sohn George H. W. Buhs blockiert werden – das Kyoto-Abkommen.

Nach einer vergeudeten Dekade standen der Menschheit drei weitere vergeudetete Dekaden bevor. Wir sind gerade drauf und dran, dem noch eine fünfte hinzuzufügen. Unsere Kinder werden uns einst verfluchen. In der Zwischenzeit können wir uns immerhin sicher sein, dass die Akteure in den Geschichtsbüchern verewigt werden. Das ist wenigstens ein schmaler Trost.

Francis Seeck Zugang verwehrt

Die Rassismus- und Sexismus-Diskussionen sind in aller Munde. Ob #BlackLivesMatter oder #MeToo, die Debatten sind hochgradig sichtbar und werden prominent verhandelt. Francis Seeck macht in „Zugang verwehrt“ den Diskutierenden aber den Vorwurf, eine wichtige Diskriminierungsform zu übersehen: den Klassismus, also die Diskriminierung nach sozialer Herkunft. In gewisser Weise stellt dieser Vorwurf wohl ein Zeichen unserer Zeit dar. Noch vor vier Jahrzehnten war praktisch keine andere Diskriminierungsform vorstellbar, und die „Klassenfrage“ (oder, wer es noch angestauber will, die „Soziale Frage“) war das beherrschende Thema der Politik. Die Individualisierung durch den Siegeszug der Globalisierung und Liberalisierung seit den 1990er Jahren aber hat das Thema ins Abseits gedrängt, woher es Seeck nun wieder hervorholen will – nicht, ohne ihm einen zeitgemäßen Anstrich zu verpassen. 

Für Seeck handelt es sich beim Klassismus um eine ignorierte Diskriminierungsform, und zumindest, was die Begrifflichkeit angeht, hat er sicher Recht. Verbreitet ist er im Gegensatz zu Sexismus und Rassismus nicht, und er hat durchaus einen Punkt, ihn etablieren zu wollen, erlaubt er doch recht präzise eine Diskussion des Gegenstands. Für Seeck ist Klassismus jede Diskriminierungsform, die Opfer aufgrund ihrer sozialen Herkunft diskriminiert. Er verbringt den Großteil des folgenden Buches damit, diese Formen genauer vorzustellen. Klassenzugehörigkeit ist für Seeck dabei eine Sache der Geburt; man wird in sie hineingeboren, und es ist extrem schwer, sie wieder zu verlassen.

Dies wird bereits in der Wohnsituation deutlich. Unter den Schlagworten „Plattenbau oder Eigentumswohnung?“ arbeitet Seeck nicht nur heraus, wie sehr klassistische Vorurteile mit der Wohnsituation verknüpft werden, sondern wie sehr diese über das Leben bestimmt. Je nachdem, wo Menschen wohnen, werden sie bereits diskriminiert, weil andere Menschen Vorurteile damit verknüpfen und ihnen somit aktiv Chancen verwehren.

Das sieht man bereits an der folgenden „Schwelle: Klasse und Bildung“, wo Seeck herausarbeitet, wie sehr das Bildungssystem nach sozialer Herkunft diskriminiert. Dies ist spätestens seit der PISA-Studie Allgemeingut und einer der bekanntesten Fälle von sozialer Diskriminierung, aber es das Ganze zieht sich auch mit in den Universitätsbetrieb, wo eine noch größere Aussortierung stattfindet als in den Schulen (die ihrerseits bereits stark selektieren).

Dies liegt auch an den fehlenden Teilhabemöglichkeiten. „Ausgeladen werden: Klassismus im Kulturbetrieb“ befasst sich mit diesen Strukturen. Die schlechte Bezahlung des Kulturbetriebs erlaubt es oft nur Mitgliedern der oberen Klassen, hier überhaupt tätig zu werden, und thematisch richtet er sich stark an den Interessen der oberen Mittelschicht und Oberschicht aus, deren Steuergelder und politische Wirkmacht ihn überhaupt am Leben halten. Hartz-IV-Beziehende gehen schließlich selten in die Oper.

Überhaupt, Hartz-IV. Seeck spricht auch ausführlich über das Phänomen „Erwerbslosenfeindlichkeit“, die zwar in meinen Augen ihren Zenit überschritten hat – wir sind glücklicherweise von den Auswüchsen der 2000er Jahre weit entfernt – die sich aber hartnäckig hält und die Erwerbslosen mit zahlreichen Klischees bedeckt, die ihnen das Leben schwer machen.

Ein ähnliches Schicksal trifft Obdachlose, deren klassistische Diskriminierung Seeck unter „Wohnungslosenfeindlichkeit“ beschreibt. Pauschal wird Wohnungslosen oft unterstellt, an ihrer Situation selbst Schuld und asozial zu sein, psychisch krank und alkoholabhängig. Seeck weist aber zurecht darauf hin, dass Obdachlose häufig unverschuldet in ihre Situation geraten sind und ihnen nun ein Rückweg verwehrt wird.

