Freitag, 30. Juni 2023

Rezension: Ralf Winkler - Grundkurs Bouldern // Ralf Winkler - Taping im Klettersport

 

Ralf Winkler - Grundkurs Bouldern

In den letzten Jahren hat das Bouldern, also das freie Klettern an Kletterwänden in Kletterhallen oder an den namensgebenden Felsen, massiv an Popularität gewonnen. Die Kletterhallen schießen nur so aus dem Boden, und immer mehr Menschen fangen mit dem Hobby an. I know, I'm one. Seit einem halben Jahr gehe ich regelmäßig in die Kletterhalle und habe auch leichte Fortschritte erzielen können - genügend jedenfalls, um mich etwas intensiver mit dem Ganzen zu beschäftigen. Dabei bin ich auf Ralf Winkler gestoßen. Er hat nicht nur mehrere Bücher verfasst, sondern unterhält auch die Homepage, das Blog und den Youtube-Kanal "Grundkurs Bouldern". Und dann hat er eben noch das vorliegende Buch geschrieben, das es für wenig Geld zu erwerben gibt. Es soll einen Einstieg in das Hobby geben und vor allem Anfänger*innen aufzeigen, wie man besser wird und Verletzungen vermeidet. Selbstkritisch merkt Winkler immer wieder an, dass er anfangs zu wenig auf Technik setzte und deswegen später umso umständlicher nachlernen muss. Nach der Lektüre muss ich sagen: schuldig im Sinne der Anklage. Aber beginnen wir von vorne.

Donnerstag, 29. Juni 2023

Schüler*innen sitzen bewaffnet in Badehosen mit Handys in heißen Weimarer Klassenzimmern - Vermischtes 29.06.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde. 

Mittwoch, 28. Juni 2023

Rezension: Christopher Clark - Revolutionary Spring: Fighting for a New World 1848-1849 (Teil 4)

 

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.

Christopher Clark - Revolutionary Spring: Fighting for a New World 1848-1849 (Hörbuch) (Frühling der Revolution: Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt (Hörbuch))

Die Regierungsbildungen in Paris, Milan oder Palermo ersetzten eine bestehende Regierung. In Wien oder Berlin dagegen kamen neue Minister an die Macht, die sich diese mit alten Ministern und der weiter bestehenden monarchischen Exekutive teilen mussten. All diesen Fällen aber war gemein, dass die neuen Macht(teil)haber aus der Oberschicht kamen. Ihre liberalen Prägungen waren auf punktuelle Reformen zur Verbesserung ihrer Situation ausgerichtet; der breiten Mehrheit, deren Unzufriedenheit und Engagement die Revolution hervorgebracht hatte, konnten sie nur wenig bieten. Clarke spricht hier davon, dass sie die Revolution erbten, sie aber nicht hervorbrachten. Das war nur in Bukarest anders, wo eine kleine, stark französisch ausgerichtete Elite tatsächlich verschwörerisch eine Revolution in Gang setzte. Auch hier aber war es die schmale Oberschicht, die die Regierung zu ihren eigenen Zwecken übernahm. 

Dienstag, 27. Juni 2023

Schwitzende Polizisten von der AfD konfiszieren das Taschengeld eines rechtsextremen Pistorius - Vermischtes 27.06.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde. 

Montag, 26. Juni 2023

Rezension: Scott Rehm - Game Angry. How to RPG the Angry Way

Scott Rehm - Game Angry. How to RPG the Angry Way

Pen&Paper-Tabletop-Rollenspiel ist mit Sicherheit ein Nischenhobby. Auch wenn viele Menschen schon einmal davon gehört haben - der neue Dungeons&Dragons-Film mag da auch noch einmal etwas nachhelfen -, so haben doch nur relaltiv wenige schon einmal gespielt, und noch viel weniger sind immer noch aktiv dabei. Die Einstiegshürden für das Hobby sind auch nicht unbedingt klein. Eine der größten ist es, eine Spielleitung zu finden (im D&D-Slang "Dungeon Master", kurz DM, genannt). Denn der Job (und Scott Rehm lässt keinen Zweifel daran, dass es effektiv ein Job ist) ist sehr fordernd und zeitintensiv. Dazu kommt, dass dieser Job sehr schwer zu erlernen ist. Es gibt nur sehr wenig Ratgeber für die Spielleitung, sehr wenig Rollenspieltheorie als Fundament, und das, was es gibt, ist überwiegend Mist. Rehm, der seit Langem die Website The Angry GM betreibt und dort Ratschläge gibt, unternimmt mit diesem Buch den Versuch, das zu ändern.

