Zu den wichtigsten Baustellen, die den Rektoren zufolge bearbeitet werden sollen, gehören die Überarbeitung von Stundenplänen, der Ausbau von Ganztagsschulen (aber nicht irgendwelchen) sowie eine Neuaufstellung der Kollegien. Die Ergebnisse im Detail: Stundenpläne reformieren: 82 Prozent der Schulleitungen sprechen sich dafür aus, die Stundenpläne mit dem althergebrachten Fächerkanon umzukrempeln. Dieser sei »nicht mehr zeitgemäß«, sondern bedürfe einer grundlegenden Überarbeitung. Knapp die Hälfte der Befragten wünscht sich, dass der Fachunterricht thematisch stärker vernetzt wird. Etwa ein Viertel würde einen insgesamt fächerübergreifenden Unterricht bevorzugen.»Die Schule ist noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen«, so wird der Schulleiter eines Gymnasiums in der Studie zitiert. Dies liege an dem tradierten System, das schon lange nicht mehr aktuell sei. »Der Fächerkanon ist doch der Wahnsinn«, so der Schulleiter. Das interessengeleitete, individualisierte Lernen stehe nicht im Vordergrund, »sollte es aber«. [...] Schulen müssen Chancengleichheit ermöglichen: Fast alle befragten Schulleitungen vertreten diese Ansicht. 92 Prozent setzen dafür auf individuelle Förderangebote, um allen Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden. [...] 80 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, dass sich Schulleitung auf die Strategie- beziehungsweise die Unterrichtsentwicklung und den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler konzentrieren sollte. Der Alltag sieht den Gesprächen zufolge allerdings oft anders aus. Rund die Hälfte der Befragten gibt an, maximal drei Stunden pro Woche für das Thema Schulentwicklung zur Verfügung zu haben. (fok, SpiegelOnline)
Das Veränderungstempo im System Schule ist einfach viel zu niedrig. Das liegt denke ich mit daran, dass es so wahnsinng große Widerstände gibt. Zur Schulpolitik glauben alle, eine fundierte Meinung haben zu können und zu müssen. Und alles, was anders ist, ist zuerst einmal schlecht, während gleichzeitig aber Veränderungen in alle möglichen Richtungen gefordert werden. Von dem permanenten "wir brauchen das Fach X!" zu den Inhalten der Bildungspläne über die Digitalisierung, dazu die Prüfungsformate und -anforderungen: alles soll angefasst werden, aber egal welcher Vorschlag kommt, die Mehrheit schreit "Untergang des Abendlandes!" Und mit dem Kram werden Wahlen entschieden!
Man sieht das gut an den oben zitierten Forderungen. Das sind Evergreens. Chancengerechtigkeit ist seit der ersten PISA-Studie vor zweiundzwanzig Jahren ein Thema, und fächerübergreifender Unterricht ist jetzt auch nicht gerade eine neue Idee. Mir wären auch keine Expert*innen bekannt, die gegen diese Dinge sind. Aber die Umsetzung ist das Problem.