Wesentlich umfassender ist Klassismus im Falle des Gesundheitswesens. „Gesundheit: eine Frage der Klasse!“. Die Rede vom „Zwei-Klassen-System“ ist ja ein geflügeltes Wort und periodischer Evergreen in Talkshows, auf Magazintiteln und in Sonntagsreden. Dass arme Menschen hier noch zusätzlich innerhalb des Systems diskriminiert werden, liegt auf der Hand. Nicht nur ist das GKV-System schlechter als das der parasitär finanzierten PKVen, die ärmeren Gegenden (die Wohnsituation, wir erinnern uns) macht diese für niedergelassene Ärzte und Ärztinnen auch noch unattraktiver.

Mit einem historischen Blick auf „Klassismus in der DDR“ zerstört Seeck lobenswerterweise auch gleich die mögliche Mythenbildung, die DDR sei diesbezüglich das gelobte Land gewesen, und zeigt, dass das SED-Regime einen eigenen Klassismus pflegte und bestimmte Schichten bewusst und planmäßig diskriminierte. Erwerbslosigkeit gab es auch in der DDR; hier wurde ihr ein noch stärkeres Stigma angeheftet als im Westen, sie wurde kriminalisiert und als Repressionsmaßnahme missbraucht. Wie so oft zeigt sich, dass „drüben“ eigentlich nichts besser war, außer vielleicht das Ampel- und das Sandmännchen.

Am Schluss wird Seeck etwas Grundsätzlicher: „Klassismus kommt selten allein: Mehrfachdiskriminierung und Klasse“ ist dieses Kapitel etwas sperrig umschrieben, das sich um die Begriffsnennung (und Definition) von „Intersektionalität“ herumdrückt, als wäre es ein Stück heißes Eisen. Vermutlich versucht Seeck bewusst, hier eine Abgrenzung zu den Progressiven vorzunehmen (wir kommen da gleich nochmal im Fazit drauf). Inhaltlich ist es aber genau das: anhand der Beispiele von Ostdeutschland, Heteronormativität und Rassismus arbeitet er heraus, dass klassistische Vorurteile allzu häufig mit diesen Diskriminierungsformen Hand in Hand gehen, eine Erkenntnis, die im Jahr 2022 glaube ich auch keine besonders kontroverse mehr ist.

Sein letztes Kapitel, „Eng verknüpft: Kapitalismus und Klassismus“, war für mich das am wenigsten überzeugende. Hier argumentiert Seeck, dass Klassismus und Kapitalismus eine Art dualistische Beziehung führen, eine These, die besonders durch den vorhergehenenden DDR-Vergleich einigermaßen unüberzeugend daher und über einige Plattitüden aus dem linken Rhetorikbaukasten auch nicht hinauskommt. Derart grundätzliche Überlegungen sind für einen so schmalen Übersichtsband auch kaum zu leisten.

Seeck endet sein Buch mit einem „Aufruf zu Aufklärung“, dem ich mich zunächst einmal vorbehaltlos anschließen kann: ja, Klassismus ist eine weit verbreitete und weitgehend unbeachtete Diskriminierungsform, die viel Schaden anrichtet und die viel mehr angegangen werden sollte. Und dazu kann sein Buch einen wertvollen Beitrag leisten, weil es einen schnell und gut lesbaren sowie fundierten Überblick bietet, ohne sich zu sehr in Details zu verlieren.

Aber.

Ich habe gleichzeitig große Probleme mit dem Band. Ein Kritikpunkt ist ja bereits in den letzten inhaltlichen Kapiteln aufgesprungen: die starke ideologische Schlagseite. Seeck ist kein Armutsforscher wie Christoph Butterwegge, der zwar klare politische Positionen hat, diese aber durchaus von seiner Arbeit zu trennen vermag. Er vermengt seine Darstellungen permanent mit seinen eigenen politischen Präferenzen, die recht klar auf einem linken Profil beruhen, das sich am ehesten in der LINKEn politisch abbildet. Am deutlichsten wird das in dem fast schon unmotiviert eingefügten Kapitalismus-Kapitel, aber in vielen anderen schlagen die entsprechenden Vorstellungen deutlich durch.

Das verhindert einerseits eine Breitenwirkung der Themensetzung, andererseits ist es ein deutliches „preaching to the choir“ beziehungsweise Tragen von Eulen nach Athen. Abgesehen vom Kapitel über die DDR – das natürlich aus geschichtswissenschaftlicher Sicht auch viel zu kurz und oberflächlich ist – war für mich hier nichts Neues zu finden, und ich finde den Ruf nach „Aufklärung“ am Ende eher zahnlos.

Letztlich wird das Problem „Klassismus“ zwar sehr gut erkannt, aber nach meinem Dafürhalten besteht die Sicht des Autors – so zumindest mein Eindruck – darin, dass die richtige Politik als „one size fits all“-Lösung auch dieses Problem beseitigen werden. Die gleiche unangenehme Sicht definiert auch einen großen Teil des Rassismus-Problems der LINKEn, die immer überzeugt ist, dass wenn nur eine „sozial gerechtere“ Politik gefahren werde sich alle anderen Probleme selbst erledigten, weil eben alles immer irgendwie mit Kapitalismus und damit Ungleichheit zusammenhängt. Da bringt man dann ein paar halbgare Sätze zur Überwindung oder Weiterentwicklung des Kapitalismus, einmal Zauberstab geschwungen und zack, alles gut. Das erinnert mich an die Marktgläubigkeit einiger Exponenten der anderen Seite, und das finde ich genausowenig überzeugend. Nein; es ist gut, dass das Problem benannt wird. Aber so wird es sich kaum verbessern.