Freitag, 23. Juni 2023

Bohrleute 50 - Von Peniskanonen, Gefahrenzonen und Moralperformance, mit Ariane Sophie und Christina Dongowski

 


Die Rammstein-Debatte hat mittlerweile große Kreise gezogen, und so holen wir ein großes Diskussionsteam, um das Thema mal gründlich aufzuschnüren. Um was geht es eigentlich, warum werden Dick-Pics in Talkshows gezeigt und warum sollte uns das alles überhaupt interessieren?

Superreiche Chinesen essen Currywurst und wählen in europäischen Rüstungskonzernen eine dritte Partei - Vermischtes 23.06.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde. 

Donnerstag, 22. Juni 2023

Larry Summers streitet inmitten einer politischen Apokalypse mit der Ampel über Transformationskosten und Fahrradwege - Vermischtes 22.06.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Mittwoch, 21. Juni 2023

Rezension: Christopher Clark - Revolutionary Spring: Fighting for a New World 1848-1849 (Teil 3)

 

Teil 1 hier, Teil 2 hier.

Christopher Clark - Revolutionary Spring: Fighting for a New World 1848-1849 (Hörbuch) (Frühling der Revolution: Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt (Hörbuch))

Verantwortlich für die konterrevolutionären Bestrebungen war Metternich. Der österreichische Fürst war bei weitem nicht der radikalste Konservative seiner Zeit; er war Wandel nicht grundsätzlich abgeneigt, sofern dieser langsam und mit den herrschenden Eliten vereinbar war. Als "The Rock of Order" aber war er das Gesicht der alten Ordnung. Zudem verkrustete Metternichs Denken nach 1815 zunehmend, weswegen er nicht in der Lage gewesen sei, zwischen Reformern und Radikalen zu unterscheiden; für ihn seien alle Liberalen Radikale gewesen, was der Lage nicht unbedingt förderlich gewesen sei. Das Selbstverständnis Metternichs sei das eines Damms gewesen, der die flutartige Wucht der Veränderungen aufhält. 

Dienstag, 20. Juni 2023

Wegen Trumps moralischem Abstieg akzeptieren die Grünen Steuererhöhungen im Klassenzimmer - Vermischtes 20.06.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Montag, 19. Juni 2023

Rezension: Christopher Clark - Revolutionary Spring: Fighting for a New World 1848-1849 (Teil 2)

Teil 1 hier.

Christopher Clark - Revolutionary Spring: Fighting for a New World 1848-1849 (Hörbuch) (Frühling der Revolution: Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt (Hörbuch))

In Clarkes nächstem Abschnitt, Patrioten und Nationen, befasst er sich mit einer damals noch völlig neuen, aber umso wirkmächtigeren Idee: dem Nationalismus. Die Idee der Nation war eine künstliche, auch wenn die Nationalisten alles versuchten, um irgendwelche "natürlichen" Grenzen zu konstruieren. Gerade für Konservative war die Idee oft ein Gräuel, weil sie bestehende Traditionen umwarf und zudem mit einer radikalen Gleichheitsvorstellung verknüpft war: wo die Monarchen aktuell aus Gottes Gnaden regierten, waren sie, selbst mit absoluter Macht ausgestattet, in der Nation doch aus der Masse legitimiert, dem Anathema jedes Konservativen. Die Künstlichkeit der Idee erforderte seitens der Nationalisten einen gewaltigen Bildungsakt: großen Teilen der Bevölkerung musste nahegebracht werden, was die Nation war, wodurch sie sich definierte und dass sie alle dazu gehörten. Der Nationalismus war eine Bewegung vorrangig der jungen Männer, die sie auch mit Gewalt durchzusetzen versuchten. Gleichwohl sollte er nicht mit seinen Auswüchsen gegen Ende des 19. und vor allem dem Schlachten des 20. Jahrhunderts gleichgesetzt werden: zwar gab es genügend Geschmacklosigkeiten, wie den französisch-deutschen Konflikt um den Rhein ("Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze"), aber der Nationalismus war paradoxerweise eine gesamteuropäische Bewegung, und eine nicht unerhebliche Gruppe von Freiheitskämpfern focht in diversen nationalen Befreiungskämpfen. Der große Gegner aller Nationalisten waren die multiethnischen Reiche, allen voran das der Habsburger, weswegen sie in Wien auch ihren erbittertsten Gegner fanden. 

