Freitag, 31. Dezember 2010

Neue Form des Politikjournalismus?

Von Stefan Sasse

Da bei mir gerade ziemlicher Zeitmangel herrscht, verweise ich euch auf den Artikel "Der neue Politikjournalismus: nichtlinear und visuell" von Max Steinbeis, der sich der Misere des Politjournalismus von einer neuen Sort annähert und versucht, eine Lösung zu bieten. Zumindest als Diskussionsgrundlage ist das Essay allemal zu gebrauchen, also schaut es euch an!
Es war Mitte der Neunziger. Ich hatte gerade den Beschluss gefasst, Journalist zu werden. Ich stand mit einem etwas älteren Freund zusammen, der gerade als Volontär beim Bayerischen Rundfunk genommen worden war, und wir fantasierten über unsere aufregende politische Korrespondentenzukunft: Bonn! Washington! Moskau! Als ich „Brüssel!“ einwarf, zog mein erfahrenerer Freund ein Gesicht.
Ach, Brüssel, sagte er. Brüssel ist doch keine Geschichte.
Jeder weiß, dass die meisten Gesetze auf EU-Ebene entstehen. In Brüssel fallen die maßgeblichen Entscheidungen. Die Politik, die dort gemacht wird, ist für Deutschland und seine Zeitungsleser von ungeheurer Tragweite.
Aber Brüssel ist keine Geschichte.

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Mittwoch, 29. Dezember 2010

"Die Dunkelheit vertreiben"


Es ist leicht, angesichts der schmutzigen Welle von Rassismus, die uns überflutet, zu verzweifeln.
Die Medizin gegen die Verzweiflung ist die wachsende Anzahl junger Leute, Söhne und Töchter der neuen israelischen Generation, die sich vereinigt, um sich im Kampf gegen Rassismus und Besatzung zu engagieren.
In dieser Woche versammelten sich mehrere Hundert von ihnen in einer Halle in Tel Aviv ( die ironischerweise der Zionistischen Vereinigung von Amerika gehört), um ein Buch vorzustellen, das die Gruppe „Das Schweigen brechen“ veröffentlichte.

In der Halle waren auch ein paar Veteranen des Friedenslagers, aber die große Mehrheit der Anwesenden waren Jugendliche in den Zwanzigern, junge Männer und Frauen, die ihren Militärdienst abgeschlossen hatten.
„Die Besatzung der Gebiete“ ist ein Buch mit 344 Seiten, das aus fast 200 Zeugnissen von Soldaten über das tägliche und nächtliche Leben unter der Besatzung besteht. Die Soldaten lieferten die Augenzeugenberichte, und die Organisation, die aus Ex-Soldaten besteht, überprüfte, verglich und wählte aus. Am Ende wurden 183 von etwa 700 Zeugnissen für die Veröffentlichung ausgewählt.

Freitag, 24. Dezember 2010

Weihnachtsbotschaft mal anders

Von Stefan Sasse


Ich bin mir nicht sicher ob die Kids die Botschaft richtig verstanden haben. Die Autorität zu respektieren und ihr zu gehorchen ist aber ganz sicher nicht vereinbar mit den Werten der US-Verfassung und der Bill of Rights. Das aber wiederum stört die evangelikale Rechte ohnehin nicht besonders. Es ist erschreckend, in welche Bereiche deren Propaganda mit Hilfe gehirngewaschener Kinder inzwischen schon eindringt. Ein Glück spielen diese Spinner bei uns keine Rolle. Hier würden uns Kinder vielleicht vorsingen, dass intelligente Menschen Kinder bekommen sollten und der Rest den Sozialämtern gehorchen und arbeiten solle. Oder so. 

In jedem Fall wünsche ich euch schöne Feiertage! Über Weihnachten mach ich den Laden hier mal zu. Feiert schön und ruht euch aus!

Dienstag, 21. Dezember 2010

Die Finanzkrise als Anlass - Fragen, die sich jeder einmal stellen sollte

Von Fred Lemrog

"Auf einem Dampfer, der in die falsche Richtung fährt, kann man nicht sehr weit in die richtige Richtung gehen."
(Michael Ende)

Die aktuelle Krise sollte Anlass sein, darüber nachzudenken, ob nicht - frei nach Shakespeare - womöglich etwas faul ist im Staate Geldsystem. Diese Krise ist eine von vielen in den letzten Jahrzehnten (Asienkrise, Russlandkrise, Argentinienkrise, New Economy Krise, Immobilienkrise). Dabei werden die Krisen ständig größer und ihre Auswirkungen immer gewaltiger. Immer gigantischere Summen müssen in das System gepumpt werden, um einen totalen Kollaps zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund wird mehr und mehr auch für den Normalbürger sicht- und greifbar, dass etwas ganz Grundlegendes falsch läuft und ursächlich für die ständig wiederkehrenden Zusammenbrüche ist. Und immer mehr Menschen beginnen sich für die Gründe und Zusammenhänge zu interessieren und stellen dabei zunehmend solch berechtigte Fragen wie die folgenden:

Montag, 20. Dezember 2010

Unbelehrbarkeit als pathologisches Phänomen? Müssen Neoliberale auf die Couch?

Von Jürgen Voß

Nach langer Zeit habe ich mal wieder einen kleinen Leserbrief an die Hüterin des neoliberalen Grals, die Süddeutsche Zeitung, geschickt. Der Vollständigkeit halber sei er hier abgedruckt:

Zu „Generation 50 plus“ in SZ v. 18/19. Dezember
Dagmar Deckstein, seit Jahren eine der führenden Protagonistinnen des neoliberalen Systemwechsels, legt in Zusammenarbeit mit ihren beiden Kolleginnen ín Sachen „Rente mit 67“, die allen Fakten zum Trotz längst beschlossen ist, noch einmal affirmativ nach (warum eigentlich, die Schlacht ist doch geschlagen?) und dies in völliger Verkennung ihres journalistischen Auftrags mit geradezu peinlicher Verbeugung vor regierungsamtlichen Argumenten, die trotz mannigfaltiger Wiederholung auch nicht richtiger werden.

Freitag, 17. Dezember 2010

Wir brauchen einen aktiveren Staat!

Von Stefan Sasse

Kalifornien steht vor dem Bankrott. In Colorado werden Straßen abgerissen und Beleuchtungen nachts ausgeschaltet, weil Geld für die Wartung fehlt. In Detroit können Müllabfuhr und Lehrer nicht mehr bezahlt werden. In einer amerikanischen Kleinstadt in Tennessee brennen Häuser nieder, weil die Bewohner den Selbstbehalt der Feuerwehr nicht bezahlen können. Dem amerikanischen Sozialsystem, löchrig wie es ist, fehlen Milliarden. Die Gefängnisse laufen über. Und dabei sind die USA nur ein besonders plakatives Beispiel für eine Entwicklung, die alle Industriestaaten ergriffen hat. Der Staat ist immer weniger in der Lage, selbst elementaren hoheitlichen Aufgaben nachzukommen. In Deutschland ist die Entwicklung - noch - subtiler spürbar, etwa in der schlechten Winterräumung, in der Teuerung von Energie und Wasser, der langsam erodierenden Gesundheitsversicherung, den Rentenkürzungen und der zunehmenden Zahl an Obdachlosen. Diese Entwicklung ist eine Konsequenz des Rückzugs des Staates aus dem Alltagsleben, Konsequenz einer starken Beschneidung von Etats und Kompetenzbereichen unter dem Verdikt, dass die Bürger ihre Steuergelder am besten selbst verwalten und die Wirtschaft ohne staatliche Einmischung am stärksten boomt. 

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Was für eine Farce!

Von Stefan Sasse

Der geplante Jugendschutzmedienstaatsvertrag ist gescheitert; alle Parteien des NRW-Landtags verweigern die Zustimmung. Nachdem praktisch keine Partei hinter dem Vertrag steht, aber trotzdem überall zustimmt - auch die NRW-SPD hatte aus "staatspolitischer Verantwortung" die Zustimmung beschlossen - haben wir das Scheitern dieser dummen Initiative einzig der Tatsache zu verdanken, dass die SPD in NRW keine Lust hatte dumm auszusehen: FDP und CDU in NRW hatten angekündigt, dem Vertrag - den sie in ihrer Regierungszeit selbst ausgehandelt haben! - nicht zuzustimmen. Daraufhin hat die NRW-SPD in einem seltenen Akt der politischen Einsicht erkannt, dass es wenig Sinn macht für einen Vertrag zu stimmen den nicht einmal der Verursacher gut findet, "staatspolitische Verantwortung" hin oder her. Letztlich geht es aber einmal mehr nur um die Außenwirkung, und hätten CDU und FDP zugestimmt, hätte rot-grün aus eben dieser "staatspolitischen Verantwortung" mitgestimmt. Was für eine Farce! Was ist das für eine Verantwortung, die es notwendig macht für Verträge zu stimmen, die alle, wirklich alle, dämlich finden? Und da frag sich noch einer, warum man dieser Republik keine Problemlösungskompetenz zutraut! Was für eine Farce...

Dienstag, 14. Dezember 2010

Anatomie des Holocaust

Von Stefan Sasse

Ankunft von Juden in Auschwitz
Die Frage nach dem Verständnis des Holocaust ist in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch weitgehend ungeklärt. Zwar ist die Aufarbeitung - es wurde hier im Blog bereits diskutiert - in Deutschland besonders im Vergleich zu anderen Länderen und deren Kriegsverbrechen extrem fortgeschritten und tiefgreifend. Die Ermüdungserscheinungen gerade des vergangenen Jahrzehnts jedoch, das verhärtende Gefühl von "ich war nicht schuld, ich will das nicht mehr hören" erfordern einen anderen Ansatz der Aufarbeitung. Ich beschreibe diesen anderen Ansatz als "Täger-Perspektive". Gemeint ist, nicht einfach nur die Zahlen der Opfer und die Dimension des Verbrechens aufzuzählen und einen Blick auf die Riege der Top-Nazis von Goebbels über Heydrich zu Himmler und schlussendlich Hitler zu werfen. Das führt in meinen Augen zu nichts. Die Opfer des Holocaust generieren zu reinen Statistiken, und die Riege der nationalsozialistischen Führungsfiguren ist so unglaublich absurd in Verhalten, Gestus, Taten und Absichten, das man sie bis heute kaum versteht und wohl auch nie verstehen kann (vgl. hier). Weiterführend ist stattdessen die Frage, wer den Holocaust eigentlich durchgeführt hat und was die rund 200.000 damit direkt involvierten Menschen bewogen hat, sich der ersten und einzigen industriellen Massentötung der Geschichte zur Verfügung zu stellen.