Brendan Simms/Charlie Laderman – Hitler’s American Gamble: Pearl Harbor and Germany’s March to Global War (Hörbuch)

Wenn man sich mit der Geschichte des Dritten Reichs beschäftigt, bleibt eine Entscheidung Hitlers die unerklärbarste. Es ist nicht der Holocaust; der erklärt sich problemlos aus seiner Ideologie einerseits und der institutionellen Logik der Behörden und der Dynamik der Krieges. Nicht einmal der Überfall auf die Sowjetunion 1941, der eine solche Eskalation und seismische Veränderung der Geopolitik hervorbringen würde, qualifiziert sich. Nein, erklärungsbedürftig ist die deutsche Kriegserklärung an die USA fünf Tage nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor im Dezember 1941, als der deutsche Angriff vor Moskau im Schnee stecken blieb. Was hat Hitler geritten, dem mächtigsten Staat der Welt den Krieg zu erklären? War er einfach nur verrückt? Befriedigende Erklärungen sind schwer zu finden, aber es ist besser anzunehmen, dass eine Rationalität dahintersteckte. Brendan Simms und Charlie Laderman versuchen im vorliegenden Buch, mittels einer minutiösen Rekonstruktion der fünf Tage zwischen Pearl Harbor und der Kriegserklärung eben diese offenzulegen.

Natürlich gab es eine solche Rationalität. Hitler war kein sabbernder Irrer. Man sollte nicht den Fehler machen, einerseits die nachgeordneten Institutionen wie die Diplomatie oder das Militär aus der Verantwortung auszunehmen, die durchaus auch daran beteiligt waren und ihre eigenen Möglichkeiten und Analysen besaßen, und andererseits auch nicht die Gesamtheit der Deutschen, indem man Hitler als unerklärlichen Dämon mit absoluter Macht hinstellt. Die Diktatur war nur möglich, weil signifikante Teile der Bevölkerung bis zum Schluss bereit waren, mitzumachen. Und das setzte eine gewisse Rationalität zwingend voraus, egal wie fehlgesteuert sie war.

Um diese Rationalität nachzuvollziehen, ist ein Blick zurück notwendig. Die USA spielten in Hitlers außenpolitischem Denken von Anfang an eine zentrale Rolle, waren geradezu eine Obsession. Hitler unterschätzte das wirtschaftliche und militärische Potenzial der Nation nicht, er besaß eher im Gegenteil ein wesentlich schärferes Verständnis davon als viele seiner Zeitgenossen. Adam Tooze analysiert das in „Ökonomie der Zerstörung“ (hier besprochen) notwendigerweise wesentlich ausführlicher, deswegen nur die Kurzversion: Für Hitler beruhte die ökonomische Macht der USA auf ihrem „Lebensraum“ und der imperialen Kontrolle ihres Hinterlands, der eigenen Hemisphäre der Amerikas. Sie waren autark und nutzten aus seiner Sicht den liberalen Welthandel hauptsächlich als Herrschaftsmittel. Deutschland besaß weder den Lebensraum noch das imperiale Hinterland und stand damit vor den Optionen, sich in diese liberale Weltordnung einzufügen oder sich beides gewaltsam zu verschaffen. Wer Hitler kennt weiß, welche Option er wählte. Aber die dahinterstehende Logik war nicht grundsätzlich falsch (wohl aber die Schlussfolgerung; wie die Geschichte seit 1949 zeigt, leben wir mit der Einordnung in die liberale Weltordnung außerordentlich gut), wie ja auch Stephen Wertheim in seinem Buch zur amerikanischen Debatte dieser Zeit gezeigt hat (hier rezensiert).

In Hitlers Verständnis waren die USA der Hauptgegner Deutschlands, weil hier die jüdische Weltverschwörung (die ja auch Sowjetrussland kontrollierte, wir erinnern uns) ihren Sitz hatte und an ihrem Ziel der Unterdrückung der arischen Rasse arbeitete. Spätestens mit Roosevelts Quarantäne-Rede von 1937 betrachtete sich Hitler in einem Kalten Krieg mit den USA (eine Sicht, die Roosevelt wohl teilte, wenngleich nicht mit derselben Intensität). Es war jedoch der Kriegsausbruch, der den Konflikt mit den USA unausweichlich machte. Diese entschieden sich schließlich zur Unterstützung Großbritanniens, das auch nach Dünkirchen nicht aus dem Krieg ausscheiden wollte. Im Verlauf der Jahre 1940 und 1941 wurde diese Unterstützung in Hitlers strategischem Denken immer wichtiger.