Freitag, 16. Juni 2023

Rezension: Jürgen Osterhammel - Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (Teil 5)

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 4 hier.

Jürgen Osterhammel - Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts

Das britische Empire muss aber in seiner Stabilität noch aus anderen Faktoren erklärt werden. Osterhammel listet folgende auf: die Steuerungsfähigkeit des britischen Finanzsystems, da die City of London das Finanzzentrum der Welt war; das nach den Erfahrungen der 1770er Jahre deutlich sensiblere Interventionssystem bei Unruhen und der Anschein von Souveränität etwa bei Ägypten; die Elitensolidarität der aristokratischen Oberschicht; das Nicht-Ausüben von rassistischen Völkermorden; die Fähigkeit zur weltweiten Machtdurchsetzung, vor allem dank der Navy. Die Pax Britannica sei allerdings kein weltweites Interventionsregime gewesen (dazu fehlten Großbritannien die militärischen Mittel), sondern habe sich vor allem durch ihre Natur als public good für alle Staaten ausgezeichnet, die auf diese Art am liberalen Handelsregime teilnehmen konnte, das quasi unentgeltlich bereitgestellt wurde - und auf diese Art Großbritannien weltweit Einfluss sicherte.

Der Platz der AfD in der Bundesrepublik 2023

 

Dies ist eine gesammelte und überarbeitete Version der zwei Artikel Die AfD als Spiegel der Bundesrepublik und Kommunzierende Röhren: die Union und die AfD.

Aktuell ist die AfD ein Umfragengewinner. Die Partei ist deutlich zweistellig und hat mittlerweile sowohl die SPD als auch die Grünen überholt. Der wohlige Grusel, der dabei von mancher Seite empfunden wird, steht direkt neben zahlreichen Artikeln zu der Frage, warum dem so sein könnte. Die Erklärungen sind so vielfältig, dass sie zusammengenommen nur noch eine Kakophonie darstellen. Auffällig ist, wie oft sie einem Schema gleichen: "Die AfD ist wegen dem erfolgreich, wovon ich ohnehin schon überzeugt war." In diesem Sinne sind die AfD und ihr Erfolg eine Art Spiegel der Bundesrepublik: wer auch immer hineinblickt, sieht sich selbst. Das ist für die Debatte nur sehr eingeschränkt zielführend.

Mittwoch, 14. Juni 2023

Kommunzierende Röhren: die Union und die AfD

 

Teil 1 hier.

Der Umgang mit der AfD stellt vor allem eine Partei immer wieder vor Herausforderungen: die CDU/CSU. Die Union nimmt für sich Werte in Anspruch, die auch die AfD vertreten will: bürgerlich sein, konservativ, das "Normale" vertreten. Patriotismus, ein bisschen Christentum, Familie. Ideologisch konkurrieren die beiden daher um dieselbe politische Immobilie, und entsprechend ist der Umgang mit der Partei für die Union auch am schwersten. Anders ausgedrückt: für die Grünen ist es leicht, eine Strategie der Ausgrenzung und Abgrenzung zur AfD zu fahren, wie es für die Union leicht ist, Distanz zur LINKEn zu wahren: der Überlapp ist gleich null. Die Gretchenfrage "Sag, wie hältst du's mit der AfD?" ist seit dem großen mea culpa Thomas Kemmerichs eigentlich nur noch für die CDU relevant. Die FDP kommt in allen Konstellationen nur als drittes Mitglied einer theoretischen Rechtskoalition vor und ist daher nur von Belang, sofern die CDU sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt. Zumindest aus Sicht ihres Vorsitzenden ist die Sache klar:

Dienstag, 13. Juni 2023

Die AfD verzweifelt bei harten Prüfungen über das lyrische Ich der Wärmepumpe auf CNN - Vermischtes 13.06.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Montag, 12. Juni 2023

Rezension: Jürgen Osterhammel - Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (Teil 4)

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.

Jürgen Osterhammel - Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts

Das achte Kapitel, "Imperien und Nationalstaaten - Die Beharrungskraft der Reiche", beginnt mit der Feststellung, dass die internationale Politik nach anderen Regeln als die Innenpolitik funktioniert (und auch eine schlechtere Quellenlage hat) und als oberstes Ziel die Vermeidung von Kriegen hatte. Osterhammel macht fünf Grunddynamiken der Außenpolitik des 19. Jahrhunderts aus: Die Volksbewaffnung, die zu einer größeren Unwägbarkeit von Krieg führte; der Wechsel von dynastischer zu nationaler Außenpolitik; die neuen technologischen Möglichkeiten in der Kriegsführung; die zunehmende Bedeutung von Wirtschaftskraft als Machtfaktor (die Mächte wie die Niederlande oder Schweden endgültig bedeutungslos werden und die USA trotz ihrer militärischen Schwäche bedeutungsvoll werden ließ); und zuletzt die Entwicklung eines Weltstaatensystems, das eben die USA, aber auch Japan und China, einschloss.