2) The End of Germany’s Strategic Restraint
To a certain extent, at the very least, this state of affairs is a result of the case law of the Federal Constitutional Court: in a long line of adjudication, going back to the 1984 Pershing ruling, the court has repeatedly affirmed that foreign affairs lie fundamentally in the competence of the executive branch. Parliament does not always have a say in this area, and sometimes does not even dispose of the right to information that is crucial for exercising its rights of governmental control. Particularly with regard to arms export decisions, it is often made difficult for the Bundestag, and in particular to the opposition factions, to hold the government accountable: decisions are made in secret and the Bundestag is only informed ex post and only about the key data of approvals of arms exports. In the case of army deployments, the Bundestag is known to reside over a far-reaching parliamentary decision-making power (wehrverfassungsrechtlicher Parlamentsvorbehalt). Yet, when it comes to communicating these decisions back to the public, the situation is not much different with regard to arms exports or army deployments. In both cases, public debates going beyond limited and specific questions are seldom been held. As a result, foreign missions and arms exports are similarly unpopular, despite the very different institutional setup for decision-making in these fields. The way in which the Federal Constitutional Court has shaped the parliament’s role in mandating a foreign deployment of the Bundeswehr as a time-limited, case-by-case decision with detailed information on troop strength, deployment duration, deployment area as well as military capabilities in the AWACS decision of 1994 no doubt contributed to this problem. (Isabelle Ley, Verfassungsblog)
Ich finde das ein interessantes Beispiel dafür, wie stark das BVerfG in der deutschen Gesetzgebung und Verfassungsgestaltung ist. In solchen Situationen sieht man klar die Nachteile davon. Per gerichtlichem Fiat wurden starke Kompetenzen an eine Institution übertragen, die sie gar nicht wollte. Das führt dann dazu, dass diese Kompetenzen nicht wirklich ausgenutzt werden; man denke nur an das routinemäßige Abnicken der Auslands-Mandate. Alles ist super undurchsichtig, und Verantwortlichkeiten sind völlig diffundiert. Das ist nicht gerade ein optimaler Zustand.
3) Democrats could still win in November. No, really.
How bad are things? The FiveThirtyEight average of President Biden's approval has him at 42.1 percent, virtually identical to former President Donald Trump's the day before the 2018 midterms. In that election, Democrats gained 41 seats in the House. And it's not just Biden. Democrats are now behind Republicans by more than 2 points in the generic ballot for Congress and have trailed in multiple 2022 polls in Florida, Nevada, and Georgia. Democratic Senate candidates also look shaky in Georgia, Nevada, and New Hampshire in particular — all seats that must be retained if the party is to hold onto its narrow majority. [...] That complexity of problems doesn't mean there's nothing to be done. The first thing to tackle is the public's economic pessimism. Biden and other Democrats seem shocked that job growth and robust GDP numbers have not reversed this mood. But the impact of inflation on struggling households and the psychological cost of ongoing shortages cannot be overstated, and the the Federal Reserve's decision to raise interest rates was only a first step. [...] Next, Democrats need this election to be fought on their terms.The party is on its heels in a relentless, media-fueled culture war whose parameters are defined entirely by the right. Critical Race Theory, cancel culture, masking-in-schools battles, the latest trans panic of the month — it's a genuinely incoherent stew of festering grievances, but Democrats' defense has been just as messy. [...] These are big asks. But it is still possible to squint and see a winning environment for Democrats this November. And if they don't win then, it could be another decade or longer before the party has another chance to govern. (David Faris, The Week)
Klar, sie KÖNNTEN. Im Konjunktiv ist immer alles möglich. Ich KÖNNTE auch im Lotto gewinnen (vorausgesetzt ich spielte, was ich nicht tue, weil Lotto eine Strafsteuer für Leute ist, die Mathe nicht verstehen, aber ich KÖNNTE). Nur, wie wahrscheinlich ist das? Nein, es müsste schon ein mittelgroßes Wunder geschehen, dass die Democrats nicht auf die elektorale Mütze bekommen. Faris ist allerdings bei der Ursachenanalyse an was dran. Denn die Kommunikation der Democrats ist eine Vollkatastrophe. Auf einer Skala von 10 bis "Die Grünen im Wahlkampf 2021" nähern sie sich deutlich an das Duo Infernale Baerbock/Habeck in jenen Monaten an. Es ist zum Haare raufen.
Aber: Ich wäre mir auch wegen den Aussichten auf das nächste Jahrzehnt nicht so sicher. Wir haben 2018 und 2020 gesehen, wie schnell sich das Blatt wenden kann (und natürlich 2010). Klar, Stand heute sieht die Lage für die Democrats richtig übel aus. Aber 2009 sah die Lage auch für die Republicans übel aus, und wer hätte da darauf gewettet, dass sie 2016 die trifecta gewinnen? Mir scheinen fast alle Analysen an dem Grundfehler eines zu statischen Fortschreibens des Status Quo zu liegen, der Kardinalfehler aller Prognosen. Immerhin machen ihn alle Seiten gleichermaßen...
