Samstag, 25. November 2023

Unternehmen "Rache" [Gesamtartikel]

 

Zu einigen der mittlerweile zum Klischee geronnenen Phrasen der US-Wahlkämpfe ist die Behauptung, dass "the stakes never were this high". Zuverlässig wird beim nächsten Mal dann verkündet, dass sich der Einsatz noch weiter gesteigert habe; die vorliegende Wahl sei noch entscheidender als die letzte. Wenngleich mit unterschiedlichen Untertönen findet sich diese Behauptung auf beiden Seiten des politischen Spektrums: bei den Republicans in apokalyptischen Tönen der drohenden Übernahme durch einen gottlos-sozialistisch-woken Mob, der das Land mit Migrant*innen überflutet und Steaks verbietet, auf der Gegenseite mit nicht minder apokalyptischen Tönen von der drohenden Machtübernahme durch Faschisten, dem Errichten von Camps und der Schaffung einer rechtsgerichteten Diktatur. Das Problem im Jahr 2024 ist, dass eine der beiden Seiten eine wesentlich plausiblere Erzählung hat als die andere, wo idealerweise beide Narrative von kühlen Köpfen als aktivistische Fieberträume entlarvt weren könnten. Die Frage, die man sich angesichts der "dieses Mal geht es wirklich um die Rettung der Demokratie" stellen muss ist selbst bei moderaten Beobachtenden zunehmend: was, wenn es stimmt?

Sofern nicht noch ein Wunder geschieht, wird die republikanische Partei im kommenden Sommer zum dritten Mal in Folge Donald Trump als ihren Präsidentschaftskandidaten aufstellen. Das ist umso bemerkenswerter, als dass der Prozess innerparteilicher Demokratie, der seit den Vorwahlen 2011/12 in einem beständigen Auflösungsprozess war, nun endgültig zusammengebrochen ist. Trump nimmt weder an den Debatten ("Unserious Debates for an Unserious Primary") noch an irgendwelchen anderen Auswahlmechanismen teil und benimmt sich, als ob es einen Wahlkampf überhaupt nicht gäbe - womit er zu allem Überfluss auch noch Recht zu haben scheint. Allein das ist bemerkenswert und kaum rezipiert; die GOP ist effektiv die Trump-Partei. Doch das ist gar nicht das hauptsächliche Problem. Was auf der Gegenseite für wochenlange atemlose Diskussionen sorgen würde, spielt auf der Rechten eine so geringe Rolle, dass es kaum eine Erwähnung wert ist (erinnert sich noch jemand an die hystische Sorge, Hillary Clintons Vorwahlsieg wäre irgendwie undemokratisch, weil viele Parteifunktionär*innen für sie waren? Good times).

Dass die große Katastrophe zwischen 2017 und 2021 ausblieb, führte zu viel Häme im eher moderat-linken und moderat-rechtem Lager. Da schaut her, war der Tenor, so viel Warnungen und nun passiert unter Trump doch so gut wie nichts. Dem würde ich erstens entgegegnen (und habe ich), dass so wenig gar nicht war, aber vor allem, dass das auf einem entscheidenden Faktor beruhte: niemand, auch Trump selbst, rechnete mit einem Sieg in der Wahl 2016. Die Erwartung war, dass Hillary Clinton gewinnen würde. Als Trump siegte, war das für alle Beteiligten ein Schock. Trump hatte keine Vorbereitungen für einen solchen Sieg getroffen. Michael Lewis hat das in "The Fifth Risk" hervorragend nachgearbeitet (siehe hier). Trump hatte kein Personal vorbereitet, keine Kandidat*innen durchleuchtet, kein Programm, keinen Plan. An einigen Stellen übernahmen wirre Ideologen wie Steven Miller, Scott Pruitt oder Steven Mnuchin, an anderen Stellen konservative Hardliner wie John Bolton, an wieder anderen generische Konservative wie Mike Kelley. Die Mehrheit im Kongress wurde von einem konservativen Hardliner, Paul Ryan, geführt, der nach einer Palastrevolution gegen einen generischen Konservativen, John Boehner, das Amt übernahmen hatte. Inzwischen sitzen im Kongress Spinner*innen und schlimmere Spinner*innen. Es gibt praktisch keine konservativen Hardliner mehr, und die generischen Konservativen muss man mit der Lupe suchen (mir fiele Mitt Romney ein - noch).