Freitag, 9. Juni 2023

Die AfD als Spiegel der Bundesrepublik

 

Aktuell ist die AfD ein Umfragengewinner. Die Partei ist deutlich zweistellig und hat mittlerweile sowohl die SPD als auch die Grünen überholt. Der wohlige Grusel, der dabei von mancher Seite empfunden wird, steht direkt neben zahlreichen Artikeln zu der Frage, warum dem so sein könnte. Die Erklärungen sind so vielfältig, dass sie zusammengenommen nur noch eine Kakophonie darstellen. Auffällig ist, wie oft sie einem Schema gleichen: "Die AfD ist wegen dem erfolgreich, wovon ich ohnehin schon überzeugt war." In diesem Sinne sind die AfD und ihr Erfolg eine Art Spiegel der Bundesrepublik: wer auch immer hineinblickt, sieht sich selbst. Das ist für die Debatte nur sehr eingeschränkt zielführend.

Mittwoch, 7. Juni 2023

Habeck und Lindner schließen in Korea mit der Antifa und Bernd Freier nach einem Referendum mit der Antifa Waffenstillstand - Vermischtes 07.06.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Dienstag, 6. Juni 2023

Rezension: Christoph Möllers - Das Grundgesetz

 

Christoph Möllers - Das Grundgesetz

Das Grundgesetz ist eine Erfolgsgeschichte. Anders kann man eine Verfassung, die bald 75 Jahre alt sein wird, kaum beschreiben. Wenige geschriebene Verfassungen erreichen ein solch stattliches Alter. Was genau darin steht und wie es zu lesen ist, ist allerdings vielen Menschen nicht bekannt. Hier spielt eine Dichothomie eine Rolle, die vielfach bemerkt wurde: die Sprache des Grundgesetzes ist schlicht und angenehm lesbar (für einen Verfassungstext), was aber nicht bedeutet, dass sie deswegen auch verständlich wäre. Christoph Möllers vergleicht das mit einem Gedicht, das ebenfalls sprachlich hoch verdichtet Bedeutungsebenen verschränkt und der Kompetenz der Textanalyse (in dem Fall der lyrischen) bedarf, um tatsächlich verstanden zu werden. Da wir nicht alle Zeit für ein juristisches Staatsexamen haben und Grundgesetzkommentare ohne ein solches auch nicht verständlich sind, ist sein schmales, in der Reihe C. H. Beck Wissen erschienenes Bändchen hier mehr als hilfreich.

Möllers beginnt seine Darstellung in Kapitel 1 vorne, bei "Vorgeschichten und Entstehung". Zuerst beschreibt er in Abschnitt 1 die Vorgeschichten. Die Landesverfassungen vor 1848 sieht er als wenig prägend für das Grundgesetz; vielmehr sei es die Sprache der Paulskirchenverfassung, die stilbildend war und an der sich das Grundgesetz deutlich orientiert. Die Weimarer Reichsverfassung bekommt als erste demokratische und republikanische Verfassung mehr Aufmerksamkeit. Möllers wiederholt die mittlerweile konsensuale Feststellung, dass die Weimarer Reichsverfassung besser als ihr Ruf war, und attestiert dem Grundgesetz eine Überkompensation zum Schutz vor Extremismus, die die Rechtsprechung Weimars übersehe. Gleichzeitig überrascht die Fortführung bestimmter Traditionen aus dem Kaiserreich, etwa die Ausgestaltung des Reichspräsidentenamts oder die starke Stellung des Staats, nicht. Der Nationalsozialismus schließlich dient dem Grundgesetz vor allem als Negativfolie. Seine Missachtung von Grundrechten, sein Aushebeln jeglicher rechtsstaatlicher Prinzipien und seine Vorrangstellung des Staats und seiner Interessen vor dem Individuum waren Negativpunkte, gegen die sich die Ordnung des Grundgesetzes explizit verwahrte.