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Montag, 13. Dezember 2010

Die deutsche Desinformationsgesellschaft

Ein Gastbeitrag von Moritz Steglitz

Es geht mir auf den Keks. In all diesen großen Streitfragen, von Stuttgart 21 über die Kernenergie bis hin zur Konfliktlösung in Israel oder der hiesigen Integrationsdebatte: Über alles reden die Leute, aber die wenigsten von ihnen beschäftigen sich wirklich damit. Die Menschen bilden sich ihre Meinung nicht, in dem sie viele verschiedene Medien zu Rate ziehen, sondern sie beschränken sich in den meisten Fällen auf ein Medium, oder sogar auf gar keines. Hintergrundwissen ist nicht gefragt, die Beschäftigung mit den Themen ist tabu.

Samstag, 11. Dezember 2010

Gedanken zur uneuropäischen deutschen Haltung

In der letzten Zeit schlagen die Wellen um die Rettung der bedrohten Euro-Zonen Länder hoch. Von französischer Seite wie von luxemburgischer Seite wurde Deutschland nun schon wiederholt uneuropäisches Verhalten vorgeworfen. Was aber hat es damit auf sich? Im Folgenen präsentiert der Oeffinger Freidenker zwei kurze Artikel, die sich der Frage nähern. Manuel König argumentiert dabei, dass die Mitfinanzierung der Länder anderer Schulden die Arbeitnehmer in Deutschland doppelt belastet, während Stefan Sasse erklärt, dass die Suche nach kurzfristigen intereuropäischen Wettbewerbsvorteilen generell in die Irre führt. Viel Vergnügen!

Freitag, 10. Dezember 2010

Mal was grundsätzliches...zu Steuern

Von Stefan Sasse

Den Oeffinger Freidenker gibt es nun seit über vier Jahren. Viele Themen wurden bereits mehrfach in unterschiedlichen Beiträgen behandelt, so dass es dem Autor oftmals unnötig erscheint, bestimmte Anspielungen oder Einstellungen näher zu erläutern. Seit 2006 hat sich die Leserschaft jedoch stark vergrößert, und für die, die neu dazugekommen sind, mag nicht immer alles sofort klar sein, was der Oeffinger Freidenker schreibt. Die neue Serie "Mal was grundsätzliches…" soll diese Lücke schließen, in dem noch einmal eine Zusammenfassung zu bestimmten Themen gegeben wird. Diese Folge befasst sich mit Steuern.

Warum wollen wir Progressiven eigentlich immer hohe Steuern und einen expansiven Staatshaushalt? Was haben wir gegen die Idee, dass das Geld der Bürger besser bei den Bürgern verbleibt, die eigentlich besser wissen was damit anzufangen ist als die monströse Staatsbürokratie? Welche Argumente gibt es, die für eine Finanzierung des Staates durch Steuern sprechen? Hat Sloterdijk vielleicht doch Recht, wenn er eine langsame Umstellung auf Freiwilligkeit bei Steuern fordert? Wir wollen im Folgenden einen Blick hinter die Idee der Steuer und ihre Entstehung sowie die aktuellen Methoden werfen, ehe wir uns der Frage widmen, ob wir das eigentlich brauchen oder ob es nicht bessere Methoden gäbe. 

Montag, 6. Dezember 2010

Wikileaks - ein Nachruf


WikiLeaks. Fast das gesamte Internet scheint derzeit nur noch dieses Thema zu kennen und auch die Medien greifen es momentan begierig auf. In Deutschland kommt im Netz noch der JMStV hinzu, aber das ist es dann auch mit den “großen Themen”. Ein paar Anmerkungen zu den jüngsten Vorgängen rund um die Whistleblower-Plattform.

WikiLeaks im Kreuzfeuer der medialen Kritik, seine Server belagert oder gar abgeschaltet und Gründer/Sprachrohr Julian Assange abgetaucht bzw. nun auf der Flucht vor Interpol? Droht den Kämpfern für mehr Transparenz jetzt das Aus? Wie konnte es soweit kommen? Ein Rückblick.

Die Angst der Besitzstandswahrer

Von Stefan Sasse

Wilhelm Heitmeyer ist Vorurteilsforscher. Er untersucht seit neun Jahren Vorurteile gegen Gruppen wie Langzeitarbeitslose, Zuwanderer und Obdachlose. Der Trend, den er dabei ausmacht, ist beachtlich. Nicht nur nehmen aggressive Vorurteile gegen die genannten Gruppen deutlich zu;sie nehmen vor allem in den hohen Einkommensgruppen mit einer Rasanz zu, die erschreckend ist. Der Grund dafür besteht nach Ansicht der Forscher in den gestiegenen Abstiegängsten der Mittelschicht. Diese Erklärung ist absolut plausibel und weist eine frappante Parellele zu den frühen 1930er Jahren auf, in denen es ebenfalls die Mittelschicht war, die aus Abstiegsängsten heraus eine aggressive Trennlinie zu ziehen versuchte und dabei damals in Scharen der NSDAP zulief - ganz im Gegensatz zu der alten Legende, es seien die Arbeitslosen gewesen, die die Nazis gewählt hatten.

Freitag, 3. Dezember 2010

SPD sucht das Super-Personal

Von Stefan Sasse

Susanne Höll wagt sich in der Süddeutschen Zeitung an die bahnbrechende Analyse, dass die SPD kaum öffentlich wahrnehmbares Spitzenpersonal habe; Gabriel, Steinmeier, Nahles, Steinbrück, Oppermann, vielleicht noch Scholz und Lauterbach - dann hat es sich aber auch schon. Für die Partei ist das natürlich ein Problem. Wohin das allerdings führen soll, weiß auch Höll nicht; nur, dass Personalentscheidungen frühestens 2011 fallen sollen. Manuela Schwesig, so mutmaßt sie allerdings, solle eine Art Gegen-von-der-Leyen werden, und auf Steinmeiers Rat könne Gabriel nicht verzichten. Genau hier aber liegt der große Irrtum, dem sich die Sozialdemokratie gerade hingibt. 

Manuela Schwesig als SPD-Variante der Arbeitsministerin aufzubauen mag auf den ersten Blick bestechend logisch erscheinen: beide jung, beide blond, beide Typ emanzipierte Erfolgsfrau: das kommt gut an! Nur, worin bestehen eigentlich die Unterschiede zwischen den beiden? Welche Politik hat von der Leyen bislang gemacht, die die SPD nicht hätte mittragen können? Warum sollte man die billige Kopie wählen, wenn man doch das Original haben kann? Schwesig ist bisher durch nichts aufgefallen außer durch die Tatsache, dass sie ein telegenes Gesicht bei Anne Will in die Kamera halten kann. Beim Personalnotstand der SPD und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Alternative Andrea Nahles wäre, ist das vermutlich nicht ganz schlecht. Von der Möglichkeit, irgendwelches politisches Kapital zu akkumulieren, ist die alte Tante SPD damit aber weit entfernt. 

Mindestens genausoschlimm ist Frank-Walter Steinmeier. Der Fraktionsvorsitzende ist ein Mensch gewordenes Hindernis in der ersten Reihe des Plenarsaals. Kaum jemand ist so untrennbar mit der Agenda2010 und der Wahlniederlage von 2009 verknüpft wie er. Steinmeier ist die Personifizierung dessen, was die SPD loswerden muss. Er erscheint einfach nur als ein rückwärtsgewandter Besitzstandswahrer, der alles so erhalten möchte, wie er es von Schröder und Müntefering übernommen hat, die beide im Gegensatz zu ihm wahre politische Schwergewichte sind. Mit Steinmeier wird die SPD keinen Blumentopf gewinnen. Der Mann muss weg. Oh, der Agenda-Flügel wird ein Gesicht behalten müssen, ohne Frage. Was für Schwesig und von der Leyen stimmt ist genauso in die andere Richtung richtig; wenn die SPD sich die Positionen der LINKEn 1:1 gemein macht wählen die Leute auch das Original (nicht, dass das so schlecht wäre...). Nur findet sich nichts im luftleeren Zwischenraum dieser Politik. 

Und irgendwo zwischen Buchseiten und überbezahlten Vorträgen spielt Peer Steinbrück ein bisschen Helmut Schmidt, ohne dessen Klasse auch nur annähernd zu erreichen. Steinbrück gefällt sich offensichtlich darin, herumzumaulen und die Partei von rechts zu attackieren. Er ist darin Wolfgang Clement sehr ähnlich. Für seine persönlichen Verdienste (monetäre, versteht sich) zahlt sich das sicher aus. Seiner Partei hilft er damit nicht, vielmehr betätigt er sich als Nestbeschmutzer. 

Somit eiert die SPD bis mindestens 2011 weiter herum, wenn Höll Recht behält. Alle Stärke, die sie bis dahin in Landtagswahlen und Umfragen sammelt ist geborgte Stärke über die Schwäche von Schwarz-Gelb und die Enttäuschung, die diese Regierung in der Zwischenzeit verursacht hat. Auf einer solchen Grundlage kann man vielleicht eine Ablösung schaffen - einen Politikwechsel aber sicher nicht.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Der Holocaust und die Deutschen

Von Stefan Sasse

Zufahrt zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau 1945
Das Verhältnis der Deutschen zum Holocaust ist ein zwiespältiges. Es ist ein wohl weltweit einmaliger Vorgang, dass sich eine Nation so eindeutig und unmissverständlich zu einem Verbrechen bekennt, die Verantwortung auf sich nimmt und - wie unvollkommen auch immer - Wiedergutmachung dafür zu leisten versucht. Besonders in den letzten 20, 30 Jahren kommt außerdem eine massive und vergleichsweise profunde Aufarbeitung des Holocaust im breiten öffentlichen Bewusstsein hinzu. Das alles sind Leistungen, die man neidlos anerkennen muss und bei denen man etwa im Falle von Japans Kriegsverbrechen, denen der Sowjetunion oder auch der Kolonialverbrechen von England und Frankreich oder dem Umgang der USA mit der indigenen Urbevölkerung noch vergebens wartet. Gleichzeitig hat diese Aufarbeitung aber auch ihre Schattenseiten. Sie führte zu einem routinierten Betroffenheitsautomatismus, der echte Emotionen für das Thema mehr und mehr zu ersticken droht, zu Denkverboten und politischem Missbrauch. Im Folgenden soll genauer beleuchtet werden, wie die deutsche Aufarbeitung des Holocaust erfolgt ist, welche Probleme und welche Erfolge damit verknüpft sind und wie diese Entwicklung weitergetrieben werden kann. 