Aber dieser Wandel der Partei und ihrer Repräsentant*innen ist gar nicht das größte Thema. Das viel größere Thema ist, dass die Rechtsradikalen aus ihrem Versagen in der (ersten?) Trump-Präsidentschaft gelernt haben. Seit der Niederlage 2020 planen sie ihr Comeback - und der Plan sieht düster aus. Das Leitmotiv all ihrer Vorbereitungen ist Rache - Rache an den Democrats, Rache an den innerparteilichen Gegnern, Rache an der Zivilgesellschaft. Das ist keine Hyperbel, die irgendwie auf meiner Kaffeesatzleserei der amerikanischen Politik von jenseits des Großen Teichs beruht. Wir können vielmehr Trump und seinen inneren Zirkel beim Wort nehmen, denn die halten mit ihren Absichten nicht hinter dem Berg. Wie so viele rechtsradikale (und vor längerer Zeit faschistische) Bewegungen vor ihnen sind sie völlig ehrlich bezüglich ihren Absichten.

Da wäre etwa die Abrechnung mit disloyalen Elementen aus der Administration:

In private, Trump has told advisers and friends in recent months that he wants the Justice Department to investigate onetime officials and allies who have become critical of his time in office, including his former chief of staff, John F. Kelly, and former attorney general William P. Barr, as well as his ex-attorney Ty Cobb and former Joint Chiefs of Staff chairman Gen. Mark A. Milley. [...] In public, Trump has vowed to appoint a special prosecutor to “go after” President Biden and his family. (Washington Post)

Die weaponization des Justizministeriums ist ein Desiderat Trumps und seiner Verbündeten, das diese bereits 2017 bis 2021 hegten und nie umsetzen konnten. Völlig zurecht identifizieren sie es als entscheidend für ihre Pläne. Schaffen sie es, demokratisch und rechtsstaatlich gesinnte Politiker*innen daraus fernzuhalten und die Schaltstellen mit ihren eigenen Leuten zu besetzen, können sie die juristischen Prozesse nutzen, um ihre Gegner*innen mit staatlichen Repressionsmitteln zu überziehen - wie das auch Diktatoren und Autokraten in vielen anderen Ländern tun. Bevor jetzt jemand denkt, dass das glatter Verfassungsbruch wäre: das hat noch nie einen angehenden Autokraten aufgehalten. Für diese Leute ist die Verfassung, ist der Rechtsstaat auch nur eine Waffe:

But Trump allies such as Russ Vought, his former budget director who now leads the Center for Renewing America, are actively repudiating the modern tradition of a measure of independence for the Department of Justice, arguing that such independence is not based in law or the Constitution. Vought is in regular contact with Trump and would be expected to hold a major position in a second term. “You don’t need a statutory change at all, you need a mind-set change,” Vought said in an interview. “You need an attorney general and a White House Counsel’s Office that don’t view themselves as trying to protect the department from the president.” (Washington Post)

Man kann nicht behaupten, diese Leute wären nicht lernfähig:

“The lesson the former president learned from his first term is don’t put guys like me … in those jobs,” Kelly said. “The lesson he learned was to find sycophants.” [...] In conversations about a potential second term, Trump has made picking an attorney general his number one priority, according a Trump adviser. (Washington Post)

Ein Generalstaatsanwalt, der keinerlei Inhibitionen kennt, das Recht im Sinne Trumps als Waffe gegen seine Gegner einzusetzen, ist völlig zu Recht Trumps höchste Priorität. Sein Putschversuch 2021 scheiterte vor allem daran, dass ihm diese Leute fehlten. Wenn seinerzeit nicht die entsprechenden Posten mit grundsätzlich demokratisch gesinnten Menschen besetzt gewesen wären, die sich Trump in den Weg stellten - nicht auszudenken, was geschehen wäre. Das darf sich aus seiner Sicht nicht wiederholen:

Trump has told advisers that he is looking for lawyers who are loyal to him to serve in a second term — complaining about his White House Counsel’s Office unwillingness to go along with some of his ideas in his first term or help him in his bid to overturn his 2020 election defeat. [...] Alumni involved in the current planning generally fault a slow start, bureaucratic resistance and litigation for hindering the president’s agenda in his first term, and they are determined to avoid those hurdles, if given a second chance, by concentrating more power in the West Wing and selecting appointees who will carry out Trump’s demands. [...] “No one is opposed to them putting together ideas, but it’s not us,” a campaign adviser said. “These groups say they’ll have the whole transition planned. Some of those people I’m sure are good and Trump will appoint, but it’s not what is on his mind right now. I’m sure he’d be fine with some of their orders.” [...] “We don’t want careerists, we don’t want people here who are opportunists,” he said. “We want conservative warriors.” (Washington Post)