Von diesem Kurzüberblick geht es zu Abschnitt 2, den Vorentscheidungen. Diese beziehen sich vor allem auf die Arbeit in Herrenchiemsee, wo ein Entwurf erarbeitet wurde, der maßgeblich sein sollte. Für mich ist die Parallele zum Einfluss des Virginia Plan bei amerikanischen Verfassungsgesetzgebung offensichtlich. Hier wurde auch beschlossen, dass das Grundgesetz ein reines Provisorium sein sollte, um die Wiedervereinigung nicht zu verunmöglichen.

In Abschnitt 3 untersucht Möller den Parlamentarischen Rat, indem er kurz entscheidende Personen beschreibt - vor allem Carlo Schmid als Staatsrechtler und Konrad Adenauer als öffentliches Gesicht und vorrangigen "Politiker". Zentrale Streitpunkte betrafen vor allem den Staatsaufbau - die Sozialdemokraten wollten möglichst viel Zentralismus, Alliierte und Christdemokraten Föderalismus, der zudem dem Charakter als Provisorium mehr entgegenkam. Der Streit verschiedener Verfassungsverständnisse ist sehr rechtsphilosophisch - er ging mir ehrlich gesagt über mein Verständnis. Am Beispiel der Menschenwürde, die in Weimar bei weitem nicht so zentral war wie im Grundgesetz, zeigt Möllers den Umgang mit dem Weimarer Erbe genauer auf. Der Konflikt lief hier vor allem darauf ab, ob die Menschenwürde eine rechtliche Norm schuf (was die SPD erklärte) oder einen moralischen Zustand nur festschrieb (was die CDU behauptete). Formal behielt die SPD, in der Sache die CDU Recht, was die hervorgehobene Stellung der Menschenwürde in der Auslegung des Grundgesetzes bis heute erklärt. Abschnitt 4 erläutert kurz die Legitimation des Grundgesetzes: da nicht das gesamte deutsche Volk gefragt werden konnte, bezog es seine Legitimation wesentlich aus seinem Provisoriumscharakter.

In Kapitel 2, "Das Grundgesetz als Text", erläutert Möllers in Abschnitt 1 zuerst Aufbau und Gliederung. Das Grundgesetz stellt einen Grundrechteteil voran, enthält dann zweimal drei Abschnitte zum Staatsaufbau (eine unnötig komplizierte und nicht immer eingängige Konstruktion), ehe es noch Bestimmungen zu Finanzverfassung, Notstand und Übergangsbestimmungen auflistet. Für Möllers aber ist eine Zweiteilung entscheidend: die 19 Grundrechtsartikel zu Beginn, das Scharnier der Staatsziele in Artikel 20 und dann der ganze Rest, der den Verfassungsaufbau vorgibt.

Im zweiten Abschnitt erläutert er dann anhand einiger Beispiele zentrale Normen des Grundgesetzes. Er erläutert den umfassenden Begriff der Menschenwürde, die in Deutschland einen einzigartig hervorgehobenen Platz vor allen anderen Normen besitzt; die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, die vor allem eine Aspiration beschreibt, die von Konservativen und Reaktionären erbittert bekämpft wurde und bis heute bekämpft wird; die Meinungsfreiheit als konstitutives Element der Demokratie; das Eigentumsrecht und seinen schwammigen Cousin, die Verpflichtung zum Gebrauch für das Allgemeinwohl; die Bedingung, dass alles staatliche Handeln vom Volk auszugehen habe (also von vom Volk bestimmten Institutionen); die Rolle der Parteien, die er als eine weitere Überkorrektur aus Weimar empfindet, da ihre Konstitutierung als Staatselement zu allen Arten von unangenehmen Verflechtungen beitrug; den wohl missverstandendsten Artikel, die Gewissensfreiheit der Abgeordneten (die eben nicht von politischem Druck befreit); und zuletzt den quixotischen Artikel 146, der die Abschaffung des Grundgesetzes regelt.

Im dritten Abschnitt beklagt er die Natur der Textänderungen des Grundgesetzes, die allesamt eher die sprachliche Schönheit des Originals zerstört hatten und auf ein Übermaß von verfassungsrechtlicher Festschreibung politischer Konflikte zurückzuführen sind, währen der vierte Abschnitt zur Sprache des Grundgesetzes gerade diese Schönheit noch einmal darlegt.