4) Morden und Manipulieren für Putin
Die Mischung aus Desinformation, Repression und nackter Angst, mit der Putins Leute jetzt das Narrativ über den Ukrainekrieg kontrollieren, war auch damals schon vorhanden. Der Journalist Scott Anderson, der eine lange Recherche über den Fall veröffentlichte, die in Russland gar nicht und lange auch nicht online erscheinen durfte, zitierte einen Anwohner, der mehrere nahe Verwandte bei den Anschlägen verloren hatte, mit den Worten: »Es waren Putins Leute. Jeder weiß das. Niemand will darüber reden, aber alle wissen es.« [...] Die vollständige Gleichschaltung der russischen Medienlandschaft, die jetzt dabei hilft, dass innerhalb des Landes eine völlig andere Wahrnehmung des Krieges vorherrscht als im Rest der Welt, hat aber eben schon vor über 20 Jahren begonnen. Es wird den Russen sehr leicht gemacht, nicht zu sehen, was sie nicht sehen wollen, und zu glauben, was man ihnen erzählt. Es bleibt rätselhaft, wie westliche Regierungen, allen voran die Deutschlands, all die Jahre glauben konnten, Putin sei ein am Ende doch verlässlicher, vertrauenswürdiger Partner. Wo all das doch noch vor den Augen der Weltöffentlichkeit stattfand, konstant begleitet von westlicher Berichterstattung. Vor einigen Jahren habe ich einen sehr interessanten Vortrag einer russischen Kollegin, einer Journalismusforscherin gehört, in dem sie die zunehmende staatliche Kontrolle über Russlands Mediensystem im Detail aufschlüsselte. Heute mache ich mir große Sorgen um sie. Sie diagnostizierte eine starke Spaltung zwischen einem urbanen, gebildeten Russland, das noch auf alternative Quellen zugreifen konnte und das auch tat, und dem ländlichen Russland der Provinzen, in dem die Propaganda der Staatssender schon zur einzigen Wahrheit geworden war. Diese urbanen, gebildeten Menschen sind die, die nach dem Einmarsch in die Ukraine auf die Straßen gingen. Viele Tausend von ihnen sitzen jetzt im Gefängnis. (Christian Stöcker, SpiegelOnline)
Diese Mechanismen sind alles andere als überraschend. Der Terror einer Meinungsdiktatur (Seitenhieb für meine konservativen Freunde: so sieht eine Meinungsdiktatur aus) ist den russischen Machthabern jetzt nicht eben fremd, und die Spaltung zwischen Stadt und Land können wir überall beobachten. Ob in den USA, ob in Polen, ob in Deutschland, ob in Frankreich - das Herz des Liberalismus schlägt in den Städten, das der Reaktion auf dem flachen Land.
Nur, die Frage, wie westliche Regierungen glauben konnten, Putin sei ein verlässlicher Partner - wir haben massenhaft blutrünstige, aber verlässliche Partner. Ich darf nur Saudi-Arabien erwähnen. Die führen einen Vernichtungskrieg in Yemen, unterdrücken auf übelste Weise die eigene Bevölkerung, aber wir machen gerne Geschäfte mit ihnen. Auch Massenmörder können verlässliche Partner sein. Die Erkenntnis, dass das auf Putin nicht zutrifft, hätte früher kommen müssen, aber das liegt nicht daran, dass er ein mörderisches Arschloch ist, sondern dass seine Interessen und unsere unvereinbar sind.