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Dienstag, 30. November 2010

Ségolène Royal will Sarkozy zu einer weiteren Amtszeit verhelfen

Von Stefan Sasse

So interpretiere ich jedenfalls ihre Ankündigung, für die Sozialisten kandidieren zu wollen. 2007 war sie Spitzenkandidatin der Linken und schaffte es, mit moderaten Mitte-Positionen gegen einen Rechts-Außen wir Sarkozy zu verlieren. Ihr Geheimnis war, den Wahlkampf größtenteils auf ihr Geschlecht zu reduzieren und zu glauben, die Aussicht auf eine Frau im Elyssée-Palast würde ausreichen, ihr die Mehrheit zu sichern. Genuine politische Positionen hatte sie keine, aber immerhin füllte sie die Klatschspalten mit Hochglanzbildern, die Guttenberg blass vor Neid werden ließen. Vielleicht hat sie inzwischen dazugelernt. Vermutlich nicht. Es steht also zu hoffen, dass Frankreichs Sozialisten einen Kandidaten benennen, der außer seinem Geschlecht auch politische Argumente einzubringen hat. Andernfalls könnte der Sarkozy weitere fünf Jahre das politische Klima Europas mitbestimmen.

Buchbesprechnung: Manfred G. Schmidt - Demokratietheorien. Eine Einführung

Von Stefan Sasse
Die politische Theorie ist ein Feld der Politikwissenschaften, das neben den Internationalen Beziehungen wie kein zweites das Prädikat „trocken“ verdient. Ein großes Maß an abstraktem Denken in Systemen ist notwendig, um sich dieses Feld zu erschließen. Entsprechend groß ist das Bedürfnis nach einem Einstiegswerk, mit dem Politikstudenten und interessierte Laien einen Einblick in die Welt der Theorie bekommen, ohne gleich völlig überfordert zu werden. Manfred G. Schmidt versucht dies im vorliegenden Fall für das Feld der Demokratietheorien zu bewerkstelligen. Dies ist ein lobenswerter Versuch, doch wie nimmt sich das fertige Produkt in der Praxis aus?

Sonntag, 28. November 2010

Ende eines bürgerlich-feuchten Traums

Von Stefan Sasse

Das schwarz-grüne Experiment in Hamburg ist gescheitert. Die Grünen haben die Koalition aufgekündigt und streben Neuwahlen an; da die SPD sich ebenfalls dafür ausgesprochen hatte dürfte es wahrscheinlich sein, dass es auch zu diesen kommt. Mit dem Hamburger Bündnis endet auch die nun zwei Jahre andauernde Feuilleton-Euphorie über die Idee einer Koalition zwischen schwarzen Christdemokraten und grünen Grünen. Die Idee war von Anfang an eine Totgeburt, zum Leben erwacht einzig und allein durch das andauernde Hochschreiben in der Presse, dem sich selbst der Freitag nicht entziehen konnte, der noch vor der Bundestagswahl ein Titelthema dazu hatte. Existiert hat die Gemeinsamkeit zwischen Schwarz und Grün, die oft beschworene neue Bürgerlichkeit, nur in den Köpfen der bürgerlichen Leitartikler. Sie war besonders ein Resultat der Enttäuschung über die FDP seit Herbst 2009. 

Freitag, 26. November 2010

Tiefen der Selbstachtung

Von Stefan Sasse

Es ist immer wieder überraschend, wie tief die Selbstachtung mancher Menschen fallen kann. Militärs und Geheimpolizeien arbeiten gerne damit, die Selbstachtung von Menschen zielgerichtet zu zerstören, sie zu brechen, um alles aus ihnen herauszuholen. Manche Leute lassen sich öffentlich demütigen, haben danach aber noch so viel Selbstachtung übrig, dass sie bei ihrem finanzministeriellen Arbeitgeber kündigen. Und manche haben so wenig Selbstachtung, dass sie, nachdem man sie ausgepresst und wie einen Straßenköter getreten hat, immer noch in der Hoffnung zurück gekrochen kommen, dass vielleicht doch ein Knochen vom herrschaftlichen Tisch für sie abfallen möge. Die Rede ist hier von der Bundesregierung im Allgemeinen und Merkel im Speziellen, der Anlass der Arbeitgebertag. 

Donnerstag, 25. November 2010

2008 ist nicht 1929

Von Stefan Sasse

Massenauflauf auf Wall Street 1929
Auf Youtube findet sich ein Video, in dem die politische Entwicklung von 1929-1932 der von 2008 bis 2010 entgegengestellt und erschreckende Parallelen festgestellt werden. Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Bankencrashs, Minderheitenhass, allgemeine Angst, Inflationsbefürchtung, Sparpolitik - die Ähnlichkeiten scheinen frappant. Sie sind es allerdings nur, wenn man sie so plakativ herausstellt, wie es dieses Video tut. 2008 ist nicht 1929, und 2010 ist nicht 1932. Es gibt Rahmenparameter, die sich drastisch unterscheiden und für die Einordnung der Situation wichtig sind, Rahmenparameter, die in dem Video nicht vorkommen. Vermutlich, weil sie das schöne Vergleichsbild zerstören würden. Nichts destotrotz sollten wir einen Blick wagen. Das Verständnis der Weltwirtschaftskrise, die nicht zu Unrecht als einer der Gründe, wenn nicht sogar der Grund für Hitlers Machtaufstieg gilt, ist elementar, um solche Geschehnisse in Zukunft zu vermeiden. Jedoch sollte man sich darüber bewusst sein, welche Unterschiede es gibt, und diese Unterschiede lassen hoffen. 

Mittwoch, 24. November 2010

Guttenberg, Schäuble und die “vierte Gewalt”


Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen einmal mehr, wie es seit langem um die deutschen Medien, die sich gerne selbst als „vierte Gewalt im Staat“ sehen und bezeichnen, bestellt ist: Sie sind längst keine kritische Gegenmacht zur Staatsgewalt mehr, sind kein auch nur irgendwie neutraler oder objektiver Beobachter, sondern gezielte Stimmungsmacher für bestimmte Interessen. Für eine fast deckungsgleiche Auffassung, als deren Konsequenz Horst Köhler noch zurückgetreten war (die Befürwortung von Wirtschaftskriegen) erntet zu Guttenberg ausschließlich Lob. Wolfgang Schäuble jedoch wird ein eher lässlicher Aussetzer schwer angelastet.
Zu erklären ist dies wohl nicht nur durch persönliche Faktoren und einen unterwürfigen Personenkult der deutschen Presse, sondern auch durch politische Gründe: Während Schäuble Steuersenkungen im Weg steht, ist Guttenberg ganz auf wirtschaftsliberaler Linie.

Dienstag, 23. November 2010

Lisa Erdmann (Spiegel) kämpft für die Grundrechte

Von Stefan Sasse

In der BRD werden manchmal so viele Grundrechte gleichzeitig verletzt, dass man leicht den Überblick verliert. Man kann den Eindruck zumindest gewinnen, wenn innerhalb von Tagen die Wiedereinführung von Konzentrationslagern, Einschränkung der Pressefreiheit und Einschränkung des Demonstrationsrechts auf der Tagesordnung stehen. Da ist es gut, wenn beim Spiegel auch weniger bekannte Grundrechte verteidigt werden, auch wenn man sie dafür vielleicht erst einführen muss. Lisa Erdmann setzt sich aktuell dafür ein, dass die Millionen Arbeitnehmer, die derzeit unter der Belastung, schon mit 65 in Rente gehen zu müssen stöhnen, bald bis 67 arbeiten werden. In "Rente mit 67? Aber gerne!" schreibt sie das Hohelied auf die Herausforderungen der Demographie und dass das einzig Sinngebende im Leben Arbeit sei. Es ist geradezu absurd, welcher Argumente sich Erdmann dabei bedient. Sinnstiftend sei die Arbeit ja, ein Graus sei der Renteneintritt für viele, die unbedingt länger arbeiten wollten. Einen Beweis sieht sie dabei im Engagement gegen Stuttgart21, bei dem ja auch viele Rentner beteiligt sind.

Sonntag, 21. November 2010

Land ohne LINKE?

Von Stefan Sasse

Michael Spreng beschreibt in seinem Artikel "Land ohne LINKE" die aktuelle paradoxe Lage, dass die selbst-ernannt bürgerliche Regierung einen Niedergang erlebt, aber eine Alternative nicht in Sicht ist, weil die LINKE nur von Proteststimmen lebe, die SPD opportunistisch ohne klare Position hin- und herschwankt und die Grünen eigentlich ja eher schwarz sind. Als Konsequenz prognostiziert er, dass die Regierungsbildung 2013 zufällig werden und von weiter sinkender Wahlbeteiligung begleitet sein wird. Seine Einschätzung der Lage ist realistisch, nur bleibt er schuldig, ein Alternativ- und Lösungsszenario zu entwerfen. 

Ich halte es für Unsinn wie Spreng anzunehmen, das aktuelle Problem der LINKEn liege darin, dass Klaus Ernst ihm rechtlich zustehende, moralisch etwas fragwürdige Gehälter bezieht und Porsche fährt. Auch die Farblosigkeit der Vorsitzenden ist nur ein Teil des Problems; dass die Aufmerksamkeitsgarantie Lafontaines sich nicht auf Lötzsch und Ernst übertragen würde war klar. Dass die LINKE an Attraktivität abnehmen würde, sobald die SPD auf den Oppositionsbänken Platz nimmt eigentlich auch; diesen Schluss aber zieht Spreng bereits nicht mehr. Die LINKE betrieb in letzter Zeit tatsächlich ein wenig Nabelschau, tat sich kaum mehr mit irgendetwas hervor. Das ist in meinen Augen auch Fluch des Erfolgs. Die NATO hat jetzt einen Abzugsplan für Afghanistan begonnen. Die Notwendigkeit eines Mindestlohns steht immer drastischer vor Augen und wird auch von SPD und Grünen vehement gefordert. Hartz-IV und die Rente mit 67 sind nicht mehr sakrosankt bei der linkeren Konkurrenz. Die LINKE hat also schlicht an Alleinstellungsmerkmalen eingebüßt. Ihr Schrumpfprozess ist also durchaus nachvollziehbar, macht die LINKE aber gleichzeitig auch koalitionsfähiger, ohne von ihren Positionen abzurücken. 

