Dienstag, 4. Dezember 2007

Die PISA-Studie

Einige Zahlen und Infos zur PISA Studie hat Telepolis sauber aufbereitet. Wirklich interessante, weil bisher eher unbekannte Fakten hinter den Kulissen dieses statistischen Blendwerks erfassen die Nachdenkseiten in zwei Artikeln hier und hier.
Dabei ist der ganze Rummel so oder so von untergeordneter Bedeutung. Der Bereich, in dem PISA wirklich Aussagekraft hat wird nämlich immer wieder unter ferner liefen unter den Tisch fallen gelassen: dass die soziale Selektion in Deutschland beachtlich ist, dass das Elternhaus und dessen Reichtum maßgeblich den Bildungserfolg bestimmt und dass ein Aufstieg kaum möglich ist - ebensowenig wie ein Abstieg, im Übrigen.
Stattdessen schießt sich die CDU nun auf den Koordinator ein, weil der es wagte, sich für Gesamtschulen auszusprechen - was der CDU in ihrem Beharren am dreigliedrigen Schulsystem ein Sakrileg ist. Dabei gebärdet sich die CDU, als würde sie behaupten, die Erde sei flach. Ungetrübt von jeglicher Sachkenntnis salbadern die CDU-Politiker vor sich hin, preisen das deutsche Schulsystem wieder alle Fakten und erinnern damit unangenehm an andere verbohrte Ideologen vor ihnen. Wäre die Geschichte um Galilei wahr - sie wären die katholische Kirche.
Dabei hat PISA im eigentlich beanstandeten Teil kaum Aussagekraft, hilft das hastige Herumdoktorn kaum weiter. Den damaligen PISA-Test 2000, der schon beinahe legendären Charakter besitzt, habe ich selbst mitgemacht. Ich könnte den Initiatoren einige Gründe nennen, warum er so schlecht ausfiel. Dazu gehört Triviales; wer 15jährigen sagt, dass der Test anonym ist, nichts zählt, sie an dem Tag keine Schule haben und zudem gehen dürfen, wenn sie fertig sind, braucht sich kaum über das Ergebnis zu wundern. Dazu kommt faktisches, wie die Abstimmung der Fragen auf das angelsächsische Bildungscurriculum (das einfach unbesehen hier hastig einreformiert wurde), die im Unterricht hierzulande nicht besprochen worden waren. Die Fragen, die Form der Fragen, der Stoff der Fragen - sie alle waren für Schüler eines anderen Landes konzipiert, zu guten Teilen noch nicht einmal besprochen worden. Zudem nivellierten sie mit ihrer Konzentration auf technisch-naturwissenschaftliche Fragen (die, typisch angelsächsisch, anwendungsbezogen waren, wo hierzulande eher allgemeine Zusammenhänge gelehrt werden) jegliche Unterschiede im Bildungssystem und setzten relativ selbstherrliche Standards fest.
Letztlich sollte Deutschland aus der Studie aussteigen. Sie hat keine Aussagekraft, führt zu überhasteten Reformen und kostet nur Geld, das eine ganze Industrie von Testunternehmen bekommt.

4 Kommentare:

  1. Via NachDenkSeiten fand ich hierher. Nein, das wäre gelogen, denn ich kannte den Oeffinger Freidenker schon, weil Ihr auch schon mal einen Beitrag von mir zitiert habt, welchen ich den NDS zur Veröffentlichung gab (Viktor Klemperer und die LTI).

    Es ist eben dringend notwendig, Verdummungsmechanismen, wie ihn PISA darstellt, zu entkleiden. Die Meinung der Herrschenden, die mittels Propaganda zur Meinung der Masse wird, sieht eben nicht, daß es oft ganz banale Gründe für ein schlechtes Abschneiden gibt. Und Sie, lieber Oeffinger Freidenker, treffen den Nagel auf den Kopf: Hätte man mir als 15jährigen gesagt, daß ich einen Test machen muß, der mir einen freien Tag schenkt, der für mich ohne benotete Folgen bleibt, ich hätte mich gesputet, um möglichst bald auf dem Fußballplatz sein zu können.

    Ihr Beitrag darf als wertvolle Aufklärungsarbeit gelten.

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  2. Ich stimme Ihnen unumwunden in allen Punkten zu - bis auf einen (aber der ist auch eher nebensächlich und sei nur der Form halber erwähnt): Ich nehme an, den finnischen 15-Jährigen wurde der Rest des Tages auch frei gegeben, oder?

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  3. Gebt mal endlich "Butter bei die Fische" und sagt laut, wodurch die "soziale Selektion" verursacht wird. Die politisch gewollte und menschlich tragische, ja religionshafte Verehrung des Götzen "Wettbewerb" über alles führt unausweichlich zu immer stärkerer Polarisierung in Arm und Reich, mit dem Mittelstand auf dem absteigenden, ausblutenden Ast!

    Es gibt nämlich keine gleichen Chancen im wirtschaftlichen Wettbewerb, wenn und weil nur die reiche Seite über riesige Geldmittel sowie die medialen und politischen Manipulationsnetzwerke verfügt, um den Wettbewerb zu entscheiden. "The winner takes it all"!
    Manager machen es vor: zig Millionen "Schmerzensgeld" und Aktienoptionen für die entsetzliche Verantwortung, tausende Arbeitnehmer auf die Straße zu setzen, um die Börsenkurse hochzupushen, dann nochmal viele Millionen beim Abschied. Politiker machen es vor, wenn sie kaum noch im Parlamentssaal sitzen, sondern ihren zahlreichen "Nebenjobs" nachgehen, damit der Rubel rollt!

    Wer erarbeitet denn diese Millionen? Das Kapital? So eine Volksverdummung! Dann gibt's auch ein Perpetuum Mobile! Spekulationsgewinne aus Finanztransfers fallen nicht vom Himmel, sondern werden letztlich von den Sklaven der Gesellschaftspyramide, der Unterschicht und zunehmend auch der Mittelschicht bezahlt. Die Gewinne der gewitzten Reichen sind die Verluste der Millionen kleiner Steuerzahler und Kleinkreditnehmer. Das Beste: Die
    Verursacher, Beförderer und Gewinner dieser Misere sollen und wollen gleichzeitig Arzt und Heilmittel sein: "Wirtschaftweise", "Finanzexperten", Lobbyisten, ehrenwerte Politiker, Heuschrecken, Hasardeure ...
    Jetzt muss ich mich aber bremsen, sonst erkennt man noch, dass ich nur neidisch bin... ;-)

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