Freitag, 2. Dezember 2011

Politik als Geschäft - Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten

Von Stefan Sasse

Hermann Cain
Nur wenige Politiker müssen derzeit so viel Hähme und Spott ertragen wie die Kandidaten der Republikaner auf das höchste Staatsamt der USA. Der eine befürchtet, dass China nukleare Waffen entwickeln könnte (erster erfolgreicher Test 1964), die andere will die iranische Botschaft schließen (seit 1980 geschlossen), der dritte erinnert sich nicht daran, welche Ministerien er eigentlich schließen will (wissen wir bis heute nicht). Wer sich fragt, warum diese Parade der Peinlichkeiten überhaupt in den Wahlkampf eingestiegen ist, wo sie doch so offensichtlich ungeeignet sind, der hat schlicht nicht verstanden, wie der Präsidentschaftswahlkampf im Allgemeinen und der aktuelle im Speziellen funktionieren. Zuerst allgemein: schon immer bewarben sich im Vorwahlkampf auch Kandidaten, die objektiv wegen Außenseiterpositionen oder mangelnden Netzwerken keine Chance hatten. Das könnte sein, weil sie etwa (für Amerikaner) linke oder rechte Positionen vertreten oder weil sie zu unbekannt und zu wenig im Establishment verankert sind. Für solche Personen geht es im Vorwahlkampf überhaupt nicht darum, ernsthaft zu gewinnen. Ihr Ziel ist entweder der Aufbau von Beziehungsnetzen und einem Bekanntheitsgrad, oder aber - häufiger - Agenda-Setting. Ein sehr liberaler Demokrat beispielsweise wird das gesamte Bewerberfeld der Demokraten nach links ziehen, weil die anderen ein Interesse haben müssen, seine Wähler nach seinem unvermeidlichen Ausscheiden auf sich selbst zu verankern. Andersherum ziehen Kandidaten wie Michelle Bachmann das republikanische Bewerberfeld nach rechts. Auf diese Art und Weise werden die Positionen eines zukünftigen Präsidenten stark mit beeinflusst. 

Michelle Bachmann
Das ist bei den aktuellen Präsidentschaftsbewerbern ebenfalls der Fall. Ron Paul beispielsweise ist ein solcher Kandidat; er will seine Herzensthemen auf die republikanische Agenda drücken. Rick Santorum und Jon Huntsman dürfte es dagegen eher um den Aufbau einer Basis gehen. Rick Perry hatte sich vermutlich echte Chancen ausgemalt; mit George W. Bush hatten die Amerikaner aber erst einen Präsidenten, der mit seinem Unwissen kokettierte. Einen zweiten Cowboy-Texaner braucht es so schnell nicht wieder, und offensichtlich hat Perry nicht das gewisse Etwas von Bush. Gänzlich anders gelagert aber ist der Fall bei den drei Kandidaten, die in so schneller Folge die "Frontrunner" der Republikaner wurden: Newt Gingrich, Hermann Cain und Michelle Bachmann. Sie alle haben von Sarah Palin gelernt: ein Hoffnungsträger der Tea-Party-Bewegung zu sein bringt eine Unmenge Kohle. Seit ihrer Vizepräsidentschaftskandidatur 2008 hat Sarah Palin mehr als 12 Millionen Dollar allein durch ihre politischen Aktivitäten und deren Vermarktung verdient. Das ist ein Kuchen, an dem auch andere gerne teilhaben würden. Sowohl Cain als auch Gingrich sind als Verkäufer bereits vorher erfolgreich gewesen; Bachmann will wohl vor allem Palins Masche kopieren. Ihnen geht es weder um das Durchdrücken einer bestimmten Agenda, noch um den Aufbau von Beziehungsnetzwerken. Beides vernachlässigen sie auffällig. Stattdessen inszenieren sie sich ganz im Sinne der Tea Party und lassen sich von ihr tragen. 

Newt Gingrich
Es ist das große Geld,  das diese Leute lockt. Deswegen polarisieren sie auch so. Es ist ihnen egal, dass sie mit ihrem plakativ zur Schau getragenenen Radikalismus niemals die Präsidentschaft gegen einen zentristisch auftretenden Obama gewinnen könnten. Darum geht es ihnen gar nicht. Wenn die 20 bis 30% überzeugten Tea-Party-Extremisten in den USA sie auf Händen tragen reicht ihnen das völlig und garantiert volle Hallen und dicke Honorare. Es ist die Politik als Geschäft, die diese Leute treibt. Es geht ihnen keinesfalls um das tatsächliche Erringen der Kandidatur. Das ist auch der Grund für die guten Chancen von Mitt Romney, der zwar bei den Republikanern auch unbeliebt ist, aber von jedem, der die Tea Party nicht mag, als kleineres Übel gewählt werden muss. Ob das gegen Obama 2012 ausreichen wird ist zweifelhaft. Das Einzige, das irgendeinen dieser Kandidaten ins Weiße Haus befördern kann, ist die ökonomische Lage oder irgendeine außenpolitische Katastrophe, sprich: externe Faktoren, die außerhalb von Obamas Macht liegen. Letzten Endes wetten die Republikaner bei dieser Wahl alles auf das große Roulette des Lebens. Während einige von ihnen persönlich stark bereichert aus dem Prozess herausgehen, können sich die ernsthaften Kandidaten nur dann Chancen ausmalen, wenn es der Mehrheit der Amerikaner besonders schlecht geht. Diese Wette ist unglaublich pervers, und egal, wie man zu Obama steht muss man sich wünschen, dass sie nicht aufgeht.