5) Naive Regime-Change-Fans
Das Kokettieren mit Regime Change und Boykottfantasien mag moralisch anständig wirken. Aber der Preis, der für diese Geste zu zahlen wäre, ist hoch – politische Handlungsunfähigkeit oder politisches Desperadotum. Man feiert die eigene Moral, meidet aber, sich Rechenschaft über die Folgen abzulegen. Dies zur Leitlinie zu machen folgt dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ In der Welt, wie sie ist, ist Russland nicht so isoliert, wie es wünschenswert wäre. In der UN-Vollversammlung haben die Regierungen, die die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren, darunter fünf Atommächte, nicht für die Verurteilung Russland gestimmt. Das ist die neue Weltordnung. Man sollte sie zur Kenntnis nehmen. Misstrauisch macht auch, dass die Aufrufe, Diktatoren zu beseitigen, lange zur Praxis des „liberalen Imperialismus“ (Carlo Masala) gehörten. In Afghanistan, dem Irak und in Libyen hat die Illusion, man müsse nur Taliban, Saddam und Ghaddafi mit genug Feuerkaft bekämpfen, um Frieden und Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen, eine blutige Schneise der Verwüstung hinterlassen. Zur Fähigkeit von Demokratien gehört bekanntlich, schneller als Diktaturen aus Fehlern zu lernen. Der publizistischen Fraktion, die unbedingt Demokratie mit Gewalt exportieren will, scheint genau dies abzugehen. Sie ist unfähig, Fehleinschätzungen zu korrigieren und die Trümmerberge wahrzunehmen, die sich hinter ihr auftürmen. [...] Kein Missverständnis: Wer die Zahl der Toten des „liberalen Imperialismus“ benutzt, um Putins monströses Verbrechen zu verkleinern, ist moralisch bankrott. Wer versucht, der Nato eine Mitschuld am Überfall auf die Ukraine zu geben und sich an einen starr auf die USA fixierten Antiimperialismus klammert, verdient intellektuell und moralisch nur Verachtung. (Stefan Reinecke, taz)
Ich habe ja in meinem Artikel vor einigen Wochen bereits meine Verwirrung darüber beschrieben, welche idiotischen Forderungen derzeit durch den Raum fliegen - von neokolonialen Fantasien, in denen die Ukraine einfach nur als Verfügungsmaße bei großen Konferenzen herumgeschoben werden kann, bis hin zum Einsatz von NATO-Truppen zur Verteidigung Kiews. Die Idee, wir hätten irgendwelchen Einfluss darauf, wer in Russland regiert, ist hanebüchen. Wir haben es nicht geschafft, die politische Lage im Iran zu beeinflussen, wie können wir uns einbilden, das in Russland zu schaffen?
Umgekehrt haben wir wesentlich mehr Einfluss außerhalb Russlands Landesgrenzen, als diese Küchentischstrateg*innen oftmals einzugestehen bereit sind. Derzeit dreht sich diese Debatte hauptsächlich um die Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine, aber generell gilt, dass das Stützen der NATO-Ostflanke einerseits und der Ukraine andererseits die beste Politik für den Westen ist, um Russlands Einfluss einzudämmen. Dasselbe Prinzip wird uns vermutlich in nicht allzulanger Zeit im chinesischen Umkreis ebenfalls ins Haus stehen, wo wir vor sehr ähnlichen (und ebenfalls geleugneten oder verdrängten) Herausforderungen stehen.