Von besonderer Bedeutung war dabei das Lend-Lease-Abkommen, das in vielen Darstellungen des Krieges eine viel zu untergeordnete Rolle spielt. Das Gesetzeswerk erlaubte Großbritannien de facto einen fast uneingeschränkten Zugang zu amerikanischen Rüstungsgütern und dem Potenzial der amerikanischen Wirtschaft, die in Reaktion darauf bereits weit vor Kriegsbeginn auf Rüstungsgüter umzustellen begann (was dem Land im Dezember 1941 sehr zupass kommen würde). Nachdem die Sowjetunion nicht innerhalb von sechs Wochen zusammenbrach, sondern im Gegenteil verbissen Widerstand leistete, weiteten die USA die Lend-Lease-Hilfen auch auf die UdSSR aus. Gleichzeitig war das imperiale Hinterland der „Angelsachsen“ (wie Hitler die beiden Länder rhetorisch stets zusammengruppierte) sicher. Deutschland konnte den Krieg nur gewinnen, wenn die Lend-Lease-Hilfen abgeschnitten werden konnten. Die Kriegsmarine war dazu erkennbar nicht in der Lage, weswegen es eine Alternative brauchte.

Diese Alternative war Japan, das vor einer sehr ähnlichen Problemstellung stand. Seit den frühen 1930er Jahren, spätestens aber seit 1937 war das Land in einem Abnutzungskrieg in China gebunden, der es in beständigen Konflikt zu den USA trieb, die die Freiheit des Handels (liberale Weltordnung, wir erinnern uns) in der Region aufrechterhalten wollten. Japan fehlten entscheidende Ressourcen, allen voran Öl und Schrott, die es vor allem aus den USA bezog, um eigenständig Krieg führen zu können. Es stand vor demselben Dilemma wie Deutschland und entschied sich ebenfalls für ein verzweifeltes Aufbäumen gegen die überlegene liberale Weltordnung, statt sich in der zweiten Reihe einzuordnen und zu prosperieren.

Beiden Ländern waren die schlechten Chancen ihrer Lage durchaus bewusst. Sowohl die Japaner als auch Hitler (und Mussolini, der in völliger Ignoranz gegenüber den Realitäten bereitwillig mitmachte) sprachen von der Achse beständig als von den „armen“ Nationen, die die „reichen“ entthronen und die Welt neu ordnen wollten (weswegen die schlechten propagandistischen Versuche von Anti-Imperialismus ja auch viel verschwendetes Potenzial darstellten; hätten die beiden Reiche nicht selbst ein Imperium erringen wollen, das zudem noch wesentlich schlimmer war als das der „Angelsachsen“, wie bereitwillig wären viele Staaten ihnen gefolgt!).

In Japan stritten zu dieser Zeit mächtige Fraktionen um die Richtung des Landes. Sollte ein Ausgleich mit den USA gesucht werden oder Krieg geführt? Diese Ambivalenz war kein reines Täuschungsmanöver, sondern reflektierte die internen Spaltungen (die in Deutschland überhaupt nicht existierten). Hitler versuchte, diplomatisch darauf einzuwirken, dass Japan sich gegen die USA stellte. Zwar war sein Einfluss praktisch nicht-existent – die Achse war ein reines Verteidigungsbündnis – aber der Einfluss der Situation im Pazifik auf die strategischen Überlegungen in Berlin wird von Simms und Laderman schön herausgearbeitet.

Die Idee war im Endeffekt folgende: wenn die USA gegen Japan kämpfen mussten, würden sie ihre Ressourcen im Pazifik einsetzen und nicht mehr Lend-Lease zur Verfügung stellen. Dies würde den Sieg über die Sowjetunion ermöglichen und Großbritannien die Fähigkeit zur Fortsetzung der Operationen sehen, so dass Deutschland seinen kontinentalen Block absichern konnte, bevor die USA sich ihm zuwandten. Es gäbe dann für beide Seiten keine Möglichkeit, sich effektiv zu schaden – eine Art Kalter Krieg würde existieren, in dem sich Blöcke gegenüberstünden. Genau diese Logik war auch den Amerikanern und Briten offenkundig, wie Wertheim ja gut herausgearbeitet hat. Wir sehen also eine grundsätzliche Rationalität in Hitlers Denken. Selbst in der deutschen Bevölkerung war diese strategische Überlegung tief verankert; die Nazi-Propaganda betonte stets die Rolle von Lend-Lease und die Bedeutung seines Wegbrechens für Großbritannien.

Die Überlegung war daher grob gesagt folgende: Ein Eintritt Japans in den Krieg würde die Ressourcen der USA für die eigene Kriegswirtschaft und den pazifischen Kriegsschauplatz binden und Deutschland zwei oder drei Jahre einen Vorsprung in Europa verschaffen, der zur Immunisierung gegen das wirtschaftliche Übergewicht der Vereinigten Staaten ausreichen würde. Die Japaner aber würden diesen Schritt nur wagen, wenn sie sich darauf verlassen könnten, nicht alleine zu stehen, Deutschland also auch den USA den Krieg erklären würde (dass sie dies nicht tun würden, war eine nicht unberechtigte Furcht der Japaner). Hitler verstand die offizielle Kriegserklärung an die USA deswegen als wenig bedeutsamen Formalismus: in seinen Augen befand sich Deutschland dank Lend-Lease und der Shoot-on-sight-order ohnehin in einem De-Facto-Kriegszustand mit den USA.

