Mittwoch, 4. November 2020

Kontakt-Kontingente - ein Weg aus dem Lockdown?

 

Ein Gastartikel von Marc Schanz

Es sind nur weniger Monate, gefühlt jedoch leben wir schon einige Jahre mit dem Corona-Virus. Es zwingt uns ein ungewohnt steriles Leben auf. Wir müssen eine Balance finden, zwischen beruflichen und familiären Anforderungen, Kontakten unter strengen Hygienevorschriften oder doch besser eines völligen Kontaktverzichts. Dieses merkwürdige Schauspiel der Corona-Pandemie hat Tomas Pueyo poetisch gelungen als Tanz beschrieben. Ein Lockdown hingegen ist für ihn der Hammer. Um im Bild zu bleiben, die 2. Welle hat uns aus dem Tritt gebracht, straucheln lassen und wir sind ganz schön heftig auf dem Tanzboden aufgeschlagen. Jetzt muss noch einmal der Hammer heraus geholt werden, ein zweiter Lockdown ist unausweichlich. Warum nur war unser Tanz so kurz? Gibt es vielleicht eine andere Bewegungsform, die besser zu uns passt und die uns vor dem Hammer bewahren kann?

Idee

In der Pandemie dreht sich alles um die sozialen Kontakte. Sie sind für das Infektionsgeschehen maßgeblich. Je öfter sich Menschen treffen und je größer die Gruppen dabei sind, desto heftiger die Ausbreitung. So einfach ist das. Wäre es daher nicht wunderbar, es gäbe eine Möglichkeit, die sozialen Kontakt stufenlos zu regulieren und so dem Infektionsgeschehen anzupassen? Die Lösung wäre eine Art Kontakt-Kontingent, über die jeder verfügen könnte. Diese Idee ist einfach, die entscheidende Fragen ist: Wie kann man so etwas umsetzen, so dass jeder auch bereit ist, dabei mitzumachen? Da gibt es nur eine Antwort: Die Corona-Warn-App bzw. deren technische Infrastruktur! Jetzt wird die Idee richtig spannend. Die weiteren Details ergeben sich fast von selbst. Die Gesundheitsämter wären die Instanz, welche das Kontakt-Kontingent für ihren Bereich festlegen würden. Jeder öffentliche Kontakt, sei es ein Besuch eines Konzert, eines Restaurants oder die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, wird der App gemeldet und sie zieht entsprechend Punkte vom Kontingent ab. Die Höhe einer solchen Abbuchung kann sich an einer Risikoklassifizierung orientieren: Der Besuch eines Fußballstadions verbraucht demnach einen Großteil des Kontinents, während das Stöbern in einem kleinen Buchladens das Punktekonto kaum belastet. Die Vorteile liegen auf der Hand. Jeder kann selbst für sich entscheiden, wie er sein Kontingent einsetzt. Habe ich diese Woche gespart, kann ich mir ein Restaurant-Besuch erlauben. Ist es fast bei Null, ist nur noch ein Anruf beim Lieferservice möglich, wenn die eigenen Kochkünste einen dazu zwingen. Ist das Kontingent aufgebraucht, kann die erzwungene Kontaktreduzierung mit einer Quarantäne für den öffentlichen Bereich verglichen werden. Die Koppelung mit der Corona-Warn-App und das Anmelden bei einem Kontaktereignis ermöglicht auch eine Benachrichtigung, falls während des Kontakts ein Superspreader Event statt fand.
Auf der anderen Seite bedeutet das, jeder kann wieder öffnen, sei es Händler, Musiker oder Verein. Es sind nicht mehr Behörden, die festlegen, wer öffnen darf und wer nicht, sondern es besteht wieder eine Konkurrenz, die allerdings durch das Kontakt-Kontingent von den Behörden reguliert wird. Aufgrund der aktuellen Gefahrenlage kann das jeweilige Gesundheitsamt die Kontakt-Kontingente vergeben und das Kontaktgeschehen steuern. Die Entscheidung, welche Kontakte getätigt werden, verbleibt jedoch eine individuelle. Da die Verwaltung des Kontingents auf einer datenschutzkonformen Plattform erfolgt und dabei keine personenbezogenen Daten ausgetauscht werden, sollte es keine Akzeptantiprobleme geben.
Eine Interessante Option wäre, verschiedene Kontingente anzubieten: Kurzfristig mit vielen Punkte oder ein langfristiges mit weniger Punkten. Dadurch wird die Pandemie auf Kosten einer kontrollierten Kontaktreduzierung auch längerfristig planbarer. Möchte ich an einem unheimlich tollen Konzert teil nehmen, das noch etwas in der Zukunft liegt, muss ich mir das mit einer Kontaktreduzierung erst ersparen.

Offline

Eine Lösung darf nicht nur auf der obligatorischen Nutzung einer App basieren. Wer gewohnt ist, ständig online zu sein, dem fällt jedoch das Offline-Denken zunehmend schwer. Zum Glück gibt es die Offline Version bereits. Das wären die Papier und Bleistift Kontaktlisten. Sie sollten ebenfalls kontingentiert werden und müssten entsprechend gering ausfallen, um die Steuerungswirkung der per App kontrollierten Kontingente nicht zu verwässern.

Hürden

Die technischen Hürden sind gering, da bereits aufgrund der Warn-App eine einsatzfähige Infrastruktur aufgebaut wurde. Die Erweiterungen sind geringfügig. Die juristischen Stolpersteine dürften schwerer aus dem Weg zu räumen sein, aber auch diese sollten kein unüberwindlich Hindernis darstellen. Vielleicht wäre auch eine freiwillige Selbstverpflichtung ausreichend, um das Kontakt-Kontingent einzuführen. Das größte aller Probleme wird die Zeit sein, denn eine Pandemie mag keine Entwicklerpausen.

Fazit

Es ist nur eine unausgereifte Idee, die noch Einiges an Feinschliff benötigt. Es gibt bereits Vorschläge, die Corona-Warn-App weiter zu entwickeln. Vielleicht lässt sich dieser Ansatz damit kombinieren oder es entwickelt sich eine eigene App daraus. Bisher konnte die Corona-Warn-App ihre Stärken noch nicht ausspielen und somit ihrer Rolle als Hoffnungsträger noch nicht gerecht werden. Eine Weiterentwicklung der Warn-App mit einem Einbuchungs-System in Verbindung mit einem je nach örtlicher Inzidenz angepassten Kontakte-Kontingent, könnte der entscheidende Schritt sein, den Tanz mit dem Virus solange fortzuführen, bis der rettende Impfstoff aus der gefährlichen Pandemie eine harmlose Infektion macht. Das wäre immerhin ein Hoffnungsschimmer. Jeder vermiedene Lockdown reduziert Leid und Kosten. Eine verbesserte Corona-Warn-App mit neuen Features könnte hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Das Highlight an dieser Idee ist aus meiner Sicht, dass dieser spielerische Umgang mit der Pandemie sowohl den zockenden Nerd als auch den kleinkarierten Erbsenzähler anspricht. Daher möchte ich mit den Worten schließen: Ich will diese App ;)

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