Das dritte Kapitel, "Das Grundgesetz als Norm", erläutert im ersten Abschnitt den Vorrang der Verfassung: alle Bundes- und Landesgesetze müssen mit ihr konform gehen oder ihre Gültigkeit verlieren, ein entscheidendes Merkmal der Verfassung. Der zweite Abschnitt erläutert das Bundesverfassungsgericht in der Entwicklung des Grundgesetzes. Seine Existenz ist nicht selbstverständlich; der Bundesgerichtshof (BGH), der sich als direkte Fortsetzung des Reichsgerichts verstand und reaktionär ausgerichtet war, beanspruchte diese Rolle für sich und führte zähe Abwehrkämpfe gegen das BVerfG, die sich bis heute fortsetzen. Der dritte Abschnitt skizziert das Wechselverhältnis von Grundgesetz und Politik: das Grundgesetz beschränkt zwar die Politik; gleichzeitig aber beruft sich diese gerne darauf, weitet ihre Spielräume aus und nutzt es als aktive Waffe in der politischen Auseinandersetzung. Üblicherweise stand das BVerfG in Opposition zu der jeweiligen Regierung und schränkte ihre Spielräume ein.

Diese Auseinandersetzungen werden dann im vierten Abschnitt, Politische Epochen im Spiegel des Grundgesetzes, genauer aufgeschlüsselt. Die institutionelle Konsolidierung und die Anfänge des BVerfG waren noch tastende Schritte, in denen die Richter das Abwägen von Grundrechten ebenso erfanden wie ihre Ausweitung. Diese wurden dann in der "permanenten Grundrechterevolution" immer weiter ausgedehnt, indem das BVerfG die Bedeutung der Grundrechte und die Ansprüche der Bürger*innen darauf ausweitete. Das deutsche Recht erlaubt mit der Verfassungsbeschwerde hier ohnehin viel Spielraum. Die Notstandsgesetzgebung, die in den 1960er Jahren solche Sprengkraft entwickelte, hat sich in der Realität glücklicherweise als bislang irrelevant erwiesen, während das BVerfG in den 1970er Jahren den Reformeifer der sozialliberalen Koalition empfindlich beschnitt.

In den 1980er Jahren erlebte die Kohl-Regierung ähnliche Dämpfer, am berühmtesten wohl im Falle des Volkszählungsurteils 1983, bei dem das BVerfG das Recht auf informelle Selbstbestimmung erfand. Die Entscheidung, die Neuwahl 1983 über die absichtlich verlorene Vertrauensfrage zuzulassen, zeigte dagegen wie auch 2005 eine weise Selbstbeschränkung des Gerichts, politische Probleme den Politiker*innen zu überlassen. Leider ist solche Selbstbeschränkung nicht allzu häufig. Dass es 1989/90 nicht zu einer neuen Verfassung nach Artikel 146 gekommen sei, findet er angesichts der Qualität des Grundgesetzes und der Änderungsmöglichkeit nur folgerichtig.

Die großen Föderalismusreformen 1994 und 2006 ordneten das Verhältnis zwischen Ländern und Bund neu, was auch dringend nötig war: die Bundesländer erfüllten ihre eigentliche Aufgabe bereits lange nicht mehr und waren de facto bundespolitische Player geworden. Die wechselnden Mehrheiten im Bundesrat und die spätere Zersplitterung des Parteiensystems machten diesen zudem zuerst zu einem Blockadeinstrument und haben ihn heute zu einem bedeutungslosen Gremium einer peramenten Allparteienregierung verkommen lassen. Möllers kritisiert zudem die Ausweitung der Staatsziele, die ständig - konsequenzfrei - ins Grundgesetz geschrieben wurden und skizziert noch kurz die Internationalisierung des Grundgesetzes durch die europäische Integration, der auch die Struktur des Bundestags folgte.

In Kapitel 4 untersucht Möllers "Das Grundgesetz als Kultur". Im ersten Abschnitt macht er sich an den Begriff des Verfassungspatriotismus, der als Ersatz für nationalstaatlichen Patriotismus seit den 1970er Jahren durch die Debatte geistert. Zwar schätzt er die rechtsphilosophische Untermauerung der entsprechenden Argumente, bezweifelt aber, dass dieser Verfassungspatriotismus Breitenwirkung entwickeln konnte und kann. Gleichwohl empfindet er die Idee, einen Patriostismus, der explizit vom Nationalstaat losgelöst ist (das Grundgesetz war ja ein Provisorium ohne Staatsvolk!) als wegweisend.