Bildnachweise: 
Cain - Gage Skidmore (CC-BY-SA 3.0)
Bachmann - Office of Congresswomen Michelle Bachmann (gemeinfrei)
Gingrich - Gage Skidmore (CC-BY-SA 3.0)

13 Kommentare:

  1. Viel Spaß hat auch sichtlich die "Daily Show" mit den Kandidaten. Jon Stewart bedankt sich regelmäßig für das Vorhandensein solcher personifizierter Steilvorlagen.

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  2. "Es ist das große Geld,das diese Leute lockt. Deswegen polarisieren sie auch so."
    Und von solch vekommenen Leuten wird die Welt gelenkt...

    Guter Artikel.
    der Herr Karl

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  3. Man sollte die Republikaner nicht vorzeitig abschreiben. Trotz ihrer offensichtlichen Inkompetenz darf man nicht die tiefe Enttäuschung der Wähler mit Barack Obama vergessen, der "Change" versprochen, aber - selbst bei größtem Wohlwollen - allenfalls "Small Change" geliefert hat. Das mag nicht seine Schuld gewesen sein, aber die Psychologie der meisten US-Wähler sieht nun einmal so aus, dem Präsidenten die Schuld zu geben, wenn etwas schief läuft.

    Die enttäuschten Obama-Wähler brauchen bei der Wahl nur zu Hause zu bleiben, damit am Ende unter Umständen die 20 - 30% Tea-Party-Fanatiker den Ausschlag geben und einen dieser Totalausfälle zum Präsidenten machen; nicht weil er irgend etwas geregelt kriegen würde, sondern weil er den "wahren Glauben" hat ...

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  4. @Moto
    Nicht unbedingt, ich denke gerade ein irrer Tea-Party-Fanatiker würde selbst die schwer enttäuschten Obamafans mobilisieren und an die Wahlurnen treiben. Die größere Gefahr wäre imo ein strunzlangweiliger Republikaner-Kandidat, dem es gelingt die ganzen Tea-Party-Anhänger auf sich zu vereinen.

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  5. @ Ariane 15.00 Uhr

    Ich gebe Dir recht, dass ein vergleichsweise eher farbloser Kandidat wie Mitt Romney bei den Wählern außerhalb der Tea Party wahrscheinlich bessere Chancen hätte. Ich denke allerdings, er hätte Schwierigkeiten, die Tea Party auf Linie zu bringen, denn mittlerweile sind weite Teile der Bewegung dermaßen fanatisiert, dass sie jemanden, den sie nicht als "einen der Ihren" ansehen, kaum unterstützen werden. Und ohne diese Unterstützung wird kaum ein Kandidat die primaries überstehen, Wahlchancen oder nicht. Die politische Rationalität der Tea Party hält sich, fürchte ich, in dem Punkt in Grenzen.

    Letztlich ging es mir auch nur darum, dass man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen sollte. Mit einer hochmobilisierten (und -fanatisierten) Tea Party und demoralisierten Obama-Wählern ist schwer vorherzusehen, was passieren wird, weder bei den primaries, noch bei den Präsidentschaftswahlen selbst.

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  6. Richtig, Obama hat natürlich noch nicht gewonnen. Aber ich denke, die Republikaner werden das Problem haben, dass sie vermutlich einen recht aggressiven Wahlkampf fahren müssen, um die Tea Party zufrieden zu stellen. Und das wird Obama wohl eher bei denen, die noch über Restverstand verfügen, in die Hände spielen.

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  7. @ Ariane

    Ich hoffe wirklich, dass Du recht behältst. Ich habe bei dem negativen Mobilisierungseffekt, auf den Du spekulierst, nur eben meine Zweifel. Warten wir´s ab, interessant wird es in jedem Fall ...

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  8. Man könnte grad meinen, Obama hätte diese Gurkentruppe finanziert und aufgestellt, um davon abzulenken, dass er im letzten Wahlkampf mehr Spenden von später zusammengebrochenen und dann von ihm "geretteten" Banken erhielt als alle republikanischen Herausforderer zusammen.

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  9. Die Bankenrettung war richtig & wichtig.

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  10. Naja, heute ist es schwer, schon über die Wahl zu spekulieren. Ich glaube auch nicht, dass es nur um Kohle geht. Schließlich wird selbst ein gemäßigter Republikanerkandidat die Tea-Party-Wähler haben wollen. Also wird er auch in die Richtung rücken müssen.

    Und für mich die interessantere Frage ist eigentlich, wie Obama den Wahlkampf führen wird. Setzt er auf die rationale vernünftige Kompromisshaltung oder doch eher kämpferisch? Ich persönlich glaube ja, dass letzteres eher erfolgversprechend wäre, weiß aber nicht, ob Obama der Typ dafür ist.
    Stefan, gibts dazu vielleicht auch noch einen Artikel? Du kennst dich doch da aus^^

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  11. Ich denke er machts vom Gegner abhängig, anders geht es kaum. Wenn er gegen Romney antritt, muss er sich etwas kämpferischer geben, da kommt er nicht rum. Wenn er gegen ne Tea-Party-Spacke antritt, dann wird er voll auf die Mitte gehen.

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