Wenig überraschend sind deswegen seit vier Jahren die Verbündeten Trumps dabei, Personal zu durchleuchten. Hunderte von Kandidat*innen wurden bereits auf Herz und Nieren überprüft (Siehe dieser ausführliche Bericht von Axios). Damit kopieren die Trumpisten etwas, das die konservativen Hardliner in Reaktion auf die personellen Besetzungen Ronald Reagans und George H. W. Bush taten: deren Kandidat*innen waren oft wesentlich moderater und demokratisch gesinnter, als dies im Vorfeld gedacht worden war (man denke nur an Reagans Surpreme-Court-Besetzungen). Solch unabhängige Köpfe sollten sich nicht wiederholen, weswegen radikale Think-Tanks, allen voran die Heritage-Foundation, Kandidat*innenlisten erstellten, die absolut linientreu waren. Besetzungen wie Neil Gorsuch oder Bret Kavanaugh entstammten diesen Listen. Doch zeigte sich unter der Trump-Regierung, dass selbst diese Hardliner wesentlich zu moderat für die autoritären Umbaupläne der Trumpisten waren. Sie brauchen deswegen ihre eigenen Listen. Nun könnte man natürlich argumentieren, dass dies irgendwelche Leute ohne offizielles Amt und Verbindung zur Partei sind. Aber hören wir Trump selbst an, der in einem Interview mit dem spanischen Sender Univision folgendes Statement abgab:

“Yeah. If they do this, and they’ve already done it, but if they follow through on this, yeah, it could certainly happen in reverse,” Trump told Acevedo, according to excerpts of the interview. [...] “What they’ve done is they’ve released the genie out of the box,” the former president continued, adding, “You know, when you’re president and you’ve done a good job and you’re popular, you don’t go after them so you can win an election.” “They have done something that allows the next party … if I happen to be president and I see somebody who’s doing well and beating me very badly, I say, ‘Go down and indict them.’ They’d be out of business. They’d be out of the election,” Trump continued. (Washington Post)

Ich habe bereits vor zwei Jahren beschrieben, dass diese Pläne existieren und in Umsetzung sind, und nannte es den "Papierkram-Putsch". Anstatt wie 2021 einen Mob das Kapitol stürmen zu lassen, soll dieses Mal die staatliche Bürokratie und der Repressionsapparat komplett gekapert und zur Machtsicherung eingesetzt werden. Um gequälte Analogien auszupacken: es ist quasi Trumps Version von der Entwicklung 1923 zu 1933; eine "Legalität", die es gleichzeitig auch ermöglicht, eine plausible deniability im konservativen Spektrum aufrechtzuerhalten, bevor es zu spät ist, etwas dagegen zu unternehmen. Man sollte sich aber nicht dem Fehler hingeben zu glauben, dass das alles blutleer ablaufen soll. Die Fantasien des Trump-Teams und der affiliierten Think-Tanks sind durchaus gewalttägig und basieren auf der bereits in der Trump-Administration verfolgten Idee, den Insurrection Act (ein Gesetz zur Aufstandsbekämpfung) für den Putsch zu benutzen:

Much of the planning for a second term has been unofficially outsourced to a partnership of right-wing think tanks in Washington. Dubbed “Project 2025,” the group is developing a plan, to include draft executive orders, that would deploy the military domestically under the Insurrection Act [...] Trump has publicly expressed regret about not deploying more federal force and said he would not hesitate to do so in the future. (Washington Post)

Jeffrey Clark, a fellow at Vought’s think tank, is leading the work on the Insurrection Act under Project 2025. The Post has reported that Clark is one of six unnamed co-conspirators whose actions are described in Trump’s indictment in the federal election interference case. Clark was also charged in Fulton County, Georgia, with violating the state anti-racketeering law and attempting to create a false statement, as part of the district attorney’s case accusing Trump and co-conspirators of interfering in the 2020 election. Clark has pleaded not guilty. As a Justice Department official after the 2020 election, Clark pressured superiors to investigate nonexistent election crimes and to encourage state officials to submit phony certificates to the electoral college, according to the indictment. [...] In one conversation described in the federal indictment, a deputy White House counsel warned Clark that Trump’s refusing to leave office would lead to “riots in every major city.” Clark responded, according to the indictment, “That’s why there’s an Insurrection Act.” [...] “I think that the supposedly independent DOJ is an illusion,” Clark said in an interview. (Washington Post)