6) Kinderfeindliche Justiz
Das Team analysierte zudem 90 Verfahren, die von 1998 bis 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden wurden. Dort zeige sich, wie die Lebensmodelle von Kindern, die gesund und in Kita oder Schule gut integriert waren, durch richterliche Anordnung von „Inobhutnahmen, Umplatzierungen und Wechselmodellen aller Art“ aufgelöst wurden. In der Folge würden die Kinder häufig auffällig und entwickelten Störungen. Alleinerziehende Mütter, so Hammers Fazit, wären im Umgang mit dem Jugendamt „erheblichen Risiken“ ausgesetzt. Auch das Umfeld der Familiengerichte sei durch „Lobbyorganisationen“ beeinflusst. Deren Narrative hätten sich, obwohl wissenschaftlich nicht haltbar, zu einer „Doktrin“ in Aus- und Fortbildung entwickelt. So werde gestreut, dass Mütter ihre Kinder von Vätern „entfremden“, sie nur Kinder und Geld wollten und sogar Gewalt und Missbrauch erfänden. Zudem werde verbreitet, einzig eine „50:50-Aufteilung“ der Betreuungszeit lasse Kinder gesund aufwachsen. Hier werde der Anspruch der Gleichberechtigung missbraucht und die Besonderheit der Mutter-Kind-Beziehung marginalisiert. Doch ein von Richtern angeordnetes Wechselmodell bedeute für ein Kind „Entwurzelung“ und könne zum Martyrium werden. Leider habe sich eine „quantitative Elterngerechtigkeit“ zum Maßstab für das Kindeswohl entwickelt. Dabei sei ein Kind kein „teilbares Objekt“. Fifty-fifty-Modelle funktionierten nur freiwillig. (Kaija Kutter, taz)
Die ideologische Ausrichtung der Familienrechtsprechung ist schon lange ein Problem. Früher haben die Gerichte gerne pauschal der Frau die Kinder zugeschlagen, damit Männern den Zugang zu ihrer Familie genommen und oft genug die alleinerziehenden Frauen zu einem Leben in Armut verdonnert (und die Kinder mit). Inzwischen werden andere Modelle aufoktroyiert, aber so oder so stecken giftige Ideen dahinter, die sich meist aus irgendwelchen festgefahrenen Rollenmodellen speisen, demnach Frauen per se besser geeignet wären, die Erziehung zu übernehmen, als Väter. Da wird tief in die biologistische Mottenkiste gegriffen, um allerlei Blödsinn als gesunden Menschenverstand herzunehmen und in Gesetzesform zu veredeln.
Kleine Anekdote am Rande: ein ehemaliger Nachbar von mir war geschieden. Die Trennung verlief im Guten; beide hatten das gemeinsame Kind je dreieinhalb Tage die Woche und wollten ein komplettes 50:50-Modell. Das ging aber nicht, weil die geltende Rechtslage besagte, dass eine der beiden Parteien zwingend den Hauptteil des Sorgerechts und damit einen Unterhaltsanspruch erhalten müsse. Und das, obwohl beide Seiten das explizit nicht wollten! Es kostet nur Geld und Stress, weil das Rechtssystem immer noch mit Familien- und Geschlechterrollen von vor vier Jahrzehnten operiert.
7) The Supreme Court rules that Joe Biden is commander-in-chief. Three justices dissent.
The decision is undeniably a win for the balance of power between the executive branch and the judiciary that has prevailed for many decades. But the fact that the Court had to weigh in on this at all — not to mention that three justices, Justices Clarence Thomas, Samuel Alito, and Neil Gorsuch, dissented from the majority — is a worrisome sign about America’s judiciary. [...] The most astonishing thing about the SEALs order is that at least three justices dissented. [...] I want to emphasize the sheer enormity of what Alito is suggesting here. Once the Supreme Court permits a single servicemember to defy a direct order, that opens the door to any member of the armed services who disagrees with an order running to court to seek an exemption. [...] The Court has understood for many decades that the military simply cannot function if its members think orders may be optional. [...] Permitting service members to seek exemptions from the courts, Goldman explains, would undermine service members’ “habit of immediate compliance with military procedures and orders” — a habit that “must be virtually reflex with no time for debate or reflection.” At the end of the day, every service member must know who their commander is, and everyone must respect the chain of command. There can only be one person at the apex of that chain, and it can either be Joe Biden or Samuel Alito. (Ian Milheiser, vox.com)
Der Supreme Court ist mittlerweile von Rechtsradikalen dominiert. Noch eine Trump-Präsidentschaft, und die stempeln die komplette Abschaffung der Demokratie ab. Das kann nicht überraschen, denn die Republicans arbeiten seit zwei Dekaden zielstrebig an der Kontrolle der Judikative, und die Democrats waren (und sind!) wie so oft asleep at the wheel. Wegen der lebenslangen Ernennungen ist das ein Problem, das selbst für den Fall einer göttlichen Intervention, die die GOP in eine demokratische Partei verwandelt, noch für Jahrzehnte Bestand haben wird (anders als für die in Fundstück 3 disktuierte Legislative).