Im zweiten Abschnitt skizziert er kurz die Geschichte der Staatswissenschaft, die als Nebendisziplin der Jura im späten 19. Jahrhundert konsolidiert wurde. Sie beschreibt er als lange Zeit inhärent konservativ bis teilweise reaktionär, in latenter Opposition zum Parlamentarismus und in einem Bekenntnis zur Macht des Staates, was durch die Verschränkungen der Wissenschaftler*innen über Posten und Gutachten mit demselben nicht verbessert würde. Der dritte Abschnitt betrachtet kurz das Grundgesetz im Ausland, das dort in Möllers' Erzählung vor allem in lateinamerikanischen und asiatischen Ländern große Anerkennung genießt. Die deutsche Rechtstradition werde oft höher geschätzt als die angelsächsische, wenngleich sich diese dank der Sprache und amerikanisch-britischen Macht weiter verbreitet habe.

Im fünften Kapitel skizziert Möllers "Herausforderungen". Im ersten Abschnitt geht es um die Herrschaft des Volkes und die Herrschaft des Rechts, also den Erhalt des Rechtsstaatsprinzips und der demokratischen Legitimation aller staatlichen Entscheidungsgremien. Der zweite Abschnitt zu Öffentliche Sicherheit und Schutz der Verfassung zeigt kurz das problematische Verhältnis zwischen allzu frei agierenden Geheimdiensten (vor allem des Verfassungsschutzes) auf, verwirft den angeblichen Dualismus von Sicherheit und Freiheit - Freiheit sei nur in Sicherheit zu haben - und erklärt die problematische Funktion von Parteiverboten. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit Religion. Die Vorrangstellung der christlichen Amtskirchen führe auf der einen Seite zu deren "Verstaatlichung", erschwere andererseits aber die Gleichstellung solcher Religionsgemeinschaften, die nicht über halb-staatliche Organisation verfügen. Dieses Erbe des Parlamentatischen Rats wird sich kaum auflösen lassen.

Der vierte Abschnitt befasst sich mit der demokratischen Öffentlichkeit, die zu gewährleisten im Zeitalter des Internets und der privaten Medien nicht leichter wurde. Zwar bekräftigt Möllers wie das BVerfG grundsätzlich die Existenz der Öffentlich-Rechtlichen, weist aber deutlich auf deren geschwundene Legitimation und wandelnden Kern hin (die immer stärkere Orientierung an Unterhaltung), die das immer schwieriger aufrechtzuerhalten mache. Ein weiteres heißes Eisen ist der fünfte Abschnitt, der sich mit der Wirtschaftsverfassung beschäftigt. Möllers weist emphatisch darauf hin, dass Regulierungen wirtschaftliche Freiheit oft überhaupt erst ermöglichen und daher zwingend notwendig seien. Er betont zudem, dass das Grundgesetz weder eine kapitalistische Wirtschaftsweise vorschreibe noch irgendeine andere bevorzuge; die Wirtschaftsverfassung sei vielmehr dezidiert im politischen Bereich zu verorten. Zuletzt befasst er sich im sechsten Abschnitt mit der Europäischen Union; nicht erst seit dem ultra-vires-Urteil des BVerfG ist das Spannungsverhältnis zwischen europäischen Rechtsnormen und denen des Grundgesetzes ein ähnlich virulentes Problem wie die Neigung von Regierungen, unpopuläre Beschlüsse über den Umweg transnationaler Organisationen laufen zu lassen.

In seinem Schluss, "Der fehlende Grund des Grundgesetzes", versucht sich Möllers dann noch an einem Fazit. Wenig überraschend sieht er im Grundgesetz ein grundsätzlich relevantes und starkes Dokument, das allerdings im politischen Betrieb noch überbetont wird. Die Neigung der deutschen Politik, politische Fragen zu verrechtlichen, habe viele Nachteile. Er bewundert allerdings seine Fähigkeit, sich anzupassen und glaubt deswegen an seine Zukunftsfähigkeit.

Ich empfand die Lektüre als juristischer Laie als sehr erhellend, auch wenn mir viele Argumentationen aus den Politikwissenschaften bereits bekannt waren. Der schmale Band ist als Einstieg in die faszinierende deutsche Verfassungsstruktur hervorragend geeignet und liest sich sehr flüssig, ohne dass der Autor deswegen an Klarheit verlieren würde. Das alles gilt natürlich nur, wenn man ein gewisses nerdiges Interesse an Verfassungstexten hat. Aber das ist ja für Lyrik auch nicht anders.