Interessant bleibt also eher die Frage nach der Verfassung von SPD und Grünen und ihrer Regierungsoption. Schwarz-Grün wird zwar immer noch beredet, aber mir persönlich scheint es, als ob beide Seiten ihre Animositäten als zu risikobehaftet für ihre jeweilige Kernwählerschaft sehen. Die Grünen wissen gut genug, dass ihr aktueller Höhenflug der Schwäche von Schwarz-Rot-Gelb zu verdanken und keine genuine Leistung ist, ganz im Gegensatz zu Westerwelles Größenwahn von 2009. Sicher wählen gerade viele CDU-Sympathisanten Grün, weil sie der CDU einen Denkzettel geben wollen und dies hier tun können, ohne gleich irrational eine extreme Protestpartei zu wählen (also das zu tun, was 1969 die NPD und zu Beginn der 1990er Jahre die Republikaner bedenklich nahe der 5% Hürde brachte). Das aber ist, anders als es viele gemäßigt-liberale Konservative gerade sehen wollen, kein fundamentaler Wandel der Grünen. Diese haben genauso wie die CDU einen dichten Marken- und Stammwählerkern, der den anderen nicht riechen kann. Nicht umsonst gibt es das Schlagwort über viele Baden-Württemberger, dass sie grün denken und schwarz wählen würden. 

Das Problem in der Gleichung ist also weiterhin die SPD. Spreng hat Recht mit seiner Einschätzung, dass die SPD einfach nur opportunistisch hin- und hermäandert. Sie hat das Problem - ein Problem, das Spreng natürlich so nicht benennt - dass die Agenda2010 DER Grund ist, warum sie heute in der Wählergunst so schlecht dasteht. Das hat auch, um das abgedroschene SPD-Standardargument zu verwenden, nichts mit "dem Bürger erklären" zu tun. Das Problem der SPD ist, dass der Bürger die Agenda2010 verstanden hat. Würde der Bürger Merkel genauso verstehen wie Schröder, wäre die Republik ein um einiges besserer Platz. So aber sitzt die SPD zwischen den Stühlen: die traditionellen Sozialdemokraten sind enttäuscht und glauben ihr ohnehin nicht mehr. Die SPD-Anhänger aber, die prinzipiell hinter der Agenda stehen - und die gibt es, da sollte man sich nicht täuschen - will man auch nicht vergrätzen. Ergo ist die Aufgabe der SPD, einen Formelkompromiss zu finden, der einerseits das Agenda-Lager nicht völlig verscheucht, andererseits aber links genug ist, um die entsprechenden Wähler ins Boot zurückzuholen und gleichzeitig mit LINKE und Grünen kooperieren zu können. Das aber ist schwer möglich, solange mit Steinmeier und Steinbrück zwei Hauptakteure der Agenda-Reformen noch an der Macht sind und jeden solchen Kompromiss verhindern, weil sie das Gefühl haben, dass dadurch ihr Lebenswerk zerstört würde. 

Spreng hat aber Recht, wenn er sagt, dass die rot-rot-grüne Option 2013 vor allem daran mangelt, dass die drei Parteien nicht dieselbe Sprache sprechen. Die LINKE nimmt viel Rücksicht auf ihr Protestwählerklientel, das hat zuletzt der Wahlkampf 2009 bewiesen, und sorgt somit für Abwehreffekte bei etablierten Parteien und Wählern gleichermaßen. Die Grünen sind an vielen Stellen für die traditionellen Sozialdemokraten eigentlich ein wenig zu abgehoben, zu bürgerlich-akademisch. Und die SPD-Funktionäre stinken nach allem, was am Berufspolitikertum schlecht ist. Was es braucht sind Visionen, die eine Zusammenarbeit auf eine programmatische Grundlage stellen. Einfach nur ein bisschen vor sich hinregieren, wo Gemeinsamkeiten bestehen, kann nur in die Irre führen, das beweist Schwarz-Gelb gerade. Am ehesten haben die Grünen derzeit eine solche Vision mit ihrem "Green New Deal", der tatsächlich durchaus eine Möglichkeit ist. Könnten sich auch die SPD und die LINKE darauf verständigen, einen "New Deal" zu wagen (jeweils wohl mit anderen Schwerpunkten, aber immerhin), so könnte man daraus tatsächlich eine programmatische Grundlage schaffen, auf deren Basis ab 2013 das Land in eine andere Richtung geführt werden könnte. Nur, danach sieht es zur Zeit leider kaum aus.

NACHTRAG:
Der Artikel ist bei den NDS verlinkt, die sich folgendermaßen wundern:

Anmerkung KR: Dieser Satz irritiert etwas: „Die LINKE nimmt viel Rücksicht auf ihr Protestwählerklientel, das hat zuletzt der Wahlkampf 2009 bewiesen, und sorgt somit für Abwehreffekte bei etablierten Parteien und Wählern gleichermaßen.“ Ein Kommentator des Blogs zitierte dazu treffenderweise Gysi: “Noch eine neoliberale Partei mit Namen DIE LINKE benötigt Deutschland nicht”.
Gemeint ist nicht, dass die LINKE eine andere Politik als angebotsorientierte Politik vertritt. Gemeint sind Werbeslogans wie "Reichtum für alle", die alle rein in die Protestwählerkerbe schlagen. Einzig und allein darum geht es.

Freitag, 19. November 2010

Zitat des Tages

Von Stefan Sasse

„Wenn wir in der Nachbarschaft irgendetwas wahrnehmen, dass da plötzlich drei etwas seltsam aussehende Menschen eingezogen sind, die sich nie blicken lassen oder ähnlich, und die nur Arabisch oder eine Fremdsprache sprechen, die wir nicht verstehen, dann sollte man glaube ich schon mal gucken, dass man die Behörden unterrichtet, was da los ist.“ (Erhart Körting, Innensenator Berlin, SPD)
Ich glaube Körting hat Angst vor Vampiren. Die kommen auch nur nachts raus, wenn sie sich erst einmal ein Haus gemietet haben, und weil sie so alt sind, sprechen sie komische Sprachen. Zumindest, wenn es nicht die Vegetarier-Weichspülvariante aus Twilight ist. Also, Bürger, Augen auf vor Vampiren in der Nachbarschaft.

Donnerstag, 18. November 2010

Mittwoch, 17. November 2010

Zitat des Tages

Von Stefan Sasse

Fast ohne weiteren Kommentar diese Fragestellungen des SPIEGEL in einem Interview mit dem damaligen Finanzminister Karl Schiller im Sommer 1972:
SPIEGEL: Wir vermögen die sachliche Notwendigkeit der jetzt vorgesehenen Streichungen von 1,3 Milliarden Mark nicht zu erkennen. Diese Milliarde ist doch konjunkturpolitisch kaum so relevant, daß Sie dafür das ganze Theater inszenieren sollten.
[....]
SPIEGEL: Ist es nicht reichlich euphemistisch zu glauben, mit drei Milliarden weniger Staatsverschuldung könnten Sie bei einem Bruttosozialprodukt von 816 Milliarden die Preise stabilisieren?
[...]
SPIEGEL: Glauben Sie tatsächlich, den Zuschlag zur Mehrwertsteuer, die vor allem die unteren Einkommensbezieher trifft, als Sozialdemokrat rechtfertigen zu können?[....]
SPIEGEL: Aus sozialen Gründen wäre es doch am vernünftigsten, nicht die Steuern zu erhöhen, sondern mehr Schulden aufzunehmen.
[...]
SPIEGEL: Warum muß die Verschuldungsrate wieder runtergehen? Das bedeutet doch, daß Sie Reformen zu Lasten des Konsums finanzieren und die privaten Investitionen schonen.
[...]
SPIEGEL: Während die von Ihnen vorgesehene Erhöhung der Mehrwertsteuer ganz eindeutig preistreibend wirkt, ist dies bei der Verschuldung keineswegs die zwangsläufige Folge. Denn letztlich nehmen Sie nur eine Umschichtung von angespartem Kapital vor: Ein Teil dessen, was bislang an die Privatunternehmen fließt, kassiert nun der Staat.
SCHILLER: So einfach ist das nicht. Denn die private Nachfrage nach Sparkapitalist von uns nicht zu regulieren.
SPIEGEL: Doch, durch den Zinssatz. Der Staat kann sich höhere Zinszahlungen leisten als die Privaten.
SCHILLER: Das ist nur begrenzt relevant. Sie können damit nicht verhindern, daß sich die Unternehmen über Kreditschöpfung der Banken das Kapital holen und dann die Nachfrage über das Sparangebot hinaus befriedigt wird.
SPIEGEL: Wenn die Bundesbank durch Geldverknappung den Kreditschöpfungsspielraum der Banken einschränkt und gleichzeitig die außenwirtschaftliche Flanke abgesichert ist, stimmt Ihre Prämisse nicht mehr.

Wohin ist diese Zeitschrift verschwunden?

Dienstag, 16. November 2010

Leistungsträger auch bei der Bundeswehr?


Das Leistungsdenken scheint nun vermehrt auch bei der Bundeswehr Einzug zu halten: Verteidigungsminister zu Guttenberg führt einen neuen Orden für verdiente Kämpfer ein – Verwundete aber gehen weiterhin leer aus.

Die neue Medaille sollen SPON zufolge diejenigen Afghanistankämpfer erhalten, die “mindestens einmal aktiv an Gefechtshandlungen teilgenommen oder unter hoher persönlicher Gefährdung terroristische oder militärische Gewalt erlitten haben”. An ein Verwundetenabzeichen, wie es in anderen Armeen gebräuchlich ist, sei jedoch nicht gedacht, denn eine Verwundung allein stelle ja keine Leistung dar: “Grundlage für eine Auszeichnung sind besondere durch den Soldat zu erbringende Leistungen, die bei einem Verwundetenabzeichen so nicht gegeben wären.”

Montag, 15. November 2010

Mal was grundsätzliches...zu Auslandseinsätzen

Von Stefan Sasse

Den Oeffinger Freidenker gibt es nun seit über vier Jahren. Viele Themen wurden bereits mehrfach in unterschiedlichen Beiträgen behandelt, so dass es dem Autor oftmals unnötig erscheint, bestimmte Anspielungen oder Einstellungen näher zu erläutern. Seit 2006 hat sich die Leserschaft jedoch stark vergrößert, und für die, die neu dazugekommen sind, mag nicht immer alles sofort klar sein, was der Oeffinger Freidenker schreibt. Die neue Serie "Mal was grundsätzliches…" soll diese Lücke schließen, in dem noch einmal eine Zusammenfassung zu bestimmten Themen gegeben wird. Diese Folge befasst sich mit Auslandseinsätzen.

