Freitag, 30. März 2007

Sit-In der Plattenindustrie

Jedes Jahr das gleiche Spiel:
1) Die Plattenindustrie stellt die neuesten Umsatzzahlen vor.
2) Diese scheinen gegenüber dem Vorjahr gesunken.
3) An allem sind die Raubkopierer schuld.
4) Härtere Strafen werden gefordert.
5) Schmiergeld wechselt den Besitzer.
6) Gesetzesnovellen passieren den Bundestag.
Auch dieses Jahr läuft es ähnlich. Aber wer sich die Statistiken einmal ansieht, wie das Telepolis getan hat, dem fällt vor allem eines auf: ein Sektor hat zugelegt - die nicht kopiergeschützte Klassische Musik. Das gesamte Argumentationsgebäude fällt damit in sich zusammen, denn die CDs, die reißenden Absatz finden, lassen sich auch kostenlos und legal aus dem Internet ziehen.
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Ansässig ist die erfolgreiche Firma [für die klassische Musik, Anm. d. Verf.] in den Niederlanden, die die EU-Urheberrechtsrichtline weit weniger industriehörig umsetzen als Deutschland. So stellt etwa das Anbieten von Umgehungstechnologie in den Niederlanden zwar eine unrechtmäßige Handlung dar, aber zivilrechtliche Gegenmittel wurden als angemessen und ausreichend angesehen. Anstatt strafrechtliche Sanktionen einzuführen, wurden die Verbote aus der Richtlinie mittels des bürgerlichen Rechts als "unrechtmäßige Handlungen" umgesetzt.

[extern] Kamiel Koelman und Menno Briët vom Institut für Informatik und Recht an der Freien Universität Amsterdam fassen die Debatte, die zu dieser Entscheidung führte, wie folgt zusammen:


"Der niederländische Gesetzgeber hielt es für unangemessen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit einzuführen, weil das einen fundamentalen Grundsatz des Strafrechts verletzt hätte: Strafvorschriften müssen klar und eindeutig sein. Die Beschreibung einer strafbaren Handlung darf keine vagen oder mehrdeutigen Begriffe enthalten. Da die Bedingungen der Richtlinie [...] nicht besonders klar sind, kam der Gesetzgeber zu dem Schluss, dass es nicht angemessen sei, hier eine strafrechtliche Verantwortlichkeit einzuführen. Zudem kam während der Debatten im Parlament zu Ausdruck, dass die Durchsetzung von Urheberrechten Privatsache sei und bleiben solle."

Der niederländische Justizminister stellte außerdem klar, dass auch der Download von Musik oder Filmen via P2P keine strafbare Handlung ist. Privatkopien, wie sie in analoger Form erlaubt sind, wurden explizit auch für die digitale Form bestätigt. Und diese digitale Form beinhaltet auch P2P-Downloads, oder, um es in den Worten des holländischen Justizministers zu sagen: "Das trifft auch zu, wenn eine Privatkopie von einem unrechtmäßig zugänglich gemachten Original ohne Zustimmung des Autors angefertigt wurde."

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