Was ihm nicht klar war war, dass Roosevelt Deutschland als die viel größere Bedrohung betrachtete und die amerikanische Strategie für den Kriegsfall vorsah, im Pazifik defensiv zu sein. Die USA erwarteten eine deutsche Kriegserklärung ebenso wie die Deutschen eine der USA; das diplomatische Spiel darum herum war vor allem eines des Timings. Alle Seiten befürchteten, bei diesem Timing hintenanzustehen. Aktuell benutzten die USA die Briten als Kämpfer, den sie nur ausrüsteten. Aus US-Sicht war das, wie auch Wertheim darstellte, der Idealzustand. Aus Sicht der Achsenmächte musste er geändert werden. Roosevelts Furcht war, dass der japanische Angriff auf Pearl Harbor ihn zwingen würde, die Unterstützung Großbritanniens einzustellen und sich auf den Pazifik zu konzentrieren; die britische Furcht war dieselbe. Die Japaner fürchteten dieses Szenario ebenfalls, hofften aber, dass ihr Präventivschlag es im Endeffekt irrelevant machen und ihnen erlauben würde, zwei bis drei Jahre ungestört ihr imperiales Hinterland zu konsolidieren und die USA so in einen Kalten Krieg zu zwingen (man erkennt klar die Parallelen). Und Hitler fürchtete, die Japaner könnten kalte Füße bekommen, wenn er ihnen nicht in den Krieg folgte.

Diese Ausgangssituation etabliert arbeiten Simms und Laderman und minutiös heraus, wie das Timing dieser entscheidenden Tage ablief. Dieser kleinteilige Ansatz hat seine Stärken, weil er die Bedingtheiten der Ereignisse gut herausarbeiten kann, etwa wenn die die verschiedenen Zeitzonen den Gang der Ereignisse diktieren oder Verzögerungen bei den Diplomaten oder Redenschreibern für Stunden oder gar Tage alle Akteure in Unsicherheit lassen. So waren die Nerven bei den Japanern bis zum Zerreißen gespannt, weil Hitler mehrmals den Termin der formalen Kriegserklärung verschob (während die Teilstreitkräfte der Wehrmacht bereits ihre Befehle hatten, vor allem die Kriegsmarine), um an seiner Rede zu feilen, eine Arbeit, die wegen der Ereignisse an anderen Fronten mehrmals unterbrochen wurde.

Diese Ereignisse waren düster. Genau in jener entscheidenden Woche begann der sowjetische Gegenangriff vor Moskau, der am 7. Dezember noch als ein lokales, einzigartiges Ereignis schien, das dem OKW kaum besondere Aufmerksamkeit wert war, wo man sich stattdessen auf die Ereignisse im Pazifik konzentrierte. Doch über die folgenden Tage wurde die Lage immer dramatischer. Als das Deutsche Reich am 12. Dezember den USA den Krieg erklärte, hatte Hitler im Osten eine lebensbedrohliche Krise an der Hand (wie lebensbedrohlich habe ich in einem anderen Artikel beschrieben). Fehlende Winterausrüstung und bis zum Zerreißen gespannte Nachschublinien machten die Front bei minus 40 Grad zur absoluten Hölle, aber ein Rückzug war unmöglich.

Gleichzeitig brach auch die Front in Nordafrika weitgehend zusammen. Hier wird wieder der Zusammenhang mit Lend-Lease deutlich, denn die britische Armee in Nordafrika trat den Deutschen mit Material aus den USA entgegen, vor allem Panzern; sie bot mehr gepanzerte Fahrzeuge gegen das Afrikakorps auf als der deutschen Wehrmacht zu diesem Zeitpunkt an der sowjetischen Front gegenüberstanden! Das massive wirtschaftliche Übergewicht der „Angelsachsen“ wurde hier erdrückend sichtbar und die Niederlage am gesamten Kriegsschauplatz vorstellbar (während kurz zuvor der britische Albtraum ein Vorstoß in den Mittleren Osten war, nachdem die Sowjetunion gefallen war).

Auf der anderen Seite ist diese Art der minutiösen Rekonstruktion aber streckenweise auch sehr langatmig. Simms und Laderman konstruieren ihr Buch im typischen angelsächsischen Stil (dieses Mal ohne Anführungszeichen) mit vielen narrativen Elementen. So versetzen sie uns in einen der ersten Lend-Lease-Konvois nach Murmansk, wo sich Ladung in einem Schiff losreißt und es zu kentern droht; wir frieren mit deutschen Soldaten an der Ostfront, ziehen uns von Tobruk zurück und erleben den Angriff auf Pearl Harbor und das Sinken einzelner Schlachtschiffe. In manchen Augenblicken ist dieser narrative Aufbau hilfreich, weil er deutlicher macht, wie alles zusammenhängt; in anderen vernebelt er solche Zusammenhänge eher. Ich fürchte, mir steht meine Sozialisierung als deutscher Historiker da ein wenig im Weg. Die deutsche Geschichtswissenschaft verachtet das Narrativ ja überwiegend.