Auslandseinsätze sind, wenn es nach der Bundesregierung geht, eigentlich ein recht einfaches Thema. Die neue, globalisierte Welt bietet sowohl Herausforderungen und Chancen als auch Gefahren für die Sicherheit Deutschlands, denen man am besten präventiv begegnet, indem man sie noch am Ursprungsort bekämpft - Deutschlands Freiheit wird, nach diesem Diktum, auch am Hindukusch verteidigt. Neuerings hört man immer öfter die Argumentationslinie, dass deutsche Handels- und Wirtschaftsinteressen ebenfalls durch die Bundeswehr beschützt werden müssen. Die Opposition der LINKEn, als einzige generell gegen Auslandseinsätze eingestellt, sieht die Sache ebenfalls einfach: laut Grundgesetz darf sich Deutschland nur im Angriffsfalle verteidigen, aus der NATO sollte man nach Ansicht radikalerer LINKEr ohnehin austreten und ansonsten ist Krieg verwerflich und unmoralisch. 

Samstag, 13. November 2010

EKD Studie weist nach: Männerrechtler hatten von Anfang an Recht!

Von Arne Hoffmann

Im Jahr 2001 legte ich mit meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" Thesen vor, die dem damaligen Zeitgeist dermaßen entgegenliefen, dass es so aussah, als wollte ich mich mit diesem Buch für die Geschlossene bewerben: Jungen, nicht Mädchen werden in der Schule benachteiligt. Frauen verdienen für dieselbe Arbeit keineswegs ein Viertel weniger als Männer. Und häusliche Gewalt geht von Frauen mindestens so häufig aus wie von Männern. Alles war sauber durch Fakten und Quellen belegt (das Literaturverzeichnis umfasst über 600 Titel), aber in einer Bevölkerung von ca. 80 Millionen gab es damals vielleicht ein paar Dutzend Leute, die sich mit den Thesen meines Buches anfreunden konnten. Und die wurden schnell zur Zielscheibe der gehässigsten Anfeindungen. Beschimpfungen wie "frauenfeindlich!" und "Jammerlappen!" waren Usus; manche phantasierten uns zu Pädophilen, andere zu Rechtsextremen.

Machen wir einen Sprung ins Jahr 2010: Die "Jungenkrise" ist inzwischen Tagesthema. Dass die 23 Prozent Lohnunterschied nur zustande kamen, weil man Äpfel mit Birnen verglichen hatte, das hatte das Statistische Bundesamt inzwischen ebenso erklärt wie das Institut der Deutschen Wirtschaft. Und die häusliche Gewalt? Dieses Problem gehörte innerhalb der Geschlechterpolitk immer zu meinen Kernthemen. Wer bei Google "häusliche Gewalt gegen Männer" oder auch nur "häusliche Gewalt" eingibt, wird als einen der ersten Treffer meinen vor zehn Jahren in der Frankfurter Zeitschrift NOVO veröffentlichten Artikel darüber finden, den die Redaktion provozierend mit "Häusliche Gewalt ist weiblich" überschrieben hatte. In meinem Buch Männerbeben berichte ich, wie sich dieses Thema seitdem entwickelt hatte.

Der Zug ist abgefahren, das Problem bleibt


Der Castortransport hat erwartungsgemäß sein Ziel in Gorleben erreicht – trotz zahlreicher Versuche, ihn aufzuhalten. Es bleibt die Frage, was aus seiner strahlenden Fracht werden soll.

Vor dem Hintergrund der massenhaften Proteste gegen den neuerlichen Castor-Transport scheint die Frage “Wohin nur mit dem Zeug?” in den Hintergrund getreten, dabei sollte sie doch die Kernfrage überhaupt sein. Die Verbringung von Atommüll nach Gorleben, das zunehmend schon rein sicherheitstechnisch nicht den Anforderungen an ein Endlager zu genügen scheint, zu verhindern, löst ja nicht das Grundproblem der Entsorgung. Über 8.000 Kubikmeter hochradioaktiven Materials werden bereits heute in Europa zwischengelagert und jährlich wächst diese Menge um rund 280 Kubikmeter an.

Freitag, 12. November 2010

Buchbesprechung: Klaus Norbert - Die Einflüsterer

Von Stefan Sasse

In den Medien herrscht Einflüsterung vor. Bedeutungslose Ereignisse werden auf riesige Größe aufgeblasen, während andererseits wirklich bedeutende Ereignisse nicht oder nur am Rande berichtet werden. Dschungelcamps, Katastrophen und irgendwelche Aussagen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt werden beherrschen die Meinungsbildung. Vorgänge in der EU, bei denen überkomplexe Regelwerke unser tägliches Leben beeinflussen, werden dagegen gar nicht erst berichtet oder erklärt. Auf diese Art und Weise können Einflüsterer simple Thesen zu allgemein anerkannten Standards machen und beherrschen die öffentliche Debatte.

Donnerstag, 11. November 2010

Melvyn Krauss' willkürlicher Feldzug für Deutschland

Von Stefan Sasse

In der gestrigen FTD findet sich ein Gastartikel des emeritierten VWL-Professors Melvyn Krauss (New York/Stanford), in der dieser den US-Finanzminister Geithner dafür angreift, seinerseits Deutschland angegriffen zu haben. Zur Erinnerung: Geithner beklagte, dass Deutschlands hohe Exportüberschüsse Ungleichgewichte schüfen (ebenso wie die Chinas) und Deutschland seine Binnennachfrage stärken solle. Natürlich - das konzediert Krauss auch zu Recht - steckt dahinter das US-Eigeninteresse, seinen eigenen seit Jahren darniederliegenden Exportsektor zu stärken und so vielleicht endlich wieder in die Nähe einer ausgeglichenen Handelsbilanz zu kommen. In weiten Teilen aber ist Krauss' Kritik vollständig irregeleitet. 

Mittwoch, 10. November 2010

Alice Schwarzers Offener Brief an Kristina Schröder - eine Replik

Von Stefan Sasse

Alice Schwarzer war nicht untätig und hat auf Schröders Thesen reagiert. Natürlich war sie nicht ganz so erfreut über deren Aussagen wie ich. Sehen wir uns einmal an, was Schwarzer so alles schreibt.
Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie sind jetzt seit fast einem Jahr im Amt. Seither warte nicht nur ich auf Taten und Zeichen von Ihnen, die die Lage der Familien verbessern und die Gleichberechtigung der Frauen weiter bringen könnten. Zeichen, wie wir sie von Ihrer couragierten Vorgängerin gewohnt waren. Wir warteten bisher allerdings vergebens. Die einzig aufregende Nachricht aus Ihrem Amt war Ihr Namenswechsel von Köhler auf Schröder - was mich persönlich, ehrlich gesagt, bis heute verwirrt.
Dafür haben Sie nun dem Spiegel ein aufschlussreiches Interview gegeben. Ein Interview, bei dem man nicht so recht weiß, ob man nun weinen oder lachen soll. Eines jedenfalls ist spätestens jetzt klar: Was immer die Motive der Kanzlerin gewesen sein mögen, ausgerechnet Sie zur Frauen- und Familienministerin zu ernennen – die Kompetenz und Empathie für Frauen kann es nicht gewesen sein.
Mit Ihrem übereifrigen Engagement für Männer – statt Frauen – gehen Sie selbst den beiden Spiegel-Interviewern zu weit. Die machen Sie im Gespräch mehrfach ironisch darauf aufmerksam, dass Sie „doch Frauen- und nicht Männerministerin“ seien und von 185 Dax-Vorständen noch immer 181 männlich. Doch das kann Sie nicht bremsen. 
Es ist interessant, dass Schwarzer so sehr auf die Rolle Schröders als Frauen-Ministerin abhebt. Sie dürfe sich nicht für Männer einsetzen, ihre Aufgabe sei es ausschließlich, sich um das Wohl der Frauen zu kümmern. Das aber ist falsch. Sie ist Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das sind vier Aufgabenfelder, und als Senior könnte man sich ebenso nicht repräsentiert vorkommen wie als Jugendlicher, wenn das Amt nach Schwarzers Maßgaben ausgefüllt wird. Was ist überhaupt die "Kompetenz für Frauen", die Schwarzer anspricht? Es bleibt merkwürdig mysteriös. Kompetenz für Frauen, das ist das, was Alice Schwarzer sagt. Sie ist gewissermaßen der Papst des Feminismus, ihr Wort Gesetz. Allein sie weiß in ultimativer Instanz, was gut und richtig ist für Frauen. 

Deutschlands Lateinamerika-Politik: Im Stil des Kalten Krieges


Hauptmann der Reserve Dirk Niebel (1)
Die Südamerikareise von Dirk Niebel verdeutlicht den Strategiewandel in der Lateinamerikapolitik Deutschlands wie in seiner  gesamten Entwicklungspolitik: Statt um Armutsbekämpfung und Entwicklungschancen geht es vor allem um die wirtschaftlichen Interessen der deutschen Industrie. Dabei arbeitet Deutschland  vor allem in Lateinamerika verstärkt mit neoliberal ausgerichteten Staaten zusammen – und dies unabhängig davon, ob diese rechtsstaatliche Grundsätze erfüllen, und selbst davon, ob dort schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.

Mauerstücke für Bolivien, Millionengelder für Peru

Das neue Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung hatte es eigentlich schon hinreichend beschrieben: Im Vordergrund der Aktivitäten Deutschlands in Lateinamerika und in der Karibik sollen künftig Rohstoffsicherung, Exportförderung und die Absicherung der Interessen deutscher Unternehmen stehen. Hinzu kommen jedoch auch ideologische Gesichtspunkte: Unter Schwarz-Gelb erhalten Staaten mit einer wirtschaftsliberalen Ausrichtung deutlich mehr Gelder als andere. Länder mit einer sozialdemokratischen oder demokratisch-sozialistischen Regierung bekommen in vielen Fällen weniger Mittel.

Montag, 8. November 2010

Mal was grundsätzliches...zum Feminismus

Von Stefan Sasse 

Den Oeffinger Freidenker gibt es nun seit über vier Jahren. Viele Themen wurden bereits mehrfach in unterschiedlichen Beiträgen behandelt, so dass es dem Autor oftmals unnötig erscheint, bestimmte Anspielungen oder Einstellungen näher zu erläutern. Seit 2006 hat sich die Leserschaft jedoch stark vergrößert, und für die, die neu dazugekommen sind, mag nicht immer alles sofort klar sein, was der Oeffinger Freidenker schreibt. Die neue Serie "Mal was grundsätzliches…" soll diese Lücke schließen, in dem noch einmal eine Zusammenfassung zu bestimmten Themen gegeben wird. Diese Folge befasst sich mit dem Feminismus.