8) Elon Musk joins Twitter board after becoming biggest shareholder
Elon Musk has been appointed to Twitter’s board of directors, the company announced Tuesday, a day after the Tesla chief became the platform’s biggest investor despite voicing concerns about its free speech policies. "Through conversations with Elon in recent weeks, it became clear to us that he would bring great value to our Board,” Twitter’s CEO Parag Agrawal said Tuesday in a tweet. “He’s both a passionate believer and intense critic of the service which is exactly what we need on Twitter, and in the boardroom, to make us stronger in the long-term.” Musk, who took a 9.2 percent stake in Twitter, valued at $2.9 billion, is one of the platform’s most popular users. He has more than 80 million followers. (Taylor Telford, Washington Post)
Milliardäre und Demokratie sind unvereinbar, Teil 535237. Nichts Gutes kann aus dieser Entwicklung kommen. Elon Musk ist ohnehin ein Megalomane, der keinerlei Skrupel hat, halbgarene gesellschaftspolitische Utopien durchzusetzen und der in seinen eigenen Unternehmen ein Terrorregime führt. Die Sozialen Netzwerke sind zudem so gesellschaftlich relevant - sie stellen effektiv öffentliche Räume dar, die nur völlig unter Kontrolle privater Akteure und weitgehend ohne vernünftige Regulierung sind - dass die Vorstellung, dass jemand wie Elon Musk hier so massiven Einfluss hat, allen demokratisch wie liberal gesinnten Menschen einen Schauer über den Rücken jagen muss.
9) Democrats can't escape reality. They shouldn't try.
Take the crime issue. We know that murder rates rose dramatically in 2020, the last year of Donald Trump's presidency, and that they remain elevated in many places across the U.S. Republicans have made hay with the issue, blaming "woke" district attorneys and a "defund the police" campaign that never really came to fruition. But some Dems are pointing to a new study by the Third Way think tank showing that states carried by Trump in 2020 had a higher per-capita murder rate that year than states carried by Joe Biden. The states with the highest homicide rates? Mississippi, Louisiana, Kentucky, Alabama, and Missouri. Third Way dubbed this "The Red State Murder Problem," and a few left-of-center folks have been eager to amplify that notion. "No one seems to notice a murder in Mississippi, because it just doesn't conform to the story that gets told over and over again," one of the report's authors, Jim Kessler, told the Washington Post. [...] There's a similar issue with the economy. Voters hate it. Democrats are trying to acknowledge those concerns while also making the case the economy is actually stronger than Americans think. [...] The truth is that murders are too high, and so is inflation. Democrats don't have to merely play defense on these issues — they can, for example, make a stronger case that the GOP's lax gun policies have helped drive violent crime. But they won't be saved by out-of-touch happy talk or shifting blame in ways that don't ring true with voters. Reality usually has a way of winning out. (Joel Mathis, The Week)
Und noch einmal das Thema der Dummheit der Democrats. Sie machen bei der Kommunikation den gleichen Fehler wie 2016. Damals tourten Hillary Clinton und Barack Obama auch das Land und erzählten allen, wie gut die Lage ist. Und von den Zahlen her war das ja auch der Fall! Den USA ging es 2016 besser als je zuvor in den vergangenen acht Jahren, mindestens. Nur, es fühlte sich nicht so an, und das Weltuntergangsnarrativ Trumps war wesentlich überzeugender. Die Wahrheit ist, dass die Democrats in dieser Form der Kommunikation - dem Verkaufen der eigenen Erfolge - einfach wahnsinnig schlecht sind.