Sehr stark wird diese Struktur allerdings, wo Simms und Laderman die Verbindung zwischen der Kriegserklärung an die USA und dem Holocaust herausarbeiten. Hitler hatte die europäischen Juden bis Dezember 1941 vom Massenmord ausgenommen (anders als die osteuropäischen Juden, die seit 1939 und besonders Juni 1941 in Massen ermordet wurden und zu diesem Zeitpunkt im deutschen Herrschaftsbereich bereits in erklecklicher Zahl getötet worden waren). Er betrachtete sie als Geiseln für das Wohlverhalten der USA. In seiner verqueren Logik steuerte die jüdische Weltverschwörung ja Roosevelt; dieser würde es nicht wagen, offen gegen Deutschland vorzugehen, solange Hitler die Juden in seiner Gewalt hatte. Simms und Laderman betrachten die berühmte Rede Hitlers, in der er für den Weltkrieg furchtbare Vergeltung an den Juden prophezeit, in genau diesem Zusammenhang und zitieren hier auch sein politisches Testament, in dem er kein Wort über die Sowjetunion, deren Truppen zu diesem Zeitpunkt keine 100 Meter vor der Reichskanzlei standen, verliert, aber sehr viele über Amerika und die jüdische Weltverschwörung. Für Simms und Laderman ist klar, dass die Kriegserklärung und die kurz darauf folgende Wannseekonferenz (ursprünglich auch für Dezember geplant, aber wegen der Krise an der Ostfront auf Januar verschoben) in direktem Zusammenhang stehen. Diese Erklärung ist ein weiteres Verständnispuzzlestück nicht nur für die Kriegserklärung an die USA, sondern auch für den Holocaust.

Solche Verschwörungstheorien prägten aber nicht nur das Denken Hitlers. Simms und Laderman arbeiten auch sehr gut heraus, wie sehr Churchill und Roosevelt von verschwörungstheoretischem Denken geprägt waren. Beide gingen aus rassistischer Grundhaltung davon aus, dass die Japaner effektiv nicht souverän, sondern als Agenten Deutschlands handelten. Sie waren sich sicher, dass die Fäden von Berlin aus gezogen wurden. Diese Sicht war in beiden Gesellschaften weit verbreitet. So meldeten zahlreiche amerikanische und britische Soldaten Sichtungen von Messerschmidts von Pearl Harbor bis Singapur. Die militärischen Desaster jener ersten Tage gegen die Japaner waren auch auf den rassistischen Überlegenheitsdünkel der Weißen zurückzuführen, die rundheraus behaupteten, die Japaner seien zu komplexen Operationen gar nicht in der Lage und sich deswegen nicht gegen sei verteidigten. Diese rassistische Blindheit kostete hunderttausende Soldaten und Millionen Zivilisten das Leben.

Eine erklärerische Schwäche des Buches war für mich die Bedeutung der Marine. Diese wird zwar implizit deutlich – sowohl Hitler als auch besonders die Japaner erachten die Kapazitäten von US Navy und Royal Navy offensichtlich für sehr wichtig – aber der Grund, warum die Schiffe wo sind und wozu sie strategisch dienen, wird von Simms und Laderman nie deutlich gemacht. So ist zwar klar, dass die „Repulse“ und „Prince of Whales“ für die Briten enorme Bedeutung haben und dass sie ihre Versenkung als Katastrophe empfinden; worin aber die Bedeutung dieser Schiffe besteht und warum die Japaner glaubten, mit der Versenkung der Pazifikflotte die USA überhaupt so schwer treffen zu können, bleibt unklar.

Ich will die Erklärung an dieser Stelle daher selbst liefern. 1941 saßen die Marinen noch dem Irrtum auf, dass die entscheidende Waffe das Schlachtschiff sei. Schlachtschiffe waren extrem teuer und langwierig zu bauen. Die Marine ist generell die langsamste Teilstreitkraft; die Kriegsmarine bezifferte ihre Kriegsfähigkeit nach dem megalomanen „Plan Z“ nicht ohne Grund auf das Jahr 1945. Schaltete man diese Schiffe aus, so dauerte es Jahre, bis ein Land die Verlust ersetzt hat (während ein abgeschossener Panzer in spätestens zwei drei Wochen ersetzt sein kann). Auch brauchen die Schiffe ein elaboriertes Versorgungsnetz und beschützen ihrerseits die Handelsrouten. Der japanische Angriff war für Großbritannien lebensbedrohlich, weil die bisher ungestörten Versorgungslinien aus Asien dadurch in japanische Reichweite gerieten (der Kriegsverlauf brachte den Indischen Ozean zwar recht schnell unter angloamerikanische Kontrolle, aber das war im Dezember 1941 nicht absehbar). Solcherlei Fakten aber werden von Simms und Laderman schlicht vorausgesetzt, jedenfalls befassen sie sich nicht damit. Sie wären anstatt dem Narrativ über frierende britische Seeleute vor Island aber vielleicht wichtiger gewesen.

Trotz allem bleibt die Lektüre des Buchs äußerst gewinnbringend, gerade in Zusammenhang mit Wertheims Betrachtung der amerikanischen Sichtweise und den Analysen der deutschen Kriegswirtschaft durch Tooze.