Die Zeit der großen feministischen Diskussionen ist lange vorüber. Paragraph 218, Gleichberechtigung im BGB, Einführung des Zerrüttungsparagraphen ins Scheidungsrecht - alles Siege der Feminismusbewegung, seit zwei Generationen vertraut. Heute wirkt Alice Schwarzer wie ein Fossil, nicht mehr wie Vorkämpferin einer radikal neuen Bewegung, und im Islamhass scheint sie derzeit ein probates Mittel zu sehen, den Mangel an Aufmerksamkeit wettzumachen, der ihre eigene Feminismusversion glücklicherweise kennzeichnet. Bevor wir richtig ins Thema einsteigen, beginnen wir mit einer kurzen Bestandsaufnahme. 

Sonntag, 7. November 2010

Kristina Schröder macht etwas richtig

Von Stefan Sasse

Ich habe mir ja vorgenommen, nicht immer nur über die Regierung zu meckern, sondern auch zu sagen, wenn sie etwas gut macht. Nachdem ich vor fast zwei Monaten Merkel für ihre Haltung in der Integrationsdebatte lobte, gibt es nun schon wieder ein Lob auszusprechen, dieses Mal ausgerechnet für Kristina Schröder. Das kommt unerwartet, weil man von ihr eigentlich generell nichts erwartet. Das Titelthema des neuen SPIEGEL nutzend (man debattiert in den Hamburger Redaktionsstuben einmal mehr Geschlechterrollen) bringt sie sich scharf gegen den Feminismus in Stellung, was den zuständigen Spiegel-Redakteur zu der Annahme bringt, sie schärfe damit ihr konservatives Profil. Das ist Unsinn, aber mehr dazu weiter unten. Was Schröder gesagt hat ist das Folgende, grob zusammengefasst: die reine feministische Lehre ist radikaler Unsinn, ihre Verwerfung von Familie und Kindern ebenso, und besonders der Theorie, dass Frauen einzig und allein homosexuell ihr Glück finden könnten, begegnet sie aggressiv. Schröder schreibt sich besonders die Jungenförderung auf die Fahnen.

Freitag, 5. November 2010

Ein gelungener Beitrag zur Integration

Stefan Sasse

Man muss den privaten Fernsehsendern durchaus den ehrlichen Willen zugestehen, sich in die Integrationsdebatte einzubringen. Man denke nur zurück an den Aufruhr, den der Brandbrief der Rütli-Schule seinerzeit verursacht hat! Es wurde schnell bekannt, dass die Fernsehsender Schüler (und Nicht-Schüler) dafür bezahlt hatten, sich auf dem Hof zu prügeln oder Mülleimer aus dem Fenster zu werfen und so der Darstellung die nötige Würze zu geben. Die entsprechende Meldung ging seinerzeit unter, schon allein, weil Medien ungern über die Verfehlungen ihrer Kollegen berichten. Der Stern schert gerade ein wenig aus dieser Schweigephalanx aus und bringt einen Artikel darüber, wie systematisch ausländische Jugendliche dafür bezahlt wurden, im Fernsehen den negativen Klischees zu genügen. 

Donnerstag, 4. November 2010

Die Integrationsdebatte als Ablenkungsmanöver

Von Markus Weber

In Deutschland haben wir viel weniger ein Integrations-, denn ein soziales Problem. Nicht Herkunft oder Religion, vielmehr ist die soziale Spaltung die Ursache der meisten gesellschaftlichen Missstände. Die derzeitige Integrationsdebatte ist in erster Linie eine reine Show, die von diesen realen Problemen ablenken soll. Auch die derzeit stark ins öffentliche Interesse geratenen Fehler der Bundesregierung stehen auf diese Weise nicht mehr im Mittelpunkt. Doch indem immer stärker Politiker aus bürgerlichen Parteien auf rechte Parolen setzen, werden ausländerfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung noch weiter gefördert - und sie sind schon jetzt erschreckend verbreitet. Dadurch könnten vielleicht auch Kräfte des rechten Randes einen Aufschwung erfahren.


Dienstag, 2. November 2010

Die amerikanischen Midterm-Elections 2010

Von Stefan Sasse

In den USA fanden gestern die "Midterm-Elections" statt, also die Kongresswahlen, die nicht gleichzeitig mit den Wahlen des Präsidenten stattfinden, sondern zwischen zwei Präsidentschaftswahlen. Um zu verstehen, welche Bedeutung diese Wahlen haben und warum sie so regelmäßig stattfinden, dass sie ihren eigenen Begriff haben, muss man das US-Wahlsystem verstehen: der Kongress (also die US-Legislative) besteht aus zwei Kammern, dem House of Representatives (Repräsentantenhaus) und dem Senate (Senat). Die Repräsentanten, 435 an der Zahl, grob nach Bevölkerungsverhältnissen aus den Einzelstaaten zusammengesetzt, werden alle zwei Jahre neu gewählt. Die Wiederwahlquote liegt mit durchschnittlich 80% recht hoch; der Dauerwahlkampf, dem sie ausgesetzt sind, soll Volksnähe erzeugen. Anders die Senatoren, die erst seit 1913 überhaupt gewählt werden. Sie werden alle sechs Jahre neu gewählt, allerdings je ein Drittel alle zwei Jahre. Der Präsident wird alle vier Jahre neu gewählt. Durch den Turnus der Wahlen fallen stets die Hälfte der Wahlen entweder mit einer Präsidentschaftswahl zusammen oder eben dazwischen - in den "Midterm". 

Montag, 1. November 2010

Zehn Thesen zu intransparenter Gesetzgebung


1.
Gesetzgebung, wie überhaupt politische Gestaltung generell, kann in der heutigen pluralistischen Gesellschaft nur erfolgreich sein, wenn die Betroffenen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Ohne den Input möglichst weiter Kreise der von der Regulierung Betroffenen ist die Gefahr, am Problem vorbeizuregulieren oder später an gesellschaftlichen Widerständen zu scheitern, übergroß.

2.
Der Gesetzgeber unternimmt – insbesondere auf EU-Ebene – zahlreiche Anstrengungen, diese Einbeziehung herzustellen: Diskussionsentwürfe, Eckpunktepapiere, Anhörungen, Veröffentlichung von Stellungnahmen, Grünbücher, Calls for Proposals etc. Das gelingt aber nur teilweise: Von der Gelegenheit, auf den Entscheidungsprozess einzuwirken, machen im Regelfall nur spezialisierte Interessenverbände und Wissenschaftler Gebrauch. Es entstehen Expertendiskurse, die de jure offen für breiten gesellschaftlichen Input sind, de facto aber weitgehend geschlossen verlaufen.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Holt den Adel zur Rettung der Republik!

Von Stefan Sasse

Kennt ihr das Gefühl? Überall "graugesichtige Politiker"? Nur Partikularinteressen? Die Niederungen der Parteipolitik? Bürgerliche, manchmal gar mit einem Arbeiterhintergrund, mühsam ihre niedere Herkunft verbergend und nicht auf dem internationalen Parkett zu Hause? Kommunalpolitiker in Hintertupfingen, die nicht einwandfrei englisch können? Landtagsabgeordnete ohne eigenes Schloss? Hadert nicht! Ursula von der Leyen und Karl-Theodor zu Guttenberg eilen herbei und retten den Tag!

Das zumindest ist der Eindruck, den man gewinnen muss wenn man die aktuelle Debatte um "Adel in der Politik" ansieht, die bei Frank Plasberg geführt und freundlicherweise auch von der SZ diskutiert wurde, damit man sich die 75 Minuten nicht wirklich antun muss. Dabei saß eine Reihe von Blaublütern mit Plasberg und Elitenforscher Hartmann zusammen und redete darüber, warum die Republik dringend des Adels zu ihrer Rettung bedarf. Klingt absurd? Ist es leider nicht. 

Dienstag, 26. Oktober 2010

Aufgelesen und kommentiert [UPDATE]

Von Stefan Sasse

Bei Sprengsatz findet sich ein weiteres Kapitel aus der beliebten und nie endenden "Guttenberg ist toll"-Kiste. Spreng erklärt, dass Guttenberg bei der Wahl 2013 bayrischer Ministepräsident werden müsse, um sich für die Kanzlerkandidatur 2017 warmzulaufen. Aaaaaah ja. Sehen wir mal. Ich glaube, das Seehofer-Bashing wird vorher irgendwann aufhören. 

Thema Seehofer-Bashing und Guttenberg-Hype: bei der FTD verkauft Horst von Buttlar Seehofer als Gott-sei-bei-uns und Guttenberg als leuchtenden Messias der Politik. Der Artikel ist ein Paradebeispiel dafür, wie man mit cleveren Gleichsetzungen einfach nur die eigene Meinung dadurch verstecken kann, dass man sie irgendwelchen Figuren ansteckt, eine Methode, die wir bei Sarrazin in letzter Zeit oft genug erlebt haben. Der Artikel enthält einige großartig hirnrissige Stilblüten und eignet sich schon alleine deswegen zur Lektüre, je nach Veranlagung zum Schwellen der Lachmuskeln oder des Wuthalses. 

Der Deutsche Beamtenbund fordert Gehaltssteigerung für den Öffentlichen Dienst; sieben Prozent. Für die SZ ist das "frech" und "nicht maßvoll". Ach. Nicht maßvoll. 

Bei Feynsinn und Spiegelfechter findet sich ein Rant gegen die Absicht der Regierung, die Raucher zu belasten um dafür den Lobbyisten einmal mehr Geld in den Rachen zu schütten (beziehungsweise da zu lassen). So sehr ich mich der Kritik auch grundsätzlich anschließe; die Freiheit der Raucher ist in meinen Augen keine, die es sich zu erhalten lohnt. Aber das hatten wir ja schon. Übrigens, das neue Gesetz wird die Einkünfte der Tabaklobby laut SpOn sogar steigern, deswegen hört man aus der Ecke auch nichts. 

"Wir in NRW"-Blog hat Emailverkehr von CDU-Parlamentariern zugespielt bekommen, der belegt, dass man nicht nur den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen abgehört hat, sondern dass sich das Wahldebakel mit "mehr Abhören" auch hätte vermeiden lassen. Natürlich berichtet da niemand drüber. 

UPDATE

In der SZ macht Thorsten Denkler wieder mal den Jubelperser für Steinmeier: die Kanzlerkandidatur sei entschieden, Steinmeier beliebt bei den Wählern, und so weiter und so fort. Bezüglich der Beliebtheit kann ich nur auf das nächste Fundstück verweisen, was den Rest des Artikels angeht: intellektueller Dünnpfiff.

Der Postillon hat genau die richtige Antwort auf den Hype um Guttenberg und den Versuch, Steinmeier wieder aus der Versenkung zu holen. Absoluter Lesebefehl!

Die Puffmutter der Wirtschaftsnutten

Von Stefan Sasse

Urban Priol und Georg Schramm sind bei einer Stuttgart21-Demo aufgetreten. Sehenswert! Nicht nur wegen dem Zitat im Titel.