Gleichzeitig frage ich mich, inwieweit der Erfolg von Trump bei Erschaffung einer Realität - Horden von Immigrant*innen an der Grenze, gewaltige Kriminalität, das ganze American-Carnage-Programm - auf seine eigene Blase beschränkt blieb und bleibt und nur deswegen funktioniert(e), weil diese Blase dank des beknackten Wahlsystems groß genug ist, um Wahlen zu gewinnen. Ich bin nur eingeschränkt heiß darauf, es herauszufinden.
10) Ukraine’s War Has Already Changed the World’s Economy
Germany is a rich country. Even in the event of a severe recession, it would have the resources to cope. Its Eastern European neighbors would be in a more difficult position. They have lower incomes. They are absorbing the majority of the refugees and they are more dependent on Russia for trade and energy. They would look for help from their richer partners in the EU. Mario Draghi, Italy’s prime minister, has been pushing since the start of the war for a collective spending package to cushion the crisis, speed up investments in energy independence, and reinforce Europe’s defenses that might run to more than $1.5 trillion. A package of anything like those dimensions would be a giant leap forward for the EU and would require months of high-stakes diplomacy to negotiate. Europe is committed to breaking its dependence on oil and gas imported from Russia. In the medium term, the crisis will hopefully accelerate the push into renewable energy and away from the global trade in fossil fuels. But in the short run, the impact is not deglobalization but a search for new sources of supply. Liquefied natural gas tankers from around the world are plowing their way toward terminals in France and Spain. Robert Habeck, Germany’s minister for the economy and climate, recently inked a deal with Qatar. It takes a supply chain to beat a supply chain. Even if Europe succeeds in reducing its fossil fuel consumption as rapidly as planned, that will entail new imports of solar panels and rare-earth elements to build battery systems. [...] Whereas for the big economic powers such as China and India it may make sense to speculate about new patterns of globalization, for neither Tunisia nor Sri Lanka does a retreat from globalization offer attractive options. In the short run, they need concessions from their main creditors and a concerted effort to refloat their economies. (Adam Tooze, Foreign Policy)
Ich empfehle den kompletten, längeren Artikel zur Analyse, weil Tooze auf viele Aspekte der Weltwirtschaft eingeht, die von diesem Krieg betroffen sind. Es ist die Stunde großer Strategien. Das bisherige Laufen-Lassen, der weitgehende Verzicht auf eine Handels- und Industriepolitik, die mehr war als Standortkonkurrenzpolitik (attraktive Bedingungen für Investitionen), ist an ihrem Ende angelangt. Es braucht konkrete Vorstellungen davon, wie die Deutschland, die EU und der Westen generell die Wirtschaft organisieren wollen. Das bisherige Modell, das seine Verkörperung wohl in der WTO und ihrem Regelwerk findet, funktioniert nur, wenn sich ein signifikanter Anteil der Akteure daran hält. Das ist aber nicht der Fall. Und das erfordert von allen Seiten eine starke Umgewöhnung.
Resterampe
a) Großartiger Twitterthread, der die deutsche Ukrainepolitik erklärt.
b) Spannender Thread zu Abhängigkeiten in Lieferketten.
c) Thread zu den Wahlen in Ungarn. Mehr braucht man dazu glaube ich nicht zu sagen.
d) Der widerlichste Missbrauch des Ukrainekriegs für die eigenen Zwecke, der mir in Deutschland soweit unterkam, ist der, dass die Lebensmittelindustrie fordert, dass die Pflicht zur Zutatenkennzeichnung aufgehoben werde.
e) Die Libertären können es einfach nicht lassen.
f) Mittlerweile glaubt über die Hälfte der Republicans und 20% der Democrats, dass die Führungsriege der Democrats pädophile Netzwerke und Kinderprostitution betreibt. Die amerikanische Medienlandschaft ist so kaputt, das werden langsam russische Verhältnisse.
g) Das Drittmittelsystem speziell und die Wissenschaftsfinanzierung generell sind so kaputt...