Der Schlüssel zu dieser Nutzung des Insurrection Acts und der Zerstörung des Rechtsstaats ist die Idee, dass der Rechtsstaat ohnehin bereits nicht mehr existiert. Der Probelauf dafür fand bereits im Wahlkampf 2016 statt, als Trump verkündete, dass wenn er verliere die Wahl gefälscht sei, wenn er aber gewinne, alles mit rechten Dingen zugegangen sei (er entschied sich am Ende, einfach beides zu vereinen, consistency be damned, und eine demokratische Verschwörung in Kalifornien zu erfinden, die dort Millionen Stimmen gefälscht habe - warum dort und nicht in Staaten, die man hauchdünn verlor, blieb sein Geheimnis). 2020 begann dann, was seither als "Big Lie" bezeichnet wird: die Wahl sei gestohlen, Biden habe nie gewonnen. Die Zertifizierung der Wahlergebnisse unter Brian Kemp in Georgia und Vizepräsident Mike Pence (den die Aufständischen vom 6. Januar hängen wollten, ein Ziel, das Trump sicherlich teilt) war in diesem Zusammenhang der große Verrat. Und gegen Verräter und Putschisten von links ist jedes Mittel Recht, um das Land zu retten. Auch hier ist keine Küchentischpsychologie notwendig; Trump erklärt das völlig offen:

“We pledge to you that we will root out the communists, Marxists, fascists and the radical left thugs that live like vermin within the confines of our country that lie and steal and cheat on elections,” Trump said toward the end of his speech, repeating his false claims that the 2020 election was stolen. “They’ll do anything, whether legally or illegally, to destroy America and to destroy the American Dream.” Trump went on further to state: “the threat from outside forces is far less sinister, dangerous and grave than the threat from within. Our threat is from within. Because if you have a capable, competent, smart, tough leader, Russia, China, North Korea, they’re not going to want to play with us.”Steven Cheung, a Trump campaign spokesman, told The Post “those who try to make that ridiculous assertion are clearly snowflakes grasping for anything because they are suffering from Trump Derangement Syndrome and their entire existence will be crushed when President Trump returns to the White House.” Trump also received widespread criticism and condemnation recently from groups such as the Anti-Defamation League for saying in an interview that undocumented immigrants were “poisoning the blood of our country.” (Washington Post)

Trumps Rhetorik gleitet auch immer mehr in die faschistische Richtung ab.

In honor of our great Veterans on Veteran's Day, we pledge to you that we will root out the Communists, Marxists, Fascists, and Radical Left Thugs that live like vermin within the confines of our Country, lie, steal, and cheat on Elections, and will do anything possible, whether legally or illegally, to destroy America, and the American Dream. The threat from outside forces is far less sinister, dangerous, and grave, than the threat from within. Despite the hatred and anger of the Radical Left Lunatics who want to destroy our Country, we will MAKE AMERICA GREAT AGAIN! (Jabberwocking)

2024 is our final battle. With you at my side, we will demolish the Deep State, we will expel the warmongers from our government, we will drive out the globalists, we will cast out the Communists, Marxists, and Fascists, we will throw off the sick political class that hates our Country, we will rout the Fake News Media, we will evict Joe Biden from the White House, and we will FINISH THE JOB ONCE AND FOR ALL! (Bluesky)

Natürlich richtet sich das Gewaltversprechen auch gegen Migrant*innen:

During his interview with Acevedo, Trump also sought to defend his administration’s controversial decision to separate migrant parents from their children at the U.S.-Mexico border, saying it prevented more migrants from illegally coming into the United States. Dozens of lawsuits have been filed against the federal government seeking damages for allegedly intentionally inflicting emotional distress on migrant families as a result of the separation policy. (The Atlantic)

Das ist nicht die Rhetorik eines demokratisch gewählten Präsidenten, sondern die eines faschistischen Schlägers. Sie lässt sich auch nicht mehr als rhetorisches Stilmittel verbrämen, oder als Übertreibung, als Scherz, wie das während seiner Präsidentschaft und auch im Nachgang des Putschversuchs vom 6. Januar noch ständig geschah. Der Mann meint es ernst. Und es ist wichtig, dass er ernstgenommen wird. Ich bin mir deswegen auch nicht sicher, ob das Framing als "verrückt" oder "geisteskrank", das immer wieder vor allem durch liberalere Medien geistert (siehe etwa The Atlantic oder Washington Monthly), sonderlich hilfreich ist. Letztlich verharmlost es ihn. Aber das ist gar nicht das größte Problem.