Sonntag, 24. Oktober 2010

Aussichten auf 2013

Von Stefan Sasse

Noch drei Jahre sind es bis zur nächsten Bundestagswahl. Die schwarz-gelbe Regierung hat ihren Schreckenskatalog weitgehend abgearbeitet. Die meisten Rechnungen der Wahlkampfspender sind beglichen, die drastischsten Kürzungen durchgesetzt. Die Bilanz des ersten Jahres der Koalition ist katastrophal, aber es stehen noch drei weitere bevor. Rot-Grün hat von 1999 bis 2002 auch effektiv nur wenig getan, nachdem die ganzen Grausamkeiten gleich zu Beginn erledigt wurden. Wer redete 2002, als Schröder in großer Pose das Nein zum Irakkrieg verkündete und in Gummistiefeln durch das Oderwasser stiefelte, noch vom Kosovokrieg und den "rot-grünen Chaostagen"? Niemand. Die schwarz-gelbe Regierung erlebt derzeit einen katastrophalen Imageverlust und verliert wohl einige Landtage, das ist wahr. Aber das war noch das Schicksal jeder Regierung, und obgleich das Ausmaß des Versagens und der Korruption unserer Führungsschicht alles bisher Dagewesene wirklich in den Schatten stellt sollte man sich nicht zu früh freuen: schwarz-gelb kann noch einiges reißen in den vor uns liegenden drei Jahren, das die Stimmung bis dahin noch drehen wird - gänzlich ohne neue Terroranschläge und Überflutungen, die natürlich jederzeit hilfreich hinzukommen können. 

Freitag, 22. Oktober 2010

Mal was grundsätzliches...zur LINKEn 2010

Von Stefan Sasse

Den Oeffinger Freidenker gibt es nun seit über vier Jahren. Viele Themen wurden bereits mehrfach in unterschiedlichen Beiträgen behandelt, so dass es dem Autor oftmals unnötig erscheint, bestimmte Anspielungen oder Einstellungen näher zu erläutern. Seit 2006 hat sich die Leserschaft jedoch stark vergrößert, und für die, die neu dazugekommen sind, mag nicht immer alles sofort klar sein, was der Oeffinger Freidenker schreibt. Die neue Serie "Mal was grundsätzliches…" soll diese Lücke schließen, in dem noch einmal eine Zusammenfassung zu bestimmten Themen gegeben wird. Diese Folge befasst sich mit der LINKEn im Jahr 2010. 

Seit der Bundestagswahl 2009 ist die LINKE wie in einem medialen Dornröschenschlaf verschwunden. Obwohl sich die schwarz-gelbe Regierung in einer Geschwindigkeit selbst zerlegt, die selbst die optimistischsten Beobachter nicht für möglich gehalten hätten und die SPD weiter in einem Jammertal der Tränen verharrt, profitiert die LINKE nicht davon. In Umfragen hat sie seit der Wahl sogar an Stimmen verloren. Man hört von ihr nichts von ihr zum Atomdeal, nicht zur Gesundheitsreform, nichts zur Migrationsdebatte. Kein Zweifel, zu jedem dieser Themen hat die LINKE eine Meinung, und die publiziert sie sicher auch brav als Pressemitteilung auf ihrer Homepage. Aber kein Medium interessiert sich dafür, selbst in der Blogosphäre spielt die LINKE kaum eine Rolle. Selbst der aufgebautschte Skandal um Klaus Ernst hat keinen Hund hinter dem Ofen hervorgelockt. Warum ist das so? Wo liegt das Problem der LINKEn?

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Neoliberalismus, eine Ideologie der Idiotie


Der freie Markt mit seinen unsichtbaren Händen ist das einzig Wahre und Gute in der Welt, der Staat ist abgrundtief böse. Der einzig alternativlose Weg ist Wachstum, Wachstum, Wachstum und dafür müssen wir sparen, sparen, sparen.

Das Schöne an dieser neuen neoliberalen Welt ist, nahezu jeder glaubt an diese Wirtschaftsideologie. Seit der Weltwirtschaftskrise ist jedoch bei einigen das Vertrauen in die magischen Wirkmächte des Marktes erschüttert. Einer dieser Kritiker ist Jack Welch. Er ist nicht nur der Ex-Chef von General Electric, er gilt auch als Vater des Shareholder Value Prinzips. Heute bezeichnet er das Konzept als “die blödeste Idee der Welt“. Doch nicht alle sind so lernfähig wie Jack Welch, die meisten Folgen weiterhin der Ideologie des Neoliberalismus und erhöhen nach der Krise einfach nur die Dosis an Idiotie.

Auf diesem Weg sind wir bereits weit fortgeschritten. Wären wir auf der Titanic, würde sich zur Zeit folgende Szene abspielen: Der Ausguck meldet erregt: “Eisberg voraus!” Die Kapitänin antwortet ruhig und ohne jeglichen Zweifel: “Die Schifffahrstwissenschaftler sagen, es gibt keine Eisberge am Nordpol, also sind vor uns auch keine Eisberge. Wir machen weiter so, volle Fahrt!”

Dienstag, 19. Oktober 2010

Nachtrag zu "Politisches Erdbeben21"

Von Stefan Sasse

Am 16. September, also vor etwas mehr als einem Monat, habe ich einen Artikel darüber geschrieben, dass S21 ja demokratisch legitimiert worden wäre und vor allem schon ewig durch und deswegen der Protest etwas aus der Zeit gefallen ist. Inzwischen muss ich diese Ansicht teilweise revidieren. S21 ist längst über die Frage des Bahnhofbaus hinausgegangen; inzwischen geht es um einen grundsätzlichen Kampf gegen "die da oben", den "die da unten" - hier wage ich zu prophezeien - verlieren werden, weil sie nicht die Ausdauer haben werden, den Kampf bis März durchzuziehen, was aber nötig wäre, um wirklich einen messbaren Einfluss auf die Politik zu gewinnen, die gerade auf dem besten Weg ist die Sache zu domestizieren. 

Fachkräftemangel – das neue Räppelchen der Neoliberalen

Von Jürgen Voß

Das neoliberale Lager hat wieder eine neues Räppelchen: Den Fachkräftemangel. Getreu den drei Leitlinien der neoliberalen Scholastik: Das Unlogische ist für uns vollkommen logisch, das Unplausible ist für uns gerade plausibel genug und das nicht Vermittelbare kriegen wir schon vermittelt, wird auch dieser neuerliche Unfug in der praktisch gleichgeschalteten Medienwelt mit einer so kabarettreifen Ernsthaftigkeit diskutiert, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Zu den Fakten: In diesem Lande haben wir 3,1 Mio. Arbeitlose und dazu – im Mo-natsbericht der BA nachzulesen – 1,4 Mio. Menschen in sog. Fördermaßnahmen. Lassen wir die stille Reserve – neuere Untersuchungen zeigen, dass in Deutschland 8,6 Mio. Menschen arbeiten bzw. mehr arbeiten wollen als bislang – sind dies 4,5 Mio. Menschen. Erste Frage: Alles Hilfsarbeiter?

Montag, 18. Oktober 2010

Mal was grundsätzliches...zu politischen Talkshows

Von Stefan Sasse

Den Oeffinger Freidenker gibt es nun seit über vier Jahren. Viele Themen wurden bereits mehrfach in unterschiedlichen Beiträgen behandelt, so dass es dem Autor oftmals unnötig erscheint, bestimmte Anspielungen oder Einstellungen näher zu erläutern. Seit 2006 hat sich die Leserschaft jedoch stark vergrößert, und für die, die neu dazugekommen sind, mag nicht immer alles sofort klar sein, was der Oeffinger Freidenker schreibt. Die neue Serie "Mal was grundsätzliches…" soll diese Lücke schließen, in dem noch einmal eine Zusammenfassung zu bestimmten Themen gegeben wird. Diese Folge befasst sich mit den politischen Talkshows.
Jede Woche laufen mehrere politische Talkshows im Fernsehen, besonders bei den Öffentlich-Rechtlichen Sendern. Die prominentesten Namen - stets die Moderatoren, die gleichzeitig die "Marke" darstellen - sind Frank Plasberg, Anne Will, Maybritt Illner und Sandra Maischberger, wobei letztere beiden nicht nur politische Talkshowthemen machen, sondern auch andere, die allerdings immer eine irgendwie geartete gesellschaftliche Relevanz haben. Die Themen, wohlgemerkt, nicht die Sendungen. Wenn die feuchten Träume der Intendanten war werden, dürfen wir bald auch noch eine Sendung "Günther Jauch" ansehen, in der "Deutschlands klügster Mann" (laut Umfragen) dann Politiker befragen und an der Aufgabe scheitern darf, deren belanglose Wortblasen zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen oder auch nur so etwas wie einen halbwegs ordentlichen Gesprächsablauf zu organisieren. Denn die politischen Talkshows sind nutzlose Übungen, lediglich wöchentliche Zurschaustellungen schlechten Stils und Demonstrationen dessen, was im Medienzirkus falsch läuft. 

Samstag, 16. Oktober 2010

Was für ein Boden?

Von Stefan Sasse

Klarstellungen von der CSU-Spitze sind immer gut. Man hat was zu lachen, zu ärgern und zu weinen, für alle etwas dabei. Nach der Kritik, die Seehofer wegen seiner dämlichen Integrationsäußerungen entgegenschlug, hat er sich nun entschieden, Missverständnisse auszuräumen: 
"Integration heißt nicht nebeneinander, sondern miteinander leben auf dem gemeinsamen Fundament der Werteordnung unseres Grundgesetzes und unserer deutschen Leitkultur, die von den christlich-jüdischen Wurzeln und von Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist." (Quelle)
Das ist der einzige Teil seines Geplappers, der über ein "Jawoll" der Stammtische hinausgeht ("Deutschland darf nicht Sozialamt der Welt werden", "Deutsch kennen schon im Herkunftsland", blabla). Christlich-jüdische Wurzeln? Humanismus und Aufklärung bei der CSU? Das alles sind doch eitle Phrasen. Wenn Seehofer das so formuliert, wird sich niemals irgendjemand integrieren können. Ein Land, in dem man sich auf die Basis des Christentums stellen muss um als integriert zu gelten - da kriege ja nicht mal ich den Pass mehr. Und "Humanismus und Aufklärung"? Was soll das denn sein? 