Thomas Brechenmacher – Im Sog der Säkularisierung

Als 1949 zwei deutsche Staaten auf den Trümmern der Kriegsniederlage gegründet wurden, standen auch die beiden christlichen Kirchen vor einem Scherbenhaufen. Die neue Staatsgrenze lief mitten durch Bistumsgrenzen und 12 Jahre nationalsozialistischer Diktatur hatten die Bevölkerung entfremdet und die Kirche moralisch kompromittiert. Im östlichen Teil des Landes trat zudem eine dezidiert atheistische, totalitäre Regierung mit dem expliziten Wunsch an, die Kirchen wenn nicht zu zerstören, so doch zu marginalisieren. Auf der anderen Seite schien gerade für die katholische Kirche mit dem Amtsantritt des Christdemokraten Adenauer eine goldene Zeit kirchlichen Einflusses in die Politik zumindest im westlichen Landesteil anzubrechen. Bald aber zeigte sich, dass der Trend zur Säkularisierung, in dessen Sog die Kirchen gerieten, in beiden Landesteilen nicht aufzuhalten war. Diesen Trend zeichnet Thomas Brechenmacher im vorliegenden Buch nach.

Seine Betrachtung beginnt mit der Niederlage 1945. Für die Kirchen stand diese Zeit ganz unter der Fragestellung „Restauration oder Neuanfang“: sollte versucht werden, den Status vor der Diktatur wiederherzustellen und damit eine möglichst vom Staat unbeeinflusste Kirchenstruktur zu bekommen, die sich um die Staatsform wenig scherte, oder sich als eine demokratisch Kirche neu zu verfassen. Bekanntlich hatten sich beide Kirchen mit der Demokratie bislang schwergetan; das Beste, wozu sie sich hatten durchringen können, war eine neutrale Äquidistanz gewesen.

Auch die Schuldfrage stand auf dem Tablett. Zwar äußerten sich sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche recht schnell selbstkritisch, blieben aber weit hinter dem zurück, was wünschenswert gewesen wäre. Vor allem erklärte man, nicht hart genug gebetet zu haben – also quasi den Verlockungen des Materialismus erlegen zu sein -, die eigene Rolle in der Diktatur reflektierte man aber kaum. Dies sollte erst später folgen.

Die deutsche Teilung stellte die Kirchen auch vor eine Herausforderung, weil ihre Organisationsstrukturen aufgespalten wurden. Bei den Protestanten, die sich schon immer an Landesgrenzen ausgerichtet hatten, führte dies zu weniger inhärenten Konflikten als bei den Katholiken, deren Bistumsgrenzen nun mitten durch die Zonengrenze verliefen. Bis zum Fall der Mauer (ironischerweise aber direkt danach) reformierte die Kirche diese Grenzen nicht, sondern weigerte sich, die Spaltung für sich anzuerkennen, egal wie real sie im Alltag auch war.

Der nächte Themenbereich ist die Integration der Kirche ins jeweilige Staatswesen. Im Geltungsbereich des Grundgesetzes hatten die Kirchen die luxuriöse Situation, dass sie beziehungsweise ihr Glaube die legitimatorische Grundlage des Staates darstellten, der sich explizit als christlich konstitutierte. Brechenmacher weist  aber darauf hin, dass diese christliche Basis ist bei weitem nicht so stark war, wie dies gerade die Unionsparteien gerne betonen. Die Hoffnungen der Kirchen auf eine stärkere Klerikalisierung des Staates zerschlugen sich bald; auch der bundesdeutsche Staat war vergleichsweise säkular und würde dies im Folgenden noch viel mehr werden. Immerhin gelang es den Kirchen, sich mit der Kirchensteuer und den weitgehenden Privilegien im Schulsystem – vor allem der Verankerung des Religionsunterrichts in den Landesverfassungen und der Garantie für freie Bekenntnisschulen – einige Nischen zu sichern. Wesentlich prekärer war die Lage der Kirchen in der DDR: zwar war die grundsätzliche Religionsausübung gewährleistet, aber von ihnen wurde eine klare Unterordnung unter den sozialistischen Staat erwartet. Die späteren DDR-Verfassungen waren demgegebüber wesentlich harscher und drängten die Kirchen mehr und mehr aus dem öffentlichen Leben heraus.

Im folgenden Segment, das sich mit Schule und Jugend beschäftigt, geht Brechenmacher stärker auf die Rolle der der Bekenntnisschulen ein, mit denen vor allem die katholische Kirche ihren Einfluss auf die Jugend zu wahren hofften und die Verankerung des Religionsunterrichts, der massiv dazu beitrug, wenigstens die formellen Konfessionszahlen hochzuhalten. Beides allerdings half dabei, die Säkularisierung aufzuhalten. Die DDR dagegen schuf den Kirchen, vor allem der protestantischen, mit der Jugendweihe massive Konkurrenz. Durch die Diskriminierung der Jugendlichen, die die Jugendweihe nicht wahrnahmen, und der Unvereinbarkeit mit der Konfirmation sorgte dies für einen massiven Rückgang der konfessionell gebundenen Jugendlichen, was mit der Zeit dazu führte, dass zwei konfessionell effektiv atheistische Konfessionen heranwuchsen.

Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat beschäftigt Brechenmacher ebenfalls. In beiden Konfessionen und beiden Landesteilen galt, dass die Kirchen sich sehr für die deutsche Einheit einsetzten, vor allem die Protestanten. Der Protestantismus als Staatsreligion des (preußischen) Nationalstaats konnte nie von der Einheitsidee lassen. In der BRD war die Abendland-Idee besonders stark; man fühlte sich als Frontstaat gegen den Kommunismus und fand so problemlos Anschluss an den neuen Staat. Das wurde durch die nun erfolgende Integration in die Demokratie und die Aufgabe der vorherigen Äquidistanz erleichtert, die beide Kirchen entschieden in den demokratischen Konsens integrierte. In der DDR dagegen waren die Kirchen zu einem schwierigen Lavieren zwischen Unterwürfigkeit und Selbstbehauptung gezwungen. Um überhaupt bestehen zu können war eine weitgehende Kollaboration mit dem Regime notwendig, was einen sehr schwierigen Tanz darstellte. Sehr zum Unwillen der Christdemokraten entspannte sich das Verhältnis zum Ostblock mit dem Amtsantritt Johannes XIII. sehr. Für die Zeit nach der Wende konstituierte dies gleich noch eine Schulddebatte, der sich die Kirchen aber bis heute weitgehend entziehen.

Mindestens so schwierig wie das Verhältnis zum (geteilten) Staat war für die Kirchen das Thema gesellschaftlicher Wandel. In beiden deutschen Staaten taten sie sich schwer damit, die Modernisierung konstruktiv zu begleiten und relevant zu bleiben. Sie spürten ihren schleichenden Bedeutungsverlust, waren aber nicht in der Lage, etwa Harvey Cox und seiner These der „secular city“ zu folgen, nach der die Kirchen ihren Frieden mit dieser Säkularisierung machen mussten. Zwar gab es eine innerkirchliche Modernisierung, aber diese betraf vor allem interne Organisationsstrukturen (es spricht nicht eben für die Kirchen, dass ihre Strukturen derart verkrustet waren, dass selbst diese harmlosen Schritte massiv umkämpft waren). Der offensichtlichste Wandel kam bei der Einstellung zum Judentum: anstatt es weiterhin als Feind zu betrachten, erfolgte hier eine nachhaltige Aussöhnung.

Wesentlich stärkere Autorität konnten die Kirchen, vor allem die protestantische, auf dem Feld von Krieg und Frieden entfalten: Beide Kirchen waren stark in die Friedensbewegungen eingebunden. Besonders die evangelische Kirche engagierte sich in den 1950er Jahren stark gegen die Wiederbewaffnung und war später bei der Friedensbewegung der 1980er Jahre vorne dabei. Dies war in der DDR problematischer als im Westen, weil das SED-Regime dieses Friedensengagement gegen alle Staaten (nicht nur das imperialistische Ausland) als staatskritisch wahrnahm. Das berühmte Logo „Schwerter zu Pflugscharen“ etwa wurde nur von einem einzigen Bischof getragen, und er verstand das dezidiert als Widerstandssymbol. Die restlichen Kirchenautoritäten versuchten stets, den SED-Sensibilitäten entgegenzukommen.

Die Kirchen im Osten hätten jedoch ohne Transfers und Kontakte aus dem Westen nicht bestehen können. Die westlichen Kirchen finanzierten auf diskrete Art ihre östlichen Pendnants. Priester gingen Patenschaften mit ihren Kollegen im Osten ein und sandten ihnen Teile ihrer Bezüge oder Sachgeschenke, während die Kirchen selbst Subventionen zahlten. Dies half dabei, die Kirchenstrukturen über die gesamte Teilungszeit gesamtdeutsch zu halten und nach der Wende recht problemlos wieder zu fusionieren.

Das letzte Thema ist dann die deutsche Einheit. Entgegen der landläufigen Narrative lief diese nach Brechenmacher weitgehend ohne die Kirchen ab; die Rolle der protestantischen Kirche sieht er als überschätzt. Das macht Sinn, denn die Funktion als Konzentrationspunkt des Widerstands hatten die Kirchen ja gerade bewusst NICHT eingenommen, um im SED-Regime überlebensfähig zu sein. Sie konnten diesen daher auch in den kurzen Monaten 1989 nicht plötzlich übernehmen. Zwar begrüßten sie die Einheit und boten teilweise einen Schutzraum, aber sie waren keine treibenden Kräfte. Ein ironisches Informationsnugget war für mich, dass die Einheit für einen weiteren massiven Rückgang der Konfessionalisierten sorgte, weil in der DDR nun die Kirchensteuer durch den Staat eingetrieben wurde und nicht mehr freiwillig war, weswegen eine wahre Austrittswelle in den neuen Bundesländern erfolgte.

Zum Abschluss gibt Brechenmacher einen kurzen Ausblick auf die Zukunft. Er hat wenig Hoffnung auf einen neuen Bedeutungsgewinn der Kirchen und eine Umkehr der Säkularisierung. Zwar versucht er einige Lichtblicke für die Kirchen zu finden, aber das Rückzugsgefecht, das diese „im Sog der Säkularisierung“ seit 1945 führen macht keine Anstalten, sich in eine neue Offensive zu verwandeln.

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