Montag, 5. Juni 2023

Rezension: Boris Dreyer - Als die Römer frech geworden. Varus, Hermann und die Katastrophe im Teutoburger Wald

 

Boris Dreyer - Als die Römer frech geworden. Varus, Hermann und die Katastrophe im Teutoburger Wald (Hörbuch)

Im 19. Jahrhundert kannte jedes Bürgerkind die Sage von Hermann dem Cherusker. Der stolze germanische Recke hatte die Urvölker Germaniens geeint, um sie in einem nationalen Befreiungskampf gegen die "Welschen" zu führen, romanische Besatzer, deren numerische und technologische Überlegenheit er mit List und teutonischem Kampfesmut ausglich, indem er den arroganten römischen Statthalter Varus und seine drei Legionen in der Schlacht im Teutoburger Wald aufrieb. Ähnlich Siegfried erlitt er dann das typisch deutsche Schicksal, in der Stunde des Triumphs verraten zu werden - die deutsche Nationalstaatsbildung wurde um 1900 Jahre verzögert. An dieser Geschichte stimmt so gut wie nichts, aber für einige Jahrzehnte war sie äußerst wirkmächtig und gehörte wie der Nibelungenepos zum kulturellen Standardrepertoir des Kaiserreichs. Heute spielt die Instrumentalisierung Arminius' - wie Hermann in Wirklichkeit hieß, bevor Luther ihn zum Deutschen adelte - keine Rolle mehr. Generell kennt kaum ein Kind die Schlacht im Teutoburger Wald mehr; der Popularitätsverfall der Antike als eskapistischer Fluchtpunkt zugunsten von Marvel und Co hat dazu nicht unwesentlich beigetragen. Trotzdem bleibt das Rätsel des Untergangs Varus' ebenso spannend wie die Germanienpolitik der Römer. Warum gaben sie ihre Versuche auf, Germanien zu erobern? Der Verlust von drei Legionen allein kann es kaum gewesen sein; Verluste schreckten die Römer nicht. Boris Dreyer versucht dem hier auf den Grund zu gehen.

Rishi Sunak führt mit Dorothee Keller einen Kulturkampf um patriotische Heizungen - Vermischtes 05.06.2023

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Samstag, 3. Juni 2023

Bücherliste Mai 2023

 

Anmerkung: Dies ist einer in einer monatlichen Serie von Posts, in denen ich die Bücher und Zeitschriften bespreche, die ich in diesem Monat gelesen habe. Darüber hinaus höre ich eine Menge Podcasts, die ich hier zentral bespreche, und lese viele Artikel, die ich ausschnittsweise im Vermischten kommentiere. Ich erhebe weder Anspruch auf vollständige Inhaltsangaben noch darauf, vollwertige Rezensionen zu schreiben, sondern lege Schwerpunkte nach eigenem Gutdünken. Wenn bei einem Titel sowohl die englische als auch die deutsche Version angegeben sind, habe ich die jeweils erstgenannte gelesen und beziehe mich darauf. In vielen Fällen wurden die Bücher als Hörbücher konsumiert; dies ist nicht extra vermerkt. Viele Rezensionen sind bereits als Einzel-Artikel erschienen und werden hier zusammengefasst.

Diesen Monat in Büchern: Napoleons Soldaten, Krieg im Mittelalter

Außerdem diesen Monat in Zeitschriften: –

Freitag, 2. Juni 2023

Rezension: Manfred Vasold - Die Spanische Grippe. Die Seuche und der Erste Weltkrieg

 

Manfred Vasold - Die Spanische Grippe. Die Seuche und der Erste Weltkrieg

In den Jahren 1918 und 1919 fegte eine Grippeepidemie über die Welt, die irgendwo zwischen 50 und 100 Millionen Opfer forderte. Wähend der Covid-Pandemie wuchs das Interesse an dieser weitgehend vergessenen Epidemie kurzzeitig an; vor allem Laura Spinneys Werk (hie besprochen) schoss dabei in die öffentliche Wahrnehmung. Während Spinneys Anspruch der einer Gesamterzählung der Epidemie war, grenzt Manfred Vasold sein Beobachtungsgebiet stärker ein. Wie der Untertitel bereits verrät, geht es ihm vorrangig um die Wechselwirkungen zwischen der Seuche und dem Ersten Weltkrieg. Zentrale Themen sind hierbei, ob die Epidemie durch den Krieg verschlimmert wurde und ob sie dazu beitrug, die deutsche Niederlage zu besiegeln. Wie er diese Argumentation aufbaut und inwieweit sie tragfähig ist, soll im Folgenden untersucht werden.