Freitag, 15. Oktober 2010

In memoriam Hermann Scheer

Von Stefan Sasse

Hermann Scheer ist tot. Er war einer der profiliertesten Umweltpolitiker der SPD, bekam den alternativen Nobelpreis und arbeitete zusammen mit Andrea Ypsilanti an alternativen Wirtschafts- und Energiekonzepten und gründete das Institut für Solidarische Moderne mit. Als Abgeordneter meines Heimatwahlkreises war die Wahl für mich immer ein absoluter No-Brainer. Mit Scheer verliert die SPD ein wichtiges Mitglied; ich trauere um ihn.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Vetternregierung


Nach noch nicht einmal einem Jahr Regierungszeit könnte man denken, die schwarz-gelbe Bundesregierung habe bereits fast alle Klientelinteressen bedient. Doch sie hat noch viele Vettern, deren Taschen gefüllt werden wollen. Jetzt ist die Versicherungswirtschaft dran Schwarz-Gelb ist im Augenblick dabei, die Renten-, Kranken- und Lebensversicherung auf private Kapitaldeckung umzustellen und den privaten Versicherungen Gelder zuzuschanzen.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Blogpause bis Freitag

Von Stefan Sasse

Liebe Leser, 
das Blog wird für die nächsten zwei Tage in einer Art kleinem Inkubationsschlaf liegen. Ich habe am Donnerstag meine Examensprüfung im Fach Geschichte und kann deswegen dem tagesaktuellen Geschehen nicht die Aufmerksamkeit widmen, die es verdient. Haltet euch solange an die Kollegen in der Blogroll, wünscht mir alles Gute und so alles glatt läuft, sehen wir uns am Freitag wieder. 
Und wenn nicht auch. 

Liebe Grüße
euer Oeffinger Freidenker, Stefan Sasse

Montag, 11. Oktober 2010

Diese ganze "Integrationsdebatte" widert mich so an!

Von Stefan Sasse

Ganz ehrlich, ich kann es kaum beschreiben. Wie in den letzten kaum zwei Jahren eine Stimmung in diesem unserem Land entstanden ist, die den Aufschwung einer neuen und rapiden Ausländerfeindlichkeit markiert, ist beachtlich. Anfang der 1990er Jahre schrie alles Zeter und Mordio, als die Republikaner mit ihren Thesen von "Deutschland den Deutschen" in den Landtag Baden-Württemberg einzogen und nach einigen Demoskopen sogar Chancen auf den Bundestag hatten. Heute sind sie längst rechts überholt. "Wir brauchen keine Einwanderung aus fremden Kulturkreisen", hat Seehofer postuliert. Wenn man die offensichtliche Frage "Woher denn dann?" einmal beiseite lässt, dann muss einem doch auffallen, dass diese Phrase genausogut im Munde eines NPD-Politikers hätte liegen können, ohne das irgendjemandem auch nur das Geringste aufgefallen wäre. Dass die NPD verkündet hat, Sarrazin vertrete größtenteils ihre Positionen war nur ein Publicitygag, sicherlich. Doch leider ist es gleichzeitig schmerzhaft wahr. 

Sonntag, 10. Oktober 2010

Zitat des Tages

Von Stefan Sasse
Erst wenn das letzte Hartz IV gerodet, die letzte Gesundheitsreform kassiert, der letzte gerettete Banker Millionär ist, werdet ihr feststellen, dass Atomkraftwerke keine Hotelübernachtungen buchen.

Freitag, 8. Oktober 2010

Ein paar Gedanken zur Stuttgarter Infrastruktur

Von Stefan Sasse

Jens Berger vom Spiegelfechter hat eine hervorragende Zusammenfassung der Fakten aufgestellt, die gegen S21 sprechen und dabei auch die prägnantesten Strukturen der "Spätzle-Connection", also des Stuttgarter Lokalfilzes, angestellt. Nun wurde ich zufällig in dieser Stadt geboren und habe sie erst vor zwei Jahren verlassen, weswegen ich die Infrastruktur hier aus eigener Anschauung kenne. Stuttgart hat glücklicherweise nämlich nicht nur ein überaus ineffizientes Straßennetz, das jeden Tag zweimal quasi vollkommen blockiert ist, nein, es verfügt wie ganz Baden-Württemberg auch über ein sündteures Nahverkehrsnetz, das sich den Luxus mehrer unabhängiger und extrem teurer Verbünde erlaubt. Aber für diejenigen, die nicht aus der Ecke hier kommen, erst einmal eine Aufnahme aus Google Maps, damit klar wird von was wir hier eigentlich reden: 

Marc-Beise-Satire

Von Jürgen Voß

Wir schreiben das Jahr 2020: Die neoliberale Ära in Deutschland ist trotz der acht Totalcrashs des Weltfinanzmarktes und einem Schuldenstand der öffentlichen Haushalte von über sechs Billionen Euro sowie dem völligen Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme immer noch nicht beendet, denn Wahlbeteiligungen von unter fünf Prozent haben dazu geführt, dass Kanzler Phillip Rösler mit seinem kleineren Koalitionspartner CDU unangefochten die Richtlinien der Politik bestimmt. Der Reformeifer dieser Regierung ist ungebrochen. Ihr neuestes Projekt: Die Wiedereinführung der Kinderarbeit. Marc Meise, von der Süddeutschen Zeitung, kommentiert:

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Kann man eigentlich noch über Beise schreiben?

Von Stefan Sasse

Irgendwie schon. Rein von der Menge des Materials, das die Materie hergibt, könnte man sogar einen Anti-Beise-Blog aufmachen. Prinzipiell wäre die Thematik wohl was für den BILDBlog, wenn der sich für solche thematischen Dinge ebenfalls interessieren würde, was er aber leider nicht macht. Deswegen bleibt die Arbeit eben immer wieder an uns hängen. Bei Feynsinn findet sich zum aktuellen Kunstwerk Beises lediglich ein kurzer Rant: 
Einer der unfähigsten deutschen ‘Journalisten’, die neoliberale Gebetsmühle Marc Beise, weist heute den Bundeswirtschaftsminister zurecht, der solle gefälligst auch weiterhin das Mantra aufsagen – und sonst nichts. Ich verstehe ja auch nicht, was den Brüderle reitet, aber wenn der schon mal etwas halbwegs Logisches sagt, muss dann gleich dieser Wadelnbeißer daherkommen und lautstark das gewohnte Maß an Blödheit einfordern? Wenn man keine Ahnung hat … 
Flatters Brechreiz ist nachvollziehbar. Dummerweise hat er dabei ein Glanzstück Beise'scher Selbstdemontage übersehen, das der Oeffinger Freidenker freundlich nachreicht: 

Eine Kotztüte, bitte!

Von Stefan Sasse

Man stelle sich für einen Moment vor, Margot Honecker würde im Neuen Deutschland eine Serie zu der Aufarbeitung von Verbrechen aus der DDR-Zeit redaktionell begleiten. Lassen wir die Vorstellung kurz sinken. Ist jedem klar, wie groß der Neuigkeitswert wäre? Und wie absurd das Ergebnis? Gut, denn so etwas ähnliches plant RTL II. Stephanie zu Guttenberg, den Verteidigungsaußenwirtschaftsstrahleministers Guttenbergs treues Eheweib, die sich derzeit mit größter Penetranz in den Medienzirkus drängelt, wurde "von RTL II als Moderatorin für ein wohl aufsehenserregendes Format gewonnen" (O-Ton DWDL). Das aufsehens- und übelkeiterregende Format trägt den Namen "Tatort Internet - Schützt endlich eure Kinder!" RTL II und Guttenberg geben gleich mit vertrauenserweckendem Lächeln Entwarnung: keine Doku-Soap nach üblichem RTL-II-Muster werde es sein, sondern eine seriöse Show mit einem "gesellschaftspolitischen Anliegen". Rührt sich schon was im Magen? 

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Bericht aus dem neoliberalen Lila-Lula-Land

Von Stefan Sasse

Wer kennt sie nicht, die Geschichten aus 1001 Privatisierung? Jene Geschichten, die uns in verkrusteten bürokratischen Strukturen erstarrten Deutschen zeigen, wie das dynamische Volk der Amerikaner es mit life, liberty and pursuit of hapiness immer wieder schafft, ohne Kündigungsschutz den homo oeconomicus zum Vorschein zu bringen? Eine Glanzgeschichte aus dieser Gegend liegt nun aus dem US-Bundesstaat Tennessee vor, wo ein Haus Opfer der Flammen wurde, nachdem der anwesende Enkel Müll verbrannt hat. Gut, möchte man sagen, solcher Mist passiert eben; dafür gibt es ja eine Versicherung und die Feuerwehr. Tja, nicht in dieser Ecke von Tennessee. 

In dieser Gemeinde fehlt nämlich seit 20 Jahren das Geld für eine Feuerwehr. Deswegen muss jeder Haushalt jährlich 75$ abdrücken, wenn er bei Brand das Haus gelöscht bekommen will. Um es in den Worten des örtlichen Bürgermeisters zu sagen: "If you don't pay, you're out of luck." (Wenn sie nicht bezahlen, haben sie Pech gehabt) So geschehen im aktuellen Fall. Die Anwohner hatten die Gebühr nicht bezahlt, weswegen ihr Anruf bei der Feuerwehr ignoriert wurde. Ein zweiter Anruf endete dann beim freundlichen operator, der in ruhiger Stimme erklärte, dass die Anwohner nicht auf der Liste seien und das Haus deswegen nicht gelöscht werden könne. Das verzweifelte Angebot des Mannes, jeden Preis zu zahlen, dass die Feuerwehr doch anrücke, wurde mit einem lapidaren "zu spät" abgelehnt.

Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden, die Haustiere der Familie - insgesamt vier an der Zahl - starben allerdings in den Flammen, weil die Feuerwehr nicht einmal sie retten wollte. Vermutlich hatten die Haustiere ihre Anteile an der Futterration nicht auf der Feuerwehrwache abgeliefert; genau weiß man das nicht. Diese Geschichte aus dem nun abgebrannten FDP-Wunderland zeigt eindrucksvoll, warum man die elementaren Dienste wie Polizei und Feuerwehr (und eigentlich auch Gesundheits- und Transportwesen sowie Energie- und Wasserversorgung) nie, nie, nie aus staatlicher Hand geben darf. Genau das passiert dann. Das ist so weit entfernt von den Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, wie es nur irgendgeht. Es ist der Dschungel, eine Rückkehr in barbarische Zeiten in einer Epoche der technologischen Hochzivilisation, ein abstoßendes Beispiel einer unmenschlichen Ideologie.

Aber keine Angst, die Feuerwehr kam schlussendlich doch. Nicht, um das Haus zu löschen. Die Flammen hatten aber nachdem der Brand einige Stunden in vollem Gange war auf das Nachbarhaus übergegriffen. Und der Nachbar hatte die Gebühr zu seinem Glück bezahlt.

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