Viele Medien des moderaten Spektrums haben offensichtlich immer noch den Schuss nicht gehört:

To facilitate Trump’s ability to direct Justice Department actions, his associates have been drafting plans to dispense with 50 years of policy and practice intended to shield criminal prosecutions from political considerations. Critics have called such ideas dangerous and unconstitutional. (Washington Post)

Der Tonfall, den die Washington Post hier in demselben Artikel anschlägt, in dem sie detailliert die Erkenntnisse ihrer brillanten Recherche zu Trumps Umsturzplänen darlegt, ist einfach verstörend. Dieses "Partei A sagt dieses, Partei B entgegnet jenes" ist für die existenzielle Gefahr für die Demokratie, um die es hier geht, überhaupt nicht angemessen. Ob sie es will oder nicht, die Washington Post, die New York Times (deren Überschriften geradezu legendär schlecht sind und die die Lektion von 2016 überhaupt nicht gelernt hat) und wie sie alle heißen sind Konfliktparteien. Denn Trump und seine Verbündeten betrachten sie als Feind. Sie wollten von Beginn an den staatlichen Repressionsapparat gegen sie einsetzen; was sie abhielt war nur, dass sie aus der Bürokratie blockiert wurden und keine Erfolgsaussichten hatten - beides Faktoren, die sie, wie gezeigt, zu beseitigen hoffen.

Immerhin erkennen immer mehr Journalist*innen die Schwere der Situation. Tom Nichols im The Atlantic (auch hier), Jack Shafer in Politico, Dan Drezner auf seinem Substack, der Economist auf seiner Titelseite, Dahlia Lithwick in Slate - zwar nimmt das Bewusstsein zu, aber wie die Beispiele der Washington Post oder praktisch jeder Blick in die New York Times zeigt, ist das Grundproblem völlig ungelöst: wie soll über Trump und den republikanischen Umsturzversuch berichtet werden, so dass die Schwere der Situation auch kommuniziert wird? Für große Teile der Öffentlichkeit wirkt das Ganze, in Dahlia Lithwicks Worten, wie ein "cage-match between fascism and democracy", nur mit dem Problem, dass "nobody cares".

Auf eine gewisse Art ist das sicher auch die Folge, dass schon einige Male "Wolf" geschrieen wurde, aber keiner kam. Sich allerdings immer auf die Inkompetenz des Wolfs zu verlassen ist eine Rechnung, die in der Geschichte schon oft fehlschlug, und sich andererseits darauf zu verlassen, dass schon "a few good men" zwischen den Trumpisten und der Demokratie stehen würden, ist ebenfalls bestenfalls dubios, schon allein, weil das davon ausgeht, dass die Democrats ständig die Wahlen gewinnen.

Denn das ist ja die andere Dimension des Problems: die Entwicklung seit den späten 2000er Jahren, in der sich die GOP rapide von einer demokratischen Partei wegentwickelt, hat seit 2021 noch einmal einen Schub erhalten. Man sehe sich nur das Repräsentantenhaus an, in dem der "Freedom Caucus" von einer spinnerten Randgruppe zur erdrückenden Mehrheitsfraktion wurde. Die Partei ist keine Gegenspielerin Trumps; vielmehr hat sie bereits an zahlreichen Stellen ihre schützende Hand über ihn gehalten. So ist Trump de facto von den Wahlkampffinanzierungsregeln befreit, gegen die er zwar ständig verstößt. Diese Verstöße aber werden von dem paritätisch besetzten Gremium gedeckt, so dass er effektiv straffrei ausgeht. Gleiches ist zunehmend in der Judikative zu beobachten, wo die Trumpisten Kandidat*innen einsetzen, die bereit sind, das Recht einseitig zugunsten der Rechtsbrecher auszulegen - und die Partei bestätigt diese Leute ins Amt.

Die Situation ist daher ernst. "Unternehmen Rache" bedeutet die größte Gefahr für die amerikanische Demokratie seit den frühen 1930er Jahren und eine mögliche Rückkehr in die Zustände im Süden nach dem Ende der Reconstruction. Politische Gewalt, Unterdrückung und die Zerstörung von Freiheit und Rechtsstaat sind eklatante Bedrohungen, die auch Auswirkungen auf den Rest der Welt haben werden.

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