Samstag, 3. Februar 2007

Onward, christian soldiers...

Es würde mich nicht wundern, wenn bald zum neuen Kreuzzug in die von den muselmannischen Ketzern besetzte Wiege der Christenheit aufgerufen wird - oder so ähnlich. Wie bereits berichtet, liebt es Henryk M. Broder, Rechtsstaat, Menschenrechte und Meinungsfreiheit für nichtig zu erklären und sich generell so zu benehmen, als sei nur er im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit. Besonders gerne stellt er sich auf die Seite von Rechtsextremisten (offiziell sind sie das natürlich nicht, aber die Positionen passen) wie Honestly Concerned. Nun hat sich jemand gegen den allgemein grassierenden Wahnsinn zu Wort gemeldet, der glücklicherweise (noch) relativ gefahrlos Israel kritisieren darf: ein Jude. Zwar wird denen mittlerweile auch manchmal Antisemitismus unterstellt, wenn sie Israel kritisieren, aber meistens ist die Journaille noch schlau genug, diesen Unsinn in Druckform bleiben zu lassen. Bei dem Kritiker handelt es sich übrigens um Alfred Großer, heute 84, der sich stark für die deutsch-französische Verständigung engagiert hat. In der taz kritisiert er heftig die Auszeichnung Broders mit dem Ludwig-Börne-Preis für den besten Onlinejournalismus. Es ist schon eine besondere Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet das HB-Männchen, das behauptet, das Internet mache doof, zum besten Internetjournalisten gekrönt wird - quasi zum König der Doofen, wie Arne Hoffmann richtig analysiert.
Ludwig Börne übrigens war ebenfalls ein reichlich liberaler Zeitgenosse, was es noch unverständlicher macht, dass ausgerechnet Henryk M. Broder mit einem Preis ausgezeichnet wird, der seinen Namen trägt. Eigentlich müsste er ihn vor Scham irgendwo verstecken, aber dafür hat Broder wahrscheinlich weder den Intellekt noch das Niveau. Aber zum taz-Artikel.
Dass der Börne-Preis in diesem Jahr von Focus-Herausgeber Helmut Markwort im Alleingang an Henryk M. Broder verliehen wurde, spricht dem Namensgeber dieser Auszeichnung doppelten Hohn. Denn Ludwig Börne war ein glühender Verfechter der Pressefreiheit und sprach und schrieb davon, dass alle Menschen gleich seien - und auch gleich in ihrem Leiden anzuerkennen seien. [...] Helmut Markworts Entscheidung, Henryk M. Broder den Börne-Preis zu verleihen, missachtet [den] Humanismus. Er beleidigt damit jene Grundwerte, aufgrund derer Ludwig Börnes Name 1832 beim Hambacher Fest mit Begeisterung gefeiert wurde. Diese Werte bildeten die Basis der ersten deutschen Verfassung, die 1848 in der Frankfurter Paulskirche beschlossen wurde. Mit der diesjährigen Feier zur Verleihung des Börne-Preises in der Paulskirche wendet man sich von ihnen ab.
Welchen Wahnsinn dabei die hysterische Antisemitismus-Debatte gelegentlich (eigentlich: häufig) hervorruft, sieht man an diesem Beispiel:

Welches Verständnis der Focus von Pressefreiheit hat, durfte ich selbst einmal erleben: In einer Rezension, die von der Redaktion angefordert worden war, schrieb ich, dass ein Deutscher heute schnell Gefahr laufe, als Antisemit abgestempelt zu werden, wenn er auf das schlimme Los der Einwohner von Gaza, des Westjordanlands oder Ostjerusalems hinweist. Und ich lobte das Buch "Ich will nicht mehr schweigen. Über Recht und Gerechtigkeit in Palästina" von Rupert Neudeck, in dem dieser die israelische Besatzungspolitik kritisiert.

Wegen dieser Passage durfte die Rezension nicht erscheinen. Und Rupert Neudecks Buch konnte in Frankfurt nicht vorgestellt werden, weil die evangelische Kirche den dafür vorgesehenen Saal plötzlich nicht mehr zur Verfügung stellen wollte. Zuvor hatte der Frankfurter Historiker Arno Lustiger seine Freunde aufgerufen, die Veranstaltung, die israelische Fahne schwingend, zu stürmen und zu sprengen. Das mag nicht die gleiche Qualität haben wie die Absetzung der "Idomeneo"-Oper in Berlin. Aber es zeugt von der gleichen Verneinung eines freiheitlichen Geists.

Und des gesunden Menschenverstandes.

2 Kommentare:

  1. Die Preisverleihung halte ich auch für besorgniserregend. Man könnte das so deuten, als ob sein Treiben relativ breite Anerkennung findet. Dafür spricht leider auch der relativ große Erfolg seines Hurra-Machwerks.

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  2. Der Erfolg seines Machwerks ist vor allem durch den latenten Rassismus im Bürgertum bedingt, der solche Ergüsse besonders beklatscht. Arne Hoffmann schrieb mal was von "Ausländerhetze auf akademisch" und das passt IMHO auch. Denn das Bürgertum war nie links und wird auch nie links, sondern immer einen Drall ins rechte Lager haben, wo die eigene Spießigkeit Anklang findet.

    Gruß

    Alex

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